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Zweites Blatt. WmM für Ms-ruß ThmM, DD, Menlehn und die UmMN-en. Imtsölglt für die Ugl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. 55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger m Wilsdrus-. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. No. 143. Sonnabend, den 4. Dezember 1897. Abonnements - Einladung. Für den Msnat Dezember werden Bestellungen auf das für die Stadt Wilsdruff bei Unterzeichneter Geschäftsstelle, sowie für auswärts durch die Kaiserlichen Postämter zu Pfennig entgegen genommen. Hochachtungsvoll Geschäftsstelle des ^mts- und Wochenblattes für Wilsöruff. Die neue Lage in Oesterreich. Die überaus kritische, hie und da sogar ernste revo- lutionäre Anläufe zeitigende Zuspitzung der gelammten Verhältnisse in Oesterreich in Folge der ebenso kurzsichtigen wie rücksichtslosen Bergewaltignngspolitik des Ministerinms Badeni gegenüber dem Deutschthum hat endlich den Kaiser Franz Josef ein entscheidendes Machtwort sprechen lassen. Graf Badeni ist mit seiner Regierung entlassen worden, dafür hat sich als neue Regierung ein sogen. Beawten- Ministerinm unter dein Vorsitz des bisherigen Unterrtchts- ministers Gautsch v. Frankenthurn gebildet, dessen Mit glieder keiner bestimmt ausgeprägten politischen Richtung angehören, welcher unvolitischer Charakter des neuen Kabinets unter den augenblicklichen Umständen in Oesterreich noch als die verhältnismäßig beste Lösung der so rasch entstandenen Ministerkrisis erscheint. Aber mit der Ein setzung des Munfteriums Gautsch sind die Schwierigkeiten der heutigen inneren Lage im Donaukaiserstaate, wie sie sich Dank der „polnischen W des Grafen Badeni daselbst allmählich entwickelt haben, natürlich durchaus noch nicht beseitigt, vielmehr sieht sich auch die neue Regierung einer ernsten und verwickelten Situation gegen über. Wenn auf der einen Seite durch den Rücktritt des deutschfeindlichen Kabinets Badeni der Sturm des Un willens und der Entrüstung aller wahrhaftdeutschgesinnten Kreise Oesterreichs über die Gewaltpolitik des Regimes Badeni und seiner parlamentarischen Helfershelfer zunächst wieder beschworen worden ist, so hat dafür dieses Ereig- niß auf der anderen Seite bedenkliche Wirkungen gezeitigt. Von ihnen zeugen wohl am besten die gegen die Deutschen gerichteten Straßenunruhen in Prag, bei denen wieder einmal der brutale Charakter des tschechischen Volksthums hervortrat. Zn den Reihen der Tschechen herrscht über haupt die meiste Erbitterung wegen der eingetrencn neuen Wendung der Dinge, saßen sie doch unter der Regime Badenis als die verhätschelte Regierungspartei sozusagen wie in Abrahams Schoß. Die Badeni'schen Sprachenver ordnungen für Böhmen uud Mähren verhießen den Tschechen das künftige unbedingte Uebergewicht über ihre deutschen Mitbürger die Auslieferung des Deutschthums an das Tschechenthum, und auch die Erfüllung der weiteren poli tischen und nationalen Forderungen, mit denen sich die tschechische Parteileitung seit langem trägt, durfte mit der Zeit von dem Ministerium Badeni erwartet werden. Der Sturz des Kabinets Badeni hat nun alle die bisherigen Errungenschaften der Tschechen wie die ihnen noch weiter winkende Vortheile wieder in Frage gestellt, die Wuth auf tschechischer Seite über eine solche unver- muthete Wendung erscheint daher schließlich begreiflich. Bereits erklärt das jungischechische Exekutivkomitee in einem Manifeste, die Tschechenpartei würde, falls deren Forder ungen nicht voll und ganz erfüllt werden sollten, das Ministerium-Gautsch „bis auf's Messer" bekämpfen; vor Allem wollen die Tschechen nicht auf ein Titelchen der ihnen m den Sprachenverdnungen gemachten Zugeständnisse verzichten. Zugleich hat sich die gesammte bisherige Regierungsmehrheit des österreichischen Abgeordnetenhauses, deren Gefüge schon einigermaßen gelockert worden war, wieder eng zusammengeschlossen und kundgethan, sie wolle zwar das Äusgleichsprovisorium mit Ungarn bewilligen, aber von den Sprachenverordnungen nichts zurücknehmen lassen; ebensowenig ist die Rechte geneigt, auf die von ihr bisher ansgeübte Leitung der parlamentarischen Geschäfte zu verzichten. Aber auch die Gruppen der Linken haben sich fester aneinder geschlossen und verlangen vor allem Zurückziehung der Sprachenverordnung, Beseitigung der gegen die Opposition gerichteten schroffen neuen Geschäfts ordnung des Abgeordnetenhauses und der Rücktritt des der gesammten Linken tief verhaßten polnischen Präsidenten v. Abrahamovicz. Also schroff stehen sich das vorläufige Programm der Rechten und Linken der österreichischen Volksvertretung gegenüber, und wie sich das Ministerium Gautsch aus diesem parlamentarischen Engpaß zwischen Scylla und Charybdis herauszuwinden gedenkt, das bleibt noch völlig abzuwarten. Jedenfalls werden die Deutschen Oesterreichs gut thun, trotz ihres Sieges über das Ministerium Badeni nicht allzusehr zu jubeln und sich mit überschwenglichen Hoffnungen zu tragen, sondern sich klug auf wahrscheinlich kommende weitere politische Känipfe ein zurichten und demnach ihr Pulver zu sparen. Es ist keineswegs ausgeschlossen, daß sich die neue Regierung veranlaßt sieht, vor den Schwierigkeiten der Lage wieder die Segel zu streichen. Dann könnte leicht ein abermaliges slavenfreundliches Kabinet, wenn auch vielleicht nicht mit so ausgeprägt deutschfeindlicher Spitze, wie das Ministerium Badeni in Wien auftauchen. Die Wege der Vorsehung. Roman von Axel Albrecht. (Nachdruck verboten) (Fortsetzung.) Unsere Geschichte beginnen wir grade an einem Montage, und bei vielen Bergarbeitern der Gegend hatte sich in letzter Zeit die üble Sitte eingebürgert, „blauen Montag" zu feiern, oermuthlich, um den am Sonnabend erhaltenen Lohn schneller an den Mann bringen zu können. So sah man alte Grubenarbeiter, die gekommen waren, um ihren in den Karton- und Galanteriewaarenfabriken thätigen Töchtern das Essen zu bringen und jüngere, die ihre Frauen und Freunde aufsuchen wollten und noch jüngere, die ein halbes Stündchen mit ihren Liebsten zu verplaudern wünschten. Es waren aber auch wirklich schmucke Mädchen unter den Arbeiterinnen, welche in ihren bedruckten Kattunkleidern und weißen Blousen recht nett und sauber aussahen; zu Zweien und Dreien gingen sie Arm in Arm plaudernd durch die Straßen oder standen mit einigen Burschen lachend und scher zend umher; hier und da sah man wohl auch ein Pärchen innig umschlungen abseits von den übrigen einherschreiten und sich mit verliebten Blicken schelmisch in die Augen schauen. Dann wieder fanden sich Gruppen von Männern zusammen, die ihre kurze Pfeife rauchten, sich eifrigst über Fragen der hohen Politik unterhielten und dabei oft recht erregte Debatten führten; andere wanderten in Trupps zu Zweien oder Vieren in den „Goldenen Stern", um ihren gewohnten Mirtagsdurst zu stillen. Der Heller'schen Fabrik gegenüber standen zwei Männer an dem eisernen Kettengitter, von denen der eine vielleicht sechzig Jahre alt fein mochte, während der andere kaum vierundzwanzig Jahre zählte. Dir Aeltere war ein geborener Wallstädter, der Zeit seines Lebens in den dortigen Fabriken gearbeitet hatte; sein Begleiter war jedoch erst am vorigen Sonnabend in die Stadt gekommen, wo er in Hellers Fabrik Beschäftigung als „Plüscharbeiter" ge funden hatten. Uebrigens verrieth bereits ihre Kleidung, daß sie beide in derselben Weise thätig waren, denn ihre kurzen grauen Buch binderjacken aus leichtem Drellstoff waren mit Leim und Kleister flecken bedeckt und einzelne bunte Plüschlappen die bei der An fertigung von Albums oder Toilettenkästen abgefallen waren, klebten noch an ihren Kleidern. „Nun, Alben", Hub der Alte an, „wie gefällt es Ihnen denn hier bei uns?" „Ganz gut", antwortete Albert Ebel, „es kommt mir zwar vorläufig noch Alles etwas fremd und ungewohnt vor, ich werde mich jedoch schon bald hinein finden." „Was sagte Ihnen denn der Alte heute Morgen? Ich sah, daß er mit Ihnen sprach." „Der Alte? Wer ist das?" „Der sich die großen Silberkästen ansah, die sie in Arbeit haben! Das war Herr H-ller; wir nennen ihn immer kurz weg den Alten." „So; ich dachte es wäre ein Meister oder Geschäftsführer gewesen." „Na, da haben Sie ja auch so ziemlich das Richtige er- rathen, denn der Alte ist Geschäftsführer, Meister, Vorarbeiter, Aufseher und noch alles mögliche Andere, Alles in einer Person. Er ist den ganzen Tag auf den Beinen; des Morgens ist er der Erste in der Fabrik und des Abends ist er der Letzte, der nach Hause geht. Der versteht sein Geschäft, sage ich Ihnen und zu erbeiten versteht er auch. Wenn er ein armer Schlucker wäie, so könnte er sich nicht mehr abarbeiten, als er jetzt thut, und dabei ist er sehr reich." „Was für eine Art von Heer ist es denn?" fragte Albert interessirt. „Nicht der beste und nicht der Schlechteste, aber eher schlecht als gut. Er weiß seinen LKrtheil überall und stets wahrzu nehmen." Robert Kubsch war in der ganzen Stadt wegen seines Eifers und der Tiefe seiner Ueberzeugung, mit welcher er seinen sozialdemokratischen Ansichten bei jeder Gelegenheit Ausdruck verlieh, bekannt, und es verging kaum ein Abend, an welchem er nicht an seinem Stammtisch im „Goldenen Stern" hinter seinem Glase saß und sich über die ungeheuerlichen politischen und sozialen Mißstände verbreitete, sowie in allen Tonarten gegen die Regierung wetterte. Auch jetzt war er bereits wieder im besten Zuge, sich in einer wüthenden Philippika gegen die Regierung und „die satte Bourgeoste" zu ereifern, fand jedoch h erfür bei seinem Begleiter anscheinend weder Interesse noch Verständniß. Alberts Interesse war allerdings in diesem Augenblick in ganz anderer Beziehung völlig in Anspruch genommen; er be obachtete nämlich mit gespanntester Aufmerksamkeit ein junges Mädchen, welches eben über die Straße ging und gerade auf ihn zukam. Während er das Mädchen mit weitgeöffneten glänzenden Augen betrachtet und der Alte in der Darlegung seiner uns nicht weite interessirenden tiefsinnigen politischen Ansichten fort fährt, haben wir Zeit und Muße, uns Albert Ebel etwas ge nauer anzusehen. Er zählte, wie bereits erwähnt, etwa dreiundzwanzig Jahre und sah sogar in Folge seines reinen, beinahe mädchenhaft weißen Teints noch jünger aus, als er thatsächlich war. Seine wohlgebaute, breitschulderige Gestalt erhob sich über Mittelgröße und wenn man ihn auch nicht gerade als schön bezeichnen konnte, so hatte er doch ein sehr gefälliges und ansprechendes Aeußere. Der freie und offene Blick, mit welchem er jeder mann aus seinen großen grauen Augen treuherzig anschaute, mochte seine Erscheinung noch sympathischer, und der kleine blonde Schnurrbart, der sich auf seiner Oberlippe kräuselte, so wie das volle, leicht gelockte dunkle Haar gaben ihm einen leichten Anflug von Keckheit, der ihm nicht übel stand. Daß er einen stark ausgeprägten eigenen Willen zur Gel tung bringen konnte, vermochte man leicht zu erkennen, und ebenso konnte es dem Beobachter nicht entgehen, daß seine hochgewölbte Stirn und die großen klaren Augen Zeugniß von Intelligenz und Scharfsinn ablegten. Ueber seinen Charakter soll hier noch nichts gesagt werden, da wir im Laufe unserer Geschichte Gelegenheit haben werden, denselben kennen zu lernen. Kehren wir also zu ihm zurück, wie er, gegen das Geländer gelehnt, das junge Mädchen be trachtete und mit seinen Blicken fast zu verschlingen schien. Es war allerdings kein Wunder, daß Albert das junge Fabrikmädchen mit so glühenden und erstaunten Blicken musterte, denn sie war in der That von hervorragender, seltener Schönheit. Dem Himmel sei Dank, daß Schönheit und Anmuth nicht das ausschließenste Besitzthum bestimmter Gesellschaftsklaffen sind, denn sonst würden oermuthlich die oberen Zehntausend wie die olympischen Götter und Göttinnen von Schönheit und Grazie umflossen einherschreiten, während die große Maffe de« Volkes häßlich wie die Nacht wäre!