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M'M'» llittr 40vv u««z, Aemi« Nr 82 Sechster Jahrgang. Mittwoch. 8. Februar 1»1l. 5luer Tageblatt und Anzeiger Mr das Erzgebirge x. M- sM der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Auer Sonnlagsblatt. jür die Znsera,.- verantwortlich - «lalter ktrav». Sprschstmd« d« Redaktion mit Ausnahme der Sonntag» nachmittag, von »—5 Uhr. — Lelegramm.Adrrffe: Lageblatt AueeqgMr-e. — Fenchrrch« »». z. Beide in Au» t. Lrzgeb. Für unverlangt eingesandte Manuskript« kann Gewähr nicht geleistet werden. ..... > Bezug,prei,: Durch unser« Boten frei in, Hau, monatlich Lo0fg. Lei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich pfg. I Insertion,preir: Vie siebengesvaltene Korpurzeil« oder deren Raum für Inserat« au, Aue und den Grtschastrn de» und wichentlich io Pfg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich i.so Mk., monatlich so Pfg. — Durch I Bmtrhauptmannschast Schwarzenberg >o pfg., sonst ,5 pfg. Reklamevetitzeile rs pfg. 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Im preußischen Abgeordnetenhaus« fand am Diene tag die erste Lesung de» Entwurfs «nuS Zweckoer bandes statt. Die deutsch-englis-de kirchliche Vereinigung zur Förderung der freundlichen Beziehungen zwischen beiden Staaten hielt gestern in London eine Sitzung. W Die holländische zweite Kammer hat den Küsten, oerteidigunqsentwurf ohne Debatte den.Kom missionen überwiesen, deren Sitzungen morg < n beginnen. Der persischeFinanzminifter ist den Verletzungen, die er durch da» Attentat zweier russischer Uuttrtamn erlitt, erlegen. Hinter den Kulissen. Es ist .begreiflich, daß da» mehrfache Fiasko, da» die französische Politik in den letzten Monaten erlebte, ge» wissen Leuten an der Seine sehr zu Herzen geht und daß man nach Möglichkeit danach trachtet, die Scharte wieder auszuwetzen. Die deutsch,russische DerstLndi gung Hasstet ,schscher auf den Gemütern jenseits der VoHesen und so ist man denn nach Kräften bemüht, dem, unangenehmen Eindruck dieser Tat» fache, die sich nun einmal nicht au» der Welt schaffen läßt, zu ver wischen. Dem aufmerksamen Beobachter kann es nicht entgehen, daß deshalb seit einiger Zeit hinter den Kulissen gearbeitet wird, in der Absicht, dem erneut steigenden Uebergewicht Deutschlands auf dem Gebiet« der Weltpalitik «in Paroli entgegensetzen. Sowohl an der Seine wie auch an der Themse tauchten verschie dene Fühler auf, im besonderen hinsichtlich der Orientpoli tik, die erkennen ließen, daß die Diplomatie an der Arbeit ist und man weiß zur Genüge, daß sie oft Gelegenheit nimmt, den geraden Weg zu meiden. Es ist wohl nicht von ungefähr, wenn in der Form einer Pretzpolitik Mitteilungen gemacht werden, die zweifellos bestimmt find, der Welt zu zeigen» wie intim di« Beziehungen -wtsthen England und Frankreich sind. In einer dnscheinrnh joffiziö» inspirierten Nate schreibt der Matin Folgende»: Al» am letzten Donn«r»tag im Senat« einige Redner dem Minister Ptchon vorwarfen, daß seit drei Jahren zwischen Frankreich und England Militärkonferenzrn nicht g«. pfloiien worden seien, antwortete Pichon: Ma« wissen Sie davon? Diese Erwiderung gab den Daily News Veranlassung, in einem Leitartikel daraus den Schluß zu ziehen, daß tat» sächlich zwischen Großbritanien und Frankreich militärische Be sprechungen stattg«fund«n hätten, die sich auf eine mtlitä- rische Entente bezogen, die entweder auf mündlichem oder schriftlichem Wege abgeschlossen worden sei. Die Besprechungen hätten aber nur «inen allgemeinen Charakter haben können, denn Sir Eduard Grey habe im Unterhaus« niemals auch nur «in Wörtchen darüber verloren, andernfalls würde di« Autori. tät de» englischen Parlament» verletzt worden sein Auf diese Ausführung des Londoner Blatte» erwidert nun der Matin folgendes: Es ist sicher, daß zwischen Frankreich und Eng» land solch« Besprechungen über militärtschdiplomatische Ange legenheiten stattfanden, die sich mit allen Möglichkeiten befaß, ten, welche di« Zukunft der beiden Mächte betreffen könnten. Diese Besprechungen verstießen in keiner Weis« gegen die eng lisch« Verfassung, wie die Londoner Daily New» zu befürchten scheinen und deren Anschauungen über die au»wärtig« Poli tik sich mit denen der britischen Regierung nicht decke. Nach alledem wM man der Welt anschauend an-eigen, daß zwischen Pari» und London alle» klar und für den Ernstfall verabredet ist. Man» darf hierin wohl eine Antwort auf di« jüngsten Darlegungen Aehrenthalr sehen, die gleichfall» an der Seine nicht sonderlichen Beifall gefunden haben, da auch sie sowohl den Umschwung der Stimmung zwischen Berlin und Wien wie di« Besserung de» Verhältnisses der Donau monar. chie zu Rußland betonten. Desgleichen ist es bezeichnend, wenn jetzt mit einem Male Meldungen «»stauchen, die einer Verständigung -wischen England, Frankreich und der Türkei hin sichtlich Dorderasiens das W»rt reden, indem man berge, statt Deutschland beiseite schieben möchte. Zweifellos läßt man auch in Konstantinopel all« Menen springen, um die Türkei auf die Seit« England» und Frankreich, Politische Tagesschau. Au«, 8. Februar. Da Unabhängigkeit «rkenneuder Richter. X Bei der gestrigen Beratung der Justiznaoell« im Reich», tage brachte man e» doch endlich einmal fertig, nicht mehr Moa bit in den Vordergrund der Verhandlungen zu rückin, sondern sich wirklich mit der Vorlage zu befassen. Di« Debatte verlief dann auch ohne sonderlich« Erregung und bedeutsame Moment«. Die Erörterung war rein sachlich, di« Fachjuristen hatten da« Wort, machten «» aber erfreulicherweise kurz, war man nicht immer von diesen Herren behaupten kann. All« Abänderung»- anträM wurden abgelehnt, u. a. ein sozialdemokratischer Antrag auf Streichung der Sonderbosttmmungon. für die Kriegsgerichte. Luch di« Hilfsrichterfrage wurde in der Erörterung gestreift, insbesondere rqandt« man sich gegen die nicht völlige Unab hängigkeit der Assessoren. Im großen und ganzen verlief di« Debatte recht monoton, bi» «» in sechster Stunde eine Heber- raschung Mb. Ueber di« Abstimmung Lei einem Abänderungs antrag« de» Zentrum» wa, sich da» Bureau nicht einig, man mußt« zum Hammelsprung sein« Zuflucht nehmen und sieh« da, es zeigt« sich, daß da» Hau» nicht beschlußfähig «ar; nur 182 Abgeordnete waren noch zugegen. Da e« sich nicht lohnt«, in so später Stunde noch eine neu« Sitzung anzuberaumen, ging man vergnügt nach Hause, um heut« mittag di« Beratung fort, -usetzen. . ' Weshalb di« preußisch« Negierung da» Enteignungsgesetz noch nicht zur Anwendung gebracht hat, wird sie darlegen, sobald der Etat der'Anstedlungskommisston für PoseN und Westpreußen am Ende der Etatsberatung zur Besprechung kommt. Diese Be sprechung erfolgt erst so spät, da die Denkschrift der ANstedlungs« kommission über die Landkäufe de» letzten Jahre» dem Abgeord netenhaus erst gegen Ende de» Monats -»gehen wird. Es ist demnach scheinbar ein zahlenmäßiger Nachweis dafür ge plant, daß die Polenpolitik der Regierung richtig war. An die Das Wunder der Fan nacht. Humoreske von Käte Subowski. (Nachdruck Frau Landrat Weppenberg zerbrach sich bereit» seit gerau. mer Zeit den Kopf, weshalb ihr Sohn die jungen Trakehner, die ihn zur Kadettenanfftalt zurückbrintzjen sollten, heute bei dem naßkalten Mutter so ungebührlich lange stehen ließ. Da» war doch sonst nicht seine Art. Und sie sagte endlich, als er immer noch keine Miene zum Aufbruch machte, mit einem Gemisch von sanfter Zurechtweisung und mütterlicher Besorgnis: Hast du nicht um sieben Uhr die Jnstruktioipstunde, Paulchen? Paulchen nickte, griff instinktiv nach seinem Oberleutnantsstern, behaup tete aber im übrigen nach wie vor seinen Platz. Junge, wa» hast du nur auf dem Herzen? fragte die Landrättn endlich und er griff seine Rechte: Ast'» ein Extrawunsch poegen unsere» Fast nachtsball«», eine Einladung oder ähnlich«,? So sprich doch. Da sagte er kleinlaut und leise: Kommt eigentlich die Hilda Schobert, Mutter? — Ach, da» vergaß ich dir ja zu sagen. Nein l Schade drum Ihr« Mutter hat gestern für st« abgesagt. Da, Mädel ist so heiser, daß «» nicht imstande ist, »inen Ion hervor, zu bringen. Hast du eigentlich ihren Bruder Walter für da» Fest beurlaubt? — Nein: sagte der Oberleutnant kurz: Der Junge ist anmaßend und keck. Auch muß er rechtzeitig in'» Bett. — Aber es ist doch gerade ein Sonntag, Paulchen. Allein Paulchen setzte seine strenge Erziehermiene auf: So kur- vor dem Abitur wirkt jede derartige Zerstreuung schädlich Einen Spaziergang bi» neun Uhr abend» habe ich ihm allerdtng» ge. stattet. Jetzt hatte er e« sonderbar eilig, in den Mantel zu kommen. Kopfschüttelnd sah ihm di« Mutt«r nach. Was d«r Jung« nur hat! dacht« sie sorgenvoll. Seit ein paar Wochen ist er wie aus gewechselt. Sollt« vielleicht die Hilda daran Schuld sein? Ja, natürlich war sie qs? Paulchen Weppenberg kannte st« seit zehn Jahren, galt kn maßgebenden Kreisen al« Erziehe, mit glänzen, der Zukunft, und «ar doch nicht imstande, auf da» kecke blond« Ding auch nur im geringsten einzuwirken. Da« hatte schon lange an ihm gezehrt. Aber erst da» letzte Geschehnis brachte Ye au». einander. Regelmäßig am Donnerstag fuhr er nämlich in die Großstadt hinein und nahm bei ihrer Mutter den Tee. Bei die ser Gelegenheit hatte er ihr denn auch verboten, jemals dies« entsetzlichen, geradezu lebensgefährlich engen Röcke zu tragen. Jawohl! Er war voll« neun Jahr« älter al» sie und konnte ihr, die er noch Hukepack getragen, sehr wohl einen Befehl erteilen. Und st« mit ihrem süßesten Lächeln hatte die Hand an die vollen Locken gelegt und im Ton der Meldung geschnarrt: Z' Befehl, Herr Oberleutnant! und war doch «ine Woche später zu dem großen Kaksergeburtstagsfest de» Korp» in einem unmöglich engen Futteral erschienen. Da» hatte ihn natürlich empören müssen. Den ganzen Abend schnitt er sie aufs strengst« und er götzte sich daran, wie sie mit den Tränen kämpfte. Mer da» Lösche kam noch .... Sie fiel mit einem ungeschickten Fahnen, junker beim Tanz nieder und war nicht imstande, sich aus eigener Kraft zu erheben. Da hatte er sich an ihrem Ungehorsam ye- rächt, ungerührt Kehrt gemacht und sie der Hilfe de» verlegenen Fahnenjunker» überlassen. Di« Absage der Mutter war nicht« al, ihre Antwort auf seine Behandlung, denn an die Heiserkeit glaubt« er natürlich keinen Augenblick. Trübselig schlichen die Tage dahin. Sonst hatte der Oberleutnant vor Ungeduld und Vorfreude kaum den Albend des Fast Nachtisch«, im Elternhaus, erwarten können. Diesmal hätte er ihm fernbleiben dürfen. Daran war natürlich nicht -u den- ken. Seine Mutter Laut« sch auf sein« Hilf« und schickte ihm täglich neu« Anweisungen für all sein, Pflichten. Der letzte Februartag schaute mit grauen, kaltfunkelnden Augen in di« Welt. Gegen sickben Uhr abend, erhellten sich sämtliche Fenster de« prächtigen Landratshause«, und Paul Weppenberg stand vor dem reichbesetzten Lüftet, sah twehmüttg auf «in« wundervoll garnierte, mächtige Hummermajonnats, herab und dachte dabei unablässig: Davon hat sie im vorigen Jahr« wohl sechsmal ge» nommen. Und di« schönste von. allen war sie damal«. Eie hatte ganz unverändert ein alte» sttdene» Kleid ihrer Urahne an, trug dazu «tntn himmelblauen Domino — Und nun ist — alle« — allgd au». Lang« konnte er indes seinen trüben Gedanken nicht nachhängen. Die lichtem Räum« füllten sich gar bald mit allerliebsten und auch anderen Masken. Gin bunt«, Gewimmel von Rittern und Gretchen, Mönchen und Tänzerinnen zeigte sich Sogar eine Jokaste und vier Oedipuss« waren da. Da» alte Schel- menfpiel au» Frage und Antwort wiederholt« sich, und dazwi schen spielten die Locken des Klavtervirtuosen und di« Frackschöße de» Meister» von der Geig« alle Melodtenen noch einmal. Paulchen Weppenberg allein bemüht« sich vergeblich, in Stim mung zu kommen. Ihm war zu Mut, al, hätte er au, Ver sehen Lei Hilda» Mutter stöben Tassen Tee getrunken, obgleich er schon die zweite äußerst schlecht vertrug. Unablässig starrt« er auf die große, weiße Flügeltür, durch welche die anwesenden Gäste sämtlich hineinspaziert waren. Seine Mutter gab ihm ei nen leisen Stoß: So tanz doch, Paulchen. Da, Fräulein voN Schwechting, die Dicke ick lila Babykleidchen sitzt fortwährend. Und er gehorchte mechanisch, stieß dabei an ihre Milchflasche, -er» brach den lustig bqpmeinden Glaslutscher und sagte dennoch: Sehr, sehr angenehm. Dann stand er wieder und fixierte die Tür. Und plötzlich öffnete sie sich «in wenig. Nicht etwa wie zuvor, al» die Diener si- vor dem großen Schwarm aufrtssen, sondern nicht viel mehr, Als wenn ein neugierig«» Kätzlein hin. einhuschen tchllt«. Eine schmale, schtzvarze Erstatt schob fist vorsichtig düvch den engen Spalt. Ein himmelblauer Domino senk« sich dabei tief auf di« Brust herab. Und Paulchen weppen- perg bekam, angesicht, de, wohlbekannten Kleide« der Urahne, augenblicklich ein lichtes, frohes Her, und einen — gesunden Ma- gen. Aber «r hielt sich fern von der Eintretenden, denn — wie . er sie kannte — wäre sie Set seiner plötzlich erfolgten Annäherung sofort umgekehrt. Unauffällig schob sie sich in eine Eck« und mischte sich unter die Lunte Menge. Ein paar Minuten taucht« ihr Kostüm noch hier und da auf, dann suchte der Oberleutnant vergeblich da- nach. Aufgeregt und ermattet lief er endlich in da« Bufett-> zimmer, um dort an einem der allerliebst gedeckten Tischlein mit s sich zu Rat« zu gehen. Aber da-u sollt« er nicht kommen. Direkt ' vor dem wundervollen Hummersalat stand der himmelblaue Da, mtno und schob hinter di« nur sehr wenig gelüftete Ma»ke er- staunlich« Mengen dieser Leckerbissen. Erst jetzt ward er inne, daß da, ehrwürdige Kiew ihr seit Jahresfrist viel zu weit ge- worden war. Und eine heiß« Rührung überkam ihn. Er sah darin «in untrügliche« Zeichen, daß auch sie sich gegrämt und ge- härmt hatte. Darum ließ er sie jetzt ganz ruhig gewähren, ver-