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Montag, 26. Oktober 1908. M Ws 3800 M«tt Nr. ISO. Dritter Jahrgang. Verantwortlicher Redakteur: Vri» llrndolil Für die Inserate verantwortlich - Watt«? Nr»»» beide in Aue i. Erzgcb. Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittags von 4—5 Uhr. — Telegramm-Adresse: Tageblatt Aue. — Fernsprecher Für unverlangt eingesandte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. »»er uru«- »„» verI»i»-Sis«I>!<ch»n NI. b. H. in Aue i. Lrzgeb. Bezugspreis: Durch unsere Boten frei ins Haus monatlich so f«g. Lei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich 40 Psg. und wöchentlich ,o pfg. — Bei der Post bestellt und selbst abgcholt vierteljährlich i.so Mk. — Durch den Briefträger frei ins Haus vierteljährlich ,.<,2 Mk. — Einzelne Nummer >o pfg. — Deutscher postzcitungs- kataiog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. Annahme von Anzeigen bis spätestens g'/, Uhr vormittags. 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Japan will ein: Konferenz aller am Süllen Meere inicr- eisierten Großmächte beantragen. Die ElktriMtsstener und ihre Folgen. Aus elektrotechnischen Kreisen schreibt man: Die neue Elek- trizitätssteuer bedeutet zweifellos eine schwereSchädigung der Industrie. Wenn auch die großen Elektrizitätsgesell schaften die ganze Steuer natürlich auf ihre Konsumenten ab wälzen werden, so daß sie zunächst nicht direkt davon betroffen sind, so wird sich doch der indirekte Schaden, den sie und mit ihnen andere Industriezweige erleiden, auf keine Weise aus der Welt schaffen lasten. Man hat, um ein Abwandern der die Elektrizität für Licht und Kraftzwecke Verbrauchenden zur Gas beleuchtung und den Gasmaschinen zu verhindern, zwar auch das Gas gleich mi ^besteuert, doch dürfte der Erfolg zunächst ein nicht beabsichtigter sein, nämlich der, daß man sich nach a n- deren Betriebsmitteln umsieht. Für viele Zwecke wird das Petroleum einen willkommenen Ersatz bieten. Es ist immer noch billiger als die Elektrizität, und wenn infolge des Der König der Weine. Auch eine Saison-Plauderei.j Champagner! Wie anders wirkt dies Zeichen auf mich ein! Wahrhaftig, er treibt das träge Blut in raschen, Kreise, und dann gibt's ein Leben herrlich und hehr, wie Don Juan singt. Der Champagner ist der Wein, der all die kleinen Teufelchen der Freude, der Neckerei, der Galanterie entfesselt und dem daher überall mit gleicher Begeisterung gehuldigt wird wie in seinem schönem Vaterlande. Die Champagne, jenes aus dem Fürstentum Sedan und den Landschaften Lhälonnais, Rämois und Sänonais gebildete Ge biet im nordöstlichen Frankreich, kam 1284 durch die Vermählung Philipps IV. mit Johanna von Navarra an Frankreich. Wäh rend der östliche Teil der Champagne arm und dürr ist, weshalb er auch den Beinahmen la pouilleuse trägt, den ich nicht zu über setzen wage ist der westliche um so schöner und reicher, und hier, auf dem dazu prädestinierten Kreideboden, wächst der Urstosf des köstlichen Mousteux, dessen Erfindung wir den klugen M ö n- chen von Haut-Villers bei Epernay zu danken haben. Es heißt, daß bereits im Mai 1397 Karl VI. von Frankreich und König Wsnzeslaus von Böhmen sich bei ihrer Zusammenkunft in Reims am Champagnerwein derart erbauten, daß sie tagelang nicht zum Verhandeln kamen. Sollten das die zwar auch feinen und kräftigen weißen und roten Stillweine der Gegend gewesen sein und nicht der Brausewein, Teufelswein damals vom Volk genannt, besten Geheimnis die Mönche nicht Preisgaben? Wilhelm Haus meint, man habe damals noch keine Stopfen aus Korkrinde besessen und ohne diese sei die Fabrikation eines in der Flasche gärenden Weines nicht möglich gewesen. Darin irrt aber der große Oenologe, denn die Mönche von Haut-Villers, sehr gelehrte Bernhardiner, haben sicher Alchemie betrieben, und dieser Pseudowissenschaft waren Verschlüsse, die hohem Druck standhielten, nicht fremd. Allerdings hat die Anwendung des Korkverschlusses, die der Pater Kellermeister derselben Mönche, Dom Pürignon, um 170V einführte, die Herstellung des Cham pagner» sehr erleichtert. Jedoch noch immer blieb sein Ge- nptz sehr beschränkt, aber nicht, weil sich, wie Haus meint, da» Publikum vor dem Knallwein fürchtete, sondern weil der Hof sich steigenden Petroleumverbrauchs und das Hand in Hand damit eintretenden Steigens der Petroleumpreise gewaltige Sum men insAusland fließen, so ist dies eine Wirkung der Steuer, über die man sich bei der Ausarbeitung des Gesetzent wurfes wohl nicht klar gewesen ist. Auch Benzinmotoren und Petroleummotoren werden in größerer Menge aufgestellt wer den, sodaß schließlich, da ja auch das Benzin aus dem Petroleum gewonnen wird, die Herren Rockefeller und andere Petro leumkönige allen Grund haben, sich über die neue Steuer von Herzen zu freuen. Aber auch derjenige, der direkt mit Elektrizität gar nichts zu tun hat, wird indirekt seinen Obulus entrichten müssen. Es sei in dieser Hinsicht nur an die elektrischen Straßenbahnen er innert, die ja durch die Elektrizitätssteuer gleichfalls und in be trächtlichem Maße betroffen werden. Sie werden aus der Steuer eine willkommene Gelegenheit herleiten, die Fahrpreise zu erhöhen, und so muß dann eben jeder bluten, der dieses Ver kehrsinstitut benutzt. In der Besteuerung elektrischer Bahnen, seien es nun Straßenbahnen oder elektrische Fernschnellbahnen, liegt aber insofern noch eine ganz besondere große Ungerechtigkeit, als die Konkurrenz, die Dam pfeifenbahn, steuerfrei bleibt. Da diese Dampseisenbahnen sich fast durchwegs in den Händen des Staates befinden, so hat dieser in der ungerechten Steuer, der die elektrischen Betriebe unterliegen, ein Mittel in der Hand, ihre Entwicklung, die ihm ja aus verschiedenen Grün den unbequem werden kann, hintanzuhalten. Ob es überhaupt klug ist, auf ein Verkehrsmittel, wie es die elektrischen Bahnen sind, neue Steuern zu legen, und somit in der Elcktrizitätssteuer gleichzeitig eine Verkehrs steuer zu schaffen, ist eine Frage, deren Beantwortung keiner besonderen Ausführung be darf. Welche nachteiligen Folgen jede Verkehrs st euer nach sich zieht, hat ja zur Genüge die Fahrkartensteuer und ihr Fiasko gezeigt. Noch gefährlicher aber ist es, zahlreichen Gewerbetreibenden durch die Elektrizitätssteuer die Grundlage ihres Be triebes zu verteuern. Der Elektromotor hat sich in jüngster Zeit in erfreulichem Maße immer weiteren Eingang ins besondere auch in kleinere Betriebe verschafft. Kleinere Hand werker, Heimarbeiter, Näherinnen usw., betreiben ihre Bohr-, Dreh-, Näh- usw. Maschinen mittels des Elektromotors, der bei geringer Ausgabe ein gleichmäßigeres und schnelleres Arbeiten gestattet und hierdurch unter gleichzeitiger Schonung des Körpers eine erhöhte Leistungsfähigkeit ermöglicht. Allen diesen auf den j noch nicht dafür interessierte und weil die rechte Dosierung, die Versetzung mit Likör, noch nicht erfunden mar. Noch um 1780 bildete der Champagner keinen notwendigen Bestandteil eines Diners, denn Casanova gedenkt seiner nicht. Als dann aber das Fabrikationsgeheimnis der Mönche bekannt und di« Dosierung und die geeignete Mischung der Weine zu einer guten Cuvöe gefunden wurden, da hob sich der Verbrauch. Dann eroberte sich der neue Zaubertrank seine Freunde schneller, und wenn ihm auch der tüfelnde Brillat-Savarin an der Jahrhundertwende das Zeugnis ausstellte, der Champagner, der zu Anfang (ab initio) erweiternd wirkt, übt in zweiter Linie (in recussu) eine be täubende Wirkung, so hinderte das nicht, daß bei der ersten In vasion des Jahres 1814 Deutsche, Oesterreicher, Engländer, Rus sen und Schweden ihn sehr lieb gewannen und seinen Ruhm in alle vier Winde trugen; von dem Augenblicke an datiert die Beliebtheit des Champagners. Es muß toll genug damals zugogangen sein, und es bedurfte der ganzen Geistesgegenwart des Generals York, um am 4. Februar 1814 den Sturm auf Chstlons ohne eigene Schlappe durchzuführen, weil das Bataillon ostpreußischer Füsiliere, das den Vorort Menonie halten sollte, einfach das Feuern ein- st eilte. Als Grund ermittelte der eilends dorthin geschickte Oberst von Valentins, daß die Leute einen Champagner- Keller entdeckt hatten. Der Rest ist Schweigen! Die Stadt Chillons bezifferte ihren Verlust damals auf 47 000 Flaschen. Ein Jahrzehnt später wurde dem Champagner die Bezeichnung verliehen, unter der ihn derDeutsche heute faßt ausschließlich kennt, nämlich Sect. Sekt, schon 1706 Seckt geschrieben, be zeichnete ursprünglich einen Wein, der auf den kanarischen In seln aus fast trockenen (secco) Trauben gewonnen wurde. So a cup of sect fordert Falstaff mehrfach in Shakespeares König Heinrich IV. und im Geist der eben gespielten Rolle rief Ludwig Devrient am Stammtisch bei Lutter und Wegener, wo nach dem Theater fast nur Champagner getrunken wurde, nach Sekt — zum erstenmal am 29. November 1826! Seitdem ist in deutschen Landen keine Hochzeit, kein Diner, kein fröhliches Beisammensein ohne Sekt Lenkbar. Freilich war er früher billiger als heut«, d. h. der erste französische. Zwei Taler war der Durch schnittspreis für «ine Flasche Schampus bis 1870, und daher nannte man di« Doppeltal«r auch Thampagnertaler. Ertrag von ihrer Hände Arbeit angewiesenen Leuten würde durch die Elektrizitätssteuer die Existenz beträchtlich erschwert, und sie würden in Nachteil gegenüber jenen geraten, die z. B. auf dem Lande wohnen und dort durch Ausnützung einer Wasserkraft eine nicht nur billigere, sondern vor allem auch steuerfreie Betriebskraft zur Bedienung haben. Durch die Elek trizitätssteuer würde auch die natürliche Entwicklung des Ge werbes nach seiner technischen Seite hin insofern einen Rück schritt erfahren, als man eben von den neueren elektrischen Ver fahren des Betriebes absehen und wieder zu alten, plumperen, technisch überholten, aber dafür steuerfreien Methoden, Maschinen und Apparaten zurückgreifen würde. Die gleiche Schädigung ergibt sich für alle die, di« sich des elektrischen Lichtes bedienen. Dieses ist durchaus nicht, wie Herr Sydow anzunehmen scheint, eine Luxusbeleuchtung. Nur der geringste Teil des verwendeten elektrischen Lichtes dient zum persönlichen Gebrauch, der größte hingegen wird für gewerbliche Zwecke, also zur Beleuchtung von Werkstätten, Fabriken, Läden, Schaufenstern usw. verwendet. Natürlich werden alle diejenigen Gewerbetreibenden, deren Betrieb durch die Steuer aus das elektrische Licht versteuert wird, die höheren Kosten auf das Publikum abzuwälzen suchen. Wenn also irgend eine Steuer das ZeichendesRLckschrittsander Stirn trägt, wenn irgend eine geeignet ist, den technischen Fortschritt, der allein uns gegen über dem scharfem Wettbewerb des Auslandes konkurrenzfähig zu erhalten vermag, zu unterbinden, so ist es die neue Gas- und Elektrizitätssteuer! Hoffentlich sieht das der Reichstag ein und sorgt dafür, daß sie nie ins Leben tritt. Am morgigen Dienstag soll im Bund es rat die Ent scheidung über den ganzen Reichsfinanzreformplan fallen. In den einzelnen Ausschüssen hat der Entwurf mannigfache Aenderungen erfahren. Was speziell die Elektrizitäts- und Gassteuer anbetrifft, wurde in Rücksicht auf den Hausgebrauch der Steuersatz für Glühlampen und Brenner bis zu 10 Watt auf 5 Pfg (statt 10 Pfg.), für solche von 10 bis 25 Matt auf 10 Pfg. (statt 15 Pfg.) herabgesetzt. Zeppelin I abermals aufgeftiegen. Der neue Zeppelin-Ballon hat, wie wir am Sonnabend be reits durch Extrablatt meldeten, an diesem Tage seine zweite Fahrt unternommen, die ebenso erfreulich verlief, wie die am Freitag. Das Wetter war nicht so günstig wie am Tage vorher. Die Freunde des edlen, sorgenbrechenden Trankes zählen nach Legionen, und es sind nicht die schlechtesten Napien darunter: Goethe, Schiller, E. T. A. Hoffmann, Kant. Auch Kaiser Wilhelm I. liebte den Sekr, doch verlangte er, da ihm eine ganze Flasche zuviel war, der Rost solle zugekorkt und ihm am nächsten Tage vorgesetzt werden. Nun wurde ein frommer Be trug bis zuletzt durchgeführt, nämlich von der täglich natürlich neuen und vollen Flasche wurde immer ein entsprechendes Quan tum abgegosten! Vismarck war ein starker Champagnertrinker, bis ihm Schwenninger dazwischen kam. Er griff aber selbst zur List: Pinnow, bringen Sie von dem noch eine halbe! — Durch laucht, davon haben wir nur ganze. — Na, dann hilft es nichts, also eine ganze! — Dieses Zwiegespräch Mischen Bismarck der genau Bescheid wußte, und seinem alten Kammerdiener war beinahe stereotyp geworden. Dem eisernen Kanzler gleich tat es der rote Prinz Friedrich Karl, dessen Dreilindener Pokale berühmt waren. Auch unser Kaiser weiß dem Sekt gute Seiten abzugewinnen, und wenn es zuerst hieß, daß nur deutscher Schaumwein bei Hofe getrunken würde, so hat sich das im Laufe der Zeit doch geändert. Die Mode ist natürlich auch auf unseren silberhalsigen Sprudelkopf geblieben. So stellte und stellt man noch immer drei an Kohlensäuregehalt verschiedene Sorten her: Crsmant, Mous- seux und Grand Mousseux. Der letzte schleudert den Korken mit großer Gewalt aus der Flasche und schäumt lebhaft nach. Heute ist das Knallenlassen, das einst der eigentliche Retz für gewiss« Leute war (o selige Gründerzeit!), streng verpönt. Der Farbe nach unterscheidet man — gewöhnlich schon durch das Etiketten papier angedeutet — weißen (carte blanche, roten (carte noire), gelben (carte jaune) und blaßroten (ross). Die gelbe und die rosa Tönung werden durch Farbenzusatz erzielt, die rote durch Mitkcltern entsprechender Trauben. Die Rotweine d«r Cham pagne sind jedoch nur zweiten Range». Vor 75 Jahren schwärmte man für eine bräunliche Art, oeil d« perdrix genannt. Doch war dies« entweder gefärbt, oder, wenn echt, ein — Wein fehler; sie hat sich völlig überlebt. Seit 1870 ist nun auch in Deutsch land eine blühende Schaumwein-Industrie entstanden, deren beste Erzeugnisse achtbar und erfrischend und wohlfeil sind, ab«r doch nicht ganz auf der Höhe der französischen Produkte au- ersten Häusern stehen. »- S.