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°: MV Freitag, S3. November 1S06 Rr. 70. Erster Jahrgang 5luer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. Diese N»*tttttrer »tins«rs;t (> Seiten e. n " Näheres siehe unten. n s auch alles als unrichtig anzuuehmen, was nicht seit Wochen erst über das Treiben des hojsnungsvollen Nachkommen des schwar zen Georg aus verläßlichsten Quellen berichtet wird, ist etwas zu viel verlangt. Man kann ja die Energie der serbischen De mentis begreifen, bedeutet es schon für eine alte gefestete Dynastie eine schwere Erschütterung, wenn sich die Notwendigkeit einer Entmündigung eines Herrschers oder einer Persönlichkeit, der die Herrscherwürde zusallen soll, herausstellt, so ist nicht zu be zweifeln, daß eine Entmündigung des serbischen Thronfolgers der ganzen jungen Herrlichkeit der Karageorgjevic den Garaus zu machen droht. Deshalb muh Prinz Georg um jeden Preis die Hoffnung Serbiens bleiben und ist es mit einem Male un wahr, daß seine Adjutanten nacheinander um Enthebung von ihrer Funktion ansuche», das, er in schamlosester Weise der Fa milienehre eines Adjutanten nahegetreten ist, daß seine persön liche Roheit so groß ist, das; sie nicht mehr allein mit der Er ziehung in Rußland, am russischn Hofe, entschuldigen läßt, ja daß Könip Peter sich persönlich schon gezwungen sah, den ungerate nen Sohn allerhöchst selbst zu züchtigen. Zwar würde es nach all dem vorgesallenen und l von selten eines solchen Degene rierten noch zu Erwartenden la um möglich sein, zu verhüten, daß das serbische Volk Garantien fordert, die seine Zukunft vor dem jungen Nero von Belgrad sicherstem, vorläufig aber sucht man den Tatbestand aus dem Wege von Dementis noch zu verschleiern. So neigt wohl bald der karageorgjevic Glück seinem Ende zu. Ein teuer erkämpftes, mit Königsblut besudeltes Glück, das einen Schattenkönig aus einen der unheilvollsten Throne Euro pas brachte und das vo„ Serbien, soweit nicht beutegierige Parteipolitiker und die Verschwörer die öffentliche Meinung fälschen, längst als ein Unglück für das arme Land erkannt worden ist. Für den degenerierten Alexander mit seiner Draga Maschin und ihrer hungrigen Sippe den willenlosen Peter mit seiner degenierten Thronfolger eingetauscht zu haben, das war i- i- !S ik Das Befinden Eham der la ins ist hossnnugs- > o s. Die Paralyse schreitet fort. Der Patient ist säst erblin det und kann nicht mehr hören. Land n> i r t s ch a s t s- wird jetzt amtlich bekanut- Wir leben in einer schweren Zeit. Es hat wohl auch dem Kaiser nicht verborgen bleiben können, daß das deutsche Volk unter einer Teuerung der wichtigsten Lebensmittel seufzt. Wie diese Teuerung behoben werden rann, darüber ist man sich bekanntlich in Regierungskreisen noch lange nicht klar geworden, und vor allem besteht wenig Aussicht, daß ein Um schwung in unserer Zollpolitik sich vollziehen kann. Da ist es denn neben dem großen, echt christlichen sozialen Ziel der kaiser lichen Botschaft wohl auch noch der Gedanke an eine Vesch wich tig u n g der allgemeinen Unzufriedenheit, die den Anlaß gab zu dem Erlaß, und man kann kaum daran zweifeln, daß die kaiser liche Botschaft beruhigend aus die großen Massen wirkt, die unter der Not der Zeit am schwersten zu leiden haben. Die an dere und weit wichtigere Frage aber ist, ob der kaiserliche Erlaß auch praktische Folgen haben wird, ob man jetzt energisch darangeht, das begonnene Werk mit den Schlußsteinen zu krönen. Der Kaiser nimmt in seiner Botschaft ganz besonders Bezug aus die Sozialdemokratie, die bisher das soziale Wert bedeutend erschwert habe. Das wird nicht geleugnet werden können. Die Sozialdemokratie stimmte im Reichstag gegen alle sozialen Gesetze, da diese ihr nicht weit genug gingen. Da die Sozialdemokratie aber in der Minderheit war, hat dieses Ver halten gar nichts geschadet — hätte die Sozialdemokratie bei der Beratung der Gesetze eine ausschlaggebende Stellung ge habt, dann hätee sic sich vermutlich ganz anders benommen. Man muß sich nur erinnern, wie man unter den Konservativen gegen den ..Staatssozialismus" zu Felde zog, man muß sich nur daran erinnern, was von dieser Seite geschehen ist, um die Gesetzentwürfe zu Falle zu bringen, oder doch Bestimmungen in die Gesetze hinein zu eskamotieren, die die Arbeiterschajt zu Zuchthäuslern machen sollten. Von jener Seite drohte die schwerste Gefahr und sic besteht auch heute noch. Daneben aber droht die Lauheit dem weiteren Ausbau unserer Sozialgesetzgebung verderblich zu werden. Die „Sozial verdrossenheit", von der der Abgeordnete Bass er mann im Reichstag im Vorjahr gesprochen hat, besteht, und hat auch liberale und arbeitcrsreundliche Kreise ersaßt. Dazu hat in er ster Linie die Erkenntnis beigetragcn, daß die bisherige Orga nisation unserer Sozialgesetzgebung aus die Dauer nicht gehalten werden kann, weil sich das Reich daran verbluten müßte, ohne daß doch das Ziel, die Sicherstellung des Pro letariats, erreicht werden könnte. Das hat Gras Posa- dowsky vor einiger Zeit im Reichstag sehr eingehend ausge- sührti er hat auch versprochen den Sozialgesetzen eine sestere und einheitlichere Basis zu geben, einen klnterba u, wie er zur er sprießlichen Fortentwickelung notwendig scheint. Aber Graf Po- sadowsky hat zugleich auch auf die Schmierigkeit dieses Unternehmens hingewiescn und sich autokratische Machtvollkom menheit gewünscht, das Werk aussllhren zu können. Autokratische Machtvollkommenheit, um nicht etwa am Widerstand der Reak tionäre oder an der Lauheit der übrigen Parteien das große Werk scheitern zu sehen. Nun ist aber bei dem Staatssekretär des Reichsamts des Innern wohl dergute W ille vorhanden, aber niemand weiß, wie weit das Riesenwerk bereits gefördert ist. Man wird ja die ewige Schande jener Mordnacht im alten Konak nicht wert. Die zivilisierte Welt aber wird durch die Thronfolgeafsäre neuerdings nicht nur über die Unfähigkeit der Karageorgjevic belehrt, Serbien zu regenerieren, sondern im Gegenteil, es wird immer klarer, daß diese kleine Residenz im Osten, dieses Belgrad ein wahrer Sumpf ist, ein Boden, auf dem die Verderbnis üppig gedeiht, wo es ein politisches System gibt, nach dem die Prinzen zu Ausschweifungen verführt werden, um später ent nervte Schwächlinge und willenlose Werkzeuge -er unsaubersten Parteipolitik zu sein. Waren es nicht Ausschweifungen und moralische Schwäche, die den begabten Milan aus einem König zu einem Glücksritter werden ließen, hat nicht der früh entnervte Alexander, ein Spielball seiner Lüste, schließlich der Sklave einer Draga Maschin, die Katastrophe auf sein Haupt herabge- zogeu? Und rasch hat die Belgrader Lust den Kronprinzen Georg der neuen Dynastie zu einem noch widerlichen Zerrbild eines Thronanwärters gemacht. Man spricht von der besseren und liebenswürdigeren Veranlagung des zweiten Prinzen, von der Beliebtheit eines Neffen des Königs. Mag sein, aber der blutige Thron des Peter Karageorgjevic, der ohnehin nicht zu fest steht, ist verloren, wenn er keine Zukunft hat, denn seine Vergangenheit ist blutige Schmach, seine Gegenwart Schwäche. Und seine Zukunft soll Prinz Georg repräsentieren! Unglückliches Serbien! Es gibt übrigens auch reine Dynastien, die Völker haben meistens d i e Dynastien, die sie verdiene n. Serbien ist von allen Balkanstaaten die untüchtigste, innerlich durch Mißherr- schaft und Parteisucht geschwächteste Nation, unfähig, ein natio nales Staatswesen nach dem Muster zivilisierter Nationen zu bilden und zu behaupten. Obrenovic oder Karageorgjevic — Degeneration hier und da . . . IhlMItlM! n cd »« Die jüngsten Meldungen aus Marokko tragen einen ernsten Charakter. Man betrachtet einen Kon flikt für unvermeidlich. Druck lind Verlag GebrUder Leuth n er (Inh.: Paul Lenthner) in Aue. HanS Zw ied inert von g e n o r b e n Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittags von z—s Uhr. — Telegramm adresse: Tageblatt Aue. — Fernsprecher rar. Für unverlangt eingesandte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. Verantwortlicher Redakteur: Fsritz Arn ho Id. Für die Inserate verantwortlich: Arthur klupter. beide iu Aue Der H i st orik c r Professur S ü d e n h o r st ist gestern in Graz Die E r n e n n u n g des Ritterschaslsrates von A r n i m > Criewen zum p r e u ß i s ch e n in i n i st e r ist nunmehr erfolgt und gegeben. wohl bei den Etatdebatten Einiges darüber zu hören bekommen, aber das dem Reichstag bereits in dieser Session ein entspre chender Gesetzentwurf vorgelegt werden könnte, das muß leider als ausgeschlossen gelten. Ohne diesen Unterbau aber ein Weiterarbeiten so gilt wie unmöglich. Es wäre ja unendlich viel noch zu tun, und die Witwen- und Waisenversicherung, die Arbeitslosenversicherung, die Einbeziehung der forst- und land wirtschaftlichen Arbeiter in die besthenden Gesetze, das alles sind dringende Fragen, die nicht noch länger auf die bewußte lange Bank geschoben werden dürfen. .Werden entsprechende Gesetzent würfe in dieser Session kommen? Nein, ganz gewiß nicht, eben weil erst die Fundamentierung der ganzen sozialen Gesetz gebung vorgenommen werden muß. Nun liegt die kaiserliche Botschaft vor. Sie wird augenblick lich eine gewisse Begeisterung auch in unseren parlamentarischen Kreisen auslösen, aber leider läßt sich diese Begeisterung nicht sofort in die T a t umsetzen. Sie wird abslauen, sie wird im näch sten Jahre vergessen sein! Das ist bedauerlich, aber es wäre verkehrt, wollte man sich Hossnungen hingeben, die sich nicht ver wirklichen werden. So müssen wir die Botschaft leider als ein Dokument warmen Fühlens mit den Leiden der unteren Schich ten begrüßen, das ohne praktische Folge bleiben wird. Wir freuen uns über die aus dem Schriftstück hervorleuchtende Hoch herzigkeit des kaiserlichen Herrn, aber nützen wird die Botschaft leider nicht viel. Denn die Sozialpolitik ist augenblicklich bei unseren Gesetzgebern wenig modern! 4 s l> e Nochmals die Kaiserbotschaft. Seit langer Zeit wieder einmal eine Willensäußerung des Kaisers über die innere Politik! Und dazu eine erfreu liche — in diesen schweren Zeiten muß man dafür doppelt dankbar sein! Die Kaiserbotschast vom 17. 'November hat denn auch in allen Gauen des deutschen Reiches Freude und Hoffnung hcrvorgeruscn, und wer irgend ein Herz hat für die Enterbten des Glückes, für die große, arbeitende Masse, der muß den Jubel Mitempfinden, den die kaiserlichen Worte ausgelöst haben. Der Kaiser will, daß die Gesetzgebung aus dem Gebiet der sozial politischen Fürsorge nicht ruhe und in Ersüllung der vor nehmsten Christenpflicht aus den Schutz und bas Wohl der Schwachen und der Vediirstigen sortgcsetzt bedacht sei!" Das sind schöne Worte am 25. Jahrestag jener Botschaft des ersten deutschen Kaisers, die den Anstoß zu dem schönen Gebäude un serer FLrsorgcgesetze gegeben hat. Das sind beherzigens werte Worte in einer Zeit, da auf dem Gebiet der Sozialpolitik ein Stillstand cinzutreten drohte, da eine bisherige Lauheit auch bei den bisherigen Bannerträgern der Sozialpolitik sich bemerk bar gemacht hat. » !e n >e l- :k Serbiens Kronprinz. Mittelalterlicher Vergeltungsglaubc würde den Finger Got tes in dem sehen, was aus Serbien, aus Belgrad über den Kron prinzen Georg, den Anwärter der blutigen Krone seines Vaters, verlautet. Modernem menschlichem Empsindcn liegt solch« Ge dankengang ferne, und selbst demjenigen, der in Peter Kara georgjevic den blutigen Usurpator, den König von Mörders Gnaden haßt, mag ein Schicksal erschüttetnd erscheinen, das mit der Gerechtigkeit der rächenden Nemesis die Dynastie zu entwur zeln droht, die eben erst im blutigen Sumps Fuß gefaßt hat. Trotz aller offiziösen Dementis scheint sestzustehen, daß der erst zwanzigjährige Thronfolger Georg Karageorgjevic Anlagen zu einem kleinen Nero entwickelt. Nicht der liebenswürdige, wenn auch leichtherzige Humor eines Prinzen Heinz spricht aus den Skandalgeschichten, die seit der längsten Zett Über den serbi schen Thronerben kolportiert werden, sondern alles deutet daraus hin, daß ein pathologisch degeneriertes Gehirn vom Cäsaren- Wahnsinn ergrissen ist, daß vielleicht der jähe Glückswechsel, der das Prinzlein, das mit seinem jüngeren Bruder sozusagen auf einem Freiplatz des Petersburger Pagenkorps einer wenig glänzenden Zukunft entgegensah, mit einem Schlage, richtiger gesagt, mit dem scheußlichen Doppelniord an Alexander Obro- novic und Draga Maschin, einem Throne zunächst stellte, ver wirrend aus den Knaben gewirkt hat. Ausschweifungen jeder Art scheint die pathalogische Entwickelung gefördert zu haben, und so fand die Nachricht leicht Glauben, daß König Peter seinen ältesten Sohn wegen Wahnsinns in einer Anstalt zu internieren sich entschlossen habe. Aber so wenig serbischen Dementis im allgemeinen zu trauen ist, nach den letzten ossiziösen Versicherungen scheint doch festzu stehen, daß sich der Kronprinz Georg ungehindert seiner Frei he t t in Belgrad erfreut. Die weitere Forderung des Dementis, Politische Tagesschau. Aue, 23. November lt)0ü Deutsche Kapitalinteressen in den deutschen Schutzgebieten. Die angekundigle Denkschrift des KolonialdirektorS Dern- burg über die deutschen Kapitalinteressen in den deut s ch en Schutzgebieten ist dem Reichstage zugegangen. Sie behandelt Größe, Stand und Rentabilität der deutschen Kolonialintercfsen, mit Ausnahme von Kiantschon. Man kann ans Grund der ermittelten Ziffern, heißt eS darin, nicht behaupten, daß unsere Kolonien zn viel VcrwallnngS- und zu wenig Privat initiative answeisen. Aus den Quadratkilometer Fläche komme in dem ganzen Schutzgebiete 2.5,1 Mart rcichSsiskalischcS Kapital, 85,07 Mart Privatkavital. Die Opfer, die wir bisher für unsere Schutzgebiete bringen mußten, lagen nur zum geringsten Teile aus wirtschaftlichem Gebiete, zum weitaus größten Teile aus militä rischem. Daß aber große militärische Expeditionen, die mit ihren Kosten die rein wirtschaftliche und sinanziclle Bilanz der Kolonien sehr verschlechtern, notwendig wurden, ist auf den einzigen, wirklich folgenschweren Fehler zurnckznfnhrcn, der bisher in unserer Kolonial politik gemacht wurde, nämlich die zu langsame Erschließung einzelner Schutzgebiete durch rcichssiskalische Kapitalanlagen, ins besondere durch Eisenbahnen. Wenn in früheren Jahren nur für die Hälfte der Summe, die uns jetzt der Krieg iu Südwcstasrika gekostet hat, Eisenbahnen iu diesem Lande gebaut worden wären, dann hätten nur wohl niemals den großen Aufstand erlebt und dafür jetzt eine rasch ausblühende Kolonie mit einem Eiscnbahn- Bezuas preis: Durch Misere Boten frei in» Haus monatlich so Psg. Bei der Geschäftsstelle abgeholl monatlich §<> pfg. und wöchentlich (0 Pfg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich (.so Mk. — Durch denlBriefträger frei 1 cs kjaiis vierteljährlich ,.qr Mk - Einzelne Nummer (v pfg — Deulscher postzeitungs- katalog — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Soun, und Feiertagen. Annahme von Anzeigen bis spätestens gß, Uhr vormittags. Für Ausnahme von größeren Anzeigen an bestimmten Stellen kann nnr dann gebürgt werden, wenn sie am Tage vorher bei uns eingehen. Insertionspreis: Vie stedengespaltene Aorpuszcile oder deren Raum (0 Pfg., 'eklamen rs pfg Bei größeren Aufträgen entsprechender Rabatt. Das Wichtigste vom Tage. In der K v l v n i a l a b l e i l u n g werden znrzeil weitere koloniale D e n k s ch r i s l e n ansgeacbeitet, insbesondere solche über die afrik a n i f ch e n Eise n b a h n unter- n e b in u n g e n aller dort kolonisatorisch tätigen K ultur- völke r.