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Die „Dttendorfcr Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen i,20 Mark. Druck und Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi, vormittag m Uhr. Inserate werden mit p Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Okrilla. Nr. 155. Mittwoch, den 30. Dezember 1903. 2. Jahrgang. Mittwoch, den 30. Dezember 1903, AW- abends 8 Uhr "WU öffentliche Gemeinderatsschung. Ottendorf-Moritzdorf, den 28. Dezember 1903. Der Gemeindevorstand. Oertliches und Sächsisches. Gttendorf-Vkrilla, 29. Dezember 1903. — Vom 1. Januar 1904 ab sind bei der hiesigen gemeinsamen Gemeindekrankenver sicherung für Ottendorf und Umgebung die beiden hiesigen Aerzte Herr Dr. med. Theurich Radeburgerstraße 88 b und Herr Dr. Med. Kletkamp, Kirchstraße 37 C, als Kassenärzte zugelaffen und steht es von diesen Tage ab den Mitgliedern frei, in Krankheitsfällen den einen oder den anderen Arzt zuzuziehen. — Die Sächsischen Staulseisenbahnen treten in das Jahr 1904 mit einer Gesamtlänge von 3841 Kur ein, die unter ihrer Verwaltung stehen, davon kommen auf die Staatsvahn selbst 3148 km, auf die Privatbahnen unter Staatsverwaltung 41 km, auf die Kohlen- und Industriebahnen für nichtöffentlichen Ver kehr 52 Irin. Die StaalSeisenbahnen im Bau oder zum Bau genehmigt hatten eine Länge von 172 km, davon 67 Kin vollspurig, 92 km schmalspurig, von den elektrischen Straßenbahnen die Linien Dresden — C tta — Niederwartha — Kötzschenbroda eine solche von 11 km. Am 1. November 1903 waren im Dienst 15 076 Beamte, 1713 Aspiranten und Diätisten, 25726 Arbeiter, zusammen 42515 Köpfe. Bahnhöfe waren 240, Halte» und Ladestellen 425, Haltepunkte 188 vorhanden, zusammen 853 Verkehrsstellen Der Wagenpark bestand am 1> Oktober 1903 aus 1410 Lokomotiven, 909 Tendern, 1 Motorwagen, 3512 Personen wagen, 611 Zugführerwagen, 11229 bedeckten, 3889 offenen Güterwagen, zusammen 31779 Stück- Die Personenwagen hatten 169938 Sitzplätze, die Anschaffungskosten beliefen sich auf 174094590 Mark, davon entfallen auf die Lokomotiven und Tender 64391 559 Mk., auf dw Personeiuvagen 31542839 Mark, aus die Güterwagen 78160192 Mark. Das Heizmaterial erforderte einen Aufwand von 7823 728 Mark- Dresden- Die Königliche Generaldirektion der sächsischen Slaatseisenbahnen hat dem Wärterstellvertceter Paul Ernst Hendel in Neumark für die Entdeckung und Beseitigung eines den Eisenbahnbetrieb gefährdenden Hinter- nisses zwischen N umark und Reichenbach i. V. am 19. August d. I. unter Anerkennung seiner Umsicht eine Geldbelohnung bewilligt. — Durch das Eindringen eines irrsinnigen Studenten der Philosophie Gähde aus Charlotten burg, der in Kiel seinen Studien obliegt und während der Festtage seine hier in der Anton stadt wohnende Großmutter besuchte, in die Zimmer zweier im Hotel zum „Frankenbräu" Bautznerstcaße abgestiegenen Gräfinnen Goertzen aus Görlitz sind am ersten Feiertag früh gegen 4 Uhr die Hotelbewohner in höchste Aufregung versetzt und die Gräfinnen samt dem Wirt in Todesgefahr gebracht worden. Der 22 Jahre alte Student, ein kräftig gewachsener Mann, war von seiner Großmutter in dem Hotel einige Tage zuvor einquartiert worden und hatte am heiligen Abend im Kreise ferner Verwandten, die ebenfalls bei der Großmutter zu Besuch weilten, der Bescherung beigewohnt. Nach derselben war er ohne sichtliche Erregung in das Hotel zurückgekehrt. Am ersten Feier tag früh 4 Uhr war er wohl durch das Fest- tagögeläute aus dem Schlafe geweckt worden und hatte sofort Zeichen des plötzlichen Irrsinns von sich gegeben. Durch dieselben waren die erwähnten nebenan wohnenden Gräfinnen er wacht. Die Situation erkennend, hatten sie die Hotelangestellten mittels Klingel alarmiert. In demselben Augenblick hatte aber auch schon der furchtbar erregte Kranke unter gräßlichem Ge schrei die nach den nebenan liegenden Zimmern führende Tür erbrochen und sich sogleich ans die hochbetagte Gräfin gestürzt. Die im Neben- simmer weilende Schwester eilte zu Hilfe, aber trotz alledem überwältigte der tobende Unglück liche sehr bald sein Opfer und setzte sich auf ihren Körper. Er schlug nun unter fortwähren dem Rufen: „Du Schlange, Du mußt sterben!" mit seinen Fäusten auf die wehrlose Dame ein, bis sie die Besinnung verlor und er ihr am Kopfe schwere Verletzungen die eine Operation erheischten, b igebracht hatte. Noch im ent scheidenden Augenblick batte der Wirt in seinem Schlafzimmer die Hilferufe mit seiner Frau vernommen und war sogleich nach dem Zimmer, wo sich der Kampf abspielte, geeilt. Mit Auf bieten aller seiner Kraft gelang es ihm auch, den gefährlichen Kranken von seinem Opfer abzubringen. In dem nächsten Augenblick fiel aber auch der immer wütender um sich schlagende Irre mit aller Gewalt über den Wirt her, bis es diesem nach harten und verzweifeltem Ringen gelang, den Angreifer kampfunfähig zu machen und zu Boden zu werfen. Dem be herzten Wirt wurde bei diesem nächtlicher, Kampfe auf Leben und Tod ein Glied des rechten Daumens völlig abgebifsen. Der Irre ver- schluckle das Stück Finger. Durch das unter dessen herbeigekommene Hotelpersonal war es nunmehr möglich geworden, den Kranken in einem Zimmer so lange gefangen zu halten, bis weitere Hilfe an Ort und Stelle war. Bis zum Eintreffen derselben schlug aber der wütende Mann alles kurz und klein und ver letzte sich selbst am Körper. Sämtliche Hotel gäste waren durch diesen Vorgang in höchste Erregung versetzt worden. Der schwerverletzten Gräfin wurde sehr bald ärztliche Hilfe zu teil. Auch nahmen sich ihrer die Wirtsleute überaus fü,sorglich an. Die hinzugeholten Polizisten, denen sich der Irre anfangs ebenfalls entgegen warf, überwältigten denselben, hüllten ihn in eine Decke, die sie fest mit Stricken umschlangen, und brachten ihn nach dem Siechenhause. Der Unglückliche ist dem religiösen Wahnsinn ver fallen. Er enthielt sich, da sein Vater an einem Gehirnleiden verstorben ist, jeden Alkohol genusses. Das Befinden der alten Gräfin, die mit ihren Schwestern bei einer Freuudin hier sorgsame Pflege gefunden hat, ist ein zufrieden stellendes- Sie schwebt nicht mehr in Lebens gefahr. Der für sein mutiges Verhalten be sondere Anerkennung verdienende Wirt wurde sogleich in der Diakonissenanstalt ärztlich be handelt. Radebeul. Auf dem Wege nach Box- dorf wurde der Privatus Albert Orlopp tot aufgesunden. Eine Herzlähmung hatte seinem Leben ein jähes Ende bereitet. Schänd n u. Montag früh 1/^4 Uhr ließ sich 300 Nieter vor dem Krippener Bahnhof ein junger Mann aus Chemnitz von dem Dresden —Bodenbacher Schnellzug überfahren. Oberlichtenau. Dem Veteran Wilh. Gräfe hier wurde ein Geschoßsplitter, von der Schlacht bei Se'an herrührend, durch Dr. med. Kreyßig aus der rechten Hand geschnitten. Gräfe bezieht seit dem Kriege Invalidenrente, da ihm ein Finger dieser Hand durch den Schuß ver loren gegangen ist. Crimmitschau lieber die Berliner Beiträge für die ausständigen Weber in Crimmitschau quittierte der „Vorwärts" am Donnerstag die Summe von 17027,21 Mk. An anderer Stelle schreibt das sozialdemokratische Blatt über die Berliner Sammlungen für die Crimmitschauer, die Existenz der Ausständigen Produktenprerse. Dresden 28. Dezember. Stimmung: Ruhig. Weizen, pro 1000 k§ netto: Weißer, neuer, 156—164, brauner, neuer, 76—78 KZ, 151 bis 155, russischer, rot, 175—182, amerikanischer Spring , do Kansas 179 bis 184, do. weißer — — —. Roggen, pro 1000 KZ netto: sächsischer, alter, 74—76 k^. 126 — 128 do neuer, 72—73 KZ, 126—128, preußischer 136—139, russischer 137—141. Gerste, pro 1000 kA. netto: sächsische 142—152, schle sische und posener 150 155, böhmische und mährische 155—175, Futtergerste 115—130. Hafer, pro 1000 k^ netto: inländischer, alter, 136—140 do. neuer, 121 — 126, russischer, neuer 126—132. Mais, pro 1000 kx netto : Cinquantine 138 — 143, rumänischer grobkörnig, 136—140 ungarischer Gelbzahn — , Wicken, pro 1000 kx netto, 140 — 150. Buch weizen, pro 1000 k§ netto: inländischer und fremder 140—148. Oelsaaten,pro 1000kx netto: Winterraps, sächsischer, trocken, 190 bis 200, do. feucht 168—178 Leinsaat, pro 1000 kz netto: feinste, besatzfreie 215—220, feine 200—215, mittlere 190—200, Laplata, 180—190, Bombay 200—210. Rüböl, pro 100 kx, netto mit Faß, rasfinirtes 51. Raps kuchen, pro 100 k§, lanw 10,50, runde 11,00. Leinkuchen, pro 100 kA, 1. 15,50, 2. 14.50. Malz, pro 100 KZ netto ohne Sack 25—29. Futtermehl 12,40—12,60 Weizenkleie, pro 100 k§ netto ohne Sack, grobe 9,00—9,20, feine 8,80—9,00. Roggen kleie, pro 100 kK netto ohne Sack 9,80—10,00. (Feinste Ware über Notiz.) Die für Artikel pro 100 k§ notirten Preise verstehen sich für Geschäfte unter 5000 k§. Alle anderen Notirungen, einschließlich der Notiz für Malz, gelten für Geschäfte von mindestens 10000 kx ei bis Mitte Februar schon jetzt gesichert: Die „Arbeiter sind die Sieger in diesem Kampf", zeigt es dann weiter, „daran gibt's nichts mehr zu drehen und zu deuteln! Sie werden icht bedingungslos wieder in dis Fabriken zurückkeh-en: aber sie werden über die Beding ungen mit sich reden lassen, wie sie es von Anfang an, die Fabrikanten aber leider nicht getan haben! Welche Bedingungen die Arbeiter 'teilen werden, können wir freilich nicht voraus agen. Wir dürfen und werden ihnen darüber auch keine Vorschriften machen. Plauen i. V. Hier ist die Gründung eines Vereins im Gange, dessen Zweck ist, gegen unlautere Grundstücksspekulationen und unsolide Bauunternehmer Stellung zu nehmen und Maßnahmen zu treffen, die Baulieferanten und Bauhandwerker zu schützen. Aus der Woche. Das Weihnachtsfest nach deutscher Art wird nur noch bei unsern nordischen Stammes brüdern und seit einigen Jahrzehnten auch als Christmas bei den Engländern gefeiert. Man sollte meinen, daß das schöne Fest überall die gleiche friedliche und versöhnliche Stimmung Hervorrufen müßte und daß sich diese auch auf die Gesinnung gegenüber andern Nationen über tragen würde; aber weit gefehlt: Gerade in diesen Tagen trat in England nationaler Dünkel, überreizte Empfindlichkeit und Undankbarkeit in geradezu fieberhafter Weise in die Erscheinung, weil Kaiser Wilhelm vor einigen Tagen in Hannover an die geschichtlich feststehende Tat sache erinnert hat daß Blüchers Eingreifen bei Waterloo d S englische Heer unter Welling ton vor der gänzlichen Vernichtung gerettet habe. Es ist bekannt, daß Wellington später, als er Minister war, die tatsächlichen Vorgänge direkt auf den Kopf gestellt hat, indem er keck behauptete, die Schlacht bei Waterloo hätte er bereits siegreich beendet gehabt, als die „Preußen" unter Blücher auf dem Schlacht- feldc eintrafen. Nun gilt aber Welligton seinen Landsleuten soviel wie ein National heiliger, wenngleich er als Heerführer ebenso herzlich unbedeutend wie immer glücklich war. Er verstand es, sich feste Stellungen auszu suchen und sich angreifen zu lassen; er selber hat nie angegriffen, am wenigsten bei Waterloo, und dort wäre er sicher zum ersten- male den Franzosnn gänzlich unterlegen, wenn nicht Blücher mit den Seinen der Schlacht die weltgeschichtlich entscheidende Wendung gegeben hätte. Aber so etwas laßen sich die Engländer nicht gern sagen und daher ihre erneute Wut gegen den deutschen Kaiser. Die letzte Zeit vor dem Feste wurde zudem durch den drohenden japanisch-russischen Krieg beunruhigt, bei dem selbstverständlich der Verbündete Japans, näm lich England, die zweideutigste Rolle spielt. Alls telegraphischen Verbindungen mit dem fernen Osten liegen in englischen Händen, alle aus Ostasien kommenden Berichte sind englisch gefärbt. Man kann daher ein objektives Bild über die Sachlage nicht gewinnen, zudem die russischen und japanischen Staatsmänner die Ergebnisse ihrer Beratungen geheim halten. Für England scheint es sich in erster Linie darum zu handeln, sein neuerliches Treiben gegen Tibet zu bemänteln, die Aufmerksamkeit davon abzulenken. Aber es muß beachten, oaß das Ziel der englischen Expedition in Tibet, Lhassa, für die 500 Millionen Bud dhisten, das ist, was Rom für die katholische, Mekka für die mohammedanische Welt ist. Dort residiert der Dalai-Lama, der fortgesetzt wieder geborene Buddha selbst, der dessen ErlösungS- wsrk fortsetzt. Die Chinesen, die die Oberherren Tibets sind, richten nach dem Ableben des Dalai-Lama ihr Augenmerk stets darauf, daß beim Kmdersuchen nach einer nenen Verkörperung Buddhas, immer nur ein Kind aus einer der chinesischen Mandschu-Dynastie treu ergebenen Familie gefunden und anerkannt werde. Und wenngleich der Dalai-Lama nicht diejenige Ge walt über seinen Klerus hat wie der Papst, so ist sein Einfluß doch groß genug, um überall die Buddhisten für sich zu entflammen. Nun leben aber allein in Ostindien neben nur 2 Millionen Christen etwa 4 Millionen Bud« shisten und die Herrschaft der Eugländer dort ist nicht so über allem Zweifel fest, daß es sich empfehlen könnte, eine so starke Bevölkerung durch einen Angriff auf die ihr heilige Stadt zu reizen. Da nun vollends auch Rußland in Sibirien 300 000 buddhistische Untertanen hat, so wird man begreifen, daß es deren religiöse Jnüressen verlritt, wenn es sich gegen den Vor marsch der Engländer gegen Lhassa ausspricht. Zwar hat es die Gelder der armenischen Kirche in die eigene Hosentasche verschwinden lassen; aber das ist ganz etwas anderes; denn kein vernünftiger Mensch wird behaupten wollen daß Armenier und Buddhist ein und dasselbe sei. Rußland und alle Staaten, die nach seinem Kalender rechnen, feiern das Christfest um zwei Wochen später wie wir und bei ihnen beginnt jetzt erst das große Reinemachen. Peter von Serbien muß sich von seinen verhätschelten Königsmördern trennen und deren Oberster, Maschin, der zärtliche Schwager der toten Draga, sieht selbst die Notwendigkeit ein, für einige Zeit in die Versenkung zu verschwinden. Ec bringt die Ueberzeugung davon auch tee löffelweise seinen teuren Mordgenossen bet und möglicherweise können die fremden Gesandten Vas orchodoxe Weihnachtsfest im Konak zu Belgrad feiern, ohne mit den Leuten in Be rührung zu kommen, deren Hände noch durch keinen Akt irdischer G-rechtigkeit von dem Blute Alexanders und Dragas gereinigt sind. Wenn man brieflichen Meldungen aus Mazedonien Glauben schenken darf, so sieht es dort noch immer sehr traurig aus und die auswärtigen Kommandanten der Gendarmerie werden ihre ganze Autorität aufbieten muffen, um etwas Ordnung zu schaffen. „Mit Hängen und Würgen" hat der Sultan die Reformen ge nehmigt; „mit Hängen und Würgen" drohen die Albanesen, wenn sie durchgeführt werden. Schlimme Weihnachten für die, denen die Reformen zugute kommen sollen!