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Die „(Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme »on Inseraten bi, vormittag ja Uhr. -Inserate werden mit w Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Nr. 64. Freitag, den 29. Mai 1903. 2. Jahrgang. OerUirhes und Sächsisches. Ottendorf-Okrilla, 28. Mai 1903. — Nur wenige Tage trennen uns nach von Pfingsten, dem „lieblichen Feste", von dem wir erwarten, daß es diesmal seinem Namen Ehre macht. Das Osterfest hat so manchen enttäuscht, nun stehen alle Hoffnungen auf Pfingsten. Im Geschäftsleben soll es sich in diesen Tagen kräftig regen. Der Geschäfts mann hat vorgesorgt und sein Lager so au»- gestaltet, daß er den Wünschen der Käufer ent sprechen kann. In der Häuslichkeit h U „Mutter" große Arbeit. Die Wohnung muß zu jedem Feste besonders blank ausschen. Daneben sind Röcke und Kleider für die Mädchen zu waschen und zu plätten. Auch der Herr des Hauses und die Söhne wollen recht schmuck erscheinen; so muß Mutter denn dafür sorgen, daß die weißen Westen am ersten Feiertage bereit liegen. Der „Gipsverband" spielt ja immer noch eine hervorragende Rolle und das nicht mit Unrecht; man trägt ihn sowohl zum „Bratenrock" wie zum Jackettanzug. In den Straßen tauchen die Händler mit „Pfingstmaien" auf, den herr lichen grünen Birkenzweigen, mit denen wir Haus und Hof schmücken. Vor mehr als anderthalb Jahrhunderten erließ König Friev- rich der Große von Preußen eine Bestimmung „wegen Abschaffung der schädlichen Gewohnheit des jährlichen Maiensetzens", weil durch „das Abhauen vieler tausend in dem besten Wachs- tum stehender Birken dem Zuwuchs des jungen Holzes ein nicht geringer Schaden" zugefügl werde. Frevler wurden mit Geld-, ja sogar mit empfindlicher Leibesstrafe belegt. Heute mögen wir den schönen Brauch, unser Heim mit Maien zu zieren, nicht missen. — Pfingsten fällt diesmal auf den 31 Mai und 1. Juni. Die beiden Feiertage werden also in verschiedenen Monaten gefeiert. Dies wird sich, wie die „Tgl. R." meldet, in diesem Jahrhundert öfter wiederholen, nämlich in den Jahren 1914, 1925, 1936 und 1998, die den selben Kalender haben wie unser Jahr. Da die beweglichen Feste, zu denen Pfingsten ge hört, vom Osterfeste abhängen, so können sie auf 35 verschiedene Tage fallen. Der früheste Pfingst,onnlag kann der 10. Mai sein; doch ist es ein äugerst seltener Fall, daß Pfingsten so früh zu feiern ist. Zum letzten Male ge schah das 1818, und bis zum Jahre 2000 wird es sich nicht wiederholen. Selten fallen Himmelfahrt und Pfingsten beide erst in den Juni; im vergangenen Jahrhundert kam dies nur dreimal vor und 1905 wird es sich wieder ereignen. Meisten« feiern wir beide Feste im Mai; im laufenden Jahrhundert wird das 65 Mal geschehen, im Mai und Juni 32 mal und allein im Juni dreimal. In den frühesten Zeiten verbanden die Christen das Gedächtnis der Himmelfahrt Christi mit einem beliebigen der zwischen Ostern und Pfingsten fallenden Tage; erst seit Ende de» vierten Jahrhunderts begann man da» Fest auf den vierzigsten Tag nach Ostern (den zehnten vor Pfingsten) zu verlegen, weil dir Evangelien berichten, daß der Erlöser noch vierzig Tage auf Erden wandelte. — Wie allenthalben, so sind jetzt zur Frühlingszeit auch an der Stätte des Friedens und der Ruhe zahlreiche Hände geschäftig tätig, die Spuren de« Winters zu verwischen und da» Leben des Frühlings einziehen zu lassen auf den Hügeln der lieben Toten und in den Anlagen des stillen Gottesackers. Soll die pietätvolle Pflege der Gräber doch auch in diesem Sommer Zeugnis davon geben daß die stummen Schläfer in kühler Erde nicht ver gessen sind, und daß die Liebe und em treues Gedenken bis über den Lod hinaus währen. Waren es bisher die ersten zarten Lenzesblumen von Wiese und Hain, so wird in nicht ferner Zeit die sprossende Natur ein weiteres tun, den Friedhof in einen Garten voll Duft und Blüten zu verwandeln. Es wird Frühling auch am Orte der Tränen, der in stillen Abendstunden dann wieder da» Ziel so vieler sein wird, denen durch des Todes rauhe Hand ihr liebstes jäh entrissen wurde. Dresden. Eine von sozialdemokratischer Seite einberufene Versammlung in Coswig konnte am Sonntag nachmittag nicht stattfinden, da der Konkursverwalter die Benutzung des Saales der „Börse" verweigerte. — Von dem früh 2 Uhr 5 Minuten auf fiesigem Hauplbahnhofe eintreffenden Nacht schnellzuge von Leipzig ist in der vergangener Nacht zwischen Radebeul und dem hiesigen Neustädter Bahnhofe der Postwagen mit einer Achse entgleist. Durch diesen Unfall war das Gleis für die Fernzüge aus der Richtung Leipzig vollständig gesperrt, der Verkehr konnte jedoch aufrechterhalten werden, da alle Züge von Radebeul aus auf dem Vorortgleise ver kehrten. Glücklicherweise hat der Unfall ernste Folgen nicht gehabt. — Zu nicht unerheblichen Ausschreitungen ist es am Dienstag abends und nachts aus Anlaß des Bauhandwerkerstreiks an den Neu bauten des Baumeisters Kirsten hier, Schäfer- itraße-Menageriestraße, gekommen. Schon in den Nachmittogsstunden war der genannte Bau meister, sowie ein mit ihm eintreffender Trupp Arbeitswilliger von den Streikenden bedroht und belästigt worden. Gegen Abend wuchs die Menge, vermehrt durch eine große Anzahl Neu gieriger, immer mehr und nahm eine drohende Haltung gegen die Arbeitswilligen, sowie die mit der Aufrechterhaltung des Verkehrs befaßte Gendarmerie an, sodaß gegen mehrere Prr- onen eingeschritten werden mußte. Als später die Menge einen Teil der am Bau befindlichen Bretterplanke eindrückte und mit Gewalt auf den Bauplatz, wo sich die Arbeitswilligen be fanden, einzudringen versuchte, schritt die Gen darmerie nach 11 Uhr nachts, zumal durch das Gejohle und Pfeifen die Nachtruhe auf das erheblichste gestört wurde, zur Räumung der Straßen. Hierbei ist es, da die Menge trotz mehrfacher Aufforderungen nicht vom P atze wich, sondern diese Aufforderungen mit Geschrei erwiderte und erheblichen Widerstand leistete, zu 32 Sistierungen wegen Widerstandes, Ge fangenenbefreiung usw. gekommen. Die Nacht verlief alsdann ruhig, auch ist gestern morgen die Arbeit durch die Arbeitswilligen fortgesetzt worden; auch an dem Neubau des Baumeisters Krebs, Louisenstraße, kam es im Laufe des Dienstag abends, wenn auch in erheblich ge ringerem Maße, zu Ausschreitungen seitens der Streikenden. — Auch am gestrigen Mittwoch rotteten sich abends nach 6 Uhr die Menschen massenhaft in der Nähe der Neubauten an der Lchäferstraße zusammen. Die organisierten Arbeiter lauerten den aus den Neubauten kommenden Hilfskräften auf und verfolgten einige oon ihnen. Die zahlreichen Gendarmerie posten hatten einen schweren Stand, um die Ordnung aufrecht zu erhalten. Die Menschen menge wuchs nach Schluß der Fabriken immer mehr an. Wie man beobachten konnte, gelang es den Streikpostenstehern, eine Anzahl der ausländischen Arbeiter mit nach dem hiesigen Volkshause zu bringen und sie zur Abreise zu bewegen. Die so von den Ausgesperrten ge wonnenen Ausländer wurden von dem Streik komitee beköstigt und mit Mitteln versehen. Zu erregteren Szenen kam es gestern nicht, da die Äusgesperrlen sehr vorsichtig zu Werke gingen. Cossebaude. Die Einweihung des König Albert-Denkmals auf dem Hochplateau des Osterberges bei Cossebaude findet am Sonntag, den 21. Juni d. I. statt. Radeburg. Der hiesige Schulvorstand hat m seiner letzten Sitzung beschlossen, Freitag den 10. Ium d. I. auf dem Lmdenderge ein Schul fest abzuhalten. — Zur Herstellung einer städtischen Wasserleitung wurde bekanntlich im vorigen Jahre am Sandberge in nächster Nähe des Krankenhauses nach Wasser gebohrt, wobei günstige Resultate zu verzeichnen waren. Das Projekt ist nun bereits wieder einen Schritt vorwärts gekommen» indem gegenwärtig das Wasser mittels Lokomobile vierzehn Tage lang ununterbrochen herauSgepumpt wird, um fest stellen zu können, ob der Wafserzufluß ein aus haltender ist. Die Pumpe wirft gegenwärtig in 24 Stunden zirka 250 000 Liter Wasser. Radeberg. In einem hiesigen Hotel ver suchte der aus Chemnitz gebürtige, zuletzt in Borna bei Leipzig wohnhafte Kaufmann Robert Roßberg durch Erschießen seinem Leben ein Ende zu bereiten. Er verletzte sich durch einen Schuß in die Herzgegend sehr schwer, sodaß wenig Aussicht vorhanden ist, ihn am Leben zu erhalten. Er wurde im Siechkorb dem Carola haus in Dresden eingeliefert. Roßberg, der verheiratet und Familienvater ist, giebt als Grund zur Tat jahrelanges Nervenleiden an. Meißen. In der Nacht zum Montag brannte in Graupzig bei Ziegenhain ein zur Obermühle gehöriges altes Wohnhaus, die so genannte Kaserne nieder. Es bestand aus Fachwerk und war mit Stroh gedeckt; das um Mitternacht ausgebrochene Feuer verbreitete sich daher so schnell, daß die beiden im Hause wohnenden Arbeiterfamilien nur das Leben retten konnten. Meißen. In einer hiesigen Blech-Em ballagenfabrik verunglückte Montag nachmittag eine unverheiratete Arbeiterin dadurch, daß sie mit der rechten Hand in eine Prägemaschine geriet, die ihr vier Finger abquetschle. — Die Erdbeere beginnt, wie man aus der Lößnitz be richtet, zu reifen. Auch in den hiesigen Gärten und Umgebung kann man schon einzelne reife Früchte antreffen. Großenhain. Se. königl. Hoheit Kron prinz Friedrich Augnst, kommandierender General des 12. (1. königlich sächsischen) Armeekorps, traf gestern früh 7,23 Uhr zur Eskadrons besichtigung der 5., 2. und 1. Eskadron des 1. Husarenregiments „König Albert" Nr. 18 ein. Nach Beendigung der Besichtigung rückte Se. königliche Hoheit an der Spitze des Regiments durch die Berliner Straße und Johannesallee ein und nahm am Hotel de Saxe einen Vorbei marsch des Regiments ab. Strauch. Einem Handelsfleischer aus Gröden war hier am vergangenen Sonnabend ein Kalb entwichen und in das hiesige Gehölz entkommen. Alle Versuche, das Tier einzufangen, die am Sonnabend und am Sonntag wiederholt unter nommen wurden, waren vergeblich. Selbst die Verfolgung zu Pferde hatte kein besseres Resultat. Endlich ließ man den Hund eines Fleischermeisters aus Großenhain kommen, der denn auch das Kalb aufstöberte und stellte. Doch mochte die Anstrengung für den Hund zu groß gewesen sein; als man ihm das Kalb abnahm, fiel er tot um. Bockwitz. Am Sonnabend mittag ereignete sich in der Brikettfabrik hier „Millygrube" ein schwerer Unglücksfall. Der Fabrikarbeiter Aug. Grafe aus Mückenberg war in der Mittags stunde allein auf dem Kohlenboden mit Nach stößen von Kohle beschäftigt. Bei der ein getretenen Arbeitsstunde wurde er vom Auf seher vermißt. Der Apparatwärter merkte, dag in dem einen Trichter die Kohle staute. Da vermutete man ein Unglück, grub nach und fand G. aufrechtstehend in der Kohle; er war tot. G. war bei seiner Arbeit in den Trichter gefallen, hat die darüber hängende Rettungs kette nicht fassen können und ist von nach stürzenden Kohlenmassen erstickt worden. 3tiesa. Am Montag nachmittag verunglückte in einem hiesigen Dampfsägewerk der Schneide müller Andrä dadurch, daß ihm von der Kreis säge die drei Mittelfinger ganz, der Daumen und kleme Finger halb weggeschnitten wurden. Döbeln. Der hiesige Stadtrat teilt dem dortigen „Anzeiger" mit, „daß an dem Ge rüchte, in der städtischen Kaffenverwaltung seien Unregelmäßigkeiten vorgekommen, kein wahres Wort ist- Die gesamten städtischen Kaffen verhältnisse befinden sich in größter Ordnung." Döbeln. Der vom linken Muldenarm und dem Niedermühlgraben umspülte hiesige Nieder werder, welcher von altersher bei den Jahr märkten als VergnügungSeck diente und der auch der Übungsplatz der Freiwilligen Feuer wehr war, wird diesen Zwecken nun nicht mehr dienen. Auf diesem inmitten der Stadt be legenen Platze wird eine neue städtische Kinder bewahranstalt errichtet, deren Bau jetzt begonnen hat. Auch für das projektierte Volksbad (mit Schwimmhalle) ist dieser Platz vorgesehen. Die Jahrmarktsbelustigungen und Schaubuden werden nach der früheren Schießwiese verwiesen. '---Freiberg. Sehr lebhaft geht e» im hie sigen Reichstagswahlkreise zu. Nachdem schon der nationalliberale Kandidat gesprochen, hat auch der bisherige konservative Reichstags abgeordnete, Herr Dr. Oertel, sein Wahl programm entwickelt, wobei eö so stürmisch her ging, daß Herrn Oertel fast der Rock vom Leibe gerissen wurde. Chemnitz. Das hiesige Schwurgericht ver urteilte am Montag nach 12stündiger Ver handlung den am 26. Januar 1876 in Furth bei Chemnitz geborenen Former Heinrich Georg Rößner, zuletzt hier wohnhaft, wegen versuchten Totschlags, begangen an seiner Ehefrau, zu drei Jahren Zuchthaus und fünfjährigem Ehr verlust. Der Angeklagte hatte am frühen Morgen des 5. Februars dieses Jahres ver sucht, seine Ehefrau, hinter deren Rücken er mit einem Mädchen ein intimes Liebesverhält nis angeknüpft hatte, mit einem starken Küchen brett durch Schläge auf den Kopf zu töten. Die Frau erlitt aber nur eine Gehirnerschütter ung und den Verlust eines Auge». Leipzig. Die Wahlzellen für unsere Stadt sind bereits angeschafft und gewähren trotz ihrer Einfachheit einen sehr schmucken Anblick. Sie bestehen aus zwei durch Charniere ver bundenen, gegeneinander beweglichen Holz- wänden, die durch zurückschiebbare Vorhänge fortgesetzt werden. Rechtwinklich zueinander ausgestellt, verdecken die Wände die dahinter stehende Person völlig. Auf einer Holzplatte die in die Höhe geklappt werden kann, soll die Kuvertierung der Wahlzettel vorgenommen werden, Gedacht ist die Sache so, daß der Wähler auf der einen Seite durch den Vor hang eintritt, seinen Zettel in den Umschlag schiebt und auf der andern Seite wieder heraus tretend in die Wahlurne steckt. Für die Stadt Leipzig sind 145 solcher Zellen bestellt. Der Preis für das Stück wird sich auf etwa 20 Mark belaufen. Leipzig. Auf tragische Weise endete am Montag abend die Schriftstellerin Luise Meiche. Während der Vorstellung im Schauspielhause wurde sie von Unwohlsein befallen und wollte sich nach Hause begeben. Bei der großen Schwäche, die sich ihrer bemächtigt hatte, ge lang es ihr aber nicht, die von ihr bestellte Droschke zu besteigen; sie stürzte vom Aufstiege rückwärts ab und zog sich dabei eine so schwere Verletzung am Hinterkopfe zu, daß sie wenige Minuten darauf verschied. Werdau. Gegenüber der Meldung, daß Fabrikdirektor Teichmann von hier, gegen den am 17. Juni vor der Zwickauer Strafkammer wegen verschiedener angeblicher Vergehen gegen das Handelsgesetzbuch und die Konkursordnung verhandelt werden soll, verschwunden sei, stellt der „Vogtl. Anz." fest, daß Teichmann, der seinerzeit gegen Hinterlegung einer Kaution von 10000 Mark auf freien Fuß gesetzt worden ist, in Leipzig weilt und davon die Behörde in Kenntnis gesetzt hat. Crimmitschau. Die am 15. d. M. ver unglückten Effenbauer Gebrüder Rübschläger aus Teuchern bei Weißenfels sind als geheilt in ihre Heimat zurückgekehrt. Zwickau. Der in der Nacht zum Sonntag im Walde bei Jägersgrün schwerverletzte Forst- affesior Hertel ist, wie die „Zwick- N. Nachr." melden, Dienstag nachmittag 5 Uhr im hiesigen Krankenhause gestorben.