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WuiM für Msdmff Thamdt, NO«. Siebenlehn und die Umgegenden. —- Imlsölall für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Lorstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. 55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnfertionspreis 10 Pfg. pro drei gespaltene Corpuszeue. No. 1S». Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. Dienstag, den 21. Dezember 18S7. Erlaß an die Herren Standesbeamten. Die Herren Standesbeamten des hiesigen Bezirkes werden darauf hingewiesen, daß von ihnen gemäß 8 46 Punkt 7a der Wehrordnnng (Gesetz- und Verordnungs blatt von, Jahre 1888 Seite 609 flgd.) den Ortsbehörden ihres Bezirks je ein Auszug aus dem Geburtsregister des Jahres 1881, enthaltend alle Eintragungen der Geburts fälle von Kindern männlichen Geschlechts innerhalb der Gemeinde unentgeltlich zuzustellen ist. Die Formulare hierzu werden demnächst übermittelt werden. Meißen, am 15. Dezember 1897. Königliche Amtshauptmannschaft. von Schroeter. Sagesgeschichte. Der überraschcudc Besuch des Kaisers beim Fürsten Bismarck in Friedrichsruh gerade am Tag der Abfahrt der neuen Kreuzer-Division nach Ostasien hat dem letzteren bedeutsamen Ereignisse einen überaus freund lichen Abschluß verliehen. Wie es schon keinem Zweifel unterliegen konnte, daß der Abschiedsbesuch des Prinzen Heinrich von Preußen beim Altreichskanzler ans den Wunsch und Willen des Kaisers hin erfolgte, so ist es wohl ebensowenig zweifelhaft, daß der Monarch in Friedrichs- rnh vorgesprochen hat, nm vor Allem aus dem Munde des Fürsten Bismarck selbst dessen Ansichten über die ein- geleitcte Aktion Deutschlands in Ostasien zu vernehmen. Der fast anderthalbstündige Aufenthalt, welchen Kaiser- Wilhelm im Friedrichsruher Herrenhause genommen, deutet hinlänglich daraus hin, daß hierbei eine eingehende Aus sprache zwischen dem Altreichskanzler und seinem erlauchten kaiserlichen Gast stattgefnnden hat. und als selbstverständlich darf es wohl gelten, daß hierbei vor Allem die Expedition gegen China zur Erörterung gelangt ist. Im klebrigen darf man natürlich diesem zweiten Erscheinen des Kaisers im lauenburgischen Heim seines alten Kanzlers seit den cntschcidungsschweren Märztagen 1890 keine außerordentliche Bedeutung beimcssen, aber der Vorgang beweist doch mindestens, daß die zerrissenen Fäden zwischen Berlin und Friedrichruh wieder zusannnengekuüpft worden sind, daß wiederum ein ungetrübtes persönliches Verhältuiß zwischen Kaiser und Altreichskanzler herrscht, nnd dieser Thatsache wird sich gewiß jeder patriotische Deutsche freuen. „Der Kaiser zeichnete am Freitag Nachmittag den russischen Botschafter am Berliner Hofe, Grafen Osten- Sacken, durch einen Besuch aus, dessen nächste Veranlassung die Wiederkehr des Namenstages des Zaren bildete, zu welchem der Kaiser dem Botschafter gegenüber seine Glück wünsche aussprach. Man nimmt jedoch in Berliner Politischen Kreisen an, daß hierbei auch politische Fragen berührt worden sind, da der Monarch unmittelbar nach seinem Besuche beim Grafen Osteu-Sackcu eine Unter redung mit dem Reichskanzler Fürsten Hohenlohe in dessen Palais hatte. Mit warm empfundenen, aus vollem Herzen fließen den Worten hat Kaiser Wilhelm von seinem Bruder vor besten Abreise nach dem fernen Osten Abschied ge nommen. Tausendfältigen Wiederhall werden sie finden weit über die Grenzen des Vaterlandes hinaus, in allen Landen, wo Deutsche wohneu, die noch deutsch empfinden. Es ist eine ernste Zeit, die wir durchleben, und eine Zeit nationalen Hochgefühls zugleich. Jeder Deutsche fühlt, daß eine neue Epoche für das Reich und das deutsche Volksthum begonnen hat, eine Epoche, die vielleicht nicht immer den Sonnenschein genießen wird, in der uns mög licherweise ernste Prüfungen bcvorüehen. Aber das deutsche Volk hat schou so große Aufgaben erfüllt, daß es mit dem Vertrauen auch jetzt in die Zukunft blicken kann, das hohe Ziel, das ihm nun gesteckt ist, zu erreichen. Ein Volk, welches in seinen Thaten so viel Tüchtigkeit bewiesen hat, verlangt nicht vom Geschick, daß es ihm reife Früchte in den Schooß fallen lasse. „Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen!" Dieses Dichter wort ist der echten deutschen Denkweise entsprossen: und so hat das deutsche Volk auch jetzt, wo neue Aufgaben an dasselbe herantreten, dieses Wortes eingedenk, sich durch die That des großen Erbes der Väter würdig zu erweisen und dieses Erbe gemehrt und bereichert den Söhnen zu hinterlassen. Uns gelüstet es nicht nach kriegerischem Ruhme und nach kriegerischen Eroberungen: wir wollen lediglich den Platz, der uns in der Welt gebührt, durch friedlichen Wettbewerb mit den anderen Kulturnationen uns sichern. Neid und Mißgunst anderer folgen jedem unserer Schritte, der uns zur Hebung des Volkswohlstandes und unseres > Ansehens führt. Wollten wir warten, bis uns andere Völker einladen, uns mit ihnen an den gedeckten Tisch zu setzen, so könnten wir in nicht zu ferner Zukunft erleben, daß die Welt aufgetheilt ist und das deutsche Volk, wenn es hinauszieht aus dem zu eng gewordenen Heimathlande nicht einmal mehr als „Völkerdünger" Einlaß findet, „Selbst ist der Mann" — das hat gerade das deutsche Volk oft genug erfahren müssen. Wer heute ängstlich nach Westen und Osten ausschaut, um zu erspähen, ob nicht griesgrämige Gesichter ob unseres Thuns sich entrüstet gebärden, der hat sich noch immer nicht von dem Gefühl durchdringen lassen, daß es ein Stolz ist, dem großen deutschen Volke anzugehören, welches wahrhaftig Kraft und Reife genug bewiesen hat, um seinen Geschicken selbst Richtung und Ziel zu geben. Der Hochmuth des Briten, der mit Ucberhebung und Selbstgefälligkeit auf alle übrigen Nationen herabblickt, liegt dem Deutschen durchaus fern. Wir mißgönnen keinem anderen Volke sein Glück und seine Erfolge, aber das gleiche Recht verlangen wir für uns. Die Zeiten, da die hehre Gestalt des deutschen Michels den Namen hergeben mußte für die Spottfigur, die man landläufig als deutschen Michel bezeichnet, sind für immer vorbei. Wie die traurigen Schicksale, die das deutsche Volk in Jahrhunderten über sich hat ergehen lassen müssen, diesen Wandel herbeigeführt haben, fo hat die Erhebung des Volkes und seine Großthaten den deut schen Michael wiedcrhergcstelU, der — „seinen mit dem Reichsadler geschmückten Schild fest auf den Boden ge stellt hat, um dem, der ihu um Schutz angeht, ein für allemal diesen Schutz zu gewähren." Nicht um eine Herausforderung anderer Mächte oder Chinas handelt es sich, sondern um den Schutz deutscher Interessen, der bisher nicht in genügendem Maße geliehen werden konnte. So groß auch die Entschlossenheit zur That ist, die aus der kaiserlichen Kundgebung spricht, so wenig denkt der Kaiser an unvermeidliche Zusammenstöße mit China oder gar mit anderen europäischen Mächten; andernfalls hätte der Kaiser dem Prinzen Heinrich nicht innigen Verkehr und gute Freundschaft mit allen Kameraden der fremden Flotten ans Herz legen können. Der Tag, an dem der Bruder des Kaisers hinausgcgangen ist, um sich in den Dienst der höchsten deutschen Interessen zu stellen, erhält seine rechte Weihe durch den Besuch des Kaisers bei dem Fürsten Bismarck. Wo großes geschieht für das Vaterland- darf der größte Sohn des deutschen Volkes nicht beiseite stehen! Daß auch sein Name an diesem bedeutungsvollen Tage wieder in aller Munde ist, daraus wird das Volk neue Zuversicht schöpfen, und mit uni so größerem Vertrauen wird es zu den Leitern seiner Geschicke emporblicken. Zugleich wird man daraus neue Stärkung für die Ucberzeugung ziehen dürfen, daß bei dem ostasiatischen Unternehmen Kühnheit mit weiser Vor sicht gepaart ist, wie dies alle Bismarckschcu Unternehmungen ausgezeichnet hat. Der preußische Landtag wird, wie bestimmt ver lautet, am 11. Januar zusammcutreten, an welchem Tage bekanntlich auch der Reichstag seine Verhandlungen nach Ablauf seiner Weihnachtsferien wieder aufnimmt. Die am Sonnabend Nachmittag abgehaltene Sitzung des preußischen Staatsministeriums dürfte der Eröffnung der Landtagssession und der Feststellung ihrer Aufgaben gegolten haben. Als die bemerkenswertheren derselben werden neben dem Etat, die Vorlagen genannt, welche sich auf die Ansiedelungszwecke in Posen und Westpreußen, auf die Regelung der Stellung der Privatdozenten und auf die Regelung des Diensteinkommens der Geistlichen beziehen. Der Reichstag genehmigte in seiner Dienstags sitzung zunächst das Abkommen mit einer Reihe europäischer Staaten, betr. dei Regelung einiger Fragen des inter ¬ nationalen Privatrechts, nnd setzte dann die allgemeine Etatsberathung fort. Namens der freisinnigen Vereinigung sprach Abg. Rickert, der in seinen Ausführungen den Etat allerdings fast gar nicht erörterte und sich dafür über eine größere Anzahl anderer Themata verbreitete, so über den Abschluß deutscher Handelsverträge unter Caprivi, die Finanzreform im Reiche, die Währungssrage, die Zucker steuer, das Bürgerliche Gesetzbuch, die Flottenverstärkung, das „Agrarierthum" usw. Wiederholt rief der Redner durch Uebertreibungen und ungeschickte Vergleiche die Heiterkeit des Hauses hervor. Nach einer kurzen Bemerk- ung des preußischen Kriegsministers v. Goßler nahm der nationalliberale Abg. Dr. Paasche das Wort, um haupt sächlich gegen die Darlegungen des Abg. Bebel in der Sitzung v. 11. d. M. zu polemisiren, wobei Dr. Paasche besonders die Bebel'sche Behauptung, die Arbeiterklassen müßten den größten Theil der Kosten für Heer und Marine tragen und die indirekten Steuern überwiegend aufbringen, dnrch klare Gegenbeweise aus dem volkswirth- schaftlichen Gebiete völlig zerzauste. Den neuen Etat er örterte der nationalliberale Redner im Allgemeinen sehr wohlwollend. Dann ließ sich der Staatssekretär des Innern Graf Posadowsky, vernehmen, der sich in zoll politischen Auseinandersetzungen erging und hierbei die Frage eines größeren Schutzes der deutschen Landwirth- schaft streifte. Entschieden zu Gunsten einer solchen Maß nahme plaidirte der Reformer Zimmermann; im weiteren Verlaufe feiner Ausführungen kam letzterer auf die Vor gänge in Oesterreich zu sprechen, u. A. das Verbot öffent licher Sympathiekundgebungen für die deutschen Stammes- genossen in Oesterreich seitens verschiedener deutscher Bundesregierungen abfällig kitisirend. Den entgegengesetzten Standpunkt nahm Abg. v. Hodenberg (Welfe) em, der gegen die österreichischen Lieberalen und weiter gegen Ungarn donnerte, im klebrigen verschiedene welfische Be schwerden auskramte. Hierauf sprach aus dem Hause noch der freikonservative Abgeordnete v. Stumm, welcher zur Vorsicht in der Beurtheilung ausländischer, namentlich österreichischer Verhältnisse, mahnte und daneben gegen die Sozialdemokraten polemffirte. Den Reigen der Redner vom Tage schloß der neue Staatssekretär von Bülow, derselbe erklärte, daß der Dreibund unerschütterlich fort bestehe und bezeichnete eine öffentliche Erörterung speziell der Lage in Oesterreich im deutschen Reichstage als bedenk lich in Hinblick auf das intime Bündnißverhältnitz zwischen Deutschland und Oesterreich. Ein sozialdemokratisches Organ hatte seiner Zeit den bürgerlichen Parteien im Reichstage gedroht, einmal „wienerisch" zn kommen. Diese Drohung scheinen die Sozialdemokraten wahrmachen zu wollen. In der Mittwoch sitzung des Reichstages, in der Genosse Bebel nach seiner alten Methode allerlei persönliche Verdächtigungen vor brachte, erklärte der sozialdemokratische Führer, der von Herrn Freiherrn von Stumm der Verläumdung geziehen, für einen gemeinen Menschen. Der Reichstagspräsident überhörte diese infame Beleidigung, aber rügte Herrn von Stumm, als dieser mit Fug und Recht aussprach, ein Mann wie Bebel könne ihn nicht beleidigen. Das er innerte schon an die bekannten Vorgänge im Wiener Parlament; allein die Aehnlichkeit wurde noch größer, als Herr Ahlwardt sprach. Herr Singer bezeichnete die Ahl- wardtschen Ausführungen --- über die wir uns jedes Urtheils enthoben fühlen — als identisch und dem Genossen Frohme gebührt das Verdienst, dem Zigarren-Strohmann, der dem Herrn Singer kräftig diente, gedroht zu haben, ihm eine herunterzuhauen. Ein Glück, daß im Reichstage die Pultdeckel genügend befestigt sind. Die Kreuzer „Deutschland" und „Gefion" haben den Kaiser Wilhelm-Kanal glücklich passirt. Am Nachmittag des 17. Dezember lief die „Deutschland" in