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Dienstag, 2S. Oktober tStZ Nr. 2S1 S. Jahrgang Diese Nummer umfaßt 8 Seiten. -> Nähere« Neh« an andirer »t«ll«. 5 7 ^7 H. »e» Die Lösung äer braunschweigischen Aage. (Von «unserem Berliner S-Mitarbeiter.) Nachdem in der gestrigen Plenarsitzung de» Bunde». rate» der Vertreter der Herzoglich braunschweigisch-lüne. Das Wichtigste vom Tage. Der Kaiser ist gestern nachmittag von Wien nach Potsdamzurückgekehrt. * DekBunLtsrat nahm in seiner gestrigen Sitzung den Antrag Preutzen»-«: braun schwer fischen Thronfolge einstimmig an.*) den nur Veelegenbei^skandidaten sein, um de Wiederkehr der Konservativen zu verhindern. Die Möglichkeit eines neuen Kabne'ts Maura, de infolge der Spaltung der Liberalen doch setzt recht nahe ge rückt ist, hat nun einen neuen MinilsterkaNdidaten auf den Plan gerufen. Der sozialistische Republikaner Alvarez hat sich in aller Form als regierungsfähig angemeldet. Für ihn spricht ein Umstand: ar erfreut sich w e Romanones der Kunst des Königs. Man wird sich noch erinnern, welches Aufsehen es machte, als der König mit dem Sozialisten Alva- rez konferierte. Seitdem haben sich die persönlichen Beziehun- gen zwischen König und Sozialist eher verbessert al» ver schlechtert. In einer großen Rede, die er am Donnerstag in Madrid hielt, Hot dann Alvar«- sein Programm entwickelt, in dem er sich zur Unterstützung der Monarchie bereit erklärt. Freilich meinte er, die Monarchie müsse sich umgestalten, aber -allein in der Tatsache, dah dieser bisher auf dem äußersten Flügel der Republikaner stehende Politiker von Könitz Al fons mit persönlichem Vertrauen bedacht wird, dürfte schon «ine Gewähr zu finden sein, dah die Monarchie bereit ist, sich in der Richtung umzugestalten, wie e» Herr Alvarez wünscht. Tin Teil seiner Anhänger scheint ihm auch folgen wollen; sie haben sich zu einer Reformistenpartöi vereinigt. Sie haben eben in langer Erfahrung die Kennt nis gewonnen, dah der Radikalismus nur der Reaktion die Wege ebnet und leihen fetzt der Regierung ihrs Unterstützung, um Mauras Rückkehr zu verhindern. Freilich ist di« Zeit doch noch zu kurz, seitdem sich Alvarez au» einem Saulus zu einem Paulus verwandelte, um ihn schon heute als Nach folger des Grafen Romanones anzusehen. Aber sein Anschluß an die Liberalen stärkt ganz zweifellos deren Stellung im Lande -und in der Torte» und beeitet seine eigene Minister- Herrschaft vor. Vorläufig aber kann der Ueberfluh an Mini- sterkondidaten den Liberalen nur -um Verderben 'weiden. Die nächsten Tage müssen zeigen, ob der spanische Liberalis mus die 'Kraft besitzt, persönliche Zwistigkeiten hinter der Sache zurücktreten zu lassen oder ob hier wieder, wie schon oft, die Uneinigkeit der Liberalen den Gegnern den Weg zur Macht ebnet. Ministersturz in Spanien. XV Die Spaltung der liberalen Partei in Spanien hat, wie zu erwarten war, zum Rücktritt des Ministerpräsidenten G ' afen Romanones geführt. Die Ursache, die diese Ministerkrise herbeiführt«, war echt spanisch. Nicht schwer wiegende sachliche Gegensätze haben zu dem Austritt einer beträchil chen Anzahl von Deputierten und Senatoren au» der herrschenden lib«al»»«W»4t»i. sondern per- sö n l i ch e E t f e r sü cht« lei en, in denen sich unter Füh lung des früheren Außenministers Garcia Prieto alle die zusammenfanden, die unter Romanones nicht auf ihre Kosten kamen, die selber einmal mitregieren wollen, was ja -im Süden immer auch allerlei materielle Vorteile mit sich bringt. Gare a Prieto halt« sich schon nach Tanalejas Er mordung, da er interimistisch an dessen Stelle da» Präsidium «übernahm, Hoffnungen gemacht, dauernd an di« 'Spitze de» Ministeriums zu treten. Er hat seitdem nicht auf diese Hofs, nungen verzichtet, und die mancherlei Schwierigkeiten, dis Romanones nicht von den ziemlich ohnmächtigen Konser vativen, wohl aber von der eigenen Partei in den Weg ge hegt wurden, gingen auf dis Gruppe zurück, di« in Garcia Prieto den kommenden Mann sah. Ob freilich Garcia Prickto die Früchte dieses Ministevsturze» ernten wird, das ist mehr als zweifelhaft. Man nimmt an, daß König Alfons zunächst versuchen wird, Romanones, der sich seines persönlichen Ver trauens erfreut, zu halten. Das könnte möglich sein, wenn die Dissidenten um Garcia Prieto einige Ministerpor- tefeuilles als Lohn erhielten. Die Spannung, die -wischen hat «ine Frage der inneren deutschen Politik ihr Ende ge funden, deren e nzelne Phasen nicht immer einen erquick, lcheir AnL'ick boten. Man wird es daher allenthalben be grüßen. daß jetzt die Streitaxt begraben wird. Ein ande res ist es allerdings, ob der hierfür gewählte Weg auch über, all mit voller Genugtuung ausgenommen wird. Da läßt sich nicht leugnen, daß es nicht wenige Kreise gibt, di« au» staats- rechrlichen Gründen einen offiziell enPerzicht aus Hannover gewünscht hätten. Die nationalliberale Partei hat, wie erinnerlich, vor kurzem gegen die gewählte Lösung Stellung genommen, und aller Voraussicht nach wird es im Re' chstage über die braunschweigische Frage noch nachträglich zu einer vielleicht recht lebhaften Auseinander- setzung kommen. Liner solchen will aber anscheinend der Reichskanzler vorbeu-en, indem er angeblich be absichtigt, die Parteiführer zu einer Besprechung einzuladen, um; ihnen di« Gründe für di« Haltung der Regierung in die ser Angelegenheit vorzuführen. Er will damit augenschein lich der Opposition den Wind au» den Segeln nehmen, um einer für alle Beteiligten nicht sehr angenehmen wettschtch- tigen Erörterung in der Volksvertretung vorzubeugen. Zweifellos aber wird es der Herzog bei seiner Thron besteigung an einer Kundgebung nicht fehlen lassen, au» der deutlich hervorgehen wird, daß er in keiner Weiss gesonnen sei, irgendwelche Rechte auf Hannover geltend zu machen. Mit Jubel wird man im braunschweigischen Lande den Ein zug des jugendlichen Fürsten »Nd seiner Gemahlin begrüßen, der Linnen kurzem erfolgen wird. Eine gröbliche Unter lassungssünde wäre es, wollte man W diesem Augenblick eines Mannes nicht gedenken, der jahrelang al» treuer Ver walter auf seinem Posten gestanden hat, obwohl er wußte, daß er über kurz oder lang das ihm anvertraute Gut in Ändere Hände werde legen müssen. Herzog Johann Albrecht z »Mecklenburg ist ein trefflicher Verweser des Landes gewesen, das Braunschweiger Volk dankt es ihm, und als Zeichen der Verehrung widmet man ihm beim Scheiden «in Ehrengeschenk in Erinnerung an dis Zeit sei ner Regentschaft. Nicht nur Braunschweig, auch das Retch hat ihm zu danken, daß er sich des Landes in -treuer Für sorge angenommen, al» wär« es sein eigenes, und allent halben hofft man darum auch, ihn in absehbarer Zeit nach so treuer Bewährung auf einem anderen Verantwortung», reichen Posten im Interesse des Reiches zu erblicken. Dem Braunschweiger Lande aber wird inan Maschen, daß es unter seinem jugendlichen Herzog einer weiteren gedeihlichen Ent wicklung entgegengehen möge. Nu-aahm« »»» »«m- im» ta. iMs«. LSVWS. burs sch*" Regierung, Staatsminister Hartwig, unter legung der verzichturkund« davon Mitteilung hatte, dah der Herzog von Cumberland «ms den Thron Braunschweig» vernichtet hab«, HM der B«nde»»at einstimmig beschlossen, dem AnckSag Pmchen» wegen der Thronfolge in Braunschweig , uz« st im men. Endlich hat nun der Bundesrat das letzte Wort in der Der R e i chs ba n kdi sk on t ist -von 6 A> auf Ss/2 A>, der Lombardzinsfuß von 7 A> auf ös/o A herab gesetzt worden. -» DieNati 0 nalliberalen , die Fortschrittliche Volks- Partei und d e so z i a ld e m 0 k ra t ifche Pariei in Baden haben für die StichwahlendenGroß- block erneuert. -» Der König vonSpanten betraute von früheren Prä sidenten der Kammer, Dato, mit der Kabinetts- bildun g.*) den beiden liberalen Gruppen herrscht, läßt «» aber sehr zweifelhaft erscheinen, ob dieser Versuch gelingen wird. Aus der gleichen Ursache ist es auch noch recht zweifelhaft, ob Garcia Prieto imstande sein wird, ein lebensfähiges Kabi- -nett zu bilden. Die Männer, die außerdem noch genannt werden als künftige Regierungschefs, der 8vjährige Mon tero Rios, der Schwiegervater Garcia Prietos und der auch bei uns in Deutschland — allerdings weniger als Pol -1 braunschwlig'schen"Frage aesvrochen dem W Massiger Mr -as Erzgebirge mit öer wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Muer Sonntassbla«. «pwchchm-o k« «e-aktlo» «st Mwuah«, »w «owstago nachmittag» 4-4 Uhr. - «ostgramm-st-wss», LaaMatt Nu«m«bt»a». LLükÄ.'W.l tzü» mwwlaugt Mgefau-W Maauskrtpt, »mm »ewäh, «ich« g.^ NMsiMch««. LAUW Die Lüge. Von Bert «Sander». Nai-d.uck verbot«». Er liebte es zuweilen, sich vor dem Spiegel tief in die AugW^zu schauen, in die brennende Glut, die man in den Pu^ uen des Eroberers findet, und in die stolzen Züge, ein Erbteil seiner Väter. Aber wenn er seine wachsbleiche Farbe betrachtete, die mächtige Stirn, die verkrümmten Schultern und Hände, die gar zu fein und zu weiß waren, dann ver gaß er die aus seinen Augen leuchtenden Ehren seiner Ahnen, dann fühlte er nur den Tsdeskamps seiner Rasse, die Hätz- lichkeit seines Körpers und die Verzweiflung seiner zwanzig Jahre. So saß er lange bei verschlossenen Düren und her- untergelassenen Gardinen und weinte, während er seinen Träumen nachhing. Er träumte von einem Epos, dessen Held -er wäre/von Kavalkaden, an deren Spitze er ritte, und be sonders gern folgte er einem fliehenden Frauengewand. Er bildete sich ein, liebkosende Sttminen sprechen -u hören: Ich liebe dich — und es war ihm, al» stütze er di« müde Stirn an einen weichen Busen. Wenn di« Straßen ihn beängstig ten, konnte er sich wochenlang in fein Arbeitszimmer ein schließen, zuweilen resigniert, aber dann und wann he'm- gesucht von Gedanken an «ine unmögliche Liebe. Eines Tages warf er plötzlich Las Buch fori, al» erwachte er jäh aus einem Traum, klingelte nach dem Diener und sagte: Laß anspannen, ich will ausfahren. Er war so klein und gebrechlich, daß er fast in der Wagenecke verschwand und trotz des Pelzes fror. Ungesehen konnte er di« Menge mit seinen eifrigen Auge.: betrachten. Al» der Wagen im Schritt die belebte Promenade entlang fuhr, beugte er sich plötzlich vor, die Stirn gegen di« Scheibe gedrückt: da ging «in» Dante direkt vor ihm. Als sie «inen Augenblick unbeweglich an einem Baum« stand, erschien sie ihm elastisch, harmonisch und «in wenig hochmütig seltsame-- Leuchten Llitzis au» thr«n l7.gen. Eino Sekunde ruhten seine Augen in den ehren. Sie ging in ein Haus, er -wartete draußen. Es dämmerte, die Unbekannte lieh sich nicht mehr blicken. Er nahm also an, daß sie'hier wohnt«. Und so konnte «r st« Wiedersehen. Er fuhr nach Hause. Don nun an fuhr er täglich vor ihre Tür und sah sie täglich wieder. Er folgte ihr mit den Augen, und wenn ihre Silhouette unklar wurde, wenn sie hinter der Straßen ecke verschwand, befahl er heimzufahren. Jeden Morgen er wachte er mit einem leisen Angstgefühl: Ob ich st« wohl heute sehen werde? So kam er ihr allmählich näher. Er wußte, um welche Zeit ste ausging, und welches ihre LteLlingsstellen waren. Sie bereicherte sein Leben. Gr dachte: Heute ist schönes Wetter, da trägt st« ihr Helle» Kleid, oder auch: es ist trübes Wetter, ste trägt den großen Mantel. Schließlich erfuhr er ihren Namen. Sines Tage» wartete er vergebens vor ihrer Tür. Nervös, gepeinigt und gefoltert erfuhr er schließlich, dah fie krank sei. Da überfiel ihn die Furcht, bah es etwas Gefährliches sein könnte. Wenn ste stürbe? Um Gewißheit zu bekommen, war er entschlossen, da» Unmög liche -«versuchen und schrieb an ste. In ehrerbietigen Wor ten sagte er ihr, wie es ihn peinige, ste nicht -u sehen, und wie traurig es ihn mache, fie leidend -u wissen. Er erzählte von den angenehmen Begegnungen und seiner hingebenden Bewunderung. Gr fand schüchterne und entzückte Ausdrücke und sprach vckn sich selbst nur, indem er erzählte, wie glück lich er sei, an fie schreiben -u dürfen. Der ganze Brief war wie die Bitte eines Manne» von einem Kinde gesprochen. Kaum hatte er ihn in den Kasten geworfen, so dachte er: Ich bin töricht, ich hätte es nicht tun sollen, fie wird mich ab- wessen, und ich werbe fie nie Wiedersehen. Sie antwortete ihm am nächsten Tage. Sein« schüchterne, fast »«schämte Huldigung hatte fie gerührt. Obgleich unerhHren, hatte er, geleitet von dem seinen Instinkt seiner Liebe, vetstanden, bi« rechten Wort« zu sagen. Sin regelmäßiger Briefwechsel entstand nun zwischen ihnen. Er sandte ihr Blumen, Kon fekt, Bücher und ste lernten sich gegenseitig durch ihre Ge- 'danken kennen. Er nennte >h: seine Lieblingsschriftsteller und die Seiten, die er immer wieder und wieder las. Bald sprachen sie wie zwei Liebende, di« einander hinter den Dingen, den Urteilen suchen. Schließlich ging «s ihr besser. Er schrieb nun. zwei« bis dreimal am Tage an fie. Bet dem Gedanken, sie wiederzusehen, empfand er anfangs eine wahn sinnige Freude, aber dann fiel ihm plötzlich ein, wer er war, und das war ein furchtbarer Sturz für ihn. Vor einigen Wochen hatte er ihr viel von sich mitgetetlt, seinen Namm, sein Alter, seine Hoffnungen, seine Zukunftsträums und sein« trügerischen Illusionen -- alle», nur da» eine nicht, dah sein Aeußere» abscheulich häßlich und sein Körper verkrüppelt sei. Nun sollte er sich ihr häßlich, zwerghaft, bucklig -eigen! — Er Muchzte- Nein, nicht das. Als Häßlicher und Ent- stellterMnnte ich ihren Blick aushatten, aber als lächer licher, grotesker Zwerg, nein, das will ich nicht! Der Kummer, den «r «ine Zeitlang vergessen hatte, be herrschte ihn wieder. Wie früher durchlebte er düstere Mor gen qualvolle Nächte, stets von demselben- Gedanken heim gesucht: Eie darf nicht schen. Sie darf nicht erörtern, warum ihrs Gedanken sich mit einem Zwerg beschäftigt Hatten. Lie ber will ich sterben. Und der Tod dünkt« ihn süß. Er fürchtete ihn nicht. Dennoch wagte er es nicht, ihm ent- gegenzugehen, weil er mehr al» den Schmerz dis himmlisch« Straft, dieses unendltchs Vergessen und diesen traumlosen Schlaf fürchtete, der ihn vielleicht für immer von ihr trennen würde. Um diesen verhängnisvollen Moment aufzuschieben, log er. Er schrieb, baß er krank sei, schob eine Reise vor. Diese täglichen Lügen peinigten ihn. Sie wird fühlen, daß ich lüge, dachte er. Aber je mehr er sich bemühte, ihr aus. zurvetchen. um so mehr ließ ste «s sich angelegm sein, ihn -u treffen. Wenn er in ihren »riefen eine zunehmende Un ruhe ahnte, schrieb er: Morgen. Und morgen Drieb sie ihm: Ich will Sie sehen, ich werde Sie sehen. Wenn Sie ttidenTwerde ich mich an Ihr. »ettsHen. Zchwerdebie aufmerksamste und liebreichst« Krankenpflegerin seiend ich werde sr wenig Platz bet Ihnen einnehmen, daß S^ZLne Ecgenwan kaum ahnen werden. Es ward ihm klar,