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Ottendorfer Zeitung. Die „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi» vormittag Uhr. Inserate werden mit ,o Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 103. Freitag, den 28. August 1903. 2. Jahrgang. Megesperrnng. Der Weg „Spannen" im hiesigen Staatsforstrevier wird auf der Strecke vom Glituschllitz- Nadeburgkr Wege bis zum Laußnitz-Wiirschniher Wege (Flügel 8 2.) behufs Verlegung Vom 1. künftigen Monats ab bis auf weiteres gespennt und der Verkehr über Laußnitz bez. Tauscha verwiesen. Laußnitz, am 24. August 1903. Königliche Forstrevierverwaltung. Oertliches und Sächsisches. Vttendorf-Dkrilla, 2?. August 1903. —* Am heutigen Tage unternahm ein Teil der Schulkinder seine diesjährigen Schulfahrten. Wie schlagen die Herzen der Kinder, denn sie sind neugierig, wollen neues sehen mü hören — und das mit Recht; Auge und Ohr rechtzeitig öffnen für das Leben, nie sehen und hören sie zu viel !! — Die erste Klasse wird einen Teil der sächsischen Schweiz besichtigen, die 2 Klaffe wird sich das altertümliche Meißen ansehen, eine Knabenklasse wird im zoologischen Garten ihre „Studien" treiben. Morgen Freitag unternimmt die 4. Klaffe unter Herrn Anger mann und Veit ihren Ausflug nach Moritz burg per Leiterwagen. Hoffentlich ist an allen Partietagen das gewünschte Wetter, für heute scheint es recht zu sein. Dann hört man aus frühen Herzen das „Frisch auf drum, frischauf drum im Hellen Sonnenstrahl!" — Am 24. August ging im benachbarten Preußen die Hühnerjagd auf, 8 Tage eher als in Sachsen, wo die beliebten Bratvögel vom 1. September ab geschaffen werden dürfen. Bald kommt also wieder die schöne Zeit für die Nimrode, wo sie mit der schußbereiten Flinte durch Feld und Au streifen, und das Angenehme mit dem Nützlichen verbindend der Hausfrau so manchen der leckeren Vögel mit nach Hause bringen. Drei Monate währt die Jagd auf Rebhühner. Wer sie am 1. Sep tember ausüben will, muß sich, woran erinnert sei, mit einer Jagdkarte versehen, die übrigens eine bemerkenswerte Neuerung insofern ausweist, als sie nicht mehr auf Kartonpapier, sondern auf Leinwand gedruckt ist. — Auf der Bahnstrecke Löbau-Herrnhut- Oberoderwitz soll, wie das Zittauer Amtsblatt mitteilt, binnen kurzem Sekundärbahn betrieb eingeführt werden. Man hat wohl Grund, anzunehmen, daß es nicht bei dieser einzelnen Maßnahme bleiben wird. Dresden. Der Oratoriensänger Paul Hase von hier befindet sich, w'e jetzt gemeldet wird, auf einer Konzertreise durch die deutschen Nord seebäder und hat zur Regelung seiner Ver- mögensvcrhältnisse einen hiesigen Herrn mit Generalvollmacht versehen. Von einem Ver schwinden und einer Benachteiligung der Gläu biger könne keine Rede sein, da Vermögens objekte, Grund- und Gebäudewerte, den Schulden gegenüberständen. — Ein stattlicher Ticrtransport, wie er seit 25 Jahren nicht wieder nach Europa gekommen ist, im Werte von rund 80000 M„ ist durch den bekannten Ticrimporteur und Afrikarcisenden Josef Menges am Dienstag nach dem hiesigen Zoologischen Garten gebracht worden. Unter vielen anderen seltenen Tieren wird besonders erwähnt 5 Giraffen im Alter von '/z bis 1»/j Jahren. — Ein zweites riesiges Eisenrohr wurde am Dienstag vormittag von der Werft der Kette regelrecht vom Stapel gelassen. Der Transport des 130 Meter langen Elsenriesen geschieht derart, daß der einem riesigen Trichter ähnliche Kopf auf einem Prahm ruht, während der übrige Teil frei im Wasser schwimmt. Das gewaltige Rohr ist mit Wafferstoffgas ge füllt und schwimmt demnach wie ein Luftballon auf dem Wasser. Zwei Dampfer, einer hinten, einer vorn, bugsieren das Ungeheuer nach Ham burg, wo es zur Ableitung der Fäkalien ver wendet werden soll. -- Auf eine entsetzliche Weise wurden am Dienstag nachmittag gegen 5 Uhr der Werk- ührer, zwei Arbeiter und ein Arbeitsbursche n der Fabrik von Julius Ulbrich Nachf., Vor- tadt Striesen Wartburgstraße 3, durch Schwefel- äure verbrannt. Der Arbeitsbursche hatte den Auftrag erhalten, aus dem Erdgeschoß einen Topf mit Schwefelsäure in das erste Stockwerk zu tragen; er nahm dabei seinen Weg über die im Innern des Fabriksaales befindliche eiserne Wendeltreppe, ließ dabei das Geschirr fallen, odaß dessen Inhalt in Flammen geriet und dabei nicht nur ihn, sondern auch die unmittel bar unter der Treppe arbeitenden oben ge nannten Männer bedeutend verletzte. Ein Ar beiter ergriff den schwerverletzten Arbeitsburschen ofort und tauchte ihn in eine mit Wasser ge füllte Wanne. Dadurch wurden die Folgen des Unfalls etwas gemildert. Der Kompagnon des Geschäftsinhabers sorgte sofort für ärztlichen Beistand. Der entstandene Brand, der größeren Schaden an dem Material anrichtete, wurde von dem Personal baldigst unterdrückt. — In der Wilsdruffer Vorstadt schoß sich am Montag nachmittag ein hiesiger Gewerb- treibender in selbstmörderischer Absicht eine Kugel in den Kopf. Er wurde noch lebend in das Stadtkrankenhaus gebracht. Der Beweg grund zu seiner Handlungsweise soll in miß lichen Vermögensverhältniffen zu suchen sein. — Aus Furcht vor einer wegen eines Sitt lichkeitsverbrechens zu erwartenden Strafe er schoß sich am Dienstag früh in seiner in der Vorstadt Löbtau gelegenen Wohnung ein 50- jähriger verheirateter Gewerbtreibender. — Am Sonntag ist der als Kurgast in Schandau weilende, 61 Jahre alte privatisierende Rechtsanwalt H. Müller von hier beim Ein kauf von Ansichtskarten von einem Blutsturz befallen worden, an dessen Folgen er verstarb Weinböhla. Nächsten Sonntag findet hier die feierliche Weihe der von Herrn Kultur techniker Wießner erbauten Bismarckwarte statt. Sacka. Vergangenen Sonnabend nachts nach 11 Uhr wurde hier das dem Hausbesitzer Zickler gehörige massive Wohnhaus nebst Stall gebäude ein Raub der Nammen. Der Kala- mitose hat versichert. Großenhain. Im Wäldchen beiPorschütz ist eine lebende Schildkröte von Kindern auf gefunden worden. Sie wurde zur Schule ge bracht und dem Herrn Lehrer vorgezeigt, der sie in sachverständige Pflege nahm. Soweit bekannt, ist dies der erste Fall, daß in hiesiger Gegend eine in der Freiheit lebende Schildkröte betroffen worden ist. — Durch Erhängen beendete der Hand arbeiter St. hier sein Leben und damit sein jahrelanges Leiden, von dem er vergebens auf Besserung hoffte. Meißen. Bei dem am Sonntag abend hier und in der Umgegend aufgetretenen Ge witter schlug der Blitz in die Scheune des Wirtschaftsbesitzers Funke in Polenz.- Das Gebäude wurde eingeäschert. — In Reinsberg stürzte der 69 jährige Dachdecker Stölzel aus Siebenlehn auf dem Rittergute vom Dache. Er war sofort tot. Nossen. Durch Erhängen entleibte sich hier am Sonnabend in der Wohnung seiner Eltern der 18 Jahre alte Sohn des Baumeisters Stadtrat Fiedler. Die Ursache dieser unseligen Tat ist nicht bekannt. Es ist dies binnen kurzem der zweite Fall, daß ein junger Mann, Söhne angesehener dortiger Bürger, Selbstmord verübt hat. Leisnig. Über den wiederholt gemeldeten Fund eines männlichen Leichnams in der sogen. „Lache" am Eichberg hierselbst am 24. Juli dieses Jahres schwebt immer noch ein geheimnis volles Dunkel, denn bei der Identifizierung des Ertrunkenen ist nun bereits zum zweiten Male ein Irrtum unterlaufen. Nachdem der zuerst totgesagte Kaufmann Georg Kurt Däweritz sich wieder als „Lebenver" gemeldet hatte, wurde mitgeteilt, daß der aufgefundene Ertrunkene der Müllergeselle Johann Wilhelm Loos, gebürtig aus Zerkupchen, Kreis Gumbinnen, sei. In einer vom 22. August datierten Postkarte aus Dresden schreibt nun der Totgesagte, daß er sich bis zur Stunde noch wohl und munter unter den Lebenden befände und bis Dienstag unentgeltlich zu sehen wäre. Das Dunkel, das nunmehr über der Person des Ertrunkenen liegt, ist daher immer noch nicht aufgeklärt. Zeithain. Am Donnerstag stürzte zum Beginn der Kavallerie-Übungen hier Herr Major Brückner vom Oschatzer Ulanen-Regiment mit dem Pferde und verletzte sich dabei derart, daß eine Üebersührung in das Lazaret notwendig wurde. Mutzschen. Der Brunnenbauer Richard Thiele von hier, welcher 1901 in Grimma verschüttet wurde, ist am Montag bei einer Brunnenreparatur in Böhlitz bei Mutzschen verunglückt. Beim Heben von Brunner.röhren riß eine Kette und die niederfallende Röhre verletzte ihm das Knie schwer. Meerane. Eine noch nicht aufgeklärte unliebsame Szene trug sich in der Montag- Nacht im nahen Gößnitz zu. Von dem dort einquartierten 75. Artillerieregiment wurde ein Artillerist in den Kopf gestochen. Die Tat dürfte, wie das „Meeraner Tageblatt meldet, von der Nachtpatrouille, und zwar wegen Un gehorsams ausgeführt worden sein. Die Affäre rief unter dem zusammengelaufenen Publikum große Erbitterung hervor, sodaß sich die zur Patrouille zählenden Unteroffiziere genötigt sahen, blank zu ziehen. Der Schwerverletzte wurde am folgenden Morgen in das Garnison- lazareth nach Altenburg übergeführt. Zwickau. Einen Raubmordversuch hat in der Sünntagsnacht ein bayrischer Arbeiter auf einer einsamen Straße der Außenstadt gegen einen Spaziergänger unternommen. Er forderte von diesem die Barschaft und verletzte ihn durch einen Revolverschuß. Der Täter wurde mit Hilfe hinzugekommener Radfahrer verhaftet. Zigeunerplage! Zigeuner sind da! — So ertönt während der Frühjahrs- und Sommerszeit der Ruf bald hier, bald dort, der Ort gerät in Auf regung. Kinder umringen den Wagen, um die schmutzigen Gestalten und ihr Treiben zu beobachten. Im Gasthof angelangt, begiebt sich die Gesellschaft auf die Tour. Die Weiber hausieren gruppenweise, um Kleidungs stücke, Geflügel, allerlei Nahrungsmittel, vor allen Dingen aber Geld zu erbetteln oder zu stehlen, Stehlen ist die Hauptbeschäftigung dieser Banden. Am Tage besorgen dies die Weiber in Gehöften, zur Nachtzeit die Männer auf dem Felde. Als guter Angriffs punkt gilt immer der Kramladen; dieser wird von den Weibern förmlich überflutet, sodaß die Verkäuferin ratlos dasteht. Bei dem vielen Fragen nach dem Preise und dem ent stehenden Durcheinander verschwindet ein Gegenstand nach dem andern. Schließlich wird ein geringer Gegenstand erstanden und Goldstück oder Kassenschein in Zahlung ge geben. Kaum hat sich die Ladenkasse geöffnet, so sind auch schon die geschäftigen Finger der frechen Gesellschaft drin, angeblich, um Geld stücke mit bestimmten Jahreszahlen heraus zusuchen, tatsächlich aber um dieselbe in un auffälliger Weise zu plündern. Alle bisher angewandten Maßregeln, den Banden ihr unsauberes Handwerk zu unter binden, hatten nicht den gewünschten Erfolg. Wohl ist erreicht worden, daß das Land von ausländischen Zigeunern beinahe gänzlich be freit wurde, aber die Zahl der ortsansässigen Banden, die im Laufe der Zeit Staatsange hörigkeit erlangt haben, ist durch den starken Nachwuchs bedeutender, denn je. Die Polizei behörden haben demnach darauf zu achten, daß die Mitglieder der Banden den Nachweis bringen, daß dieselben und ihre Eltern naturalisiert sind, oder daß sie, bezw. ihre Eltern, vor Emanation dieser Gesetze einen Wohnsitz im Jnnlande gehabt haben. Dieser iedingt die Staatsangehörigkeit. Ist dieser Nachweis nicht zu bringen, so sind sie als Ausländer zu betrachten. Staats- und Reichs angehörige Zigeuner können bei strenger An wendung der Vorschriften im Tit. 3, U 57 ff. der Reichsgewerbeordnung am Gewerbebetriebe im Umherziehen verhindert werden, wenn aus die Erfüllung der in Z 57 d zu 1 ge gebenen Voraussetzungen — eines festen Wahn itzes — besonderes Gewicht gelegt wird. In den Füllen des § 57b zu 4 ist zu prüfen, ob der den Wanderschein Nachsuchende eine eingerichtete Wirtschaft besitzt, oder in welch anderer Weise der Unterhalt seiner Familie gesichert ist. Ferner wird gefordert, daß Zigeunerkinder einen geregelten Schulunterricht genießen sollen, und daß sie dadurch einer seßhaften Lebensweise zugeführt werden. Die Mitführ ung von Kindern unter 14 Jahren zu ge werblichen Zwecken ist verboten. Der Wander schein darf verweigert werden, wenn der An tragsteller schulpflichtige Kinder hat und für deren Unterricht nicht genügend sorgt. Zu beachten ist dann das Gesetz, betreffend die Unterbringung verwahrloster Kinder vom 13. März 1878. Fehlt die Voraussetzung einer strafbaren Handlung, so können mit Genehmigung der vormundschaftlichen Gerichts die Kinder zur Erziehung an Anstalten oder zuverlässige Personen übergeben werden. Alle unbekannten Personen, die durch ihr Ver halten und Auftreten den Verdacht des zweck losen Umhertreibens erregen, sind nach Ministerial Erlaß vom 7. August 1875 unter den daselbst bezeichneten Voraussetzungen der strafrechtlichen Verfolgung wegen Landstreichens bezw. Bettelns, Nichtbeschaffung eines Unter kommens, sowie wegen Zuwiderhandlungen gegen das Feld- und Forstpolizeigesetz vom 1. April 1880 zu verfolgen. Haben nun obige Maßnahmen gefruchtet? Nein! Das Zigeunerwesen blüht nach wie vor. Dazu kommt, daß die Kinder der Banden in Dreistigkeit, Frechheit, Lug und Trug durch die älteren Personen die denkbar beste Schul ung genießen. Die Männer treten auf als Pferde- und Geigenhändler, wobei meist der Ersteher der Betrogene ist. Im Lager der Bande sind alle Altersstufen der Kinder ver treten. Ein zehnjähriges Mädchen, über den Schulbesuch befragt, erklärte: „Wir gehen im Sommer garnicht zur Schule, im Winter manchmal, eine Woche, dann machen wir aber wieder blau." Wie könnten diese Mißstände beseitigt werden? Nun, wird einer Bande auf Grund ihres Vagabondierens, Bettelns und StehlenS der Wandergewerbeschein entzogen und ihr der Brotkorb dadurch höher gehängt, so werden die Glieder zu einer ernstlichen Tätigkeit ge zwungen. Dann müßte der junge Nachwuchs gänzlich entfernt und in geeignete Anstalten gebracht werden. Da findet die innere Mission Gelegenheit, die Heranwachsende Generation zur seßhaften Lebensweise, zum geordneten Familienleben, znr Sauberkeit, Arbeitsamkeit, Sparsamkeit, Tugend und Frömmigkeit, kurz, zu würdigen Staatsbürgern zu erziehen. Dann wird der Erfolg nicht ausbleiben, und der friedliche dankbare Landmann atmet er leichtert auf. D