Volltext Seite (XML)
/luer Tageblatt UOHWOW DßO MUOtffWAD^ «>» f», N»«»,»«!» »I« p»n»»ft«u«> — «»1ch«<»t xrkta-üch. z»rnspr»ch. flnschluA Ur. SS. /lnzeiger für Sas Erzgebirge LogiUaa Enthalt»»- -I» amtliche» vetaaatmachna-ea ües Natrs -er Gta-t UV- -es Mmsgrrichts Mu». ponfih.ck.Kvnw: »MI »Up^s lle. >«» Nr. 184 Freitag» üen 9^kugust 1929 24. Jahrgang Zwei Fronten im Haag di» Haager Seneralüebatte Die Haager Konferenz der Regierungen steht schon mitten in der Generaldebatte. Die Eröffnungssitzung ist für unÄ Deutsche nicht gerade erhebend gewesen, denn die staatspolitischen Ausführungen Dir. Gtrefe- manns wurden von allen Delegationen mit eisiger Kälte zur Kenntnis genommen. Ueberraschenderweife fand die Rede unseres ReichSautzenmtnisterS am Tage darauf sowohl in der französischen wie in der englh- chen Presse eine außerordentlich zustimmende Würdi gung. Woher also das Schweigen im Haag? Das „Echo de Paris" verrät uns, datz von den drei Hauptdelegierten Frankreichs kein einziger die deutsche Sprache versteht, hre nervöse Unruhe sich während der Ausführungen Dr. StresemannS von Minute zu Minute vermehrte und erst die Uebersetzung bet ihnen ein Aufatmen der Erleichterung auslöste. Schon der .erste "Lag der Generaldebatte zeigte deutlich, vast zwei Fronten aufmarfchierten, als es galt, den Aoung-Plan zu würdigen. Der englische Schatz- kanzler Snowden kündete das am Menstag nachi- mittag an und am Mittwoch! früh zeigten die Aus führungen des Rumänen TituleScu, des Griechen Bentzelos und des Südslawen Marinkowitsch, daß England und die kleinen Nationen einerseits eine Aenderung des Verteilungsschlüssels verlangen, wie ihn der Aoung-Plan Vorsicht, während Frankreich und Italien andererseits eine Abänderung dieses Schlüs sels ablehnen. Kein Politiker wird behaupten, datz durch die Art der Generaldiskussion, Vis von dem englischen Schatzkanzler Snowden sehr scharf eröffnet wurde, von den Franzosen und Italienern aber lediglich! dadurch! eine Entgegnung schielt, datz diese ihre entgegen«^ setzte Auffassung in aller Ruhe vortrugen, ohne auf die sachlichen Gründe des Engländers näher einzut- gehen, die Konferenzarbeiten echeblich gefördert wur den. ES scheint uns auch verfehlt zu sein, dle Er klärungen Snowdens als eins nicht ernst zu nehmende Ouvertüre de« Konferenz würdigen zu wollen. Der ganze Charakter des englischen Staatssekretärs legt vielmehr nahe, seine Ausstellungen und Forderungen recht ernst zu nehmen. Deshalb stimmt uns auch die Erinnerung des französischen Finanzministers Che- ron sehr nachdenklich, datz die Sachverständigen der Young-Konferenz vier Monate brauchten, um zu einer Einigung zu gelangen. Wieviel Zett wird erforderlich sein, bis sich die zwei Fronten, die sich fetzt im Ha ah gegenüberstehen, zur Verständigung die Hände reichen? Der deutsche Reichsautzenmintster begnügte sich in der Generaldebatte Mit eine« kurzen, aber sehr geschickten Erklärung. E« legte den französischen Fi nanzminister Cheron, der von einer Liquidierung der Vergangenheit sprach, auf seine Aeutzerung fest, erklärte erneut, datz Deutschland bereit ist, aus der Grundlage des Young-Planes zu einer Lösung des >> Reparationsproblems zu gelangen und sprach! feine Hoffnung aus, datz es der Ftnanzkommisfion der Haa ger Konferenz gelingen werde, eine Einigung unter den Gläubigerstaaten herbeizuführen. Me Franzosen erlebten fetzt Won, datz die ! Engländer gegen sie aufmarschierten. Es wird von 'ihnen besonders bitte« empfunden, datz ihre Verbün deten in der Kleinen Entente, vornehmlich die Ru mänen und Südslawen, sich auf der Seite deS eng lischen Gegenpartners befinden. Im Hintergrund steht . indessen noch eine andere Befürchtung, die wesentlich! größere Besorgnis auslöst. Wenn die französische Presse dies auch noch nicht in unzweideutiger Weise ausspricht, so kann man doch zwischen ihren Zeilen die Furcht lesen, datz Briand gezwungen wer den könnte, einen Zweifrontenkrieg ge gen Snowden und gegen Dr. Stresemann! zu führen. Die französische Taktik sucht dies bo- s greiflicherweise mit allen Mitteln zu verhüten. Gerade deswegen will dis französische Delegation auch nicht gleichzeitig über die Reparationsfrags und , die politischen Fragen verhandeln. Andererseits steht die Erklärung GnowdenS fest, datz er es ablehnt, in finanzpolitischer Hinsicht den Franzosen Zugeständnisse zu machen, um dafür französische Zugeständnisse hin sichtlich der Räumung per besetzten rheinischen Gebiete . zu erhalten. Taktik geht so vorerst über alles. Reichsautzenmintster Dr. Stresemann hat bis- ' her zweifelsohne geschickt taktiert. Seine Rede bet der Eröffnung Per Konferenz, die, wie man heute weitz, ursprünglich! gar nicht vorgesehen war, ist sehr geschickt auf.die Öffentliche Weisung der angelsächsi schen Völker eingestellt. Dies wurde von den Fran zosen alsbald erkannt, weshalb sogleich die Direktive an die französische Presse erfolgte, diese Rede gün stig zu beurteilen. Klug war auch! die Beschränkung Dir. StresemannS in der Generaldebatte auf eine Er klärung, da die Verteilung.der deutschen JcchreSzah- lungen unter die Gläubigerstaaten lediglich eine An gelegenheit ist, die unsere Gegenpartner interessiert. Jedenfalls ist sie für uns nur von sekundärer Bedeu tung. In gleicher Weise ist es zu begrüßen, zumal eS eine Forderung de« Loyalität und Ehrlichkeit ist, daß! Tr. Stresemann die Politischen Ansprüche Deutschlands in vornchmer aber nicht mißzuvev- stehender Weise ankündets. pariser Presseftimmen zur Rebe vr. StresemannS Zu der gestrigen Rede des Reichsaußenministers Dr. Strese mann schreibt „Temps": Man mutz anerkennen, baß Stresemann eine gewisse Höhe des Gedankenfluges bewiesen hat, indem er kraftvoll und geschickt bas Thema der verständnisvollen Zusam menarbeit der Völker entwickelte, ohne im besonderen auf die zwei Mal von Briand dargelsgten Ansichten über die Möglich keiten einer engeren internationalen Zusammenarbeit einzugehen. Stresemann geht aus diesem Wege weiter als irgend ein anderer. Denn er befürwortet für die Zukunft die Aushebung der Wäh rungsunterschiede und der unterschiedlichen Zolltarife zwischen den Staaten. Stresemann konnte sich nicht versagen, hervorzuheben, daß die wirtschaftliche Regelung politische Folgen haben müsse. Vielleicht war es nicht opportun, das im Laufe einer Eröff nungssitzung zu tun. Es heißt, daß Stresemann dem Teil der deutschen Oesfentlichkeit eine sofortige Genugtuung bieten wollte, der ihn drängt, unmittelbar auf politische Ergebnisse hinzuarbei- ten, d. h. auf die Losung der Äheinlandfrage. Journal des D6bats schreibt: Reichsaußenminister Dr. Stresemann ist von seinem Erholungsurlaub in blühender Gesundheit, gut aussshend und mit glanzvoller Stimme zurückge kehrt. Er scheint im Vollbesitze seiner Fähigkeiten zu sein, man braucht nicht erst zu betonen, daß er sie vollkommen ausnützt. Er hat in seiner gestrigen Rede zwei Richtlinien ausgestellt. Er hat ohne Zweifel aus Höflichkeit auf Briand aus eine Losung der europäischen Schwierigkeiten durch eine Neuorientierung der Weltwirtschaft hingewiesen. Das ist die praktische Formel der Vereinigten Staaten von Europa. Sie stimmt überein mit den Bestrebungen der Allgemeinheit der europäischen Völker. Sie entspricht immer stärker zutage tretenden Bedürfnissen, sie ist also verführerisch. Aber sie kann nicht im Laufe des Monats August 1929 zu Tatsache werden. Stresemann wünscht, vor der Völker bundstagung im September praktische Erfolge zu erzielen. In folgedessen fordert er in der einer Eröffnungszeremonie angepaß- ten Form im voraus den Preis fü seine Zustimmung zu der neuen Orientierung. vke englkfthe presse zu Sen Haag er Re-en „Daily Mail" veröffentlicht die Rede des Schatzkanzlers Snowden, die naturgemäß in der ganzen Presse viel beachtet wird, unter der Ueberschrift „Snowdens Ultimatum". Der Haager Korrespondent des "D a i ly News' führt aus: Dr. StresemannS Rede war eine große Ueberraichung Sie war sehr energisch und wurde mit großem Nachdruck ge- halten. Ein Teil seiner Rede bedeutete ein Eintreten für wirtschaftlich Vereinigte Staaten Europas. Seine Rede hinter ließ einen tiefen Eindruck. Der Berichterstatter des „D a i l y C h r o n t c l e" meldet ebenfalls, daß Dr. Stresemann indirekt auf diesen Gedanken Bezug genommen habe. Der Berichterstatter kritisiert weiter den Umstand, daß nur ein Pressebeamter vom Foreign Office die britische Delegation begleitet, während die anderen Dele gationen umfangreiche, sehr tüchtige Presseämter mitgebracht hätten. « Der Haager Korrespondent des „Daily Telegraph" schreibt: Dr- Stresemann» Rede war die erste, die die formellen diplomatischen Pfade verließ. Seine Worte, insbesondere sein Appell an die Staatsmänner, nicht zu zögern, den Völkern, die sie vertreten, einen Weg zu weisen, erweckten ein Echo der Sympathie. Der Korrespondent bemerkt, der deutsche Ueber» setzer sei, da er in ständiger Fühlung mit seinen Chef stehe, in der Lage, feine Schattierungen der Bedeutung und des Nachdrucks der Reden zu bringen, besser als der fähigste inter nationale Beamte. „Times" berichtet aus Berlin: In Deutschland hofft man, daß die Haager Konferenz auch eine Rückerstattung des Saargebtets bringen wird. Da die einzige Verhand lungsmethode, die Aussicht auf Erfolg hat, die einer finan ziellen Vereinbarung mit Frankreich ist, sind endgültige Vor- schlüge auf dieser Grundlage ausgearbeitet worden und werden von der deutschen Delegation unterbreitet werden. Der diplomatische Korrespondent de» Daily Telegraph führt au«: Sollte die Saarfrage in einem weiteren Sinne aufgeworfen werden, so darf nicht erwartet werden, daß die britische Delegation der These zusttmmen wird, daß das Saargebiet ausschließlich Frankreich und Deutschland angeht. E» kann für England nicht gleichgültig sein, wenn französisch-deutsch« Vorzugs-Handelsabmachungen in diesem Gebiet unter polt- tischem Druck abgeschlossen werden. Oie Ausscküsse sinä gebUclet Nach der Generaldiskusiion folgten die geschäftsordnungs- maßlgen Vorschläge Iaspars. Eg wurde ein finanzieller und ein >olltischer Ausschuß gebildet. In dem finanziellen Ausschuß ollen alle Mächte durch je zwei Delegierte vertreten sein. Dir inanziellen Probleme, die nur die einladenden Mächte betreffen, ollen von deren Delegierten allein behandelt werden. Der politische Ausschuß bestehl gleichfalls aus je zwei Dele gierten, jedoch nur der einladenden Mächte. Unterausschüße für beide Ausschüße sind nach Bedarf vorgesehen. Snowden, England, schlug unter allgemeiner Zustim mung für den Finanzausschuß den belgischen Finanzminister Baron Houtart als Vorsitzenden vor, der die Wahl dankend an nahm. Für den politischen Ausschuß wurde von Briand Henderson als Vorsitzender vorgeschlagen. Auch dieser Vorschlag wurde an genommen. Die Vorsitzenden der beiden Ausschüße zählen als Delegierte nicht mit. Die erste Sitzung der Ausschüße ist auf heut« nach mittag um 4 Uhr anberaumt worden. G Zum gestrigen Verlauf der Haager Konferenz wird es ln Berliner politischen Kreisen mit Genugtuung verzeichnet, daß es bereits am -weiten Tag gelungen ist, die Kommissionen zu bilden und die Verhandlungen damit aus dem Stadium der öffentlichen Reden in das der fachlichen Kvmmißionsberatungen hinüberzu leiten. Die Generatdiskussion hatte nur den Zweck, den Mächten Gelegenheit zu geben, ihren Standpunkt vor der Oesfentlichkeit darzulegen. Es ist anzunehmen, daß sich in dem Gremium von je 12 Mitgliedern schnellere Fortschritte zu einer Einigung er zielen laßen als vor dem Forum der Konferenz und der Oessent- lichkeit, vor der natürlich Prestigefragen eine viel größere Rolle spielen. Die Wahl des belgischen Finanzministers Baron Hou tart zum Vorsitzenden der Finanzkommission ist vom deutschen Standpunkt aus schon deshalb annehmbar, well Belgien den Aoungplan angenommen hat. Besonders wird in Berliner poli tischen Kreisen die Tatsache begrüßt, daß der englische Außen minister der politischen Kommission vorstehen wird. Es ist be merkenswert, daß diese Wahl auf den Vorschlag Briands zurück ging, der damit vielleicht eine freundlich-versöhnende Geste gegen England machen wollte, um damit etwaige Empfindlichkeit zu be seitigen, die in London noch von dem Streit um den Konferenzort zurückgeblieben sein könnten. Deutschland hat für den finanzpoli tischen Ausschuß die Minister Hilferding und Curtius genannt, für die politische Kommission di« Minister Stresemann und Wirth. Beide Kommissionen sind als dauernd anzusehen. Der finanz politische Ausschuß wird der Vvllkonferenz am Schluß Bericht er statten, dagegen trifft der politische Ausschuß seine Entscheidungen, ohne der Konferenz darüber einen Bericht vorzulegen. Da» Motto für den Finanzausschuß ist der Aoungplan, das für die politische Kommission das Genfer Communiquö vom 16. Septem ber v. I., in dem die Liquidierung aller aus dem Kriege noch offenen Fragen vorgesehen ist. In dieser Kommission wird also zunächst die Räumungssrage und dann die Frage der Feststellungs- und Vergleich skomm ission behan delt werden, dagegen wird die Saarfrag« vorläufig nicht in die Kommission hineingebracht, sondern -wischen Briand und Stresemann besprochen werden. Es wird unterstrichen, daß beide Kommissionen getrennt, aber zum selben Zeitpunkt zusammen treten und damit der deutschen Forderung nach Gleichzeitigkeit der Behandlung des Aoungplanes und der Räumungsfrage Rech nung getragen ist. Im ganzen fleht man bas Ergebnis des gestrigen Tages als einen erheblichen Fortschritt an, wie er zu Beginn der Konferenz nur irgendwie erwartet werden konnte, wobei natürlich Klarheit darüber besteht, daß die Behandlung der großen und schr schwierigen Fragen nun erst beginnt. Flucht aus der D. N. V. P. Mitte Juli trat der Kreislandbund Torgau als erste derartig« Gruppe auf einstimmigen Beschluß des Hauptvorstanbes und der Delegiertenversammlung zur Christlich-nationalen Bauern- und Landvolk-Partei über. Mit wenigen Ausnahmen gekörten Vor- stand und Mitglieder des Kreislanbbundes Torgau der Dvittch- nationalen Volkspartei an, die aber nach Ansicht der Mehrheit die Interessen des Landvolkes nicht energisch und oindeutia genug verkitt. Nunmehr hat auch der Vorstand des Kreislanbbundes Delitzsch einstimmig beschlossen, sich dem Vorgehen des Landbun des Torgau anzuschließen und zur Christlich-Nationalen Dauern- und Landvolkpartei überzutreten. Einzeln« Vorstandsmitglieder haben diesen llebertritt bereits vollzogen. Man darf annehmen, datz diese llebertritte als eine Desavouierung Hugenbergs in sei ner Roll« als Diktator der Deutschnationalen Vvlkspartei -u be- werten sind. Die Gehälter der Reichsbankdirektvren Bekanntlich stehen die Mitglieder des Direktoriums der Reichsbank außerhalb der Reichsbesoldungsordnung. Sie erhalten einschließlich der Zuschläge uf«- A Iahresgchalt von 180 000 Mark, der Präsident bezieht 340 0W Mark jährlich. Scheidet ein Mitglied des Direktorium» ohne Verschulden aus, so erhält es ein achtfache, Iahresgehalt Äs Abfindung, als» 1440 000 Mark, der Präsident etwa 2,7 Millionen Man. Un gefähr die aleichen Verhältnisse bestchen bet der Hauptverwaltung der Reichsbahn.