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Sievenleyn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 100. Freitag, den 20. December 1872. Bekanntmachun g. Bei der am 17. ds. Mts. stattgefundenen Stadtverordnetenergänzungswahl sind gewählt worden: Herr Restaurateur Herrmann Reiche, - Maurermeister Moritz Hoyer, - Kaufmann Gustav Türk als Stadtverordnete, Herr Fabrikant August Jähnichen, - Redacteur Adolf Berger als Ersatzmänner. 9tach zu Wilsdruff, am 19. December 1872. Kretzschmar. Tagesgeschichte. Neber das WachSthum Dresdens nach Bevölkerung und Bau lichkeiten bringt die „D. A. Z." folgende statistische Notizen. Es be- tnigen im Jahre 1852 die Einwohnerzahl 104,199, die Gebändezahl 3885; 1855: 108,966 und 3581; 1858: 117,750 und 4138: 1861: 128,152 und 4612; 1864: 145,728 und 5076; 1867: 156,024 und 5372; 1871 die Einwohnerzahl: 177,055, die Gebäudezahl 5705. Aus Dresden, 17. Decbr., berichtet das „Dr. Journ.": Heute Morgen noch in der Dunkelheit verließ eine hier wohnhafte Fran mit ihrem 10jährigen Sohne die Wohnung ihres Ehemannes und sprang mit dem Kinde auf dem rechten Elbufer, oberhalb der Dampfsähre in die Elbe. Der an jener Stelle rasch fließende Strom trennte Mutter und Kind von einander. Zwei Fischer bemerkten beide Personen, wie sie, die Mntter zuerst, der Knabe hinterher ans der Mitte des Flusses daher trieben. Sie kamen rasch mit einem Kahne zu Hilfe, zogen Beide »och lebend ans dem Wasser und brachten sie zunächst in der Kajüte eines Schiffes unter, von wo ans sie dann in ihre Wohnung gebracht wurden. Der Ehemann hatte seine Frau und das Kind noch gar nicht vermißt. Geringfügiger ehelicher Zwist mag die Veranlassung zu der unseligen That gewesen sein. Die Heilstätte der Frau Marie Simon in Loschwitz bei Dresden. Im October 1871 erließ Frau Marie Simon in Dresden einen Aufruf an die deutschen Frauen zur Gründung einer Heilstätte und eines Asyls für die durch den Krieg gegen Frankreich invalid gewordenen deutschen Kämpfer. Ungeachtet des geringen pecuniären Erfolges dieses Anfrufes hatte Frau Simon den Muth, ein zweck mäßiges Grundstück in Loschwitz bei Dresden zu erwerben und größten- theils ans Eigenem zu bezahlen und so konnte die Anstalt am 22. April 1872 eröffnet werden. Im Laufe des Sommers wurden in derselben bereits 26 Kranke aus dem Offizier- und Mannschaftsstande verpflegt, welche zumeist vollständig geheilt wurden und durch Ver- miltelung der Frau Simon eine gesicherte bürgerliche Lebensstellung fände». Dieser Erfolg der Anstalt hat das Project angeregt, aus derselben ein größ»rcs, für 60 Kranke berechnetes Asyl zn schaffen, die in demselben vollkommene häusliche Pflege und ärztliche Behand lung finden sollen. Zwanzig Kranke hätten eine Pension von monat lich 100 Thalern zu zahlen und so den Hauptfvnds der Unterhaltungs kosten sür die Anstalt zn liefern; weitere zwanzig Plätze sollen für im Dienste des Vaterlandes erkrankte Personen deutscher Nationali täten Vorbehalten sein, die nnr nach Maßgabe ihrer Mittel einen Beitrag entrichten würden; die letzten zwanzig Stellen wären für un bemittelte, der deutschen Armee angehörige Personen bestimmt, die ganz unentgeldlich verpflegt werden sollen. Mit der Anstalt soll eine Bildungsschulc sür 30 Krankenpflegerinnen verbunden werden. Be hufs Verwirklichung dieses humanen Unternehmens, dessen Kosten auf 200,000 Thaler veranschlagt sind, bildet sich eben ein ans Acrz- tcn und anderen gcschäftserfahrencn Männern bestehendes Cvmito, welches an die deutsche Nation einen Aufruf zu erlassen gedenkt, dem wir den besten Erfolg wünschen. Leipzig, 18. December. Bereits gestern Vormittag war hier das unbestimmte Gerücht verbreitet, daß im Lcutzscher Holze an der sog. großen Eiche ein Stndentendnell auf Pistolen stattgefundcn habe, bei welchem der eine Student gctödtct worden sei. Etwas Bestimmtes ließ sich gestern nicht in Erfahrung bringen, heute aber erfahre ich leider die Bestätigung dieses Gerüchts. Die beiden Gegner sind der hiesige Student der Rechte, Franz Pechmann, Sohn des Gerichts- amlmanns und Hofrath Pechmann in Großenhain, und ein Berliner Student gewesen; letzterer hat den ersten Schuß gehabt; seine Kugel ist dem Gegner an der Hüfte in den Leib gedrungen, und hat noch in der vorigen Nacht dessen Tod herbcigcführt. Man hat den jungen Mann keineswegs — wie das Gerücht anfangs wissen wollte und wie man auch kaum glauben konnte — ans dem Platze für todt liegen lassen, sondern mit Wage» in seine hiesige Wohnung geschafft und in ärztliche Behandlung genommen. Ueber die Motive des Duells verlautet bis jetzt noch nichts Näheres. Die Staatsanwaltschaft ist bereits seit gestern mildem traurigen Vorfälle beschäftigt; dec Berliner Student soll sich den Gerichten selbst namhaft gemacht haben. Wie das „Leipz. Tagebl." vernimmt,'hat das Direktorium der LciPig-DreSdner Eiseubahngesellscbaft den Beschluß gefaßt, von Beucha bei Borsdorf aus eine Eisenbahn nach dem Städtchen Brandis zu erbauen. Die darauf bezügliche Eingabe an die Staatsregierung ist bereits nach Dresden abgegangcn. In der Sebnitzer Gegend ist, wie man dem „Dr. I." berichtet, wieder einmal ein arger Exccß verübt worden. Als in der Nacht vom 1. zum 2. Decenibcr zwischen 12 und 1 Uhr die Pctter'schen Eheleute zu Ottendorf mit jenem Mielhsbewohner ihres Hauses ans der Oitdcndorfer Schenke nach Hanse gingen, wurden dieselben von 3 an der Kirnitzschstraße beschäftigten böhmischen Straßcnarbeitern, wahrscheinlich infolge eines Streites, jedes mit 2 Stichen in Kopf und Rücken gestochen, daß sie noch krank darnieder liegen, ihr Mieths- mann erhielt ein Paar Hiebe mit einem Knüttel über den Kops. Die 3 Thäter befunden sich in Haft. Auch wurde am 3. December Abends gegen 7 Uhr ein von Glashütte nach Johnsbach gehender Wald arbeiter aus Falkenhain und am 10. ohnweit Lichtenhaiu ein Tage arbeiter räuberisch anqefallen, doch hat man bis jetzt nur den einen Thäter ermittelt. Die dritte große parlamentarische Schlacht in Versailles ist geschlagen, diesmal allem Anschein nach die entscheidende. Nach dem die französische Negierung sich entschlossen, entschieden gegen den Radikalismus Stellung zu nehmen, war ihr auch die Unterstützung der Rechten gesichert und der am Sonnabend vom Justizminister Du faure für die Regierung erstrillcne Sieg ist jedenfalls einer der glän zendsten unter den vielen, welche Thiers in seinem an parlamentari schen Lorbeeren reichen Leben zu verzeichnen hat. Und gleichsam zur Constatlirnng des Erfolges und zur besonderen Huldigung des Sie gers beschloß dieselbe Majorität die Veröffentlichung der Rede des Ministers in allen Gemeinden Frankreichs, ein Antrag der Linken auf Veröffentlichung aller Reden ward mit einer großen Majorität abge- lchut. Durch daS Votum vom 14. December hohen sich Negierung und Kammer dahin geeinigt, daß beide nnr gleichzeitig abtrelcn können. Die Auslösung der Nationalversammlung allein ist nach der Erklärung des Ministers kein Mittel zur Beruhigung des Landes, sondernnnr der Keim zu einer gefährlichen Bewegung. „Das Land