Volltext Seite (XML)
Zweites Blatt. Tharandt, Wassen, Sieöenteßn und die Amgegendm. Amtsblatt für die Rgl. 2lmtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff,- sowie für das Rgl. ^orstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für SStlsdrirft, AlLtanneberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswlllde, Groitzsch, Grumbach, Grund bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzogswalde mit Landberg, Huhndorf, Kaufbacb, Kestelsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lamyersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Miltitz-Roitzschen, Munzig, Reukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf, Pohrsdorf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf, Schmiedewalde, Sora, Steinbach bei Kesselsdorf, Steinbach bei Mohorn, Seeligftadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, WeMropp, Wildberg. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1. M.S4 Pf. Inserate werden Montags, Btinwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 15 Pfg. pro viergespaltene Torpuszeile, N-» 128. I . I! Druck und Verlag von Marlin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Reüatiton Marlin Berger Sasewsl. LonnabeuS, de« 1. November 1SV2 «1. Jahrz. ^olinemeik-kililsliVg. Fü die Monate AmMr »iiki Aezeuiötr werden Bestellungen auf das FtchMlt für Mimiff ctc.' für die Stadt Wilsdruff bei unterzeichneter Geschäftsstelle zu für auswärts bei allen Kaiserlichen Postämtern, sowie Landbriefträgern zu 1 VSrri k 3 entgegen genommen. Hochachtungsvoll Geschäftsstelle des Amts- und Wochenblattes für Wilsdruff etc. Zum 25. Sonntage nach Trinitatis. Matth. 24, 12: Dieweil die Ungerechtig keit wild überhand nehmen, wird die Liebe in vielen erkalten. Halte, was du hast, daß Niemand deine Krone nehme! so lautete vor Kurzem die Mahnung, die wir empfingen. Wer aber beharret bis aus Ende, der wird selig, so lautet das Schlußwort unseres Textes. Welches ist das Kleinod, daS wir festhalten, darin wir beharren sollen? Die Liebe, sagt unser Heiland. Ihr Kinder des Höchsten, wie stehts um die Liebe? Kann der Herr bei uns 8- . - Mtonie. 11 Roman von st. v- Schreiberrstosen. Sie batte mit einer leidenschaftlichen Wärme gesprochen, idie Sievert es noch nie non ihr gehört. Ihre Augen waren feucht, ihre Lippen zitterten. Er legte seine Hand auf die ihre. Cie erwachte wie au? einem Traum. „Es giebt einen zweiten Heg, sich der Vergessenheit zu entziehen. Sich Denen, die dian liebt, unentbehrlich machen, ibren Herzen die Erinnerung Everlöschlich einprägen — doch während man daran arbeitet, brausen die Alles verschlingenden Wogen schon heran" — sie seufzte tief auf. „Welcher Weg ist Dir vorgezeichnet?" fragte l>e mit einem tiefen, forschenden Blick in seine grauen Augen. „Freie Wahl hat Keiner, von innen und außen drängt es uns «us den vorbestimmten Pfad. Man stemmt sich dagegen, man ängstigt nnd sorgt sich — es ist Alles umsonst." Noch ein mal blickte Ingeborg über die weite Heide, bann schritt sie W Sievert dem Osenhofe zu. „Habe ich nicht gerungen Ind gekämpft? Und nun wähle ich freiwillig die Sülle, die Einsamkeit, die Oede, vor der mir bangte und schauderte — hier will ich bleiben." Wieder saßen die Schwestern im Giebelstübchen beisammen ^nd rubten Marias Augen voller Sorge und Unruhe aus Ingeborg. „Wie wirst Du es hier aushalten, Junge? In dieser ^nsamkeit — mit Wulff —" „Es läßt sich Alles ertragen, es kommt nur darauf an, M Auge an die Dunkelheit, zu gewöhnen. Nur das erste Mehren des Sonnenlichtes ist schwer." Ein großer Schmerz ^gte sich auf Ingeborgs Antlitz aus. . „Hast Du Enttäuschungen erlebt, ist Dein Herz krank und ?id?" fragte Maria linde und schonend, doch Ingeborg ver- Me nicht nach Aussprache, sie wollte keine Theilnahme, kein Gefühl. dasselbe thun wie dort, die Liebe als vorhanden voraus setzen? Ist die Liebe in uns die aus dem Glauben ge borene Liebe, die Liebe zu dem Herrn und seinem Wort, die Liebe auch zu den Brüdern in dem Herrn, ja auch die allgemeine Liebe, die mitleidige, erbarmende Liebe auch zu denen, die den Herrn noch nicht im Glauben er saßt haben? Wer die Liebe hat, der hat einen Schatz gar köstlicher Art — aber auch einen gar gefährdeten Schatz, den es mit nie ermüdender Treue zu bewahren gilt. Welches ist die Gefahr, die der Liebe droht? Die Erkaltung. Die Liebe ist wie ein Feuer und ein Licht; sie leuchtet und sie erwärmt. Aber Licht kann erlöschen und Feuer kann erkalten. So auch die Liebe. Ist sie erkaltet, so ist sie nicht mehr da, so ist von ihrer wärmenden Kraft nichts mehr zu spüren. Und ein Mensch, der keine Liebe hat, ist nichts werlh für des Herrn Reich. Was nennt der Herr als der Liebe Feind? Der schlimmste Feind der Jesusliebe ist die Ungerechtigkeit. Die Liebe freut sich nicht der Ungerechtigkeit, sagt der Apostel. Die Liebe ist sonst stark. Man kann ihr etwas zumuthen. Sie erträgt Alles, sie glaubt, sie hofft, sie duldet Alles. Was man auch mag nennen, es sei klein oder groß, das kann der aus dem Geist geborenen Liede nicht schaden. Undank, Verleumdung, Mißachtung, die Feinde der bloß natürlichen Liebe, thun jener heiligen Liebe nichts. Nur eins giebt es, dagegen ist sie empfindlich — die Un gerechtigkeit. Da stocken ihre Pulse, da erlahmt ihre Kraft. Wie ist das möglich? Ist denn die Ungerechtig keit eine so gewaltige Macht, daß die größeste von den dreien, die da bleiben, die Liebe, ihr gegenüber machtlos wird? Die Liebe hat keine Gemeinschaft mit den unfrucht baren Werken der Finsterniß. Wo die geübt werden, da zieht sie sich zurück, da wird sie kalt. Und wenn nun gar die Ungerechtigkeit überhand nimmt, wie in diesen letzten Tagen, wo sie allgemein ist bei Hohen und Niederen, „Des Menschen Stolz ist sein schlimmster Feind", sagte Maria. „Und seine Stütze", rief Ingeborg aus. Ihre Augen standen voll Thränen, aber noch lächelte ihr Mund und hielt sie sich aufrecht — bis sie allein war. Erst dann sank sie zu Boden und die Wogen der Verzweiflung schlugen über ihr zusammen. Sie hatte dem Geliebten kein Hinderniß auf seinem Ruhmespfade sein wollen, sie batte sich zum Opfer gebracht, aber die Wunde blutete und schien unheilbar. „Er wird mich vergessen", stammelten ihre bleichen Lippen, und ihr Herz brach fast bei demGedanken au Erich Waldburg. Noch einmal zogen die Stunden an ihrer Erinnerung vor über, in denen sie mit stolzer Seligkeit erkannt, daß ihre Liebe erwidert ward, daß es nur an ihr lag, sich das Glück zu sichern, aber sie blieb fest in ihrem Entschlusse. Sie wollte aus seinem Wege verschwinden, er sollte seinem Ehrgeize, seinem Ruhme leben. „Ich liebe ihn mehr als mich selbst, als mein Glück, sein Glück steht mir höher", schluchzte sie auf. „Ich wäre an der Furcht, er könne es bereuen, mich an sich genesselt zu haben, gestorben — Nnd sterbe ich nicht täglich, stündlich vor Sehnsucht!" 6. Capitel. Lang und schmal zieht sich die kleine Nordseeinsel Langebog vor der friesischen Küste hin. Schon seit mehreren Jahren kamen Fremde, um dort Wasser und Luft zu genießen und sich in der Einsamkeit wieder mit sich selbst zurecht zu finden. Die Jnselleute nahmen sie freundlich auf und ließen ihnen zukommen, was sie selbst hatten. Von Jahr zu Jahr nahm der Fremdenbesuch zu, und bald wurden die Jnfelkinder kaum noch auf dem Strande geduldet, wo sie sich sonst so unbe fangen hemmgetrieben. Es war ein warmer Sommertag, die Sonne brannte und in den kleinen Timenthälern herrschte eine schwüle Lust. Der erfrischende Seewind strich darüber hinweg und trieb nur den Reichen und Armen, wo es zugeht wie in den Tagen Noahs, wo der Wille zum Bösen fast ebenso groß ist, wie die Schwachheit dem Bösen gegenüber, wo man sucht nach der Gerechtigkeit, und siehe, man findet sie nicht, da ist die Gefahr für die Liebe hundertfach groß, daß sie in ihrem Erweise nach außen erkaltet, daß sie zur Eigenliebe wird, zur Selbstsucht, die aus der Trennung von Jesus, dem Liebesguell, erwächst. Und darin liegt eine gewaltige Gefahr, dadurch droht uns der schwerste Verlust. Wo die Liebe erkaltet ist, da ist das Glück geschwunden, denn ohne Liebe kein Glück. Wo die Liebe erkaltet ist, da fehlt auch die Kraft; denn nur da ist wahre Kraftentfaltung, wo man sagen kann: die Liebe Christi dränget mich also. Da ist auch die Freudigkeit zum Sterben geschwunden, denn die hat nur der, der sagen kann: Ich will dich lieben, schönstes Licht, bis mir das Herze bricht. Ist nicht unsere Zeit eine Zeit riesengroßer Unge rechtigkeit und darum eine Zeit geringer Liebe, auch unter denen, die Gottes Volk heißen? Du stehst vielleicht selber mitten in der Versuchung, die Liebe zu verlieren? Giebt's dagegen kein Mittel? Keinen Weg, aus der Gefahr heraus zukommen? „Wer aber beharret bis an das Ende, der wird selig," spricht der Heiland. Beharren worin? In Jesu. „Bleibet in meiner Liebe," das ist dasselbe als bleiben in ihm. An ihn hat sich die äußerste Unge rechtigkeit herangewagt, und dennoch hat er fortgeliebt und liebet in Ewigkeit fort. In ihm bleiben, das heißt in der Liebe bleiben. Auf Golgatha ward deine Liebe zu ihm geboren. Da ist der Ort, von dem du singen kannst: Ich bin durch manche Zeiten, Wohl gar durch Ewigkeiten In meinem Geist gereist — Nichts hat mirs Herz genommen, Als da ich angekommen Auf Golgatha. Gott sei gepreist. locker aufgehäusten Sand mit leisem Nieseln hinab. Er füllte Thäler zu nnd häufte neue Hügel, er zerrte an dem harten, stachlichten Grase, dem einzigen schwachen Schutze der Düne gegen ihren erbitterten Feind, und trieb die Wellen mit nie rastender Eile dagegen, um heimlich zu untergraben, was seinen Anstrengungen noch widerstanden — wie Alter und Krankheit, Sorgen und Kummer am Leben des Menschen nagen und es untergraben, bis ein geringer Stoß genügt, das letzte Ende berbeizuftthren. Durch die Düneneinschnitte schritt ein stattlicher Mann. Von Zeit zu Zeit lüftete er den Hut und ließ den Wind durcb iein Haar streichen, das seine breite, schöne Stirn be schattete, unter der ein Paar stahlblauer Augen scharf nnd durchdringend hervorsab. Ein kurz gehaltener Bart verbarg Kinn und Wangen, ließ aber die strengen Linien des Mundes frei. Es war Erich Waldburg, aber älter, ernster, gereister. Es mußten gar schwere Stunden über ihn dabingegangen sein, und das Leben konnte nicht nur Licht sür ihn gebracht haben. Er schlenderte ziellos durch die Dünen, blieb aber aus einmal erschreckt stehen: er hätte fast aut einen juaendlichen Schläfer getreten, der im Schube einer niedrigen Kriechweide lag, das blonde Haupt zur Seite geneigt, die Arme über der Brust verschränkt. „Beneidenswerth !" meinte Erich, nnd wollte vorübergeben, trat aber jetzt wirklich auf etwas, das der Sand fall schon bedeckte. Es war ein Bueb. Erich nahm es auf nnd schüttelte den Sand von den mit Skizzen bedeckten Blättern, die feinen Blick unwillkürlich fesselten. Schiffe, Badekarren, Kinder vor einer Heranbransenden Woge flüchtend, auf den Wellen sich wiegence Mövcn, Fischer, Damen — Als er anfblickte, erwachte der Schläfer, setzte sich auf und strich das volle dunkelblonde Haar zurück. „Haben Sie diese Biälter gezeichnet?" fragte Erich ohne weitere Einleitung.