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Nr. 23S. Montag» 13. Oktober 1913. 8. Jahrgang. i > i Dies« Nummer umfaßt 8 Seiten. Das Wichtigste vom Tage. In Dresden erfolgte gestern in Gegenwart des Kö- , ntgS Friedrich August die Weihe des säch sischen Kolonialer leg erden km als. » T» «irrem neuer»» Telegramm wird di« Zahl der Opfer der Katastrophe des Dampfer» vol- turuo auf ISS angegeben.*) * Der Präsident von Mexiko Huerta hat den Kon greß suspendiert und 110 Abgeordnete » verhaften lassen.*) V * sf In Neu-Kamerun sind im Sembe-Bezirk Unruhen au-gebrochen, Der denen Faktoreien ge plündert wurden.*) E König Konstantin von Griechenland ist in Ta- lontki etngetroffen und hat aus dem Mar-feld« bei einer Parade eine Proklamation an die Truppen verlesen. Der englische Schatzkanzler Lohd George hat in Dun- dee in einer längeren N«de gegen den Groß grundbesitz Stellung genommen. »» NLh.r«, sl«-i -n and«« Der Aampf um Sulzer. 'M? Als der Gouverneur de» Staate» New Park seinen Kampf gegen Tammanh Hall, gegen die skrupellosen ü» Wahlnracher und GeschästSpolitiker, diese Schmarotzer der amerikanischen Demokratie, mutig eröffnete, da sich man seinem Beginnen mit freudigen Hoffnungen zu. Man dachte an «in« Reinigung der politischen Atmosphäre und hielt eine recht gründliche und ein für allemal entscheidende Bloßstellung der Übeln Parteipraktiken für Möglich. Denn daß Sulzer nicht ohne gewichtige» Ma terial gegen die auszuwuMpfen wage, die Hm selbst sein Amt verschafften und weithin die öffentliche Mei nung diktatorisch beherrschen, galt al» selbstverständlich. Nun ist da» Verfahren schon seit einigen Wochen im Gange. Was e- aber gebracht hat, ist «ine bittere Enttäuschung für die Reformpolitiker. Denn so viel zeigt sich schon! 'jetzt: die schärfsten Waffen hat nicht der Gouverneur Sulzer, sondern die Vertretung von Tammanh Hall in der Hand. Der frühere Rechtsanwalt, von Geburt ein Ire, der seinen deutsch, klingenden Namen erst von seinem Stiefvater ange nommen hat, ragt au» der Reihe der politischen Aemter- jäger nicht so hoch heraus, daß er der vorrupten Ge schäftspolitik gefährlich sein könnte. 'Zuviel verdankt er selbst deren Hilfe und zu wenig der eigenen Kraft. Unp statt der Wahrhaften Schwächung wird Tammanh Hall von dem Verfahren gegen Sutzer nur eine bedauer liche Stärkung erfahren. Weniger wie je wird sich nach dem Sulzerprozeß ein Politiker, der nicht sein Fort kommen auf» Spiel zu setzen denkt, noch gegen die Äoßwirtschast zu wehren wagen. Es wäre ja freilich no<b möglich,'daß Sulzer fr ei gesprochen würde. Der Schuld spruch erfordert' «in« Zweidrittelmajorität, und daß die Gegner von Tammanh Hall, die namentlich? auf dem Lande sitzen, ein Drittel der Richter für sich ge winnen könnten, braucht nicht ganz ausgeschlossen zu sein. Wer wahrscheinlich ist'» trotzdem nicht. Das Ober haus des Staates Neuyork, das über seinen Gouverneur zu Gericht zu 'sitzen hat, findet zu viel handgreifliche Tatsachen vor, die zu Sulzer» Ungunsten sprechen. Und er selbst hat sein Heil weniger in der sachlichen Recht fertigung als vielmehr in juristisch-formalen Einwänden gegen da» Vorgehen der Gegner gesucht. Davon ge winnt man nicht gerade den Eindruck moralischer lieber, legenheit. So ist der ganz« Prozeß nicht mehr, wa» man von ihm erwartet«, ein Ringen großer prinzipieller Gegensätze: die GeschäftSpolittk — hie GtaatSintevesse und Ueberzeugungstreue l — sondern ein Familien zwist, der sich au» pnMnglich kleinen Reibungen schliß lich zu so hitziger Leidenschaftlichkeit verstiA, daß er der Oeffentlichkeit nicht länger verborgen bleiben konnte. Da» Geschöpf wollte murren gegen seinen Schöpfer, da läßt dieser «» sein« ganz« Macht fühlen und zeigt dabei der erstaunten Welt mit zynischer Offenheit, Wie sehr sein Geschöpf au» gleichem Holz, wie er selbst geschnitzt ist. Sulzer hat Wahlgelder für Privatzwecke verbraucht, er hat die» getan, trotzdem er eidlich versichern mußte, sie nur ordnungsgemäß verwandt zu haben, er hat Ab geordnete für sein« Zwecke «inzuschüchtern versucht und ähnlich« Dinge mehr. Mit ihnen auf d«M Gewissen hätte er ja trotzdem noch sehr wohl Gouverneur bleiben köninen — «Her eben nur als gefügiges Wertzeug von .TchnMaNH Hall und den dazu gehörigen Aemterjägern. Eine Krähe hackt der andern kein Auge aus: gegen diesen Grundsatz verstoßen zu haben, da» war Sützers eigentliches verbrechen. Und das wird er nun so oder so büßen müssen. Tammanh Hall «über kann lachen. Jetzt schon! Der Hauptzweck ist schon erreicht. Di« Gegner fühlen ihr« Schwäch«. Und so häufig sind die Disziplinarverfahren gegen Gouverneure auch, in den demokratischen Bereinigten Staaten nicht, daß man sie nicht al» imponierende» Wagnis bewunderte. Bon den acht bisher überhaupt in der Geschichte der Union da gewesenen Fällen hüben nur zwei da» Ziel der MmtS- entsetzung erreicht. ES ist also immerhin ein Schau spiel, da» Aufsehen Macht. — Zur Ehre gereicht e» der amerikanischen Demokratie von heute freilich keinesfalls, denn um mißgünstige Feindschaften gieriger Aemter- jäger unter diesen austragen zu lassen, dazu haben die Gesetzgeber die Bestimmung des WsetzungSverfahrenS sicher nicht in die Verfassung ausgenommen. Man sieht, die rechten Gesetze tun'S noch nicht, wenn der rechte Geist fehlt. Die Preußengängerei. (Don «unserem Berliner iS - Mitarbeiter.) In den letzten Fahren ist vielfach der Vorschlag «üfge- taucht, die einheimischen Arbeiter gegen die Konkurrenz fremder Arbeiter durch gesetzliche Maßnahmen, eine neue Beschränkung oder Erschwerung der Einw anderung, zu schützen. Die Leute, von denen diese Anregung ausging hat ten natürlich keine Ahnung von dem Ernst und dem Umfang der Leutenot auf dem Lande, von der Unmöglichkeit, die land wirtschaftliche Produktion ohne di« Heranziehung auslämdt- scher Arbeiter im alten Umfange fortzuschen. Soweit Vie osteuropäischen Preutzengänger in Frage kommen, scheinen di« Regierungen der Auswanderungsländer jenen Leuten ihre Sorgen abnehmen zu wollen. Die gesetzgebenden Kör perschaften in O esterreich haben sich wiederholt mit Vor schlägen, der Auswanderung nach Preußen zu steuern, be faßt und «» ist anzunehmen, daß dort den Auswanderungs lustigen der Fortzug von den Behörden in dem Maß« er schwert werden wird, wie der Einfluß de» Slawentum» auf die tnnerpoltttschen Verhältnisse in Oesterreich wächst. Di« Slaven betrachten dort die ganz« Frage vom Standpunkte ihrer Politisch-nationalistischen Interessen und «rzähtzn darum über die angeblich schlechte Behandlung der Preußen- gänger Echauermäven. Inzwischen schickt sich di« russische Regierung an, den ostelbischen Landwirten wie den westdeutschen Industriellen den Bezug von Arbeitern au» Rußland zu beschneiden, Da» russische Ministerium de» In nern will «ine ganze Reihe von Maßregeln zur Verbesserung der Lage der sogenannten Preußen- oder Sachsengänger durchführen. Es sollen Verhandlungen mit der deutschen Regierung angeknüpft werden, um die ganze Frage auf dip lomatischem und "legislativem Weg« zu ordnen. Die wich tigsten Puickte bestehen in einer Unterbindung der Tätig keit der Werbeagenten und in der Beschaffung Huridtscher Hilf« durch die russischen! Konsuln bei den deutschen Gerichten. Sollte diese Maßnahme auf Schwierigkeiten in Deutschland stoßen, so wird ruMcherseits ein Verbot der Preutzengänger für zwei bis drei Jahre geplant. Was ein derartiges Verbot zu bedeuten Haben wird, er hellt daraus, daß im Jahre 1011/12 von der Feldarbeiter- zentrale an rund 2 7 4 0 00 russische Arbeiterlsgitimatton»- d>s Hutschnur, und sie setzte ihre Sprechwertzeuge von neuem in Tätigkeit: Vielleicht beliebt es dem gnädigen Herrn, sein« ordentliche Leute ihre Mi«te pünktlich zu bezahlen! Hm»« ist schon der sechste, und ich habe noch immer kein Geld von Ihnen gesehen! Nun lieh Smith langsam die Zeitung sin ken und warf einen erstaunten Blick auf seine Wirtin. Ach so, S i e sind'», Frau Flickburn? Ich hatte schon ganz verges sen, daß ich Sie rufen lich, sagte er mit unerschütterlicher Ruhe, ich wollte Ihnen nur mitteilen, Latz das Frühstück direkt widerwärtig zubereitet war, und den Kaffee scheinen Sie ja wohl mit Spülwasser zubereitet zu haben. Das geht wirklich auf die Dauer nicht mehr. Waaaas? ries die Wir tin, und ihre Augen begannen unheilverkündend zu funkeln, mein Kaffe« ist Ihnen nicht gut genug? Und dabei keine Miete zahlen? Sie denken wohl, mein Hau» ist «in« Wohl- tittigkeitsanstalt? Smith erhob fich nun, ohne ein Wort zu sagen, ging an seinen Schrank, entnahm diesem sein Porte monnaie mit seinem ganzen Kapital, da» hundertvierzig Mark betrug, und wandte fich dann wieder der Wirtin zu: Ich mutz Ihnen gestehen, datz mir Ihr gräßlicher Früh ebenso widerlich geworden ist, wie Sie selbst. Ihr Hau» 'ist di« schmutziA« Spelunke in der ganzen Straße, Und ein anstän diger Mensch davf wirklich nicht bei Ihnen wohnen. Ich Hobe mich deshalb entschlossen, auszuziehen. Schreiben Sie Mr also «ine Quittung au», und Sie sollen dann Ihr Geld sofort haben. Frau Flickburn zittert« förmlich vor Wut, al» sie dies« Worte vernahm, während da» Dienstmädchen hinter ihrem Rücken schadenfroh grinste. Mein sie war eigentlich doch ziemlich furchtsamer Natur und empfand genau, datz sie gegen die Frechheiten ihre» Meter» nicht aufkommen konnte. Des halb begnügte sie fich damit, ihm einen durchbohrenden Blick zuzuwerfen und schmiß dann die Tür hinter fiL zu. Da» haben Sie der Alten aber fein gegeben, Herr Smith, kicherte da» Dienstmädchen zufrieden, allein wollen Sie denn wirklich von un» fortziehen? Haben Sie denn tatsächlich soviel Geld bekommen? Smith lachte laut los: Et« find ein gute» Mäd chen, Bessy. Ich zieh« tatsächlich von hier fort, aber ich werde Denn erstens kommt es anäers. ' Erzählung von Effi« Bey. Nachd»«a v«rd»««n. Nein, er träumte nicht! Es ging all«» mit rechten Dingen zu — da lag ja noch der Brief vor Hm auf dem Tisch. Mit vor Aufregung zitternden Händen griff er aber- mals nach dem Schreiben und begann es fich selbst von An fang bis zu Ende vorzulesen. Ein Irrtum war nicht mög. lich, denn da stand schwarz auf weiß in großer, deutlicher Schreibmaschinenschrift folgendes: Mr. James Smith, Vsq. , Sehr geehrter Herr! Wir haben die VH«, Ihnen mitzvteilen, daß nach dem Tode uns««» Klienten Mr. Hopkins da» vermögen de» Verstorbenen im Betrag« von 1 Million 8416SL Mark 67 Pfennig Ihnen, al» dem einzigen gesetzlichen Erben, zufällt, da fich auf unsere jm Lauf« der letzten sechs Mo- mate überall erlassenen Aufrufe kein« nähmen Verwand ten des Verstorbenen al» Erben gemeldet haben. Wir et- suchen Sie deshalb, zum Zwecke der Antretung der Erb- schäft baldmöglichst bei uns vorsprechen zu wollen, und zeichnen, st«1» gern zu Ihren Diensten, .mit vorzüglicher Hochachtung . » Miller u. Pektin, Rechtsanwälte. Onkel Hopkins war also gestorben! Derselbe Onkel, der bisher niemals etwa» von fich hören lieh und die Briefe (eines Neffen nicht zu beantworten pflegte. Aber ein nob- ler Tharakter war er — da» ließ fich nicht bestreiten! Um der Millionenervschaft willen konnte man dem Onkel schon einige» verzeihen! So dachte Iame» SmiH, der junge Buch halter, al» er den «rief der Rechteanwälte, zum dritten Male aufmerksam durch!«». Dann aber warf er da» Schrei- ben mit «tnem unartikulierten Gebrüll zu Boden und streckte die Arm« in überschäumender Freude -um Himmel: Er war reich! Jetzt erst kam ihm da» richtig-um Bewußtsein. Sr «ar reich! Gin« ganze Million und dazu noch beinahe «ine -albe gehörten ihm! O, wa- konnte man sich da nicht alle» leisten! Mit einer Gebärde des Abscheus schob er den Teller wett von fich, auf dem sein Frühstück in Gestalt eines wen.g _ _ appetitlichen Wurstzipfel» lag. Dann barg er Pen Brief Ins Zeitungslektüre zu unterbrechen? Und außerdem pflegen der Brusttasche und «erhob fich Was machen wir nun zuerst? dachte er Mut. Gleichsam al» Antwort auf diese.Frage öff- ne« fich nun die Stubentür und Pessy, das jung« Dienst mädchen, betrat das Zimmer, um den Frühstückstisch abzu räumen. Mit Erstaunen sah fie, daß der Mieter noch an- wesend war: Nanu, Herr Smith, S« find noch hier? Was ist denn passiert? Gehen Sie heute nicht in» Bureau? Ober haben Sie da» große Los gewonnen? Sie haben es diesmal fast erraten, Bessy antwortete Smith, ich Sin tatsächlich plötzlich zum reichen Mann geworden! Haha, ein guter Witz, lachte da» Mädchen und begann den Tisch abzuräumen, aber ich würde Ihnen trotzdem empfehlen, fich jetzt schnell auf die Beine zu machen, sonst kommen Sie wieder zu spät wie neulich. Und außerdem ist die Alte Heu« wieder in kämpf- lustiger Stimmung und kann jeden Augenblick hereinkommen. SmiH schoß plötzlich ein« lustige Idee durch den Kopf — die Stunde schien ihm gekommen, wo er fich endlich vn seiner zänkischen und ewig nörgelnden Wmmerwirtin rächen konnte. Kur- entschlossen wand« er fich an da» Dienstmädchen: Rüfen Sie mir doch Litte Frau Flickburn und sagen Sie ihr, ich wünschte Ei« sofort zu sprechen. Me di« behäbige, robust« Zimmerwirtin nach wenigen Minuten mit kampfbereit in die Hüften gestemmten Hän den in Begleitung des neugierigen Dienstmädchen» Vas Zim mer ihre» Mieter- betrat, faß dieser seelenruhig im Sessel hinter einer Zeitung und rauchte, dem strengen Verbot der Wirtin zuwider, gemütlich seine Pfeife. Sofort nahm Frau Flickburn Kampfstellung an, warf den Kopf in den Nacken und begann au» voller Kehle zu keifen: Wa- find denn da» für neue Angewohnheiten, in meinem Hause Pfeife -u tau- chen? Damit di« Gardinen recht schwatz werden? Und über haupt: wollen Vw. Hochwohlgeboren heu« gar nicht zur Ar beit gehen? Oder soll ich ein Automobil für den Herrn Gra fen holen lassen? Si« hielt in ihrer Gardinenpredigt inne, um Lust zu schöpfen, allein hinter der Zeitung rühr« und regte fich nicht». Das ging der guten Frau denn doch über