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Die europäischen und einige der außereuropäischen Kabinette rüsten sich zu dem großen Treffen, das für den 27. August zur Unterzeichnung des von Amerika vor geschlagenen Kriegsächtungsvertrages in der Hauptstadt der Französischen Republik verabredet worden ist. Aber in den Wein der Begeisterung, mit der man sich vorgenommen hatte, die Unterschrift auf diesem Dokument einer friedenswilligen Gesamtstimmung der durch den Weltkrieg hinreichend geläuterten Nationen zu vollziehen, sind schon einige Tropfen Eiswaffers hineingeraten, seitdem plötzlich von London aus die Mel dung verbreitet wurde, daß der britische Außenminister zu seinem aufrichtigen Bedauern krankheitshalber ver hindert sein werde, an dem historischen Akt am Quai d'Orsay persönlich teilzunehmen. Herr Briand kann freilich, da er so klug war, den Ruhm der Unterzeichnung des Kellogg-Paktes von vornherein und unter allen Um ständen für fein geliebtes Paris in Anspruch zu nehmen, den kurzen Weg von seinem Landsitz zur Seine nicht gut als eine seinen augenblicklichen Gesundheitszustand über steigende Kraftleistung ablehnen. Aber Dr. Strese mann muß nun wohl oder übel die Reise nach Paris auf sich nehmen, trotzdem seine ärztlichen Ratgeber am liebsten, kaum daß sein mehrmonatiger Erholungsurlaub abgelaufen war, ihm abermals* ein milderes südliches Klima anempfohlen hätten, wo er allenfalls auf völlige Genesung von seinem nicht unbedenklichen Nierenleiden rechnen könnte. Aber die deutsche Politik scheut offenbar den Verdacht oder gar den offenen Vorwurf einer mehr oder weniger bewußten Sabotage des neuen Friedens vertrages, der nach ziemlich mühseligen diplomatischen Verhandlungen in den nächsten Tagen in Paris zustande gebracht werden soll, und so muß Herr Stresemann schon das Opfer einer Pariser Reise und eines mehrtägigen bewegten Aufenthaltes inmitten dieses die ganze Welt in Atem haltenden Geschehens auf sich nehmen, selbst auf die Gefahr hin. daß die Anstrengungen und die wohl unaus bleiblichen Aufregungen einer solchen Zusammenkunft fiir seinen Gesundheitszustand nichts weniger als zuträgliche Folgen nach sich ziehen sollten. Immerhin wird unter diesen Umständen der Festakt von Paris, für den Herr Poincarö mit dem Trompeteuchor seiner Herolde Wohl schon auf einige eindrucksvolle Faufarenstöße sich vor bereitet hatte, nur unter gedämpfter Trommeln Klang von- statten gehen können, während die nachfolgenden Ver handlungen in Genf kaum noch auf besondere Aufmerksam keit im Kreise der schon etwas müde gewordenen inter nationalen Zuhörerschaft rechnen können. Der Rat wird sich natürlich, wie es in den Satzungen vorgeschrieben ist, ver sammeln und das Plenum des Völkerbundes wird nach ihm seine festgesetzte Tagesordnung bieder und brav er ledigen; aber es kann doch leicht kommen, daß er diesmal vor einem ziemlich leeren Parkett seine Rolle abhaspeln muß. Die Genfer Flitterwochen gehören ohnehin der Ver gangenheit an. * Auch Herr Kellogg, der amerikanische Staatssekretär, wird nicht überall in Europa mit offenen Armen emp fangen werden. In Paris zwar wird man es bei der Begrüßung des prominenten Gastes von jenseits des großen Wassers an hochtönenden Redensarten gewiß nicht fehlen lassen, in London aber wird man bei aller welt männischen Gewandtheit, die den britischen Staatsmän nern erb- und eigentümlich ist doch schwerlich über die be fremdende Tatsache hinwegkommen, daß der Träger dieses amerikanischen Friedenswerkes zwar keine Zeit fin den will, nm auch an der Themse seine Aufwartung zu machen, daß er aber trotzdem seinen kurz befristeten Reise plan so weit erstrecken und dehnen will, um der Haupt stadt des Frischen Freistaates und dem Regierungschef der mit dem britischen Muttsrlande nicht gerade in be sonders angenehmen Beziehungen lebenden grünen Insel seine Reverenz zu machen. Man ahnt in London ganz deutlich, daß der amerikanische Staatssekretär von den militärisch-politischen Sonderverträgen, die ausgerechnet im Angesicht des kommenden Kriegsückstungsvertrages zwischen Frankreich und England geschlossen worden sind, nichts weniger^als erbaut sein kann. Aber den Machtpoli tikern an der Seine wie an der Themse erscheint mm ein mal der Sperling in der Hand ungleich begehrenswerter als die Taube auf dem Dach und so zieht man es eben vor. neben dem neuen internationalen Friedensvertrag auch offene oder geheime Sonderabkommen unter Dach und Fach zu bringen, ohne Rücksicht darauf, ob durch sie der eigentliche Sinn der von Amerika angestrebten Frie denssicherung verstärkt oder—entwertet wird. Man traut es sich schon zu, das, was dem Kellogg-Pakt durch die Neu auflage der französisch-englischen Verständigung an innerer Bedeutung und Dauer versprechender Allgemeiugültigkeit genommen wird, durch um so blendendere Bcgleitreden bei dem feierlichen Staatsakt vom 27. August zu ersetzen. Den Schaden von dieser Doppelzüngigkeit werden jedenfalls die schönen Seelen von England und Frankreich, die sich wieder einmal zur höheren Ehre ihrer Macht befestigung in der alten Welt zusammenfinden, nicht haben; alles andere kann ihnen Heknba sein. ÄMW ml leim HeWM-AussMe. Mumungsdebaile weder in Paris noch in Genf. Stumme Unterzeichnung des Kellogg-Paktes. Wenn in Deutschland in den letzten Wochen immer wieder die Bedeutung der Unterzeichnung des Kellogg- Paktes, des Versuches, zu einem Abkommen der Mächte zu gelangen, das eine Achtung des Angriffskrieges an bahnen soll, hervorgehobeu wurde, so spielte die Hoff nung, bei dieser Gelegenheit Klarheit über die endliche Räumung des Rheinlandes von fremder Besatzung zu gewinnen, eine hervorragende Rolle. Das kann nicht scharf genug betont werden angesichts der jetzigen Ent wicklung, die diese Hoffnung anscheinend in ein Nichts aufzulösen im Bea Affe ist. Donnerstag fand in Paris der außerordentliche Ministerrat statt, der endgültig über das Programm für die Unterzeichnung des Paktes und die damit verbundenen internationalen Fragen entscheiden sollte. Die über die Beschlüsse verbreitete amtliche Veröffentlichung besagt wie üblich wenig, desto mehr die begleitenden halbamtlichen Ergänzungen, die in einer Auslassung der „Agence Havas" zu finden sind. Danach wird es fast sicher, daß die französische Negierung gewillt ist, weder in Paris noch bei dem unmittelbar sich anschließenden Völkerbund rat in Genf die Rheinlandfrage aufs Tapet gelangen zu lassen, wenigstens nicht zwecks einer entscheidenden Lösung. Die „Agence Havas" berichtet, daß, ausgenommen die durch Briand gehaltene Begrüßungsansprache bei der Paktunterzeichnung, keine offiziellen Reden ge halten werden würden. Es könnte zwar zwischen den Ver tretern ausländischer Mächte in Paris ein Meinungsaus tausch über die beim Völkerbund zu verhandelnden An gelegenheiten sich entwickeln, aber die Haltung der fran zösischen Regierung werde die gleiche wie bisher bleiben. Höchst zweifelhaft sei es, ob es angebracht wäre, inGenf selbst halbamtlich, geschweige denn amtlich, über die vorzeitige Räumung des Rheinlandes zu sprechen, da der englische Außenminister Chamber lain nicht anwesend sei. Die Bedingungen für eine Räumung könnten nur Gegenstand einer vorherigen Ver ständigung zwischen den Besatzungsmächten England, Belgien und Frankreich sein. Stresemann habe zwar in Thoiry zu verstehen gegeben, daß das Reich geneigt sei, gewisse Vorschläge für die Räumung zu machen. Nie mals sei aber ein solcher Vorschlag vom Reich formuliert worden. Der Ruf nach Garantien. Noch deutlicher wird der mit PoincarS in enger Ver bindung stehende „Petit Parisien". Die Auffassung der französischen Reaieruna in der Fraae der Rheinlandräu- Das französische Außenministerium, in dem die Unterzeichnung des Kelloggschcn Kriegsächtungs paktes vorgenommen wird. So wird, wenn nicht alles tänscht, eine schöne, eine große Gelegenheit für den wahren Fortschritt der Mensch heit wieder einmal versäumt werden. Paris wird für einige Tage widerhallen von dem Lärm, der das große Treffen der internationalen Diplomatie in seinen Mauern begleiten wird. Wenn aber dann der nüchterne Alltag wieder in seine Rechte tritt, werden wir sehr bald er fahren und einsehen, daß im großen und ganzen zwischen den Völkern alles beim alten geblieben ist. Schade drum, muß man wohl sagen. Aber Deutschland, das als erste Großmacht seine Bereitwilligkeit zur Unterzeichnung des Kriegsächtungsvcrtrages erklärt hat. kann diesmal wirk lich nicht für den Leerlauf dieser Aktion verantwortlich gemacht werden; das müssen dann schon die Herren Chamberlain und Briand unter sich ausmachen. mun'g habe sich nicht geändert. Die Besatzung stelle ein Pfand dar, das nicht ohne ergänzende Garantien auf gegeben werden könne. Und im „Echo de Paris" fagt der Vertrauensmann Poincarös, Marcel Hutin: Dem Reichsaußenminister Dr. Stresemann würde, wenn er die Sprache auf die Rheinlandräumung bringen sollte, zu verstehen gegeben werden, die Unterzeichnung des Kellogg-Paktes wäre für derartige Erörterungen nicht der geeignete Vorgang. Frankreich sei entschlossen, sich nicht zu irgend etwas verleiten zu lassen. Erst müsse man deutsche Vorschläge hören. Aus solchen Äußerungen läßt sich unschwer erkennen, daß man in Paris kaum geneigt ist, Dr. Stresemann, wenn er wirklich die Vertretung Deutschlands bei der Unterzeichnung des Paktes übernimmt, irgendwie ent gegenzukommen. Es bleibt die alte Leier, die nun schon so oft erklungen ist: Solange Deutschland zu dem Dawes- Plan nicht noch weitere Lasten auf sich nimmt, bleibt das Rheinland besetzt. Daran ändert Locarno nichts und darauf ist die Unterzeichnung eines Friedenspaktes ohne Einfluß. Des Einverständnisses von England, sogar desjenigen von Amerika scheint man in Paris sicher zu sein. Unter diesen Umständen würde die sonst von vielen als begrüßenswert empfundene Annahme des Paktes wie manches andere ähnliche Unternehmen im verflossenen Jahrzehnt ziemlich bedeutungslos bleiben. Das muß man erkennen, um zur richtigen Würdigung der sich in Paris vorbereitenden Vorgänge zu kommen. * Nur Entgegennahme der deutschen Vorschläge Paris, 24. August. Der „Intransigeant" bringt inter essante Einzelheiten über die Ausführungen des französischen Außenministers während des Ministerrats am Donnerstag, soweit sie die Rhcinlandsragen betreffen. Aus diesen Aeußerungen Briands gehe die Erwartung der französischen Regierung hervor daß Dr. Stresemann in den Unterhandlungen mit Poincare und Briand die Rheinlandsrage anschneiden werde. Aus französischer Seite werde man dagegen nichts zur Herbeiführung einer solchen Aussprache tun. Briand soll sich in sehr bestimmter Weise dahin ausgesprochen und hierfür auch die Zustimmung aller seiner Mini- sterkollcgen gefunden haben, daß er die deutschen Erklärungen zur Rheinlandfrage nur entgegennehmen, sich jedoch nicht in Verhand lungen einlassen werde. Sogar der französische Pensionsmünster Marin, der bekanntlich auf das Heftigste die Rheinlandräumung bekämpft, soll sich unter dieser Voraussetzung der Ausfassung Bri ands angefchlossen haben. Die Auffassung der französischen Regierung, die diese seit längerer Zeit hege und deren Vater schaft Poincare zukäme, geht dahin, daß die Räumung des Rhein landes nur im Zusammenhang mit einer Revision des Dawes planes und einer allgemeinen Schuldenregelung erfolgen könne, mit anderen Worten, das Rheinland kann vor der festgesetzten Zeit nur geräumt werden, wenn eine Herabsetzung der französischen Schuldenlast erfolge. Weitere Voraussetzungen seien Gegenleistun gen Deutschlands auf dem Gebiete der Sicherheit für Frankreich und seine Alliierten. Da die Washingtoner Regierung keineswegs die Absicht habe, ihre Forderungen herabzusetzen, sei eine baldige Rheinlandräumung unwahrscheinlich. Man rechne jedoch mit der Möglichkeit, daß sich nach den amerikanischen Präsidentenwahlen die Lage ändern werde. Ob und wann die französische Regierung erneut um eine Herabsetzung ihrer Schuldenlast die Vereinigten Staaten angehen werde, sei noch völlig ungewiß. Soviel stehe jedoch fest, daß mit Staatssekretär Kellogg über die Schulden srage nicht verhandelt werden könne, sondern, sobald man den richtigen Augenblick für gekommen erachtet, mit dem amerikani schen Schatzsekretär Mellon. * Kellogg in Paris. Der amerikanische Staatssekretär Kellogg wurde in Le Havre bei seiner Ankunft von den französischen Zivil- und Militärbehörden begrüßt. Der Bürgermeister von Le Havre überreichte ihm die zur Unterzeichnung des Paktes bestimmte Goldfüllfeder. In Begleitung Kelloggs befand sich der kana dische Premierminister Mackenzie King. Die beiden Dele gierten reisten alsbald mit einem Sonderzug nach Paris weiter, wo sie bei der Ankunft vom amerikanischen Botschafter nnd dem Vertreter der kanadischen Regierung empfangen wurden. Nachmittags stattete Kellogg einen Besuch beim Außenminister Briand ab. Unterzeichuungsfeierlichkeiten. Das Vom Ministerrat festgesetzte Programm der Veran staltungen entspricht im wesentlichen dem, was bereits bekannt fft. Die ausländischen Delegierten werden bei ihrer Ankunft von Vertretern des Präsidenten der Republik und der Regie rung, speziell Vertretern des Ministeriums des Äußern, be grüßt werden. Briand wird sich höchstwahrscheinlich persön lich zur Ankunft einiger ausländischer Gäste einfinden. Der Unterzeichnungsakt selbst ist aus Montag, den 27. August, nach mittags 3 Uhr, anberaumt. Am Abend des Unterzeichnungs tages findet im Ministerium des Äußern ein großes Bankett für die Paktunterzeichner, das diplomatische Korps und die Vertreter der parlamentarischen und politischen Welt statt. M-