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Wochenblatt 1872 Dienstag, den 3. Dcccmbcr Die Weserzeitung schreibt: Es liegen jetzt von der Mehrzahl der Orte, welche durch die schwere Sturmfluth vom 13. Nov. betroffen worden sind, Berichte vor; über die Verwüstungen, die das Meer an gerichtet hat. Es ist eine Strecke von etwa 80 Meilen Länge, die heimgesucht worden ist; man darf annehmen, daß wohl an 100 Menschenleben der Fluth zum Opfer gefallen sind. Darüber, wie groß der Gesammtverlust an beweglicher und unbeweglicher Habe ist, liegen statistische Aufmachungen noch nicht vor; aber daß derselbe nach vielen Millionen zählt, ist keine Frage mehr. Betreffs der bevorstehenden großen Veränderungen in dcnForti- fications-Verhältnissen Deutschlands wird nunmehr Ausführlicheres mitgelheilt. Von preußischen Festungen sind zum Eingehen bestimmt: Rastatt, Minden, Erfurt, Wittenberg, Stettin, Colberg, Neisse, Cosel und Graudenz. Breisach, Würzburg, Cüstrin und Boyen werden als diejenigen Festungen genannt, über deren Fortbestand ebenfalls noch ein Beschluß herbeigeführt werden dürfte. Schon abgesetzt sind Schlettstadt, Lichtenberg, Lützclstein, Marsal, Pfalzburg, Bitsch und Dresden. Landau ist außerdem schon 1868 in einen befestigten De potplatz umgewandelt worden. Metz, Diedenhofen, Straßburg, Brei sach, Mainz, Köln, Wesel, Glochau, Thorn, Posen und Königsberg Werden als zum Umbau nach den neuesten Fortifications-Grundsätzcn bezeichnet, wozu außerdem auch noch Bromberg als ganz neu anzu legender Platz genannt worden ist. Die Erweiterungsbauten selbst endlich befinden sich bei Metz und Straßburg bereits in voller Aus führung begriffen und sollen bei Mainz spätestens mit nächstem Früh jahre ausgenommen werden. Ueberhaupt wird sich, soweit die bis herigen Mittheilungen reichen, das gesammte Fortifications-Interesse fernerhin in den Grenzfestungslinien nach West und Ost, wie in den Küstenbefestigungen concentrirt finden. Der „Times" wird von Paris über die weitere Zahlung der französischen Kriegsentschädigung telegraphirt: Die zur Vervollständig ung der dritten Milliarde erforderlichen 200 Millionen werden an Deutschland nicht vor dem 11. Decembcr gezahlt werden. Die Re gierung ist gegenwärtig in der Lage, die siebente halbe Milliarde zu zahlen, aber um irgend eine Möglichkeit einer Geldkrists zu vermeiden, ist bis jetzt keine Frist für deren Zahlung anberaumt worden. Der „Große Orient von Frankreich" hat beschlossen, mit allen Fraumaurern Deutschlands förmlich zu brechen, weil sie nicht gegen die Erwerbung von Elsaß-Lothringen protestirt hätten. Es hätte nach so unzähligen Beweisen französischer Lächerlichkeit keines weiteren be durft. Wenn man die Geschichte Frankreichs der letzten 80 Jahre über blickt, so erscheint diese Zeit als diejenige des Ringens nach einer der politischen Entwickelung des französischen Volkes entsprechenden Staatsform. Man weiß, wie viele vergebliche Versuche dieses Land machte, eine solche dauernd zu begründen. Jetzt endlich, nachdem sich alles Andere als ungenügend erwiesen, scheint Frankreich die Regier ungsform gefunden zu haben, welcher es aller Voraussicht nach in Wahrheit bedürftig und die allein im Stande ist, diesen Staat aus dem Revolutionszcitalter heraus zu geleiten, seine inner» Verhältnisse zu consolidiren und die Nation dem ruhigen, zwar nur allmählichen, Fortschritte zuzuführen, dafür aber auch vor verhängnißvollen Rück schlägen zu bewahren. Erledigt hat sich die hinter dem Handarbeiter und beurlaubten Soldaten Ernst Friedrich Götze aus Klemvoigts- berg erlassene öffentliche Vorladung durch dessen Gestellung. Königl. Gerichtsamt Wilsdruff, am 27. November 1872. Leonhardi. Tagesgeschichte. Brauereibercchtigte und Müller wird es interessiren, zu verneh men, daß die Regierung dem Landtage 2 Gesetzentwürfe vorgelegt hat, worin sie vorschlägt, die noch bestehenden, mit dem städtischen Brau-Urbar verbundenen Berechtigungen abzulösen und ebenso den Mahlzwang zu beseitigen. Für Wegfall des Rechts der brauberech- tcten Häuser in den Städten, daß nicht andere Hausbesitzer in der selben Stadt die Vraunahrung treiben dürfen, und der Befugniß einzelner städtischer Brau- und Malzhausbesitzer, zu verlangen, daß die Brauberechtigten nur in diesen Häusern malzen und brauen dürfen, soll die Staatskasse Entschädigung leisten. Diese Berechtigungen bestehen noch in 112 sächsischen'Städten, ihre Beseitigung wird dem Staate 515,500 Thaler kosten. Für tzen Wegfall des Mahlzwanges, das ist: des mit dem Besitze einer Mühle verbundenen Rechtes, die Consumenten zu zwingen, daß sie bei den Berechtigten ihren Bedarf mahlen oder schroten lassen, wird der Staat gegen 60,000 Thaler zahlen. Es existiren in Sachsen noch 179 Zwangsmühlen, 438 Ort schaften müssen in ihnen mahlen lassen. Ein an die Ständeversammlnng gekommenes königliches Dccrct verlangt die Summe von 99,000 Thaler zur Herstellung von Künstler- Ateliers in Dresden. Aus Dittersbach bei Bernstadt theilt man dem „Dr. I." mit, daß gestern Abend in der 6. Stunde der dasige Weber Ay auf folgende Weise seinen Tod fand. Der Gutsbesitzer Schönfelder, welcher zu der angegebenen Zeit ein nahegelegenes Gehölz durchsuchte, glaubte das Geräusch einer Säge zu vernehmen, vermuthete einen Holzdieb und ah auf seinen Anruf eine Mannsperson die Flucht ergreifen. Schön felder will dem Flüchtlinge gefolgt und hierbei gestürzt sein, das Ge wehr, was Schönfelder trug, soll sich entladen haben und der Schuß hat den Verfolgten zu Boden gestreckt. Es war der obengenannte Ay, welcher wenige Minuten später seinen Geist aufgab. In Ostritz (Obcrlausitz) ist am letzten Dienstag das mit Hülfe einiger Liebesgaben, namentlich von Seiten der Gustav-Adolph-Vereine, erbaute evangelische Bet- und Schulhaus eingcweiht, der erste evan gelische Geistliche oMnirt und somit eine evangelische Kirchengemeinde begründet worden. Der deutsche Kaiser hat zur Unterstützung der Einwohner der Provinzen Schleswig-Holstein und Pommern, welche durch die letzte Sturmfluth hilfsbedürftig geworden, den Betrag von 10,000 Thlrn. aus Privatmitteln gewährt. Eckernförde, 27. November. Die „Eckernf. Ztg." schreibt: Die Totalsumme des der Stadt Eckernförde aus der letzten Sturmfluth erwachsenen Schadens beträgt nach den bisher angestellten Ermittel ungen ca. 344,000 Thlr., darunter ca. 44,000 Thlr für die Stadt- cassc, 110 bis 112,000 Thlr. für Beschädigungen an Gebäuden und ca. 180,000 Thlr. an vernichteten und beschädigten Waarenlägern, Vorräthen aller Art, Vieh rc. Alle diese Summen sind m indeß nur vorläufige und werden sich in Folge späterer Berichtigungen noch ändern. Der Schaden in den ländlichen Districtcn unseres Kreises ist summarisch auf 23,000 Thlr. berechnet, doch ist hierbei Verlust und Verschlechterung der Ländereien nicht in Betracht gezogen. Der nächste Jahrmarkt hier wird Donnerstag, den 12. Deeember d. Z abgehalten. Ntlch HU 28llödl'uff, am 2. Deccmber 1872. Kretzschmar. Wilsdruff, Tl-ärandt, Rossen, Ticdeulchu und die Umgegenden. Amisölatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst.