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Adorker Wochenblatt. Mittheilnngen über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Dreizehnter Jahrgang. Prei« für den Jahrgang !>ti Bestellung von der Post: 1 Thaler; bei Bestellung des Blatte« durch Botengekegenheit: ru Neugroschen. 28. Juli. 1848. Eine sächsische konstituirende Landes- Versammlung ») Die zweite sächsische Kammer, welcher mehr als zwei Drillheile der größeren Grundbesitzer Sachsens angehörcn, hat in der Sitzung vom 29. Juni mit 41 Stimmen gegen 32 beschlossen, daß in Sachsen das Zwcikammcrsistem forlbestehen solle. Dadurch hat die Majorität der zweiten Kammer ihre Unfähigkeit, das sächsische Volk zu vertreten, schlagend bewiesen. Sie hat es gewagt, sich der öffentlichen Meinung, dem Volkswillen entgcgcnzusetzen, sie hak die Vorrechte, auf denen ihr ganzes Dasein beruht, dazu gemißbraucht, um eine Volksvertretung zu begründen, bei der einem Tbnle deS Volkes, der ohnehin schon dadurch vor ei nem großen Theile seiner Mitbürger einen Vorzug genießt, daß er der besitzenden Klaffe angehört, zu diesem Vorzüge auch noch ein Vorrecht eingeraumt werden soll. Was meint denn diese Majorität, die zu zwei Drittel aus Rittergutsbesitzern besteht, was das Volk zu diesem Beschlusse sagen soll? Könnte sie so verblendet sein, zu glauben, das Volk werde ihn gut beißen? Nur die großartige Verblendung eines in Vor rechten und Bevorzugungen Großgezogenen, wie die meisten der Herren Rittergutsbesitzer, kann zu so furcht- barer Täuschung führen. Nur die materielle Engher zigkeit und Selbstsucht, oder die gänzliche politische Kurzsichtigkeit kann dies für möglich halten. Das Volk wird sie gar bald eines andern belehren. Und diese Menichen bilden sich ein, dadurch die konstituzio- nelle Monarchie zu retten? Sie sehen nicht rin, daß sie dadurch ihr Fortbestehen nur gefährden ? Sie pochen darauf, daß sie durch die Kraft deS Gesetzes beschließen, und vergessen dabei, daß das Gesetz ein rechtswidriges ist, daß es nur ein Standes-, ein Besitzrecht, aber kein Menschen,, kein Volksrecht ist; daß diese Erkennlniß jetzt durch alle Köpfe und Geister, dieses Bewußtsein durch alle Gemüther geht, und daß dies eben die Revoluzion ist, in der wir jetzt leben, in der ganz Europa begriffen ist und die diese 41 Menschen nicht anerkennen zu wollen verblendet oder unverschämt ge nug sind. Wahrhaftig nicht durch des Volkes W»l- ') Lem „Deutschen Bolksfreund" entlehnt. len, sondern nur durch des Volkes G nad en ist diese Kammer noch beisammen und berathet. Das sächsische Volk hat in der That eine Mäßigung an den Tag ge legt, die eine bessere Anerkennung verdient hätte, als sie jetzt erfahren muß; cs begnügte sich, den König dringend um ein neues Ministerium zu bitten, und der König ehrte und achtele den Vvlkswillen so hoch, daß er nachgab und ein neues, volkslhümlichcs Ministerium ernannte; er wartete nicht, bis die Stände sich über das alte Ministerium ausgesprochen batten, weil er wohl fühlen mochte, daß derAusspruch dieser Stan - de Versammlung nicht der des Volkes sein werde und könnte. So handelte der König. Und wie handeln jetzt die Herren Stände? Sie halten sich für die Vertreter des Volkes; sie glauben, daß ihre Meinung auch die des Volkes sein werde. DaS Volk ist selbst daran Schuld, es hat bei allem Mißtrauen gegen das vorige Ministerium das Mißtrauen vergessen, das es gegen diese Kammern haben mußte. Es hat gehofft, daß diese wenigstens ibrc jetzt noch gesetzliche Macht dazu benutzen würden, um die Beschlüsse des Land tags mit dem VolkSwiuen in Einklang zu bringen und so auf ruhigem Wege und ohne Verletzung des „Ge setzes" die rechtswidrigen Gesetze abzuschaffen und neue volksthümliche zu schaffen. Das Volk sicht ein, daß es zu viel gehofft, zu viel vertraut hat. Was bleibt ihm aber unter diesen Umständen zu thun übrig, wenn ihm gesetzliche Organe zur Kundgebung seines Willens und zur Durchführung desselben fehlen? Es muß selbst auftreten, selbst handeln. Es hat jetzt Preßfreiheit und freies Versammlungsrecht sich er rungen. Zwei mächtige HülfSmittel! In der Presse, in Vereinen und in Volksversammlungen aller Art muß das Volk fest und entschieden erklären, 1) daß die der- maligen Stände moralisch unfähig sind, es nur einen Tag länger zu vertreten, 2- daß sie daher auch unfähig sind, eine neue Verfassung und somit ein neues Wahl gesetz zu beralhen; 3) daß eine konstituirende Landes- vcrsammlung berufen werden muß, nach den Grund sätzen, die bei der Wahl der Nazionalvertreter nach Frankfurt beobachtet worden sind, jedoch mittelst di rekter Wahlen. Diese Eingabe muß der Regierung übergeben werden und sie wird dann mit dem Volke von den dermaligen Ständen ihre Zustimmung energisch