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Wochenblatt ' für - Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für die König!. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Gerichtsamt und den Stadtrath zn Wilsdruff. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei mal, Dienstags u. Freitags und kostet pro Quartal 1 Mark. — Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag 12 Uhr. 46. Dienstag, den 12. Juni L877. Das 8. Stück des Gesetz- und Verordnungsblattes für das Königreich Sachsen vom Jahre 1877 enthält: No. 43. Bekanntmachung, eine Anleihe des Zwickau-Oberhohndorfer Steinkohlenbau-Bereins betreffend; vom 7. Mai 1877. No. 44. Bekanntmachung, die Richtungslinie der Verbindungsbahn Bischofswerda-Neukirch betreffend; vom 9. Mai 1877. No. 45. Verordnung, eine Confirmatiönsordnung betreffend; vom 12. Mai 1877. No. 46. Verordnung, die Festsetzung der Hauptmarktorte für die Lieferungsverbände, die Veröffentlichung der ermittelten Durchschnitts preise für Marschfourage und den Liquidations-Modus über Vergütung der letzteren betreffend; vom 22. Mai 1877. No. 47. Verordnung, das Verfahren bei Aufstellung von Anlagenregulativen und Beschwerden gegen die Einschätzung zu den Kirchen- und Schulanlagen betreffend; vom 24. Mai 1877. Gedachtes Stück des Gesetz- und Verordnungsblattes liegt in hiesiger Raths-Expedition znr Einsicht aus. Wilsdruff, am 7. Juni 1877. Der Stadtgemeinderath. - Ficke». Die diesjährigen Grasnutzungen auf der Vogelwiese und rechts und links an der Tharandter Straße und den Stadtgräben sollen Sonnabend, den 16. dieses Monats, Nachm. 5 Uhr, an Ort und Stelle unter den daselbst gestellt werdenden Bedingungen meistbietend verpachtet werden. Sammelplatz am Schießhaüse. Wilsdruff, am 11. Juni 1877. Der Stadtgemeinderath. Ficke», Brgmstr. Der sächsische Landtag. Nach den Bestimmungen der für das Königreich Sachsen gel tenden Verfassungsurkunde tritt der sächsische Landlag alle zwei Jahre zusammen, um in erster Reihe den Staatshaushalt für die zwei jährigen Finanzperioden festzustcllen. Seit einer langen Reihe von Jahren ist von der Negierung in Rücksicht auf die Landwirthschast der Gebrauch festgehalten worden, den Landtag im Herbst, nach be endigter Ernte, einzubcrusen und so wird es wohl auch dieses Mal der Fall sein, so daß die Eröffnung der betr. Verhandlungen wohl kaum vor October zu erwarten steht. Vorher haben bekanntlich noch die Neuwahlen von 37 Abgeordneten, eines Drilttheils der zweiten Kammer, zu erfolgen und auch in der ersten Kammer sind verschiedene Ergänzungen vorzunehmen. Die großen politischen Ereignisse und Umgestaltungen im Reich haben im Lause der letzten Jahre das öffentliche Interesse an den Particular-Landtagen abgeschwächt und in den heutigen Tagen folgt das große Publikum mit Aufmerksamkeit nur den Berathungen im Reichstag, da man Vie Ueberzeugung hegt, daß dort gewissermaßen das Herz der Nation sei und von dieser Stelle das Glück und Wohl ergehen des Volkes kommen müsse. Viel zu diesem thatsächlichen Berhältniß haben die parlamentarischen Verlretungskörper der Einzel staaten selbst beigetragen, indem sie durch einen überaus schleppenden Geschäftsgang die öffentliche Theilnahme an ihren Verhandlungen verminderten, während der Reichstag seine Mitglieder an eine strenge und flotte Arbeitsleistung gewöhnt hat. Bei alledem können wir es indessen nur als einen schwerwiegenden Fehler bezeichnen, wenn man den Einzellandtagen nur noch eine ganz unwesentliche und unge ordnete Bedeutung zulegen will, und wir müssen dringend davor warnen, diese Anschauung bei den Ergänzungswahlen zum sächsischen Landtage durch eine mehr oder minder große Wahlenthaltuug zum Ausdruck zu bringen. Int Gcgcntheil, es muß Alles geschehen, damit die liberale Partei in der zweiten Kammer, die ohnehin einen mächtigen Gegner in der meist aus Ultraconservativen zusammengesetzten ersten Kammer zu bekämpfen hat, nicht an ihrer Stärke verliere, sondern dieselbe vermehre. Es sind vor Allem wichtige finanzielle Fragen, welche den be vorstehenden sächsischen Landtag beschäftigen werden. Schon im letzten Landtag war es kein Geheimniß mehr, daß der Stand der sächsischen Staatsfinanzen einen harten Stoß erlitten halte und daß es einer Erhöhung der Steuerlast bedürfe, um das Gleichgewicht im Staatshaushalt wieder herzustcllen. Diese Steuererhöhung ist denn auch dem Lande durch die Einkommensteuer aufertegl worden, eine Steuer, die sich noch im gegenwärtigen Jahre den Steuerzahlern sehr fühlbar machen wird. 'Nach Informationen von unterrichteter Seite unterliegt es keinem Zweifel, daß die Einnahmen der sächsischen Staatsverwaltung in den letzten zwei Jahren weitere Rückschritte ge macht haben und daß namentlich auf den Gebieten der Staatseisen bahnen und der Staatsforsten, den zwei bedeutendsten Einnahme quellen des Landes, wesentliche Verringerungen gegen die Voranschläge im Budget eingetreten sind. Es widerstrebt unserer Natur, aus ein mal Geschehe,!^,, und Unwicderruflichem, nachdem cs gesetzliche Gestalt erlangt, noch fernerhin Vorwürfe und kritische Bemerkungen abzuleilen, da der Wille der Majorität im parlamentarischen Leben berechtigten Anspruch auf Beachtung hat, indessen die eine Bemerkung glauben wir nicht ganz unterdrücken zu sollen, daß im nächsten Landtag schon der mit so großer Eile vor zwei Jahren abgeschlossene Ankauf der Privatbahnen seitens des Staates als ein sehr bedenklicher Fehler herausstellen wird. Es wird sich unter solchen Umständen unbedingt darum handeln müssen, für die verschiedenen Zweige der Staatsver waltung die Grundsätze strenger Sparsamkeit und größter Einschränkung zur Geltung zu bringen. Die Steuerzahler haben bei der gegen wärtigen Ungunst der Erwerbsverhältnisse ein Recht daraus, daß ihnen nicht mehr Abgaben abverlangt werden, als unbedingt zur Weiterführung nöthig sind. Neuforderungen, wie die bereits an gemeldete Errichtung kostspieliger Bauten für die Gesandtschaft in Berlin, werden nach unserem Dafürhalten nur bewilligt werden können, wenn ihre volle Nothwcndigkeit nachgewiesen ist. Damit der Land tag jedoch in die Bahnen einer solchen Politik der Zurückhaltung ein- lenke, dazu bedarf es der Wahl von Männern, die frei und unab hängig von der Regierung sind, und die bei jeder Geldforderung zunächst sich fragen, ob das Interesse der Steuerzahler damit vereinbar ist. Mögen die Wähler des Landes, wenn der Ruf zur Wahl au sie ergehet, diese Mahnung vor Augen haben. Thun sie das nicht, nun dann werden die Folgen seiner Zeit sich ihnen ganz gewiß sehr fühlbar bemerklich machen. Tagesgeschichte. Eine seltsame Kunde war es, die in der verflossenen Woche die Presse durchlief und stellenweise, namentlich an den Börsen Europas Glauben sand, wenn sie auch der Diplomatie wohl nur ein ungläubiges Lächeln abzuringcn vermochte — die Nachricht, daß Czar und Sultan bereits des Haders müde ihren harten Sinn zu erweichen und in Friedensunterhandlungen einzutreten bereit wären. So unglaublich es klang, daß in den ersten Anfängen eines von langer Hand her herausheschworenen Konfliktes, ehe noch irgend eine Entscheidung er folgt, ja ehe noch die eigentlichen Operationen begonnen, während die Montenegriner noch kaum mehr als einige hundert abgeschnittcne Türkenköpfe aufzuweisen und die Russen nur erst eine einzige eroberte Stadl durch Plünderung und Schändung mit dem Zauber der russischen Kulturmission im Osten vertrant gemacht hatten, so unglaublich es klingen mochte, daß man jetzt schön mit billigen Zugeständnissen sich für die riesigen Opfer und Anstrengungen würde entschädigen lassen, so fanden sich doch nicht nur Gläubige, sondern auch Verfechter der Friedensbotschaft. Man wies auf die Schwierigkeiten hin, die Rußland bei dem Vorspiel des Krieges, dem Aufmarsch an der Donau, zu überwinden gehabt und daß es wohl mit Recht sich scheue, alle die Kalamitäten die seiner Armee durch mangelhafte Verpflegung und Strapazen aller Art nach Ueberschrcilungen der Donau in Aus sicht ständen, die Stirne zn bieten; man führte an, das große Er- rungenfchaflen keinensalls der Lohn so gewaltiger Anstrengungen würden sein können, und daß cs den Russen daher erwünscht sein müßte, sich auch jetzt noch mit Anstand aus der Affaire ziehen zu können. Das Trügerische dieser Voraussetzungen zeigte sich bald. Es stellte sich heraus, daß die offiziösen Artikel, welche zuerst die Fricdensschalmcien angestimmt hatten, nur die Bereitwilligkeit Rußlands hatten andeuten sollen, noch diesseits des Balkans Halt zu machen. Es ist allerdings nicht unwahrscheinlich, daß es schon im Herbst dieses Jahres zu Unterhandlungen kommt. Und Rußland wird dann Zeit und Mnße haben, seine diplomatischen Jntriguen spielen zu lassen. Ais zum Herbste dürste es Bulgarien erobert resp. besetzt und die Festungen zernirt, vielleicht auch die kleineren von ihnen bereits er obert haben. Daß aber an ein Ueberschreiten des Balkans schon in diesem Jahre nicht zu denken ist, wird wohl allseitig anerkannt; während des Winters verbietet sich jedes derartige Unternehmen von selbst, und die Russen würden sich auf die Belagerung der Festungen zu beschränken haben. Diese Pause in den Operationen im Felde ist wie gemacht für die Thätigkeit der Diplomatie; von ihrem Verlauf