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für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Sievenlehn und die Umgegenden. Htmtsölatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Gtadtrath daselbst. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei mal, Dienstags u. Freitags und kostet pro Quartal I Mark.— Jnseratcnannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag! 12 Uhr. A? 71. Dienstag, 12. September 1876. "HHHI I—II . > -- Der Handarbeiter Ernst Adolf Schubert ans Niederhermsdorf hat sich auf eine wider ihn erstattete Anzeige zu verantworten. Da sein dermaliger Aufenthaltsort unbekannt ist, wird Schubert hierdurch öffentlich vorgeladen, sich binnen 4 Wochen und spätestens den LV. Oetober d. Hs. behufs seiner Vernehmung allhier zu gestellen oder doch bis dahin feinen Aufenthaltsort anher anzuzeigen. Alle Behörden werden ersucht, Schuberten im Betretungsfalle auf diese Vorladung aufmerksam zu machen und vom Erfolge kurze Mittheilung anher gelangen zu lassen. König!. Gerichtsamt Wilsdruff, am 8. September 1876. ILn Gangloff. Tagesgcschichte. Wilsdruff, 12. September 1876. Der benachbarten Gemeinde Tanneberg steht für morgen Mittwoch ein schöner Festtag bevor, indem an diesem Tage die neu angeschafften Kirchcnglocken ihre Weihe erhalten sollen, sowie auch gleichzeitig an diesem Nachmittage die Erntedankpredigt gehalten werden wird. Die Festlichkeit beginnt gegen 10 Uhr Vormittags und werden die Nachbargcmeinden nicht allein durch Begrüßung der Glocken beim Durchgang durch ihre Ortschaften, sondern auch beim ganzen Feste sich betheiligcn; den Schluß des Festes bildet ein Festessen im Gast hofe des Herrn Eiselt. Die neuen Glocken werden heute Abend, von Dresden kommend, in unserer Stadt im Gehöfte des „weißen Adler" übernachten. — Für die bevorstehende Kirmes dürfte es für manche Haus frau ein Wink sein, daß heute ein Prachtexemplar von einer Färse ans der Stallung des Herrn Gutsbesitzer Gießmann in Lampersdorf in derrcnommirteuFleischerei des Herrn E.Gast ge schlachtet wird! Vom 21. bis mit 27. d. M. findet in Meißen, und zwar in den Ausstellungsräumen der Gebr. Geißler, eine Ausstellung, ver bunden mit Verkauf von Bienen, Hühnern, Tauben, Ziervögeln, Kaninchen rc. statt. Die Anmeldungen haben svätcstens bis zum 17. d. M., die Einlieferung spätestens bis zum 20. d. M. Mittags zu erfolgen. Stand- und Futtergeld wird nicht erhoben. Der 5. und 6. September gehören zu den großen Ehrentagen der Stadt Leipzig. So großartig und schön wie Nachmittags der Empfang des Kaisers Wilhelm war Abends die Illumination der Stadt; die Stadt schwamm in einem bunten Flammenmeer bis hin aus zu den letzten Häusern der Vorstädte. Sehr schön erhob sich die reizende Parkanlage hinter dem neuen Theater hervor: eine un unterbrochene Reihe von Flämmchen umsäumte die einzelnen Beete, jeden Weg und jeden Steg und den großen Schwanentcich, der den Mittelpunkt der Anlage bildet. Kopf an Kopf drängte sich die Menge bis zur Mitternacht, zu den Leipzigern waren 100,000 Fremde her- beigckommen. Trotz solcher Menge mußte weder von den Truppen noch von der Polizei ein Spalier gebildet werden, das Volk hielt die Ordnung allein aufrecht. Das glänzende Gefolge des Kaisers bestand aus nahezu ISO Personen, den preußischen Prinzen Friedrich Wilhelm, Carl, Friedrich Carl und Albrecht, dem Großfürst Nicolaus von Rußland, den Großherzögen und Herzögen von Weimar und und Mecklenburg, von Coburg und Altenburg, den Fürsten von Ru dolstadt und Reuß j. L-, vielen Prinzen und Erbprinzen und nament lich aus zahlreichen hohen Officieren aus Belgien, England, Frank reich, Italien, Oesterreich, Rußland und Schweden. Sie alle waren lebendige Zeugen der großartigen nationalen Huldigung, die eine der größten, intelligentesten und reichsten deutschen Städte in dem Herzen Deutschlands dem Oberhaupt des neuen deutschen Reiches brachte. Die Erwartungen Aller waren übertroffen und der Kaiser selbst sagte, er sei durch den Enthusiasmus der Bevölkerung überrascht und äußerst erfreut. Am 6. September Vormittags fuhr der Kaiser nach Böhlen und Pulgar und nahm eine Parade über das sächsische Armee- cvrps ab. Als der erste Parademarsch begann und das Mnsikcorps der Königsgrenadiere Defilirmarsch intonirte, zog König Albert den Säbel und sprengte an die Spitze seines Armeecorps, um dieses in seiner Gesammtheit Deutschlands obersten Kriegsherrn vorzuführen; dasselbe geschah beim zweiten Mal desiliren. Kaiser Wilhelm reichte seinem getreuen Bundesgenossen, als dieser dann an seine Seite sprengte, die Rechte. Die Kaisergienadiere (2. Grenadierrcgiment Nr. 101) hatten beide Male die hohe Ehre, von Sr Majestät dem deutschen Kaiser bei ihrem König vvrübergcführt zu werden. Auch das 2. Husarcnregimcnt Nr. 19 wurde von seinem Chef Kronprinz Friedrich Wilhelm, welcher die Uniform seines sächsischen Regiments angelegt halte, vorgeführt. König Albert, wie Kaiser Wilhelm und sein Heldensohn, wurden, als sie den Säbel zogen und an die Spitzen ihrer Regimenter sprengten, mit tausendfachen brausenden Zurufen des die Tribünen besetzt haltenden Publikums begrüßt. IV, Uhr war das glänzende Schauspiel, dem auch die Königin Carola zu Wagen und Prinzeß Georg zu Pferde beiwohnten, zu Ende. Um 2 Uhr kehrte der Kaiser nach Leipzig zurück. Es folgte ein Gala- dincr im Schützcnhause. Der König von Sachsen toastete auf de» Kaiser, der Kaiser auf den König und das sächsische Heer, das seine Elwalung noch übertroffen habe. Abends 8 Uhr fand Festvorstellung im Theater statt. Kaiser Wilhelm hat der Stadt Leipzig durch folgendes ver öffentlichtes Handschreiben gedankt: „Ich kann die Stadt Leipzig nicht verlassen, ohne derselben nochmals auSzusprochen, wie sehr mich der mir hier bereitete Empfang erfreut und bewegt hat. Mir ist hier, wo vor 63 Jahren der erste Schritt für die Vereinigung Deutsch lands mit blutigen Opfern erkämpft wurde, überall eine so wohl- thuende Darlegung der Sympathie für die Einigkeit Deutschlands verbunden mit warmer und treuer Anhänglichkeit an den Landesherrn entgegengetrelen, daß es Mir ein wahres Herzensbedürfniß ist, Meiner freudigen Befriedigung hierüber Worte zu geben. Der Name der Stadt Leipzig ist bisher jederzeit unter den ersten genannt worden, wo cs die Ehre und Größe Deutschlands galt. Ich scheide von hier mit der festen Ucberzeugung, daß eS immer und für alle Zeiten so sein wird. Wilhelm!" Zum Glück sind die Leipziger nicht abergläubig, sonst wären sie erschrocken, als Mittwoch Nachmittags ein orcanartiger Gewittersturm die 13 Ctr. schwere Figur des Friedens von der Nuhmessäule auf dem Augustusplatz herabschleudcrte und beim Auslässen der vom Nath aus gestellten riesigen Weisheit die Weisheit des Nathes angesichts des Nathhauses in den Sand fiel. Die Türken spielen ein gefährliches Spiel: sie haben den Waffenstillstand, den sämmtliche Großmächte in Constantinopel bean tragt haben, abgelehnt. Sie wollen zuvor die Friedensbcdingungen kennen, ehe sie Waffenstillstand machen oder vielmehr, sie wollen diese Bedingungen selber stellen und die Minister entwerfen dieselben soeben. Dieses Verhalten wäre erklärlich, wenn ste nicht ganz Europa gegen über ständen und dessen Geduld aufs Acußerste strapazirten, nament lich die russische scheint nur noch an einem dünnen Faden zu hängen. Wenn Kaiser Alexander eine Kriegserklärung erließe, so würde er seinem Volke und seinem Heer das Wort von der Zunge nehmen. Darüber ist kein Zweifel mehr. Darin liegt die größte Gefahr für den Frieden. Die Serben haben den Krieg zwar vom Zaune ge brochen, die Türken haben aber alle Sympathien verscherzt durch die unerhörten Grausamkeiten der Tscherkessen und Baschi-Boschuks, die sengten und brennten und schändeten und mordeten, wohin sie kamen. Eben jetzt wieder haben sie im Umkreis von Alexinatz 48 Ortschaften