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Wochenblatt für MMß Tharandt, Nossen, Menlehn nnd die Umgegenden. Imlsblnll für die Rgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk.55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. No. 35 Dienstag, den 23. März 1897. Erlaß, die Fürsorge für die öffentlichen Wege betreffend. Mit Rücksicht auf die gegenwärtige, für den Zustand der Communikationswege höchst ungünstige Witterung werden die Wegebanpflichtigen des hiesigen Bezirkes von Neuem verlaßt, auf die Behandlung der öffentlichen Wege die größte Sorgfalt zu verwenden, vorzugsweise aber behufs Herbeiführung einer^möglichst baldigen, für die Be schaffenheit und Widerstandsfähigkeit der Wege überaus wichtigen Austrocknung der Wegekörper den Schlamm, und zwar nicht bloß von den Fahrbahnen, sondern auch von den Fußwegen abzuziehen und zu beseitigen, anstehende Wässer durch Hacken von Rinnen abzuleiten, Gleise und Löcher mit klargeschlagenen Steinen auszufüllen, letztere mit Kies oder Boden zu bedecken nnd festzurammen sowie Gräben zu heben und Schleusen zu reinigen. Gegen Säumige, welche mit solcher Nachlässigkeit nicht bloß dem öffentlichen Verkehre Störungen und Belästigungen bereiten, sondern namentlich auch die von ihnen vertretenen Gemeinden und Gutsbezirke insofern finanziell erheblich benachtheiligen, als schlecht gepflegte Wege häufigerer und kostspieligerer Instandsetzung bedürfen, wird un nachsichtlich mit Ordnungsstrafen vorgegangen werden. Im Uebrigen wird die Königliche Amtshauptmannschaft bei Gesuchen um Wegebauunterstützungen auch die Art und Weise, wie die betreffenden Wegebaupflichtigen sich namentlich zu Zeiten vorherrschend feuchter Witterung die Wegepflege angelegen sein lassen, als Maßstab für die Gewährung von Beihilfen und deren Höhe mit in Be tracht ziehen. Meißen, am 16. März 1897. Königliche Amtshanptmannschaft. v»n Schroeter. Bekanntmachung. Spätestens am 3. nächsten Monats ist der am 31. dieses Monats fällige 1. Termin Lnuckrvnt» aiick und spätestens bis 14. nächsten Monats 1 .,) der am 1. nächsten Monats fällige 1. Termin an 1 Pfg. von jeder Beitragseinheit der Gebäudeversicherung und an 17^ Pfg- von jeder Beitragseinheit der freiwilligen Versicherung; 2 .,) das 1. Vierteljahr für Schüler der beiden Bürgerschulen, der einfachen Fortbildungsschule und, soweit dies noch nicht geschehen, der höheren Fortbildungsschule an die Stadtkämmerei zu entrichten. , Sofort nach Ablauf der vorstehend festgesetzten Fristen wird gegen säumige Zahler das Mahn- eventuell Zwangsvollstreckungsversahren eingeleitet. Wilsdruff, am 19. März 1897. Der Stadtrat h. Bursian. Tagesgeschichte. In erhebender Weise begehen alle patriotischen Kreise und Elemente des deutschen Volkes an diesem Montag den Tag, da vor hundert Jahren Kaiser Wilhelm I. der unvergeßliche ruhmvolle Begründer des neuen Reiches, geboren ward. An einem solchen ungewöhnlichen Festtage, der in Wahrheit den Charakter einer allgemeinen nationalen Feier trägt, tritt das Trennende, das für gewöhnlich im politischen Leben unseres Vaterlandes zwischen den einzelnen Volksgruppen und Parteien mehr oder weniger obwaltet, zurück, und erneut schlingt dafür die Liebe zu Kaiser und Reich, die Erinnerung an die großen Errungenschaften jener großen Zeit von 187071 ein gemeinsames Band um die Stämme und Parteien des deutschen Volkes. Ihren besonderen Ausdruck erhält aber die Jubelfeier des 22. März dadurch, daß weitaus die meisten der Bundesfürsten, unter ihnen die hervorragendsten derselben, wie der Prinz-Regent von Bayern, die Könige von Sachsen und Württemberg und der Großherzog von Baden, nach Berlin geeilt sind und sich wiederum um Kaiser Wilhelm II. geschaart haben, wie an jenem bedeutungsvollen Junitage des Jahres 1888. Erneut zeigen die deutschen Fürsten damit der Welt, daß in ihnen der Gedanke der Einheit und Einigkeit Deutschlands nach wie vor mächtig fortlebt, und in dieser Gesinnung weiß sich die große Mehrzahl der Nation eins mit den Fürsten und vor Allem auch mit dem erlauchten Schirm herrn des Reiches selbst, so daß der deutsche Einheitsge danke gewißlich durch die Jahrhundertfeier für Kaiser Wilhelm I. eine neue Stärkung erfahren wird. Gerade in den Vortagen der Erinnerungsfeier für den verewigten großen Kaiser haben im Reichstage aus gedehnte Debatten über den Marineetat stattgefunden, die freilich durch ihren Verlauf nicht sonderlich zu der vatriotischen Stimmung im Lande passen wollten. Schon am ersten Tage dieser Verhandlungen, am Donnerstag, durfte die Ablehnung der Mehrzahl der eigentlichen Neu lorderungen des gegenwärtigen Marineetats auch im Plenum als feststehend gelten, als der Generalredner des Centrums, Dr. Müller-Fulda, Namens seiner Partei erklärt hatte, dieselbe müsse an den Beschlüssen der Budgetkommission zum Marineetat sesthalten. Die vorangegangenen ein dringlichen Ausführungen zu Gunsten der strittigen Marine- lorderungen von Seiten des Reichskanzlers Fürsten Hohen- „ ds, des Staatssekretärs des Auswärtigen von Marschall und des Marinestaatssekretärs Admirals Hollmann konnten natürlich die offenbar schon vorher in der Fraktion ver einbarten Erklärungen des genannten Centrumsredners nicht weiter beeinflussen, wie denn die Darlegungen der Regierungsvertreter auch auf die übrigen, im weiteren Verlaufe der Marinedebatten zum Worte gelangten par lamentarischen Gegner der Flottenforderungen keinen Eindruck mehr auszuüben vermochten. Allerdings unternahm es im Eingänge der Freitagssitzung auch der Reichsschatzsekretär Graf Posadowsky, vom Standpunkte der Reichsfinanzen aus die Gegner der Flottenverstärkung zu bekehren, aber vergeblich, wie die Reden des bayerischen Sozmlistenführers v. Vollmar und des Führers der freisinnigen Volkspartei, Eugen Richter, bewiesen. Beide wandten sie sich unter den verschiedensten Gesichtspunkten gegen die im Marineetat verlangten Mehrforderungen. Hierbei mußte sich Abg. Vollmar infolge seiner Behauptung, Admiral Hollmann habe die vielgenannte Marinedenkschrift ohne Wissen und Willen des Reichskanzlers der Budgetkommisston überreicht, eine Berichtigung des letzteren gefallen lassen, denn Fürst Hohenlohe erklärte sofort, er habe von der Denkschrift Kenntniß gehabt und anch der Ueberreichung derselben an den Reichstag vorher zugestimmt. Abg. Richter bekämpfte die Forderungen für die Marine in theilweise witzelnder, satirischer Weise, hierdurch einen unverkennbaren äußerlichen Erfolg im Hause erzielend. Vor Herrn Eugen Richter hatte sich Aba. von Bennigsen, der greise Führer der Nationalliberalen, zur Marinefrage ausgelassen, die Forder ungen des Marineetats vom wirthschaftlichen wie vom nationalen Standpunkt aus warm vertheidigend. Auf die Ausführungen des Abg. Richter erwiderte Staatssekretär von Marichall, der nochmals lebhaft für die Nothwendigkeit der Verstärkung unserer Kreuzerflotte eintrat. Im weiteren Verlaufe der Sitzung sprachen noch die Abgeordneten von Leipziger, Graf Limburg-Stirum und von Plötz für die Regierungsforderungen, von Hodenberg (Welfe) für die Commissionsbeschlüsse. Im Sinne der letzteren erfolgten dann am Sonnabend nach nochmaliger Debatte die Ab stimmungen, worauf sich das Haus wegen der Jahrhundert feier für Kaiser Wilhelm I. aus mehrere Tage vertagte. Die umlaufenden Gerüchte, denen zufolge der Kaiser einem vielgenannten Reichstaßsabaeordneten gegenüber geäußert haben sollte, im Falle einer Ablehnung der Forder ungen des Marineetats würde ein noch nie dagewesener „Kladerradatsch" entstehen, die Minister würden dann sämmtlich die Kosten einer solchen Abstimmung mit ihren Portefeuilles zu bezahlen haben, werden von der „Post" als unbegründet bezeichnet. Der „Vorwärts" hat, wie üblich, den 18. März durch einen Leitartikel verherrlicht, der für die Denkweise und die Absichten der Sozialdemokratie bezeichnend ist. Das führ ende sozialdemokratische Blatt sagt darin: „Die Kommune, das war die neue Welt, das war der Sozialismus!" Die Helden der Kommune, die Häuser anzündeten, National denkmäler vernichteten, unschuldige Geiseln, Frauen und Kinder erbarmungslos niedermetzelten, die als gemeine Räuber und Mörder in dem brennenden Paris hausten, werden der Sozialdemokratie als Vorbilder hingestellt. Es wird ihnen ein Hoch gebracht. Es wird ferner erinnert an die Ideen des März, „die von jeher den Tyrannen ver derblich waren; Julius Cäsar, der Gründer des Cäsaren thums, verlor sein Leben an den Ideen des März." Kurz, die Revolution wird unverblümt als Ideal der Sozialde mokratie gefeiert. Es ist noch nicht lange her, daß Bebel im Reichstage behauptete, die Sozialdemokratie sei eine Partei der Mäßigung, der Ordnung und Gesetzmäßigkeit; und nach den unerhörten Ausschreitungen der sozialdemo kratischen Presse bei der Erinnerungsfeier des großen Krieges suchte der Abgeordnete Auer nachzuweisen, daß die Sozial demokratie weder eine Umsturzpartei noch eine grundsätzliche Gegnerin der Monarchie und des Nationalstaates sei. Solchen Verschleierungen gegenüber ist es gut, daß von dem sozialdemokratischen Centralorgan wieder einmal die Maske gelüftet und allen Vertrauensseligen erneut der Ausblick eröffnet wird auf eine mit Raub, Mord und Brand arbeitende Zerstörung alles Bestehenden. Die Sozialde mokratie meint freilich — und der Ansicht war auch Fried rich Engels, in dem die Sozialdemokratie nach Karl Marx ihren geistig bedeutendsten Führer erblickte — daß dieser wüste Zustand, die sogenannte „Diktatur des Proletariats", nur vorübergehend wäre. Aber selbst bei kurzer Dauer würde die Civilisation und Kultur um ein Jahrtausend zurückgeworfen werden, ohne — und daß ist nicht außer acht zu lassen — daß die Arbeiter irgend einen Nutzen davon hätten. Die Pariser Kommune hat sich durch gänz liche Unfruchtbarkeit ausgezeichnet. Von einem Verständ- niß für die Bedürfnisse der großen Masse des Volkes bei ihren zahlreichen Dekreten zu reden, ist selbst beim besten Willen nicht möglich. Die Kommune erhält ihr eigenthüm- liches Gepräge lediglich durch den Ausbruch der niederen Leidenschaften- Und wenn der „Vorwärts" jetzt wieder