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LonnerStag, LI. September ivli Ilikr 4000 nUnti limntii Nr. ZSV. Sechster Jahrgang. 5luer Tageblatt und Anzeiger Mr das Erzgebirge )<lantwo«Uche Redaktiu« fritz Nrnkoltl llr a>« Inserat« vcr^nlmolllich Leite in 'Ine Lu-et. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Auer Sonntagsblatt. Sprechstunde der Redaktion mit Nuenahm« der Sonntag« nachmittag» von st—» Uhr. — Telegramm-Ndreffer Tageblatt Nueerz-eo.cae, Fernh>recher »». Für unverlangt eingesandt« Mmmflrhte kann Gewähr nicht geleistet werden. vruch und Verlag ga«r dimü- a. vei»lL-»-0«««II«üeN m. b. H. in Nu« i. Lr)geb. Sezug,preis: Durch unsere Boten frei ins Haus monatlich so vfg. 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Mts. festgesetzt worden. o Tri fr a > j d i t i chM i st r r p <i, i n « i n n I > r > lte jeoe siru« ntund^rnun,, gel g >> iich >r am nächsten Sonntag t'i Paris gegen kn n Kriegund gegen die Lebensmitt lteuerung statifindenden Proiestve sammlung n s Dir r n g i i i ch e N. gte > u u n br> e die Organiialtvn eine' Hilfsvoltzet vor, die in Zeiten er Kriege« oder inne ' eUn uhen die ö f k e n t l i ch - Ordnung aufiechterhaiikii soll. * De, Anschlag aus S t o l y p t n soll der, r str terroristi sche Akt nach em Zus »mmenschluß der russischen Sozialrevolutionäre mit dem finnischen Terroristen sein, mit dem eine Reihe von Anschlä gen, oie von lSil di« 1Sl3 grpl int find, eröffnet worden ist. . ktz Am gestrigen Jahrestage er Befleiung Rom» durch die italienischen Truppen fanden im ganzen König reiche Italien begeistert« Kundgebungen statt. -Mst- Mutmaßlich« Witterung am FuHtNstr Südwestwind, woltßg, etwa» kälter, zeitweise Rüge«. -Wc Zur iuteruatioualeu Lage. Allem Anscheine nach ist es jetzt Noch nicht das letzte Mal gewesen, daß ein französischer Depeschenkurrier in Sachen der Marokkoverhandlungen -wischen Berlin und Paris hin und her gereist ist. 'Noch am Montag albend hat «ine erneute Besprechung zwischen Herrn von Kiderlen-Wächter und dem Botschafter Eam- bon stattgefunden, und voraussichtlich am heutigen Donnerstag wird sich der französische Mintsterrat mit der deutschen Antwort ¬ note Le'chästigen. Im allgemeinen dauert die optimistische S immung 'M, und di« meist gut unterrichtete Frankfurter Zei tung will sogar erfahren haben, dotz lediglich über «inen einzigen Punkt auf wirtschaftlichem Gebiet« Differenz«» vorhanden seien, deren Ueberbrückung aber Leine allzugrohen Schwierigkeiten ma chen würde. Einige französisch» Blätter aber können es sich nicht versagen, weitere Schwierigkeiten an di« Wand zu malen, um weiter Hetzen zu können. Ste stellen es so dar, als ov von deutscher Seit« aussichtsvolle Nachrichten nur deshalb verüsfent- licht werden, um die öffentliche Meinung zu beruhigen und vor allem, um finanziellen Kalamitäten vorzubeugen. In Wahr heit sei man noch weit von einer Einigung entfernt. So weih Echo de Pari» tzu berichten, Deutschland besteh« auf «einer t n - ternationalen Kontrolle in Marokko und be tracht« di« französischen Vorschläge nicht ausreichend al» Daran- tte für sein« wirtschaftlichen Interessen. Vielmehr verlange e» auch jetzt noch, einen gewissen Prozentsatz der den Franzosen zu erteilenden öffentlichen Arbeiten zu erhalten. Auch di« Zoll frage bilde noch «inen strittigen Punkt. Deutschland werf« überhaupt prinzipielle Fragen auf, di« Frankreich schwer, lich erfüllen könne und den in Berlin hevvorgetretenen Optimis mus Nicht rechtfertigen. Im übrigen gibt das Blatt zu, daß die am Dienstag überreichten Bemerkungen Deutschlands in versöhn lichem, rffhtgem Tone gehalten seien. Wie dem aber auch sein Möge, so wetde.di« ftanzösische.Aogierung avf di« Berliner Be merkungen mit einer Note entworten, in der gewisse Artikel ab- geändert werden, die di« deutschen Wünsche bisher in ungenügen der Weise befriedigten. Da» Blat bezweifelt, daß da» fran zösische Auswärtige Amt durch diese Not« die wirtschaftlich«» Forderungen Deutschland» erfüllt. Jedenfalls werden aber di« Verhandlungen fortgesetzt werden. Auch am Dienstag ist über die KongoLömpensatton«» nicht Beraten worden. Auch andere französisch« Blätter stoßen noch immer in die Kriegsdrommete und verlangen entschieden, daß die Reser visten unter den Fahnen behalten werden. Ebenso herrscht in Belgien andauernd die größte Nervosität, und zwar nicht nur beim Volke. Man muh sich wundern, daß die Regierungsstellen von einer derartigen Hast befallen sind und alle Anstalten treffen, als ob -ein Krieg unmittelbar vor der Tür stehe. Es macht fast den Eindruck, als wenn die belgische Regie rung durch falsch« Informationen über die wirkliche Arge von gewissen Mächte» beeinflußt woüden wäre, um durch die Rüstung Deutschland «ine Warnung zu geben. Nervös ist man auch in Ita lien, und -war wegen Tripoli», da» man al« Kompensation haben möchte. Da» Ministerium Giolittt will allem Anscheine nach nicht viel davon wissen, jetzt heitzt e» aber, daß der König selber dieser Forderung beigetreten sei und einer Besetzung von Tripoli» da» Wort rede. Dies« Verlangen könnt« zweifellos «ine Zuspitzungder internationalen Lag« herbei führen, insbesondere wäre die Lag« etwa» verzwickt für Deutsch, land, da wir al» Verbündete moralisch verpflichtet wären, Ita lien beizustehen, wähvend wir auf der andern Seite mit Fon- stantinopel gut befreundet sind und Gefahr liefen, daß dort di» Stimmung gegen Deutschland umschlägt. Im Hinblick darauf wär« vielleicht Deutschland geeignet, einen uneigennützigen Ver mittler abzugeben; freilich kann man sich bet einer solchen Ver mittlung leicht selber die Finger verbrennen. Bassermann und Arning über Marokko. Vor einer großen öffentlichen Versammlung in Osnabrück ergriff nach einer Rede de» nattonalliberalen Kandidaten Gene- raldirektor Gtöve der Reichstagsabgeordnete Bassermann da» Wort, um unsere auswärtige Politik zu beleuchten. Di« Politik der Liebenswürdigkeit müsse ein End« haben. Seinerzeit hab« man den jetzigen Staatssekretär de» Auswärtigen Amt« mit großem Vertrauen -egrüht, zumal es galt, einen Herrn v. Schoen zu ersetzen. Di« Lage sei zweifellos schwierig, zumal angesichts der französisch-englischen Verbrüderung und der 'Konventen- Ruh. land» und einer internationalen deutschfeindlichen Presse. Jeder sei überzeugt, daß «in Krieg furchtbar sei und daß Große» auf dem Spiele stehe. Redner verglich da» Maulheldentum Del- cassös mit den Vorgängen vor 1870, es gehe im übrigen w « ni - ger um Marokko, al» um die Frage der Beteiligung an der Weltpolitik. Frankreich habe für dem Kriegsfall viel mehr «inzusetzen al» Deutschland und England. Auch der Abgeordnete Vebiel erkenne es ja an, daß in dieser Frag« nicht am wenigsten auch Arbeiterinteressen auf dem Spiel ständen, deshalb sündige die sozialdemokratische Partei mit ihren Resolutionen gegenüber der Arbeiterschaft. Der KurssturzanderiBörse,derso höchst bedauerlich gewesen sei, hätte vermieden werden können, wenn das Auswärtige Amt mit der Börse Fühlung gehabt hätte, wie einst Bismarck mit Bleichröder. Auch Fürst Bülow Hab« sich bemüht, mit der Hoch- finaaz namentlich in kritischen Zetten in Fühlung zu bleiben. Das Weißbuch des Frhrn. o. Schoen sei mehr eine Verteidigung Das Hochzeitscarmen. (Nachdr-ck »«»»«.> Noch heutzutage ist e» gang und gäbe, das (junge Paar an der Hochzeitstafel mit gutgemeinten Reimereien anzustngen. Wann das sog Hochzeitscarmen -u«rst austauchte, läßt sich mit Bestimmtheit nicht genau nachweisen; jedenfalls nb«r wird «» bald nach dem dreißigjährigen Kriege gewesen s«in, al« di« Menschheit wieder neuen Lebensmut zu schöpfen begann. Der Deutsche hat von jeher der Dichtkunst ein große« Interesse ent- gegengebracht, deshalb bedurft« es gar nicht dw eifrigen Eintre tens der teu schlievenden Gesellschaften für Vas Hochzeitscarmen, um diese» populär zu machen. Zunächst handelte es sich bet die ser Art Gedichte um freie Improvisationen. Der Redner hielt nicht «inen Toast, der mit einem Hoch auf di« Neuvermählten sch'oß, sondern er knüpft« an das Benehmen der jungen Eheliute zueinander an, krttsirrt« es und schloß mit Wielen Ermahnungen für die Zukunft. Nach heut« üblicher Auffassung waren dt« poe- tischen Worte meist reichlich frei; damals jedoch litt selbst da» weiblich« Geschlecht nicht VN -übertriebener Zimperlichkeit. Selbst hochstehend« Jungfräulein lachten ungeniert über di» derben Wahrheiten; ja, von einer hessischen Mrstentochter wird sogar berichtet, daß ste ganz gegen di« Titte dem Dichter mit gleicher Münze heimzahlt», sehr zum Ergötzen der anwesenden Ritt«»' schäft. Etwa» später ging man schon gründlicher vor; die Rat- schlüge wurden säuberlich zu Papier gebracht und mit mehr und minder falschem Pathos vorgelesen. Au» der Meng» der «n» überkommenen Hochzeit»gtt>icht« Mögen zunächst (unter yortlas- sung der damaligen Schreibweise) einig» Proben folg«,, und paar: was di« Frau zu beherzigen hat: Was ihr der Mann befiehlt, da» soll pe treiben, Dann wird der Fried« stet» im Haus« bleiben. Humoristisch wirkt: / Di« Fra» soll ihr, Laune zügeln, Sonst mög' der Mann st» tüchtig prügeln, Dat heißt, wenn «, am stärkst* von beiden, Sonst hat «r selbst am meist' -u leiden. (Augsburg IMS.) w«, vielen di» hdwlfrau vorasschwebt -ckben nmß, -sehen wir au« dem Bruchstück« «ine» Hochzetwoarmen. da, in Thürin gen sich großer Beliebtheit «freute: Wenn er (d«r Mann) nach Hause kömmt, so geh st« ihm entgegen, Befehle, daß die Magd ihm gleich e-i» offeln gibt, Eie nehme seinen Hut, Peruque, Stock und Degen Und frag', ob ihm etwan «in tücht'ger Trunk Leliebt. Und will ihm ongefhr «in Pfeiffgen Cnaster schmecken, So soll die jung« Frau dazu nicht mürrisch thun, E» ist vttlmchr ihr Amt, da» Pfeiffgen anzustecken. Dem berühmten Kupferstecher Ghodowteckt war dieser Vers zu Gehör gekommen, und er Labfichtigte, ihn al» Motiv für die Bilder au» dem Familienleben zu verwenden. Seine Freunde aber lachten ihn au» und spotteten, ein« solche Frau existiere nur in der Phantasie weltfremder Dichter. Und in der Tat *ietz sich der genial« Künstler dazu verleiten, di« schon ausgearbettet, Zeichnung für die Platte wieder zu zerreißen, weil er nach eige ner Angabe nicht, schaffen wolle, -was «»gezweifelt werden könne. Armer Ehodowieckil Al« dieser Vorgang allgemein bekannt wurde, verfiel er in Ungnade bei den Frauen; es dauerte Monate, bi» alle» vergeben uNd vergessen war. — Die Regeln für junge Ehemänner Keinen teilweise vom weiblichen Geschlechte »er. faßt zu sein, klingt es doch ziemlich verdächtig, wenn Geziemende» Gesind und Pferd und Wagen auf daß da» Eh'gemahl nicht di« Schuh garstig macht, gefordert wird. Auch da» Umherstretfen ist untersagt: Der Mann soll feyn zu Hau» LMben, Und nicht sich in der Welt uumtmiben. Und «a» wird nicht sonst noch all«, vom Gatten im Kos«, jahr »erlangt! Da »in wohlgeputzt«» Weib den Mann ziert, soll er den bestrn Mod«schneid«r au, eigenem Antrieb für sein« Frau ordinieren, wenn di» Gattin den Kaff« «übt, dann -ab» ihr Mann dieser Leidenschaft nicht, in d»n Weg zu legen; tröstend erfährt er, daß ohnedem der braun Trunck hübsch macht, wenn den jungen GH «mann die Geschäft« In di« Fremd« führen, so ist «» ganz selbstverständlich, daßdi«HerzltGst« »in schön« Geschenk au, Turin» oder Pari» al» Mitbringsel erhält rmo. Ein« Zeit, lang nahm da» Hochzett»carm»n di, Form de» Quodlibet, an. wir «ollen »ine» der bükanntesten «örtlich anführen, um zu zeigen, «i, albern diese Art im Grunde »ar: Gin Quidlt-, Ouadlt-, Quodlibet Schickt sich vor alle Leut», Vor Knen, der auf Heyrath geht, Und auch vor jung« Bräute. , Ein' Dienstmagd und ein Kanonier, i Di« passen gut zusammen, Mt dem Geschütz zielt er nach ihr, . Und Meßt ihr Herz iN Flammen, Natürlich mußten die Neuvermählten häufig al» beklagen», wert» Opfer der nicht immer taktvollen Dichter dienen. Infolge- dessen soll «o nicht selten zu erbitterten Tätlichkeiten geführt ha ben, wenn der vngesungene «inen cholerischen Charakter Lo- saß oder schon zu voll de» süßen Weine» war. Bet einem Hoch, zeitsmahl« im Städtchen NeUburg verursachte da» Quodlibet so gar eine klein« Revolte. Der Vater der jungen Frau, gletchzei- tiger Bürgermeister, fühlte sich in seiner amtlichen Würde durch einen Vers beleidigt und ließ in der Trunkenheit den Reim schmied verhaft en und in» Gefängnis abführen. Al» diese Schänd« tat-im Volke ruchbar wurde, drang ein« empört« Menge in da» Hochzei shaus, verprügelte den unbeliebten Stadttyrannen und ordnet« kategorisch an, daß di« soeben eingegamgene Eh« g«- chieden werden solle, und dafür der Gefangene de» Bürgermei sters Tochter zum Weib« nehme. Al» der Eiagesperrte von die- em menschenfreundlichen Plan« erfuhr, verweigert« er entsetzt seine Genehmigung dazu. Auch er würde sicherlich ohne Erbar men di« kräftigsten Hieb« für feinen Undank von denen, di» ihn au» K«rl«rluft befreit, erhalten haben, «wenn nicht rechtzeitig au» der benachbarten Garnison «ine Schwadron Husaren herbei- geeilt wär« und rasch wieder Ordnung geschaffen hätte. In den besseren Gesellschaftskreisen zu ENde de» achtzehnten Jahrhun dert» bemüht« man sich ernstlich, da» Hochzeitscarmen künstlerisch zu -eben. Di» öden Stoppen, die Nur de» Klange» «egen «u- sammengrkitttt (nach Gellert) schienen, mußten geistreichen, lusti gen Märchen und Fabeln weichen. Z. B.: Gin« alt« Frau be saß «in reizende» Enkeltöcht«rch«n, daß ste ängstlich in ihrer tief im Walde gelegenen Hütt« verbarg; nie sollt» nämlich die Klein», wenn st» herangewachsen, einen Mann freien. Eine» Tage» aber verirrte sich «in Jäg»r»mann in der Wtldnt» und! stieß auf da» einsame Gebäude, ««vor er jedoch d»n Mund zu einer Frag» »ff, nen konnte humpelte di, alt» Frau schnell zur Tür hinau», er griff den Ueberraschten am Arm und zog ihn schnAl mit sich fort, verblüfft hatte di« Enkelin, dt» inguOhen zu einer stattlichen Jungfrau herangereift war, dem ihr unevNärltchen Vorgang« zu- geschaut. Al» di, Großmutter «Vein züvückkehrtt, erkundigt» sich da» Mädchen neugierig: Was «ar da» für »in Geschöpf? — Gtn Waldtier, brummt« di« Gefragt» mürrisch und lehttt» da«» streng