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Mitten tn Ser schwersten Wirtschaftskrise steht die Welt, steht besonders Europa; die Konferenzen der Finanz- und Wirtschaftssachverständigen drängen sich und vabei ist zum mindesten reisende Erkenntnis und guter Wille zu spüren, die freilich über gewisse politische Hem mungen und Hemmnisse noch nicht unbedingt siegen können. Fast noch zahlreicher sind die persönlichen Zu sammenkünfte der Stacnsleiter, die sich von den verant wortlichen Ressortministern begleiten lassen und daun solche „Besuche" wieder zu kleinen — oder wie in London — zu größeren Konferenzen werden lassen. Auch die „hohe Politik" hat viel zu tun; allerdings steht sie dabei fast überall unter den Hemmnissen, die die Schwierigkeiten wirtschaftlich-finanzieller Art im eigenen Lande den Poli tikern auferlegt. Daß Frankreich hier eine Ausnahme bildet, macht die Stärke seiner Position in Genf aus. Zunächst beim Völkerbundrat, der zu seiner Sep tembertagung zusammengetreten ist, dann im Europa- Ausschuß und schließlich aus der Sitzung des Völkerbundes selbst. Bor dem Hintergrund jener Konferenzen der politi schen und wirtschaftlichen Vertreter von Großmächten wirkt heute diese Bölkerbundversammlung an den Ge staden des Genfer Sees fast nicht mehr zeitgemäß. Dr. Brüning hat nur Tatsächliches festgestellt, als er neulich zu dem Vertreter eines amerikanischen Blattes äußerle, er halte „zur Lösung der gewaltigen internationalen Probleme Besprechungen zwischen den leitenden Staats männern unter den gegenwärtigen Umständen für erfolg versprechender als Verhandlungen im Rahmen des Völker bundes". Um aber die Gefühle des stark an „Geltungs trieb" leidenden Genfer Apparates und der hinter ihm stehenden französischen Regierung mitsamt ihren „Ver einigten Staaten Europas" zu schonen, hat der Reichskanz ler gleich noch hinzugefügt, daß der Völkerbund „einest beruhigenden Einfluß ausüben könne". Das wäre nicht gerade viel. — aber zu mehr ist er auch kaum fähig! Denn „unter den gegenwärtigen Umständen" zeigt sich die Verse Htlheii der Struktur dieses Böl ke r „b u n d e s" besonders darin, daß die Vertreter der jenigen Nation, die „bei der Lösung der gewaltigen inter nationalen Probleme" vor allem mitzuwirken hat und dabei auch schwerste und energische Arbeit leistete, nämlich die Vertreter in Amerikas, in Gens offziell gar nicht vorhanden sind. Seit der letzten Tagung des Völker- bundrares hat sich aber insofern ein völliger Umschwung in der Haltung der Vereinigten Staaten den europäischen Problemen gegenüber vollzogen, als Washington direkt und offiziell in diesen Wirrsal hineingegrifsen hat. Ohne dabei aber auch nur einen Augenblick nach Genf hinüber zusehen oder sich um den Völkerbund usw. irgendwie zu kümmern. Und praktisch von ebenso großer Bedeutungs losigkeit war, was in ziemlich unbeachteter Arbeit — besser gesagt: in Diskussionsreden — die drei Unteraus schüsse und ihre Hauptkommission zusammenbrachten, die vom „Europakomitee" in seiner redereichen Maitagung eingesetzt waren und deren Berichte jetzt wieder behan delt werden sollen. So wird Genf wohl noch stärker als bisher derora - torische Tummelplatz der „Kleinen" werden, die ja in den Konferenzen der leitenden Staatsmänner ihrer „größeren" und großen Nachbarn stark vernachlässigt wurden. Wie im griechischen Schauspiel bilden sie auf den Genfer Tagungen sozusagen den „Chor" hinter den wirklichen Akteuren. Aber ganz bedeutungslos sind sie doch nicht; das haben wir Deutsche aus der letzten Sitzung des Völkerbundrats im Mai unangenehm genug empfun den. Nicht, daß sie selbst eine Rolle spielen, aber sie werden als Spieler vorgeschoben. Und ebensowenig bedeutungs los ist das Programm, das der Ratstagung vorliegt und aus dem vor allem ja auch die Vorbereitung der Ab rüstungskonferenz für den Februar kommenden Jahres steht. Was eben von der Behandlung wirtschaftlich-finan zieller Fragen durch Staatsmännerkonserenzen gesagt wurde, gilt womöglich noch mehr für dieses eminent politische Problem, das außerdem infolge der englischen Krise wieder einmal ein ganz verändertes Gesicht er halten Hal. Ebensowenig dürfte von den Reden der Völkerbund vertreter das zarte Pflänzchen der deutsch-französischen Beziehungen Wachstum und Befruchtung erfahren. Seine „Mimosenhastigkeit" verträgt vorläufig keine Berührung, nicht einmal einen rauheren Lustbauch. Aber es liegt an den milden Gestaden des Genfer Sees doch allerhand Rauhes in der Luft. So die üblichen deutsch-pol nischen Minderheitenklagen, neue, alte und sehr alte wie die endgültige polnische Antwort auf die Minderheitsbeschwerden, die bereits im Januar der deutsche Außenminister vorgebracht hat. Aber das alles sind heute doch nur Einzelfragen, Einzelschicksale, lind noch etwas anderes, was im Mai den Mittelpunkt dDMt ikerbundratssitzung bildete, hat für die jetzige TagumMoWsch ebenso an wirtschaftlicher wie Politischer mutzerordentlich viel verloren: die Zollunion. Seit dem Ende März, ja L> r Maitagung hat sich in rasendem Tempo alles Vk in Österreich, in Deutschland und überall rinas um^rve Gewiß wird man in Genf sowohl Haager Wachte« über die MM««. Die Friedensverträge nicht berührt. In Genf liegt eine Havasdepesche vor, wonach das Gut achten des Haager Gerichtshofes über den Plan einer deutsch, österreichischen Zollunion zugunsten Deutschlands, icvoch zu ungunsten Österreichs ausgefallen sei. Es wurde festgestetl! daß der Plan zwar nicht gegen die Verträge von Versailles und St. Germain, wohl aber gegen das Genfer Protokoll vom Jahre 1922 verstoße. Der amtliche Wortlaut des Haager Gutachtens liegt zwar noch nicht vor, doch wird in unterrichteten Kreisen versichert, daß das Havas-Telegramm das Haager Urteil m großen Zügen richtig wiedergebe. Gegenwärtig sind bereits in Gens innerhalb der und zwischen den Abordnungen Beramngen im Gange, die der Weiterbehandlung der Frage der Zollunion im Völkerbundsrat aus Grund des Haager Gutachtens gelten Genf, 31. August. Die in den Abendstunden des Montag bekennt gewordenen Mitteilungen über die Entscheidung des in ternationalen Haager Gerichtshofes, sür die allerdings eine offi zielle Bestätigung bisher noch ausstehtz haben in den Kreisen der Abordnungen großes Aussehen erregt. Es wird nunmehr erst der Wortlaut der Entscheidungen abzuwarten sein. Der Haager Ge richtshof scheint sich immerhin nach den bisher bekanntgewordsnen Mitteilungen auf den Standpunkt gestellt zu haben, daß der deutsch-österreichische Zollunionsplan im Widerspruch zu den Be stimmungen des Genfer Protokolls von 1922 steht. Da dieses Protokoll ein Svnderabkommen darstellt, würden mit dessen Auf hebung einer Zollunion zwischen Deutschland und Oesterreich kei ne völkerrechtlichen Schwierigkeiten mehr entgegenstehen. Die Zollunion würde danach auch durchgeführt werden können, kslls Oesterreich vom Rat und von den Signaturstaoten des Genfer Protokolls die Zustimmung dazu erhielte. Die Entscheidung des Hager Gerichtshofes, wonach der Plan gegen das Genfer Pro tokoll verstoße, ist, wie in gut unterrichteten Kreisen verlautet, mit nur geringer Mehrheit von 8 gegen 7 Stimmen gefaßt wor den. Es verlautet ferner, daß das Urteil in seiner Fassung und Begründung durchaus eine moralische Anerkennung und Recht fertigung des von Deutschland und Oesterreich i« den letzten Mo naten eingenommenen grundsätzlichen Standpunktes öder die po litische und wirtschaftspolitische Bedeutung des Zollunionsplanes darstelle. Noch keine MMse WschMtW. Den Haag, 1. September. Im Zusammenhang mit der Havasmeldung, daß das Gutachten des ständigen internationalen Gerichtshofes in Sachen der Zollunion zugunsten Deutschlands aber zu Ugunsten Oesterreichs ausgefallen fei, wird mitgeteilt, daß eine endgültige Entscheidung des Gerichtshofes noch nicht gefal len ist. Am Dienstag vormittag soll sich der Gerichtshof vielmehr mit einem Vorentwurs der Entscheidung beschäftigen, so daß die Havasmeldung zu mindesten zeitlich den Tatsachen vorauseilt. Eine baldige Entscheidung des Gerichtshofes dürste aber zu er warten sein. In Haager unterrichteten Kreisen herrscht die Meinung vor, daß der Gerichtshos einen Mehrheilß- und einen Minderheils bericht veröffentlichen und der Havasbericht im wesentlichen dem Inhalt des Mehrheitsberichtes entsprechen dürste. * Zurückstellung -er Zollunion? Einmütigkeit zwischen Deutschland und Österreich. Im Zusammenhang mit den seit einigen Tagen von französischer Seile verbreiteren Gerüchten über einen an- , geblichen Verzicht Österreichs aus die Zollunion wird in unterrichteten Kreisen in Berlin nochmals aus drücklich daraus htngewiesen, daß zwischen der deutschen und der österreichischen Abordnung tn Genf völlige Einmütigkeit über diese Frage herrsche Die weitere Entwicklung wird nach Berliner Auffassung tn der Richtung der Äußerungen liegen, die - Reichskanzler Brüning vor einigen Tagen gegenüber dem Vertreter einer amerikanischen Nachrichtenagentur abgegeben Hal Brüning hat in dieser Unterredung wörtlich folgendes im Völkerbundrat, dann im Europa-AuSschutz und schließlich in der Bölkerbundversammlung viele und lange Reden über zoll- und handelspolitische Fragen halten und hören, aber — das wissen wir seit ebenso langen Jahren — irgend etwas wirklich Förderndes kommt dabei kaum heraus. Sehr vorsichtig äußerte Dr. Brüning, Deutsch land habe ja schon seine Bereitwilligkeit erklärt, mit anderen Ländern über ähnliche Zollunionen wie die deutsch österreichische zu verhandeln, und „wir würden erwarten, daß uns die andern Regierungen eine konstruktive Lösung vorschlügen!" Nun, wir werden wohl recht lange daraus warten können! Denn über der Genfer Tagungswoche stehen doch als tiesschwarze Wolken die Schwierig keiten, die fast alle Völker finanziell und wirtschaftlich erst einmal selbständig meistern wollen. Leichter freilich wäre dies zu bewältigen, wenn es weniger einen „Bund" als eine tatsächliche Zusammenarbeit der Völker gäbe. ausgeführt: „Wenn das Haager Urteil für uns günstig aussällt, so wird die Welt erkennen, daß Deutschland das Wellproblem der Zölle der Lösung einen Schritt näher brachte. Nachdem Deutschland seine Bereitschaft erklärt Hal, mil anderen Ländern über ähnliche Zoll unionen zu verhandeln, würden wir dann erwarten, daß uns die anderen Regierungen eine konstruktive Lösung vorschtagen." In unterrichteten Genfer Kreisen soll sich der Eindruck verstärken, daß tn Genf versucht werden wird, den Zollunionsplan in die Vorschläge aus eine wirtschaftliche Einigung und Zollangleichung Europas einzu- tz l i e d e r n , die tn allen Einzelheiten in dem bereits be kannten Plan des wirtschaftlichen Ausschusses des Europa- Ausschusses behandelt werden. Praktisch würde das eine vorläufige Zurückstellung des deutsch-österreichischen Zollunionsplanes bedeuten. * Genfer Gesyrsche. In den bevorstehenden Besprechungen zwischen Briand und Di. Curtius, die infolge des ver späteten Eintressens Briands erst nach Beginn der Voll versammlung stattfinden können, wird, wie von unterrich- ieier Seile vertaulei, auch der Gedanke der Bildung eines d e u l s ch - f r a n z ö s i f ch e n Ausschusses erörterl werden, in dem der gesamte Komplex der wirtschaftlichen Annäherung und Zollangleichung zwischen Deutschland und Frankreich behandelt werden soll. Die Genfer Be sprechungen über diese Frage, die bereits während des Pariser Besuches des Reichskanzlers von französischer Seile zur Sprache gebracht war, solle die Vorbereitung für die weitere Erörterung dieses Planes anläßlich des Besuches Lavals in Berlin bilden. Man nimmt an, daß dieser Ausschuß sich von französischer Seite im wesentlichen aus das Comitöe des forges, das ungefähr dem „Reichsverband der Deutschen Industrie" entspricht, stützen wird, an dem von deutscher Seite auch wirtschaft liche Sachverständige teilnehmen werden. Bei den in einem derartigen Ausschuß zur Verhandlung gelangenden Fragen könnte es sich na-lürlich nur um eine Vorbereitung der weiteren Gestaltung der deutsch-französischen wirt schaftlichen Verhältnisse auslangeSicht handeln. Wie weit das internationale Schulden- und Neparalionsproblem während der Genser Ta gung behandelt werden wird, erscheint noch ungeklärt. In unterrichteten Keisen herrscht jedoch die Auffassung vor, daß die Reparationssrage gegenwärtig Gegenstand der Prüfung der einzelnen Regierungen bildet und daher eine Erörterung im Rahmen des Völkerbundes nicht in Frage kommt. Eine Handhabe für die Erörterung der internationalen Schulden- und Reparationsfrage während der Verhandlungen der Europakommission liegt jedoch insofern vor, als der Bericht des Tributausschusses der Europakommisston mehrfach aus das internationale Schulden- und Reparationsproblem als eine der Ursachen der Weltwirtschaftskrise hinweist. WirischaMcher Nichtangriffspakt. Litwinows Paktvorschlag dem Europa-Ausschuß überwiesen. In der Sitzung des Koordinationsausschusses des Europa-Ausschusses gab der russische Antzenkommissar Lit winow zu seinem bereits auf der Mai-Tagung vorgebrach ten Vorschlag eines wirtschaftlichen Nichtangriffspaktes sämtlicher europäischer Staaten eine Erklärung ab. Der Nichtangriffspakt wolle die Freiheit der Staaten nicht ein schränken, Meistbegünstigungsverträge oder andere auf ge genseitigen Zugeständnissen beruhende Handelsabmachun gen zu treffen. Ebensowenig solle durch den Nichtangriffs vertrag das Recht der Staaten aus besondere Maßnahmen zum Schutze ihrer für die Landesverteidigung notwendigen Industrien beschränkt werden. Dieser Pakt werde dazu bei tragen, wirtschaftliches Mißtrauen und wirtschaftliche Feindschaft aus der Welt zu schaffen. Der Koordinationsausschuß beschloß nach längerer Aussprache auf Antrag von Curtius und Grandi, den sow- jetrussifchen Vorschlag auf Beschluß eines europäischen wirtschaftlichen Nichtangriffspaktes der am 3. September zusammentretenden Europa-Kommission zur Stellung nahme zu überweisen. * Beraiungen bei Dr, Brüning. Finanz mini st er der Länder beim Kanzler. Reichskanzler Brüning empfängt am Dienstag außer den Führern der SPD. auch noch die Finanzminister der nord- und mitteldeutschen Länder saußer Preußen). Bei dieser Besprechung werden die bevorstehenden Wintermaß- nahmen der Reichsregierung besprochen.