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ilsdmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Nr. 207 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-DreSden Postscheck: Dresden 2640 Sonnabend, den 3. September 1932. Da-, .Wilsdruffer Tageblatt« erschein! an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM tret Haus, dei Poftdestellung 1,80 AM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Apsg/ Alle Postanstalten, Post- Wochenblatt sür Wilsdruff u, Umgegend triedsstSrungen besteht kein Anspruch aus Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezua^preUes?- Rücki-nduna eingesandter Schriftstücke ersolgl nur, wenn Porto t<Ui<ki? " Raumzeile 20 Rpsg., die «gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs Meklamezerle im textliche» Teile 1 RMK. N-chw-isungsgebühr 2V Aeichspscnnige. Vor- Fernsprecher.. Amt Wilsdruff Nr. 6 durch Fernruf übermilteUen Anzeigen üdern. wir keine Garantie. Jeder 2 odaiwni;»» l rn.ic!-, n cnr krr Le,?v^ri,v Klage eingezogen werden muß oder der Duftragxeder in ^enl nre ; »rcr. Ageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meisten des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Das Ausland zu dem deutschen Wehrvorstotz „Das gibt's nur einmal.. „Das kommt nicht wieder!" — Originelle Reichstags eröffnung — Die Forderung des Tages. Des ncugcwählten Reichstages erste und — vor läufig — einzige Sitzung war entschieden von einer großen Originalität, und selbst die ältesten Mitglieder dürften sich nicht erinnern, je derartiges erlebt bzw. mitgespielt zu haben. Und wer draußen im Lande davon las, mag er staunt darüber den Kopf geschüttelt haben, daß es trotz der so außerordentlich scharf zugespitzten Situation nicht zu dem früher so häufigen Riesenkrach kam, der dort aus viel unwichtigeren Anlässen auszubrechen Pflegte. Die teils lächerliche, teils peinliche Szene einer kommunistischen Propaganda-Aufführung von dem Sessel des Präsidenten herab war derart, daß sogar den Regisseuren dabei der Angstschweiß ausbrach und die Kehlen allzu trocken wurden, um die Aktrice noch mit Beifall unterstützen zu können. Wenn ihr Abtreten im Zuhörerraum den sarka stischen Zuruf auslöste: „Das gibt's nur einmal, das kommt nicht wieder!", — so genügte eine solche Kritik vollkommen. Diese Szene wird „einzig" bleiben, sich gewiß nie wiederholen. Schließlich hat sie auch nur das aufhalten können, was rasch in Aktion trat: die nun auch nach außen hin vollzogene Bildung einer „technischen" Koalition zwischen Na tionalsozialisten und Zentrum im Reichstag. Bei der Wahl der Präsidenten machten auch die zwischen diesen beiden Fraktionen stehenden Parteigrup pen mit. Und da ergab sich wieder ein originelles Inter mezzo dadurch, daß bei der Wahl des 1. Vizepräsidenten das Zentrum geschlossen gegen den eigenen Fraktions genossen Esser und sür den Sozialdemokraten Loebe — als Kandidat der zweitstärksten Fraktion — stimmte, Esser also nnr die Stimmen der Rechten erhielt; in der — sür Loebe aussichtslosen — Stichwahl schwenkte das Zentrum dann freilich zn Esser hinüber, da es sozusagen seiner »parlamentarischen Anstandspflicht" genügt hatte, nun aber verhindern wollte, daß Herr Esser nur durch die Stimmen der Rechten und gegen die der eigenen Fraktion gewählt Würde, Jedenfalls war das Endergebnis der Präsidentenwahlen das eine, daß zum erstenmal seit dem Herbst 1918 kein Sozialdemokrat dem Prä sidium des Reichstages angehört. Nur von je einem Mit glied der Nationalsozialistischen, Deutschnationalen, Zen trums- und Bayerischen Volkspartei wird es gebildet als Ausdruck der „nationalen Mehrheit des Reichstages", wie der neue Präsident in seiner politisch so bedeutsamen Schlußansprache äußerte. * Aber all diese Vorkommnisse und Tatsachen sind ja nicht das „Originellste" an diesem neugewählten Reichstag und seiner ersten und — vorläufig — einzigen Sitzung. Die bei ihr in Erscheinung getretene „technisch e" Koalition von Nationalsozialisten und Zentrum will ja den neugewählten Reichstag im Kampf gegen das Prä sidialkabinett Papen auf irgendwelchem Wege „retten". Bei den beiden hier maßgebenden Parteien sind aber schon Lie Beweggründe für diesen Rettungsversuch ganz verschieden. Ebenso verschieden sind dieZiele, die man beim Durchkämpfen des Konflikts mit der jetzigen Re gierung verfolgt. Und daher ist die Frage, ob der Reichs tag auch im staatspolitischen Sinne arbeitsfähig ist oder nicht, doch noch längst nicht dadurch entschieden, daß sich eine „technische Koalition" zusammenbringen ließ und diese nur das zwar gemeinsame, aber immerhin doch negative Ziel hat, die Reichsregierung zu stürzen. Die Arbeitsfähigkeit wäre erst noch zu beweisen durch Schaffung einer „sachliche n" an Stelle jener nur „tech nischen" Koalition. Und auch dann ist noch nichts darüber entschieden, ob machtpolitisch ein vom Reichstag tatsächlich unabhängiges und sich allein auf den Reichspräsidenten stützendes Präsidialkabinett die Führung hat und eine ent sprechend geartete Verantwortung trägt, oder ein Präsi dialkabinett, das, wie unter Brüning, zum miudesten nicht auf ein ausdrückliches Mißtrauen des Reichstages stößt. Was der ncngewählte Reichstag tun will, ist also, eine Front zur Selbstverteidigung gegen Angriffe zu schaffen, Lie ihre Berechtigung zum mindesten aus der ganzen Ent wicklung des Parlaments in der Nachrevolutionszeit ab leiten dürfen und die außerdem verfassungsrechtlich über — die stärkere Autorität verfügen. Demgegenüber kann aber der Reichstag als scharfe Gegenwaffe ge brauchen, daß auch er der verfassungsmäßige Ausdruck und Vertreter des Volkswillens ist. Vorläufig bewegt sich also die Austragung des Konflikts auf dem Boden der Verfassung; er würde zu einem wirklichen, also rein macht politischen Kampf erst dann werden, wenn er diesen Boden verläßt. * Auch die nächste Etappe in diesem „parlamentarischen" Konflikt wird des Reizes der Originalität nicht entbehren; denn der bevorstehende „notverordnende" Erlaß über die Einzelheiten des „A u f b a u p l a n s" d e r R »g i e r u n g Papen wird ja ein Nachspiel im Reichstag haben, das aber ganz im Zeichen der „Sachlichkeit" stehen und über dies auch das Schicksal des Reichstages selbst entscheiden wird. Daß die schleunigste Inangriffnahme eines solchen »Arbeitsvrogramms" unbedingtes Erfordernis des Taaes Paris rüstet zum Gegenschlag. Deutschlands Sicherhecisanspruch ist in den Brenn punkt der internationalen Diskussion gerückt. In der ge samten Auslandsprcsse findet der Schritt der Reichsregic- rung größte Beachtung. Das deutsche Verlangen, eine endgültige Klärung der Abrüstungsfrage herbeizuführen, stößt besonders in den Vereinigten Staaten auf Sympathien. In Washington betont man, daß die deutschen Abrüstungs forderungen Amerikas Wünschen in der Rüstungs beschränkung entsprächen. Man sähe allerdings eine Ab rüstung aller Staaten nach dem Schema von Ver sailles lieber als eine Umrüstung der deutschen Wehrmacht. England hält sich in der Erörterung der Gleichberechtigungsfrage vorläufig zurück. Die im Pariser Fahrwasser segelnde „M orningpost" betont zwar den Unterschied der eng lischen und französischen Auffassung über die deutsche Forderung, wünscht jedoch, daß London und Paris ge meinsam handelten. England begünstige zunächst Sonderverhandlungcn zwischen Deutschland und Frank reich, damit sich beide Staaten bereits vor dem Wieder beginn der Genfer Abrüstungskonferenz einigen könnten. Das Einvernehmen zwischen Frankreich und England könnte dann „in Form eines Kompromisses" er folgen. Als erfreulich ist die Ansicht der „News Chronicle" zu buchen, die in Anerkennung der deutschen Beweg gründe schreibt: Deutschland wolle lediglich Rüstungsgleichbcrcchti- gnng und die Beendigung der erniedrigenden Be stimmungen des Versailler Vertrages, in denen Deutsch land und nur Deutschland allein die Abrüstung auf- gezwungen Warden sei. Es sei unmöglich, daß eine große Nation wie Deutschland in einem Europa, das einen dauernden Frieden wünsche, ständig in einem Zustande der Minderwertigkeit gehalten werden könne. Es sei sehr wohl möglich, der natürlichen und gerechten deutschen Forderung zu entsprechen, ohne daß ein neues Wettrüsten beginne. Das amtliche Frankreich hüllt sich nach wie vor in strengstes Stillschweigen. Da gegen feiert die Pariser Presse wahre Orgien an Hetze und Verleumdungen. Der „Temps" gibt ein gutes Bild davon, wie man den deutschen Anspruch durch „Verhand- lnngstaktik" abzu würgen gedenkt: Die Gleichberechti- gungsforderung könne „unmöglich" zum Gegenstand einer deutsch-französischen Sonderbesprechung gemacht werden, da diese Frage alle Unterzeichner des Versailler Vertrages interessiere. Natürlich werden wir auch wieder für das Scheitern der bisherigen Abrüstungsverhandlnngen ver antwortlich gemacht, indem man in bewußter Ver fälschung der Tatsachen behauptet, Deutschland habe „nicht genügend Sicherheitsgarantien ge boten", um die Einlösung des Abrüstungsversprechens der Alliierten zu ermöglichen. (!) Das chauvinistische „Hcho de Paris" behauptet wieder einmal, daß das Reich den Rahmen der Militärklauseln des Vertrages „längst durchbrochen" und seine Streitkräfte „zu einer wahren Ängriffsarmee ausgebaut" habe. Der „Petit Parisien" versteigt sich zu folgenden Sätzen: „Alle diejenigen, die den Wunsch haben, den europäischen Frieden nicht zu stören (d. h. die Aufrechterhaltung der französischem Hegemonie), können die deutsche Forde rung nur als eine Gefahr für diesen Frieden bezeichnen und ablehnen." ist, dem sich auch aus Partei- oder „konflikts"politischen Gründen der Reichstag nicht widersetzen kann, ohne — mit Recht — sich seine sofortige Auflösung zuzuziehen, — diese Ansicht ist der stärkste Hebel für die Bemühungen der führenden Männer jener Reichstagsmehrheit selbst, irgendwie um diese für sie so gefährliche Klippe herum zukommen. Hierdurch würde man den auch „sachlichen" Beweis für die „Arbeitsfähigkeit" einer Mehrheit des Reichstages liefern wollen, freilich aber auch verlangen, daß daraus nun auch der entsprechende Schluß auf das Verhältnis der Regierung zum Reichstag überhaupt ge zogen werden müßte. Würde der Reichstag aufgelöst werden, so würde dies keinesfalls den Einfluß der Volks vertretung in der Staatsführung stärken; gelingt es ihm aber, die Auflösung etwa durch die billigende Hinnahme der Notverordnungen vorerst zu vermeiden, so bedeutet das auch nicht gerade eine Stärkung seiner schwer er schütterten Autorität! Allerdings hätte ex oann Zeit ge wonnen, spület den Konflikt mit der Regierung Papen auszutragen. Dr. Pr. Paris will mit den Unterzeichnerstaate» des Versailler Vertrages Fühlung nehme» Paris, 2. September. Wie aus der engeren Umgebung des Ministerpräsidenten Herriot am Freitag verlautet, soll die französische Regierung nicht die Absicht haben, eine Antwort auf die deutsche Denkschrift vorzubereiten. Höchstwahrschein lich werde man sich damit begnügen, der Reichsregierung auf dem üblichen diplomatischen Wege eine Empfangsbestätigung zukvmmen zu lasten. Augenblicklich handle es sich nicht darum, einen Beschluß zu fasten, man werde vielmehr die Aeutzerun- gen der übrigen interessierten Mächte abwarten. Um die Auf fassung der Mächte zu klären, habe sich die französische Regie rung veranlaßt gesehen, ihren Botschaftern und Gesandten den Inhalt der deutschen Niederschrift mitzuteilen. Herriot wünsche, daß man in London, Washington, Brüssel, Warschau, Rom usw. über den deutschen Wunsch nach einer direkten Aus sprache mit Frankreich unterrichtet sei. In Paris wolle man nicht vergessen, daß der Versailler Friedensverlrag 26 Unter zeichnermächte habe. Der französischen Regierung liege dar an, mit den befreundeten Mächten und früheren Alliierten Fühlung zu nehmen. Wenn man in Berlin damit unzufrieden ist, daß Minister präsident Herriot der Oeffentlichkeit den Empfang der deutschen Denkschrift mitgeteilt habe und wenn man weiter die Absicht geäußert habe, den Wortlaut der Note zu veröffentlichen, so stehe dem von französischer Seite garnichts im Wege. Das französische Außenministerium halte die Veröffentlichung sogar für wünschenswert. Noch vor dem Eintreffen der deutschen Denkschrift in Paris habe der Reichswehrminister v. Schlei cher es für gut befunden, Erklärungen abzugeben, die die deut schen Forderungen noch schärfer präzisierten, als es der Schrift satz erkennen lasse. Außerdem seien diese Erklärungen in einem „unangenehmen Ton" vorgebracht worden. Die deutschen Wünsche ließen sich in zwei Abschnitte glie dern. Zunächst handele es sich um die Revision des Versailler Friedensvertrages und dann um eine Frage, die die Abrü stungskonferenz unmittelbar angehe. In den Pariser amtlichen Kreisen habe man sich daher gefragt, ob das durch Deutschland ausgeworfene Problem diplomatische Verhandlungen erfordere, oder an den Völkerbund verwiesen werden solle, oder schließ lich ganz einfach dem Abrüstungsausschuß unterbreitet werden müsse. Diese drei Möglichkeiten harrten noch der Beschluß fassung. Sonnabend Ministerrat im Elisee. Paris, 2. September. Die französischen Minister treten am Sonnabend vormittag im Elysee zu einem Ministerrat un ter dem Vorsitz des Staatspräsidenten zusammen. Der größte Teil dieser Sitzung, die sich voraussichtlich sehr lange ausdeh nen dürfte, Wird durch einen ausführlichen Vortrag des Mini sterpräsidenten über die außenpolitische Lage und den deutschen Schritt in der Rüstungsfrage ausgefüllt sein. Staatspräsident Lebrun begibt sich eigens zu dieser Besprechung von seinem Sommersitz Rembouillet nach Paris und kehrt im Anschluß an den Ministerrat wieder nach dort zurück. Die Aufnahme i« Washington. Washington, 2. September. Der amerikanische Bot- schafter in Paris drahtete dem Staatsdepartement, daß die französische Regierung ihm eine Abschrift der Aufzeichnungen über den deutschen Standpunkt in Sachen der Gleichberechti gung in Rüstungsfragen übergeben habe, die er brieflich nach Washington senden werde. Im Staatsdepartement hat man von den Berliner Darstellungen des wahren Sachverhalts mit Inlereste Kenntnis genommen und hat seiner Befriedigung insbesondere darüber Ausdruck gege ben, daß die Neichsregierung keine Ausrüstung plane, sondern im Verhandlungswege die Gleichberechtigung erstrebe. In diesem Zusammenhänge wurde darauf hingewiesen, daß der Botschafter Gibson, als er als Vertreter Amerikas im No vember 1930 in der Vorbereitenden Abrüstungskommission für den Artikel 53 der Konvention stimmte, der den Status quo der relativen Rüstungen festlegt, deutlich betonte, daß dies sich, soweit Amerika in Frage komme, nur auf der Washingtoner und Londoner Flottcnverträge beziehe, daß Amerika jedoch zu den Versailler Bestimmungen in keiner Weise Stellung nehme. Die amerikanische Presse unterstützt das deutsche Verlangen « Gleichberechtigung Neuyork, 2. September. Zu dem deutschen Schritt in der Frage der Gleichberechtigung erklärt „World Telegram", daß die Gerechtigkeit hierbei auf Seiten Deutschlands sei. Es gebe weder eine rechtliche, noch eine moralische Berechtigung, um einer großen Nation die internationale Gleichstellung zu verweigern. Derjenige Teil des Versailler Vertrages, der