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A-orter Wochenblatt. Mittheilangen über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Sechzehnter Jahrgang. Vr«- für den Jahrgang bei Bestellung von der Post: 1 Thaler, bei Bestellung bet Blatte- durch Botengelegenheit: SS Ngr. ü Pf. <4. Mittwoch, SS. Januar 1851. Drei Tage aus dem Leben eines sächsischen Volksvertreters. I 18LS Die Februarrevolution Frankreichs war beendet. Die Schwingungen dieser Erschütterung zitterten na. turgemaß auch durch die Gauen Deutschlands, denn eö war „manches faul im Reiche Dänemark."— Wa- ren doch all' die schönen Versprechungen des JahreS 1t?I5 unerfüllt geblieben, und vergebens all' die Be mühungen gewesen, welche namenllich Preußen (und in seinem Auftrag v. Radowih) anwenkete, um eine Reorganisation des Bundestags hcrbeizuführen. Met ternich und sein System wurden gestürzt und Deutsch land alhmctt wieder frei auf. Mil ihm fiel in Sach sen das Ministerium Künneritz, reich zwar an außer ordentlichem Talent, aber arm an Sympathieen des Volkes, ärmer vielleicht als es verdiente. Mit Jubel empfing man das Ministerium Braun und sein Pro gramm vom 16. März; jubelnd das königl. Wort, welches Preßfreiheit ohne das System der Concessio- nen und Cautionen verhieß. Feste und Illuminatio nen überall. Und es versammelten sich am 18. Mai die Stände des Volks, v. Schönst! s, Gottschald rc. traten an die Spitze der ersten, Rewitzer, Pfotenhau er, Siegel rc. an die Spitze der zweiten Kammer, während Tzschirner die freisinnigen Mitglieder (und dazu zählten und drängten sich damals Viele, die nur dem Strome der Zeit folgten) um sich zu Privatbe- sprcchungen über di« Deputationswahlen versammelte. In dieser Versammlung erschienen damals Abgeordnete der Rechten, Herrn Rrttner an der Spitzt» mit der Witte, die Mitglieder derselben nicht ganz auSzu- schließen, wie Tzschirncr's Absicht war. Sie- gel war damals der Einzige, der sich warm und ent schieden gegen eine solche Ungerechtigkeit aussprach, und Wehner war eS, der wegen dieses verdächtigen Hanges zur Gegenpartei ein Mißtrauensvotum gegen ihn beantragte. Aber nur Wenige traten ihm bei und eS ward durchgesetzt, daß in jede Deputation 2—3 Männer der Gegenpartei gewählt wurden. So constitvirt empfingen die Kammern nm 21. Mai Sc. Maj. den König und neuer Jubel erscholl, al» Derselbe vom Throne herab erklärte: „Treu ha- be ich an derVerfassunggehalten undeben- so treu werde ich an den Grundsätzen und ihrer Durchführung halten, welche die je. tzigen Rathe meiner Krone bet ihrem Amts antritte mit meiner Zustimmung auSge. sprachen haben. Ebenso ist die Herbeiführung kräftigender Einheit de» deutschen Vaterlan. deS das Ziel meine- Streben». Zur Erreich ung dieses Ziele» bin ich zu Opfern bereit, welche die Umschaffnng eines StaatenbundeS in einen Bundesstaat von den einzelnen Souverai- nen erheischt". Die Berathungen begannen, aber vergeblich waren die Versuche Lzschirner'S, die Abgeordneten bereit» durch Vorberathungen (Clubbcschlüffe) zu binden, ja die Tyrannei, mit welcher derselbe schon damals ver» fuhr, wurde sogar Veranlassung, daß der größte Theil der liberalen Partei einem von Siegel entworfenen Programm beitrat und sich ausdrücklich zur Abwehr der Tzschirner'scken Ueberstbrzungen vereinigte. Da durch wurde schließlich die Tzschlrner'sche Partei auf 7—9 Mitglieder reducirt. Eine eigentlich reactionäre Partei war übrigens damals nirgends vorhanden. Sprach doch gleich in den ersten Sitzungen der größte Theil der Rittergutsbesitzer schriftlich den Wunsch au», in Allem mit den übrigen Gutsbesitzern gleichgestellt zu werden; sie selbst wollten ihrer Vorrechte ledig werden und empfanden es fast übel, wenn man noch von Rittergutsbesitzern auch nur sprach. Es wa, dies die Zeit, wo man zur Unterscheidung daS Scherz, wort „Thurmbauertz" oder „Großbauern" erfand. Doch wir wollten ;a nur^ einen Tag schildern, den schönsten des JahreS 1848. Darum zur Sache. ES war ein herrlicher Sommerlag, der 3. Ju»i, als Staatsminister v. von derPfordten in der ersten und StaatSminister v. Braun in der zweiten Kammer die Mittheilung machten, daß S«. Maj. der König der, kurz vorher von der Frankfurter Natio. nalversammlung eingesetzten Centralgewalt sei» Aner- kenntniß ertheile, «nd, treu dem gegebenen Wor.