Volltext Seite (XML)
Mdmsser Tageblatt Mftonale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an ollen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— AM. frei Haus, bei Poffbest-Uung 1,80 AM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 1v Rpsg. BUe Postanstalten.Bost- bolen und unlrrr Aus- . träger und Leschästsstellcn .nehmen zu I«de, xeu Be- Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend ft-llung-n entgegen. Im ^all- hoher« »ewatt, - — l— Krieg oder sonstiger Be- triedsstorungen bestrhl kein Anipruct auf ^leferuna der Leitung oder Lrürzung des Bezugspreises. — Rücdfendung eingefandter SchriffsiLcke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die L gefpaltene Ravmzeile 20 Rpfg., die 4gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 4V Aeichr- pfennige, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 RWK. Nachweisungsgebühr 2V Reichspjennige. Bor- Fernsprecher- Amt Wilsdruff Nr. 6 '«chW°» -nn-hmebisvorm.iouhr. ' > ' Für dir Richtig»,« d«r durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Aabattanlpruch erlischt, wenn der Betrag dmch Klage eingczogen werden mutz oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 8 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 8840 Montag, den 11. Januar 1932 Briand tritt ab. Schon lange war man versucht, über den französischen Außenminister Aristide Briand die „politische Leichenrede" hatten Denn der jetzt fast 70jährige, den die körperliche r deutlich genug anzusehen war, ist seit Jahres ¬ frist auch politisch immer mehr in den Hintergrund ge treten und seine letzte „große" — aber für Deutschland Überaus schmerzliche — Stunde allgemein-politischer Art war ui tzenf aus der Tagung des Völkerbundratcs der l reg reiche Kamps gegen die deutsch . oster- Nischen Z^llunionspläne. Noch einmal kommandierte Briand die „Versailler Front" und ver- mochix den Versuch Deutschlands über den Haufen zu rennen, einige Stangen des Käfigs zu zerbrechen, in den unr durch das Versailler Diktat gesperrt worden waren. Pente mag Briand auf diesen Pyrrhussieg nicht mehr Ein stolz sein, wenn er aus die Folgen seines damaligen ^uns blickt; denn von jenem Tage ab nahm das Unheil wirtschaftspolitischen Krise ein geradezu rasendes -"mpo an und — von Briands Lieblingskind, dem Ge danken der „Vereinigten Staaten Europas", spricht heule kein Mensch mehr. Neben dem verhältnismäßig jungen, spannkräftigen Ministerpräsidenten Laval verschwand der Außenminister auch hinsichtlich seines politischen Einslusses; nur noch formell war er der Leiter des Auswärtigen Amtes am Huai d'Orsay in Paris. Nur formell dürfte er das be- ionders undankbare Geschäft betreiben, der letzten Sitzung des Völkerbundrats zu präsidieren, auf der die Japaner diesem Völkerbund mit kaum noch verhülltem Hohn be gegnen konnten. Diese Tagung endete ja mit einem ge radezu grotesken Mißerfolg und das mag es dem Außen minister Briand leicht gemacht haben, den Entschluß zum Rücktritt von seinem Ami zu fassen; er hat es auch nie verwunden, daß sich sein anscheinend sicherer Sieg bei der Neuwahl des SiaalSprüsidenten überraschenderweise in eine fatal große Niederlage verwandelte. Schon damals wollte er demissionieren und es war mehr eine Geste der Höflichkeit gegenüber dem langjährigen Außenminister, wenn man ihn damals dazu drängte, von seinem Ent schluß zum Rücktritt abzustehcn. Aber seine Zeit war vor bei, in der er wirklich der Lenker der Geschicke Europas gewesen ist. Daß wir Deutschen ihm für seine damalige Haltung nicht übermäßig dankbar sind, mag der müde ge wordene Greis jetzt wohl selbst verstehen können. Anscheinend wird man eine zweite Geste der Höflich keit suchen und finden, um Briand äußerlich eine Stellung zu geben, die einen würdigen Abschluß seiner langjährigen Dienste für Frankreichs Interesse bedeuten soll. Nach Lausanne zu gehen, haben ihm die Ärzte verboten. Und sein Wunsch, es dem Freund und Gegner Clemenceau, dem „Tiger", gleichlun zu können, blieb ihm versagt. Und Wenn wohl die Leitung der französischen Außenpolitik auch formell in die Hände Lavals herübergleitei, so wird damit nur ein Zustand auch nach außen hin sichtbar gemacht, der ja tatsächlich schon lange bestanden hat. Das kurze Zwischenspiel Lavals, durch Hereinnahme radikalsozialistischer oder gar sozialistischer Politiker, also Führer der Opposition, sein Kabinett nach links hin aus zubauen — auch das Amt des Kriegsministers ist ja durch den Tod Maginots verwaist — hat ein schnelles, unschwer vvrauszuschauendes Ende gefunden. Beide Parteien wollen sich vor den französischen Neuwahlen zur Depulier- tenkammer politisch nicht mehr irgendwie binden, zumal man aus eine Stärkung der Linksparteien rechnen zu tonnen glaubt. Leicht ist ja die außenpolitische Erbschaft nicht, die Lavals aus Briands Händen übernimmt. Zwar fällt in Europa ohne Frankreichs Zustimmung politisch kein Ziegel vom Dach, Hal selbst England sich unbedingt dem Willen der französischen Politik in der Neparations- frage beugen müssen; fester denn je steht das System der Vündnispolitik Frankreichs. Gleichzeitig aber haben die Wirtschafts-, währungs-, kredit- und finanzpolitischen Spannungen einen derart hohen Grad erreicht, daß die Wucht dieser Probleme doch die F r v n l von Ver sailles zu erschüttern droht. Die Briandschen »Vereinigten Staaten Europas" sind ja gerade wirt- schafts- und handelspolitisch zu gänzlich „Veruneinigten Völkern Europas" geworden und die „Europa» Kom mission" selbst spurlos verschwunden. Und man braucht nur das Wort „Abrüstung" auszusprechen, um den viel leicht kompliziertesten und schwierigsten Teil der von Briand hinterlassenen politischen Erbschaft zu bezeichnen. „Fort mit den Kanonen! Fort mit den Bajonetten!" hat Briand einmal in wohl berechnetem Überschwang auf einer Versammlung des Völkerbundes ausgerusen. Heute, da dieser Mann als Hauptakleur, als politischer „Chargen- spielcr" von der Bühne des Weltgeschehens abtritt, starrt die Welt in Waffen rings um die entwaffneten Mittel mächte von einst und im Fernen Osten donnern die Kanonen und krachen die Bomben. * Paris. Ministerpräsident Lcval hat die Absicht, sein neuer Kabinett cm 14. Januar der Kammer vorzustellen. Er hat Her riot M einer Besprechung nach Paris gebeten. Heute nachmit tag findet eine Besprechung des Ministerpräsidenten mit Tardieu statt, der bereits fest entschlossen ist, dem Rufe Lavals auf den Kriegsministcrposten Folge zu leisten. MtWM zahlt keine Mitte mehr Erklärung Dr. Vrünings Zu Veginn der Tributkonserenz Reichskanzler Dr. Brüning gab als Auftakt zur Tributkonserenz tn Lausanne einem Pressevertreter Erklärungen darüber ad, welche Haltung Deutschland in der Konferenz einnehmen werde. Die Erklärung hat in der ganzen Welt größtes Aufsehen erregt. Der Reichskanzler führte aus, daß es jetzt für die beteiligten Mächte gelte, die Schlußfolgerung aus dem Bericht der Baseler Sachverständigen zu ziehen. Der Bericht habe noch einmal die gewaltigen Ausmaße der Weltkrise aufgezeigt und vor allem die verheeren den Folgen geschildert, die diese Krise gerade für Deutschland mit sich gebracht habe. Er führe der Welt die bis an die äußerste Grenze gehenden Maßnahmen vor Augen, die in Deutschland zur Bekämpfung der Krise er- grifen worden seien und erkenne von ihnen an, daß sie in der modernen Gesetzgebung ohne Beispiel seien. Zugleich beweise der Bericht aber, daß einseitige deutsche Maßnahmen nicht ausreichen könnten, daß vielmehr die Lage Deutschlands, die in weitem Maße die Ursache sür die steigende finanzielle Lähmung der Welt sei, gebiete risch ein gemeinsames Handeln der Regie rungen, und zwar ein sofortiges Handeln, fordere. Dafür, wohin die Entschließungen der Negierungen gehen müßten, gebe der Bericht, wenn er auch aus formu lierte Vorschläge verzichte, doch ganz klar die Richtlinien. Er zeige die tatsächliche Zahlungsunfähigkeit Deutschlands nnd zeige darüber hinaus, in welch engem ursächlichen Zu sammenhang gerade die deutschen Tributzahlungen mit der ganzen gegenwärtigen Lage ständen. Dabei stelle der Bericht ausdrücklich fest, daß sich die Voraussetzungen, von denen seinerzeit die Ver fasser des Young-Planes ausgegangen seien, grundlegend geändert hätten. Hiermit, so be tonte der Reichskanzler, sei im Grunde alles gesagt. Es liege klar zutage, daß Deutschlands Lage ihm die Fortsetzung politischer Zahlungen unmöglich mache. Ebenso klar sei, daß jeder Versuch, das System solcher poli tischen Zahlungen aufrechizuerhalten, nicht nur für Deutschland, sondern für die ganze Welt zum Unheil führen müsse. Bei diesem Stande der Dinge sei der Neichsrcgierung ein Spielraum für Überlegungen, welchen Standpunkt sie einzunehmen habe, überhaupt nicht gegeben. Sie könne auf der bevorstehenden Konferenz nichts anderes tun, als die gegebene Sachlage darzustcllcn und an die anderen beteiligten Regierungen die Aufforderung zu richten, daß sie auch ihrerseits dieser Sachlage Rechnung trügen und nicht nach Kompromißlösungen suchten, für die eine reale Möglichkeit nicht mehr gegeben sei. Abschließend erklärte der Reichskanzler, er glaube be stimmt, daß es heute in keinem Lager mehr an der inneren Einsicht in die Notwendigkeit der jetzt zu ziehenden Schlußfolgerungen fehle. Es komme nur darauf an, auch Heu Mut zur Verwirklichung dieser Einsicht zu finden und. wie der Sachverständigen- bericht sage, die Behandlung wirtschaftlicher Probleme nicht wieder durch politische Gedankengänge beeinflussen zu lassen. Der Reichskanzler hatte sich auch im Laufe der Unter redung über die Zusammensetzung der deutschen Delegation geäußert. Seine eigene Teilnahme er folge nicht nur in der Eigenschaft als Reichsaußenminister, sondern auch als Reichskanzler, dem nach der Ver fassung die Bestimmungen der Richtlinien in der Politik zufalle. Durch Zurücklassung von leitenden Beamten würde die Arbeitsfähigkeit des Kabinetts in Berlin sichergestellt. Während der Dauer der Konferenz werde die Reichsregie rung in Berlin unter Leitung des Reichswehr- und Reichs innenministers Dr. Groener stehen. Der Reichskanzler berührte auch die Frage einer etwaigen vorzeitigen Einberufung des Reichstages und erklärte dazu, die Reichsregierung habe bei der letzten Tagung selbst aus den Beschluß hingewirkt, daß die nächste Tagung er st Ende Februar staUsinde. Den Reichs tag nun früher einzuberufen, sei nach feiner Auffassung unverständlich. Es wäre eine völlige Unmöglichkeit, im Zeitpunkt der Tributkonferenz die gleichen Fragen wie in Lausanne im Plenum des Reichstages behandeln zu lasten. „veuNAIsntis Ultimatum". Unter der Überschrift „Deutschlands Ultimatum" ver- üffentlicht die Londoner Zeitung „Star" ein Reuter- Telegramm aus Berlin über einen Besuch des englischen Botschafters Sir Horace Nu mb old bei Reichs kanzler Dr. Brüning. Hierbei verständigte der Kanzler den englischen Botschafter davon, daß Deutschland weder jetzt noch in Zukunft irgendwelche Reparationen zahlen könnte, wenn das wirtschaftliche Leben der Welt wieder belebt werden solle. Die deutsche Abordnung müsse auf der Lausanner Konferenz dringend für die vollstän dige Streichung der Reparationen eintreten. Das deutsche wirtschaftliche Leben stehe jetzt am Rande des vollständigen Zusammenbruchs. Dieser; würde sicherlich ganz unvermeidlich werden, wenn versucht würde, wieder die Neparationslasten Deutschland aufzu-! erlegen. Wenn Deutschland dagegen von dieser Last! befreit würde, so werde es in der Lage sein, seine privaten Schulden zur gegebenen Zeit zu bezahlen. Aber es könne! unmöglich diese und die Reparationen zusammen zahlen. * Das Echo der Kanzlererklärung. Varis aniworiei. Der französische Finanzminister Flandin erklärte den Pariser Pressevertretern sofort, nachdem die Worte des Reichskanzlers bekannt wurden: Wenn Reichskanzler Brüning wirklich die Erklärung abgegeben hat, daß Deutschland keine Reparationen mehr zahlen wird, so ist es jetzt offenkundig, daß Deutschland mit dem Young-Plan und mit dem Versailler Vertrag ein für allemal ein Ende machen will. Man muß allerdings die Bestätigung abwarten. Sollte sie wirklich erfolgen, dann könnte keine Regierung eine derartige Kündigung eines freiwillig unterzeichneten Vertrages hinnehmen. Wenn der Lausanner Konferenz ähnliche Erklärungen vor- ausgchen, so wird begreiflicherweise die Konferenz über haupt überflüssig. Kürzlich bat die deutsche Propaganda besonders un Aus land die Behauptung verbreitet, daß Frankreich von Deutsch land bereits Sumen erhalten hätte, die sie Beträge der in den zerstörten Gebieten ungerichteten Schäden übersteigen. Niemand bestreitetden Ernst der Weltkrise nnd die Notwendigkeit ibrer Bekämpfung. Die französische Regierung arbeitet gerade daran, wenn sie im Geiste der Versöhnlichkeit eine Formel ausarbeitet, die die Gläubiger und die Schuldner einigen und die Krise erleichtern könnte. Man hat schon oft gesagt, daß die augenblickliche Krise wenigstens ihrer finanziellen Bedeutung nach eine Krcditüise, ». h. eine Vertraue nslrise sei. Durch Vertrauensver- letzungen würde man sie unüberwindbar machen. BrrtragS- oerletzungcn könnten nur dazu dienen, die Kapitalhamsterei zu vermehren und das Mißtrauen zu verstärken. * Die Erklärung des Reichskanzlers Brümng wird m der Presse als große Sensation gusgesaßl und zugleich so ausgelegt, daß sie die Tributkonserenz in Lausanne im Grunde unnütz mache. Durch die Haltung Deutschlands sei die Konferenz von voruberein zum Mißerfolg verdammt. An der Brüningschen Erklärung seien zwei Punkte besonders überraschend: i. die Tatsache, daß der Reichskanzler linier völliger Mißachtung des Young-Planes keinen Unterschied zwischen den geschähen und ungeschützten Zablungen zu machen scheine, 2. gebe daraus klar icrvor. daß sich Deutschland auch für die Zukunft weigere, seinen Zablungsverpflichtungen nachzukommen. Es sei wahrscheinlich, daß das deutsche Vorgeben nur dazu beitragen werde, eine Ein- bcitssroni der Gläubiger Deutschlands herzustellcn und die englisch-französische Verständigung zu Verliesen. Will Frankreich die Tributfrage vor den Haager Gerichtshof bringen? Der Schrei nach Zwangsmaßnahmen. Der Pariser Korrespondent der „Sunday-Timcs" meldet, daß Frankreich auf Grund des Anhanges l des Haager Abkommens vom Januar 1930 die Tributfrage wahrscheinlich vor den Haager Gerichtshof bringen werde, falls keine Einigung zwischen den Parteien zustande komme. Der sozialistische „People" bringt die Nachricht, daß in französischen Kreisen der sofortige Zusammentritt der Tributgläubiger gefordert werde, die sich darauf einigen sollten, daß gegen Deutschland Zwangsmaßnahmen er griffen werden sollten. Es sei aber ganz sicher, daß Frank reich in diesem Falle nicht die Unterstützung Englands und Amerikas erhalten werde. Pertinax meint ebenfalls, Frankreich könne sich mit einer Klage an den Haager Gerichtshof wenden. Man wisse jedoch nicht, ob der Haag Frankreich so ohne weiteres Recht geben werde. Schließlich müsse man bedenken, daß auch im Falle eines gewonnenen Prozesses kein anderes wirksames Mittel als der Krieg übrig bleibe. Der deutsche Schritt sei eine der traurigen Folgen der Nheinlandräumung. Eine Dichtung des „Echo de Paris" und eine deutsch amtliche Zurechtweisung. Das „Echo de Paris" behauptet, daß Reichskanzler Brüning dem französischen Botschafter Francois-Poncet angeblich das Versprechen gegeben habe, Hitler in diesen Tagen nicht zu empfangen.