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Die „Gttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen b2v Mark. —, Annahme von Inseraten bis vormittag zo Uhr. Inserate werden mit zo Hf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mir Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", ,,^-piel und Sport" und „Deutsche Mode". Druck unö Verlag von Hermann Rühle in Groß-Mkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 13. Freitag, den 30. Januar 1903. 2. Jahrgang. LZeslellunKeu auf die für das neue Vierteljahr werden von unsern sämtlichen Austrägern, allen Kallert. k>okt- anltalten, sowie in unserer Gelcksftsltelte entgegeugenommen. Für Cunnersdorf und Medingen nimmt Herr I. Üirvütz, Ztr. 4, für Hermsdorf Herr Kaufmann HolLÜuuseu, für Lomnitz Herr Kaufmann ü. 8vü1otttzr Bestellungen entgegen. Oertliches und Sächsisches. Gtlendorf-Gkrilla, 29. Januar 1903. ):( Der Ortsverein zu Ottendorf-Okrilla, der sich in seiner letzten Sitzung mit der Frage beschäftigte: Was ist gegenwärug zu tun, uin unseren Ort zu heben? hat unter anderen be schlossen, bei der General-Direktion der Kgl. Sachs. Staats-Eisenbahn dahin vorstellig zu werden, daß an dec Haltestelle Ollendorf eine Wartehalle errichtet und der Bahnsteig daselbst den gesetzlichen Anforderungen entsprechend er weitert werde, da die jetzigen Verhältnisse der art sind, daß bei größerem Andrange des Pub likums nur zu leicht Unglücksfälle entstehen können. <n> Das am Dienstag Abend im Gasthof zum Hirsch abgehaltene Konzert, gegeben von dem Künstler-Ensemble „Wellin" aus Dresden, hatte sich eines ziemlich zahlreichen Besuches zu erfreuen. Die ein-emen Musikstücke wurden von der Gesellschaft sehr gut ausgeführt. Be sonderen Lacherfolg hatte das komische Duett: ,„Der Michel aus Groß-Lubsche beim Photo graphen." Das humoristische Theaterstück: „Fidele Rekruten" wurde ebenfalls sehr bei fällig ausgenommen. Die sich dem Konzert anschließende schneidige Ballmusik hielt die .Konzertbesucher noch längere Zeit fröhlich lbeisammen. — Bezüglich der Personentarifreform ist man in eingeweihten Kreisen der Ansicht, daß tue von der sächsischen Staatsregierung ausgearbeiteten Vorschläge in der am 4. und 5. Februar m Dresden staltfindenden Sitzung des sächsischen Eisenbahnrates glatt angenominen werden dürften. Hiernach wird also die Preis ermäßigung für Hin- und Rückfahrkarten be seitigt, die Arbeiter-Monatskarten und die Ar- beiter-Rücksahrtskarten werden aufgehoben, und der Antrag der Chemnitzer Handelskammer, in der Personentarifreformsrage ein einheitliches Vorgehen mit Preußen und den Nachbarländern ünzubahnen, dürfte abgelehnt werden. Die Verschiebung in den Einheitspreisen des Schnell- zugüzuschlages zu Ungunsten der ersten Wagen klasse und zu Gunsten der dritten Wagenklasse ist dem Anrrage der Dresdner Handelskammer zu verdanken. Vorteilhaft würde allerdings eine noch höhere Belastung der Preise sür die erste und zweite Wagenklasse in den Schnell zügen und eine gänzliche Befreiung der drillen Wagenklasse von irgend welchem Zuschläge !gewesen sein. Die sächsische Staatsreglerung hat sich bei der ganzen Resorm lediglich von dem Gesichtspunkte leiten lassen, die sächsischen Finanzen auszubessern- Dresden. Das von Sr. Majestät dem König laut Verordnung vom 30. Dezember 1902 zur Verhandlung der zwischen dem Kron prinzen, königliche Hoheit, und besten Frau Ge mahlin entstandenen Eheirrung berufene be sondere Gericht ist am Mittwoch Vormittag zusammengelrelen. Um 11 Uhr erschienen der Präsident des OberlanveSgerichtS Herr Lößnitzer mit den Oberlandesgerichtsräten Oberjustizrat Hallbauer, Schmerl, Flemming, Dr. Meier, Dr. Bellmann und Dr. Schmidt als beisitzende Richter im Sitzungssaale des 2. und 5. Zivil- nnats und nahmen auf erhöhten Sitzen Platz, während der Vertreter Sr. königlichen Hoheit des Kronprinzen, Herr Justizrat Dr. Körner sich links und die Vertreter der Frau Kron prinzessin, die Herren Rechtsanwälte Dr. Zehme- Leipzig und Dr. Felix Bondi, rechts vor dem Präsidenten nuderließeu. Sämtliche Herren er hoben sich, als der Herr Präsident die aller höchste Verordnung, die Niedersetzung eines be sonderen Gerichts betreffend, vom 30. Dezember 1902 verlas. Im Anschluß hieran verlas der Herr Präsident nachstehende, ihm kurz vor der Sitzung zugegangene allerhöchste Verordnung, eine Veränderung der Verordnung vom 3o. Dezbr. 1902 betreffend, vom 27. Jan. 1903: „Wir, Georg, von Gottes Gnaden König von Sachsen rc. rc. rc. haben Uns bewogen ge sunden, die iin Absatz 2 Nr. 9 Satz 1 der Verordnung vom 30. Dezember 1902 ent haltene Bestimmung, daß das von dem nieder gesetzten besonderen Gerichte beschlossene Eno- urteit Uns vor der Verkündung durch den Slaatsmunster der Justiz zur Bestätigung vor zulegen sei, außer Krast zu setzen. Wir ver zichten demgemäß gänzlich aus eine Bestätigung des Endurteils. Gegeben zu Dresden, am 27. Januar 1903. Georg. Dr. Viktor Alexander Otto." Die Zurücknahme des BestätigungSrechlS seitens Seiner Majestät giebt dem Prozesse vollkommen Len Charakter der üblichen Ver handlungen und wird nur dazu beitragen, die letzten Zweifel, die noch hier und da bestanden, ob man es hier nicht mit AuSnahmemaßregetn zu thun habe, zu zerstreuen. Bis zu diesem Punkte der Verhandlung war Jedermann der Zutritt gestaltet, doch war von der Vergünstigung wenig Gebrauch ge macht worden. — Mit den Worten des Herrn Präsidenten Lößnitzer: „Die Sitzung ist von jetzt ab geheim" wurde die Oeffentlichkeit aus geschlossen. Als Zeugen trasen alsbald ein Ihre Exzellenz die Freifrau von Fritsch, Ober- hofmeistenn der Frau Kronprinzessin, der Chef der Hofhaltung des Kronprinzen und Hof- marschall Kammerherr von Tümpling und Kriminalkommissar Schwarz. Freifrau von Fritsch weilte dreiviertel Stunde un Sitzungs saal. Um */,2 Uhr ivurde die Verhandlung sür Mittwoch geschlossen. Als Ergebnis ivurde verkündet, daß „im Ehestreite Sr. königlichen Hoheit des Kronprinzen die Verhandlung nach mehrstündiger Dauer und nach Erhebung von Beweisen, infolge Antrags der Prozeßbevoll mächtigten, auf Mittwoch, Len 11. Februar 1903, vormittags 10 Uhr vertagt worden ist." Dresden- Die Trauerfeier für den verstorbenen Geheimen Kommerzrienrat Bruno Naumann gestaltete sich am Montag Vormittag auf dem Schlosse Albrechtsberg an der Elbe zu einer imposanten Kundgebung sür den hoch verdienten, zu srüh dahingeschiedenen Groß industriellen und Menschenfceuuo. Die Feier sanL in dem Mittelsaale Les Schlosses statt. Ler weile Raum reichte bei weitem nicht aus, um alle die Teilnehmer an der Trauerseier zu sagen. Nach der zu Herzen gehenden Rede des Geistlichen, wurde der Sarg aus den Gala wagen der Pietät gehoben und der nahezu endtose Kondukt, in dem sich auch die 2300 Arbeiter der Leidel und Naumannschen Fabrik befanden, setzte sich nach dem JohannlSscieühofe in Tokkewitz in Bewegung, woselbst der Sarg nach einer kurzen Feier in die stille Gruft ge senkt wurde. Später soll er nach dem in Königsbrück zu^ erbauenden Mausoleum über- gesührt iverden. Plauen. Im Plauenschen Grunde, am Uebergange nach der FetsenkeUer-Brauerei, wurde am Sonntag, abends gegen 7 Uhr, ein Kut scher des genannten Etablissements übersahren. Ler Bedauernswerte geriet beim Betreten der Straßenbahngleise unter einen Motorwagen der Deubener Linie und zog sich dadurch erhebliche Beschädigungen am Kopfe zu. Er wurde nach einem städtischen Krankenhause gebracht. Potschappel. Hier unterhielten sich drei befreundete Knaben un Alter von 10 und 11 Jahren in dem Schuppen des elterlichen Grundstückes nach Kinderarl und machten sich dabei unvorsichtiger Weise auch mit einem Beile zu schaffen. Hierbei ließ nun der elf jährige Knabe das Beil seinem zehnjährigen Spielgefährten so unglücklich aus die linke Hand fallen, daß einige Finger beinahe ab getrennt wurden. Chemnitz. Hier wurden gestern Vor mittag in der Bodenkammer eines Hauses der Eckuraße ein 38jähriger Geschirrsührer und Lessen Geliebte, eine 29jäyrige Arbeiterin, er hängt ausgefunden. Vermutlich sind beide in folge unglücklicher Liebe mit gegenseitigem Einverständnis zu der unseligen Tyat ge schritten. Minkwitz bei Leisnig. Zu dem Ka pitel von Klugheit und Zähigkeit der Dachs hunde wird folgende yüvsche Geschichte mit- geteilt: Der Lackel Les Forflasseßors Tränkner und der Dackel des Waldivärlers waren kürz lich — gerade während der großen Kalte — verschwunden und trotz sofortigen Suchens und Annoncierens in den Blättern nicht wieder zu finden. Die Besitzer hatten schon die Hoffnung aus ein Wiedersehen ihrer beiden Lieblinge ausgegeben; da, gerade nach acht Tagen, steyt oer Dackel des Forstassessors abgemagert vor der Wohnung des Watdwärters und winselt, bis dieser dem Dackel folgt. Es geht in den nahen Waid, der Dackel als Führer immer voran, bis beide vor einem Dachsbau an kommen. Hier macht der Lackel Halt und springt bellend und gleichsam wie bittend an den Waküwärter hinaus, bellt in die Höhle unö schurrt in der Erde. An frischen Spuren im Schnee ist deutlich zu erkennen, daß der Dackel erst vor kurzem hier gewesen sein und in der Höhle gesteckt Haven muß, denn die den Ein gang versperrende Erde ist erst frisch durch- gewühlt. Dem Waldwärter wird es sofort klar, daß sein Dackel in der Höhle steckt. Er erweitert die Oeffnung und nach mehrmaligem Rufen kommt auch sein Dackel, abgemagert und ganz matt, langsam aus dem Bau hervor gekrochen. War das eine Freude, als er, be freit aus achttägiger finsterer Gefangenschaft wieder das Tagesttchl erblickte und vor seinem Herrn stand. Ler Dachs hatte nach heftigem Kampfe mit den Hunden — die Merkmale des Kampfes sind an den Hunden sichtbar — den Ausgung „verbaut", in Ler Absicht, beide Hunde verhungern zu lassen. Genau acht Tage sind die beiden Hunde ohne Nahrung und Wasser in Lem finsteren Gefängnis eingeschlossen gewesen, dis sich der eine Dackel in der Todes angst und mit Ausbietung seiner letzten Kraft doch noch ourchgewühlt hat. Jetzt haben sich beide nach liebevoller Pflege wieder völlig er holt. Bloßer Instinkt ist es aber wohl Nicht mehr zu nennen, daß der Lacket des Forst assessors zuerst zum Waldwärter lief, um Hilfe für dessen Hund zu holen. Riesa. Ein bedauernswerter Unglücks fall ereignete sich am Montag Nachmittag in der dritten Stunde im Eisenwerk. Dem 28 Jahre alten unverheirateten Hammerarvecker Müller wurde durch einen glühenden Eisenvlock Rücken und Brust derartig zerquetscht und ver brannt, daß an seinem Auskommen gezweifelt wird. Der Verunglückte ivurde nach Anleg ung eines Notverbandes durch Herrn Dr. Kuntze nach dem hiesigen Sladtkrankenyaus trans portiert. Wurzen. In herkömmlicher Weise wurden zu Kaisers Geburtstag 200 Arme auf Kosten oer Stadt gespeist. Leipzig. Rechtsanwalt Dr. Zehme, Vertreter der Kronprinzessin Luise, begab sich am Sonnlag Abend nach Salzburg, um vor der am 28. dss. Nits, stattfindenden Dresdner Verhandlung nochmals Informationen des groß- herzoglich toskanischen Hofes einzuholen. 'Meer ane. Beiin Spielen mit einem kleinen geladenen Revolver zog sich dieser Tage ein Lehrling eine nicht unerhebliche Ver letzung zu. Das Geschoß drang dem jungen Menschen ins Bein, aus dem es noch nicht entsernt werden konnte. Er wurde ins städtische Krankenhaus übergeführt. Aus dem Vogtlande. Wegen wieder holter Wilddieberei wurde in Riltersgrün ein Arbeiter Neubert verhaftet. — Die unter brochenen Bahnarbeiten an der neuen Linie Lengenfeld—Mylau werden sofort nach Eintritt sroslfreier Wtklerung wieder ausgenommen. Oelsnitz. Einen qualvollen Weg legte IN der 'Nacht zum Freitag der Gutsbesitzer Schlößer aus Obertriebel zurück. Auf dem eisglatten Wege vom Gasthose pach seiner ab seits von der Straße gelegenen Wohnung stürzte er zu Boden und brach ein Bein. La seine Klagen und Hilsecufe ungehört verhallten, so mußte der Unglückliche, wollte er nicht er frieren, sich entschließen, kriechend vorwärts zu kommen. Nachdem er sich ungefayr eine Stunde gequält unö in Rufweite seines Gehöftes ge kommen war, hörte ein Sohn Schlossers die Hilferufe und brachte den alten Mann in Sicherheit. Klingenberg. In einem Nebenraume oer hiesigen Kirche wurde kürzlich em eigen artiges Denkzeichen ausgefunden. Es bestand aus einein großen geschweiften Brett zum Aasflellen, wKches blau bemalt ist und eine primitive Darstellung des Verjagens der Wetter wolken durch üie freundliche Sonne zeigt, sowie unk folgender Aufschrift versehen tst: „Wunder Golles Allmacht. Gott ist und bleibt stets Herr der Natur, Sprich nicht: Dietz wachse selber nur. Hal jemals eine lausendfälltge Frucht Ein menschlich Auge aus der Erd gesucht- Bis jetzt noch nicht, drum sprechet alle frey, Daß auch die Frucht ein Wunder seiner Allmacht sey. Ein Kornstock von 85 Aehren enthalten 3325 Körner." An dem Fußende des Brettes be- findel sich eilt kleines Kästchen, in welches seinerzeit der in der Aufschrift erwähnte wun derbare Kornsiock eingesetzt und so nach der Kirche gebracht worden ist: .Den Schriftzeichen nach zu urteilen stammt die Erinnerungstafel aus oem Ende des 18. oder dein Anfang des 19. Jahrhunderts. ^Interessant ist es, daß in diesem Falle das einfache 'Voltsgefühl unwill kürlich auf eine schon im Altertum herrschende Sille, die beste Fekofrucht nach der vornehmsten Kutlusstälte zu bringen, verfallen ist. Das originelle Lenkzeichen ist von Herrn Pastor Klemert mit eurer Anzahl anderen Dingen dem Museum des Vereins für sächsische Volkskunde un Palais iin Königlich Grützen Garten zu Dresden zugesührt woroen. Zittau. Im benachbarten Herwigsdorf fand in oer Nacht zum Montag in dem Gast hofe „Zum Gütchen" eine überaus heftige Azetylengas-Explosion statt, durch welche an oem ganzen Grundstück schwere B Schädigungen verursacht wurden. In dem Theater- und Konzertsaale fand gerade die KaiserS-Geburts- iagsfeier des Mitltarvereins zu Herwigsdorf palt, als gegen r/z12 Uhr em donnerähnlicher Knall ertonie uno die Lampen auslöschten. Lem besonnenen Vorgehen der Militärvereins- uutglieüer ist es zu Lanken, daß unter den etwa 200 anwesenoen Personen keine Panik entstand. Las Häuschen, m welchem die Gasunlage unter- gebracht woroen war, ist vollständig zertrümmert worden. In einer anliegenden Kolonade wurden Stühle und Bänke zerbrochen und das Dach hecuntergerffsen. Drei große Küchensenster wurden >amt dem Rahmen elngeorückt und die in der Küche anwesende Frau des Besitzers durch Glas- Ipltler erheblich verletzt. Im ganzen Hause und un saute war alles mit GlasspltUern übersät.