Volltext Seite (XML)
WW U iE Ä M. M 8 K.U 8 A , WD M ö n 8 8 NM » G.^.^ GG.4^ S 4^. Die „Vtteridorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners, tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme »»n Inseraten bi, rermittag za Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Taris. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Mr die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 111. Mittwoch, den 16. September 1903. 2. Jahrgang. Oerttiches und Sächsisches. Dttendorf-Vkrilla, >5. September 1903. — Heute Dienstag erreichen die diesjährigen Gerichtsferien ihr Ende. Es tritt nunmehr der Geschäftsgang in vollem Umfange wieder ein, sodaß auch die weniger dringlichen Sachen zur Erledigung kommen. Die Straf und Zivil kammern werden wieder von den ständigen Vorsitzenden und deren Stellvertretern über nommen und die Schöffengerichte hallen in Ge mäßheit des Geschäslsplaneö ihre regelmäßigen Sitzungen ab. — Die Eröffnung des Betriebes auf der eingleisigen, vollspurigen Neubaustrecke Weißen- sand-Göltzschtalbrücke, Teilstrecke der künftigen Linie Lengenfeld-Mylau-Göltzschtalbrücke, ist für den 16. November in Aussicht genommen. Die Strecke Weißensand-Göltzschtalbrücke wird zu nächst nur dem Güterverkehrs dienen. Dresden. Gestern wurden bei den hiesigen Regimentern die Reservemannschaften entlassen. Sie begaben sich mit den Frühzügen nach allen Richtungen; größere Transporte wurden mili- tärischerseits begleitet. Zur Beförderung der größeren Transporte verkehrten zu den gegen 6 Uhr nach Riesa-Leipzig und Görlitz abgehen den Personenzügen Vorzüge, von denen der erstere nahezu 500 Mannschaften, der andere dagegen etwa 350 Mannschaften führte. Gegen halb 9 Uhr vormittags trafen auch die in den Garnisonen Bautzen und Kamenz entlassenen Reservisten mit Sonderzug auf dem Dresdner Hauptbahnhofe ein. Überall herrschte Frohsinn und das bekannte „Reserve hat Ruh" ver stummte fast nicht. Großenhain. Drei Schulmädchen von hier, 9, I I und 13 Jahre alt. von denen das atme und das jüngere Geichwisler sind, haben sich Freitag vormittag 11 Uhr von zu Hause entfernt und sind noch nicht wieder zurück gekehrt. Sie haben einen Zettel hinterlassen, auf dem sie ihren Eltern mitteilen, chaß sie in die weite Welt gehen wollten und erst in zwei Jahren wieder nach Hause kommen würden! Die Eltern sind selbstverständlich in großer Sorge und bitten um etwaige Nachricht. Hoffentlich bereuen die Ausreißer ihre in kind lichem Unverstand begangene Torheit bald und kehren zurück. Einen kleinen Vorgeschmack von dem, wie es in der Welt da draußen zugeht, haben sie wohl in den vergangenen Nächten, falls sie im Freien übernachtet, bereits bei dem Unwetter bekommen, das ihnen vielleicht das Unsinnige ihres Tuns zum Bewußtsein gebracht hat. Die drei Mädchen sind: die 11jährige Höfer, die 13- und die 9 jährige Stephan. — Die als vermißt gemeldeten drei Kinder sind wieder zurückgekehrt. Sie hatten sich zu Verwandten nach Niederau und Meißen be geben und diese Verwandten veranlaßten die Rückkehr der Kinder, denen man zu Hause hoffentlich eine recht „warme" Begrüßung hat zuteil werden lassen. Zeithain. In der der Kaiserparade folgen den Nacht haben Diebe in das Offizierskasino im hiesigen Barackenlager sich Eingang ver schafft und die Kasette mit samt dem Inhalt, annähernd 2400 Vik, bestehend in 12 Hundert markscheinen, das andere in Gold und Silber, gestohlen. Trotz eifrigen Suchens hat sich bis jetzt keine Spur gezeigt, welche auf den Täter hinwics. Die Kommandantur setzt auf Nach weis des Diebes eine Belohnung von 100 Mark aus. Büchlau. Ein bedauerlicher Unglücksfall hat sich am Freitag nachmittag gegen halb 3 Uhr im hiesigen Waldpark zugezragen. Der 14 Jahre alte Sohn des hier wohnhaften Schuhmachers H. Ivar auf einen Baum ge klettert und wurde von dem starken Sturm herunter geschleudert. Der hcrbeigezogene Arzt konstatierte Arm- und anscheinend Leistenbruch. Der Knabe wurde mittels Gemeindekranken wagens in die Diakonissenanstall übergeführt. Waldheim. Die Schaffung eines Orts- gesetzcs für Erhebung einer Sondersteuer zur Feuerlöschkasse bildete den einzigen Punkt der am Frei'ag abgehaltenen gemeinschaftlichen Sitz ung beider städtischen Kollegien. Nach längerer Aussprache wurde der vorgelegte Entwurf mit olgenden Festsetzungen einstimmig angenommen. Von dem steuerpflichtigen Einkommen eines eben Einwohners, das über 900 M. beträgt, wird ein Zehntel Prozent zur Sondersteuer er- joben. Befreit von derselben sind alle Per- onen, die der Freiwilligen Feuerwehr 10 Jahre angehört, sowie alle diejenigen, die bei der Pflichtfeuerwehr eine 12jährige, ununterbrochene Dienstzeit abgeleistet haben. Rochlitz. Wie die hiesige Königliche Amts- Mplmanuschaft mitteilt, haben sich in ihrem Verwaltungsbezirke in letzter Zeit Scharlach- ieberfälle bösartigen Charakters nicht unerheb- ich vermehrt und nicht selten sich zur Epidemie gesteigert. Es sind bei Kindern zahlreich« Todesfälle vorgekommen, in mehreren Fällen Taubheit und damit in Verbindung Taubstumm heit, auch Erblindung als Folgen jener Krankheit zurückgeblieben. Die Königliche Amtshaupt mannschaft ordnet deshalb für die Haushaltungs vorstände die Meldepflicht von scharlachverdäch tigen Erkrankungen und knüpft daran entsprechende Vorschriften für die Orts- und Polizeibehörden. Leipzig. Sonnabend nachmittag ist die Gattin des Herrn Lehrers Mader in ihrer in Leipzig-Reudnitz gelegenen Wohnung von einem Unbekannten, der in die Wohnung eingedrungen war, durch Messerstiche in das Gesicht und Brust verletzt morden. Der Unbekannte, wie angenommen wird, ein in den zwanziger Jahren stehender Mensch, soll durch ein nach dem Hofe zu gelegenes Fenster in die Wohnung gekommen lein. Frau Mader hat sich allein im Wohn zimmer befunden, ihr Gatte war ausgegangen. Der Unbekannte scheint unmittelbar nach der Tat entflohen zu sein, wenigstens hat er nichts aus der Wohnung mitgenommen. In der An gelegenheit sind die eingehendsten polizeilichen Ermittlungen im Gange. — Unsere Kriminalpolizei entfaltet eine überaus eifrige Tätigkeit, um den Buben zu ermitteln, der am Sonnabend nachmittag in der fünften Stunde die Gattin des Lehrers Mader (an der katholischen Bürgerschule) durch acht Stiche in Brust, Arm und Gesicht lebens gefährlich verletzte. Die Tat erfolgte in Ab wesenheit des Ehemannes in der unteren Münster- straße 32 pari, befindlichen Wohnung Maders. Der Täter, dem auf wiederholtes Klingeln an der Vorsaaltür nicht geöffnet worden war und der deshalb geglaubt haben mochte, es sei nie mand in der Wohnung, stieg durch das Küchen, fenster ein und führte die Verletzungen mr einem großen Küchenmesser aus; derselbe soll 22 bis 25 Jahre alt sein. Trotz des be deutenden Blutverlustes, den die sich Heftis gegen ihren Angreifer wehrende unglückliche Frau erlitten, hofft man, sie zu retten. Hoffent lich wird der Täter bald ergriffen. Chemnitz. Von dem vormittags gegen 11 Uhr von Hilbersdorf nach Wechselburg ver kehrende Güterzug ist am Sonnabend auf der Haltestelle Stein-Chemnitztal beim Rangieren die Lokomotive zur Entgleisung gekommen, wo durch das Hauptgleis gesperrt war. Die Reisenden des Nachmittagspersonenzuges, der gegen »^4 Uhr in Wechselburg fällig ist, mußten infolgedessen umsteigen und mittels Hilfszuges nach Wechselburg weiterbesördert werden. Gegen halb 6 Uhr abends war die Störung wieder behoben. Oberwiesenthal. Hier weilt seit einigen Tagen eine Untersuchungskommission des Königl. Landgerichts Chemnitz, welche in der Mordsache „Hörder" weitere Untersuchungen anstellt. Es sind bis jetzt 59 Zeugen geladen, die zu der Sache vernommen werden sollen. Wie ver lautet, handelt es sich um die Sichtung und Erörterung des bis jetzt gesammelten Materials. Die drei Verdächtigen, Häckel Vater und Sohn und Fleischmann, befinden sich noch in Chem nitz in Untersuchungshaft. Döltzschen. Der hiesige Schutzmann Rich. Max Krause ward nach den „Dresdn. Nachr." wegen Sittlichkeitsverbrechen verhaftet. Oppach. Der 53 Jahre alte Tagearbeiter Anton Gregor hier kam beim Langholzfahren unter die Räder des Wagens und wurde so chwer verletzt, daß er nach einigen Stunden )urch den Tod von seinen Qualen erlöst wurde. Zittau. Erhängt hat sich hier am Sonn tag vormittag in dem Kontor des väterlichen Geschäfts der Kaufmann Paul Raffer, Sohn des Kommerzienrats Johann Raffer. Der Ver storbene stand in den dreißiger Jahren und sinterläßt eine Frau und einen achtjährigen Sohn, über die Ursache des Aufsehen erregen den Selbstmordes verlautet nichts. Markersbach. Ein sonderbarer Kauz ist ,etzt hier aufgetreten. Derselbe nannte sich Schmidtgen aus Klotzsche und suchte angeblich eine Frau. Er sprach zu diesem Zwecke auch in verschiedenen Familien vor. Ferner ver suchte er hier und da einen Betrag von 3000 Mark, der sich in seinem Besitze befinden sollte, zu wechseln. Man gewann den Eindruck, daß der Unbekannte nicht recht zurechnungsfähig sein önne. Dann war derselbe plötzlich verschwunden. Gleichzeitig mußte aber auch der Gasthofsbesitzer die unangenehme Entdeckung machen, daß in "einem Grundstücke eingebrochen worden war. Der Einbrecher kann niemand anders sein, als der angebliche Schmidtgen aus Klotzsche, der so schnell das Weite gesucht hat. Marienthalb. Zwickau. Am Freitag fanden mehrere Arbeiter der Äbfuhrgesellschaft, als sie eben den Müllkasten im Hause Querstraße Nr. 2 hier zu entleeren im Begriff waren, darunter den Leichnam eines etwa 3 Wochen alten Mädchens. Sofort angestellte Nachforsch ungen ergaben, daß in dem Hause vor kurzem eine Kellnerin gewohnt hat, die im Verdachte steht, die Kindesleiche beseitigt zu haben. Eibenstock. Das Landgericht Zwickau ver urteilte das 17 Jahre alte Dienstmädchen Helene Richter hierselbst wegen fahrlässiger Brandstiftung zu einem Monat Gefängnis. Die Richter hatte in ihrer Kammer bei einer Wachskerze, die sie auf den Reisekoffer stellte, gelesen und schlief ein. Das Licht brannte herab und setzte den Koffer und das Dach geschoß in Brand. Das Mädchen wurde mit knapper Not gerettet. Hartenstein. Durch die Aufmerksamkeit des Lokomotivführers des Zuges, der 1 Uhr nachmittags von Zwickau nach Annaberg ver kehrt, wurde am Freitag bei der Station Stein- Hartenstein ein großes Unglück verhütet. Der herrschende Sturm hatte einen mächtigen Baum entwurzelt und über die Schienen geworfen. Glücklicherweise bemerkte es der Lokomotivführer, konnte den Zug zum Halten bringen und das gefahrdrohende Hindernis beseitigen. Schnarrtanne. Der erschaffen aufge fundene Gasthofsbesitzer Emil Wappler von hier ist von Wilddieben erschaffen worden. Hand. Brust und Beine weisen Schußwunden auf. Das Gewehr wird vermißt; am Tatorte ist ein Beil gefunden worden, das dem Getöteten nicht gehört. Zur Untersuchung des Vorfalls ist der Staatsanwalt Rebentrost aus Plauen am Tat ort erschienen. Nus der Woche. Wenn die Lenker der Staaten nicht das an geborene Empfinden absolutester Ruhe be sitzen, können sie unmöglich zufrieden leben. Die Tagesereignisse nehmen einen überaus holprigen Gang, keinem geht es so recht nach Wunsch, überall stoßen die Interessen scharf aufeinander und zwischendurch zwängen sich namhafte Kulturfortschritte, die aber nicht im stande sind, die Menschen bester und zufriedener u machen. Die Hauptsorge Europas ist immer noch Mazedonien, von dessen Wirren kein Ende abzusehen ist. Nordamerika hätte um ein Haar die Affäre noch verwickelter gemacht, indem es Kriegsschiffe nach Beirut gesandt hat. Da» brachte das muselanische Blut in Wallung und es kam zu stürmischen Auftritten gegen die Christen, wobei es Tote und Verwundete gab. Die Türkei hat schnell und energisch eingegriffen und so ist wenigstens verhindert, daß in Klein asien ein neuer Brandherd entstehen konnte. In vielen Gegenden Mazedoniens sind Zu stände cingeristen, das „nach Menschenalter noch "ein Pflanzer mehr auf dieser Brandstatt ernten mag". Freunde und Feinde der unglücklich en Bevölkerung teilten sich in diese Arbeit. Bul gariens Regierung hat sich für kurze Zeit durch Auflösung der Sobranje Luft geschaffen; aber auf die Dauer kann das keinen Nutzen bringen, denn Volk und Heer drängen zum Kriege gegen die Türken, den der Zar und Österreich nicht erlauben wollen. Wer weiß, welche Haltung das serbische Volk annehmen würde, wenn es nicht so viel Zündstoff im eigenen Hause hätte. Der Haß gegen die Königsmörder ist doch bei dem Gros der Offiziere viel nachhaltiger, als man nach den ersten Stimmungsbildern hätte erwarten sollen und König Peter hält treu zu denen, die ihn auf den Thron gerufen haben. In Belgrad selbst kam es am Donnerstag zu einem heftigen Auftritt gegen die Redaktionen zweier Blätter, die energisch die Bestrafung der Königsmörder fordern. Man sieht daurauf, daß mit dem Sturz der Dynastie Obrenowitsch das Serbenvolk noch uneiniger geworden ist als zuvor; ein Zustand, an dem alle guten Vorsätze König PeterS schließlich zuschanden werden dürften. Kaiser Franz Joseph hat es womöglich noch schwerer. Sein Reich ist von der Auflösung bedroht, nachdem er selber die Lockerung durch den „Ausgleich" mit Ungarn eingeleitet hatte. Nicht nur, daß sich die beiden Reichshälften einander immer mehr entfremden: auch in Österreich geht die Zerbröckelung un aufhaltsam vor sich. Die Tschechen treten mit immer zudringlicheren nationalen Forder ungen hervor und fordern die Anerkennung deü „Königreichs Böhmen", ein besonderes böhmische» Heer und für dieses die „tschechische Kommando« spräche. So strebt in Österreich-Ungarn alle» auseinander und Franz Joseph ist 73 Jahre alt. Erst vor kurzem war König Eduard zum Besuche in Wien, wenige Tage noch und Kaiser Wilhelm wird dort eintreffen, ebenso hat der Zar seinen Besuch angesagt, der demnächst mit seiner Gattin nach Rom geht. Der König von Italien wiederum wird nach diesem Besuche nach Paris reisen und von dort auch einen Abstecher nach London machen, um König Eduards römischen Besuch zu erwidern. Loubet seinerseits möchte wohl auch gern nach Rom, aber einstweilen halten ihn noch dieselben be kannten Rücksichten zurück, wie den Kaiser Franz Joseph. Es ist gut, daß Präsident Rosevelt der Gefangene seines Landes ist. Würde er auch noch reisen, so würden fürstliche Gegen besuche in Washington notwendig sein. — Zwei Denkmäler hat Kaiser Wilhelm bisher dem Auslande geschenkt und über beiden schwebte bisher ein eigentümlicher Unstern: sie fanden keine Unterkunft. Wie es mit der Statue des alten Fritz für Washington steht, darüber hat man lange nichts gehört. Nun kommt aber aus Rom die Meldung, der Stadtrat habe be stimmt, daß das vom Kaiser geschenkte Goethe- standbild im Garten der Villa Borghese er richtet werden soll. Das ist die Stelle nicht, für welche der Meister es geschaffen und die der Kaiser bei seinem letzten Rombesuch be sichtigt hat. Die Villa Borghese liegt auf dem Monte Pincio iw Norden der Stadt, außerhalb der alten aurelianischen Stadtmauer. Mit der Wahl dieses Standortes ist wenigstens scheinbar der Wunsch derjenigen erfüllt, die kein Stand bild Goethes „innerhalb der Mauern Roms" haben wollten. Man muß sich eben zu helfen misten! Man muß nun abwarten, wie unser Herr „Specky" in Washington die Affäre mit dem alten Fritz deichseln wird!