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Die Flsttenvevstävknng. Während von den beiden Hanptvorlagen der gegen wärtigen Reichstagssession, dem Flottengesetz und der Militärstraprozeßordnung, die parlamentarischen Aussichten letzterer Vorlage einstweilen als nicht sonderlich günstige bezeichnet werden müssen, sind die Chancen des ersteren Gesetzes weit bessere. Schon die Generaldebatte über die Marinevorlage hat durch ihren Verlauf gezeigt, daß die geplante Verstärkung der deutschen Wehrmacht zur See bei einem erheblichen Theile des Parlaments unbedingte Würdigung findet, und daß die ausschlaggebende Zentrums- Partei selber dein Flottenplane trotz mancherlei geäußerter Bedenken im Allgemeinen nicht unfreundlich gegenübersteht. Ja, man darf sogar das Schicksal der Marinevorlage bis zu einem gewissen Grade bereits als gesichert betrachten, denn die eigentliche parlamentarische Schwierigkeit in der ganzen Marinefrage liegt weniger bei der materiellen Seite der Vorlage bei der Höhe der Forderungen, sondern bei der etatsrechtlichen Seite, bei der verlangten Bindung des Reichstages ans sieben Jahre zu Gunsten der jetzt von den verbündeten Regierungen aufgestellten neuen Marineforder ungen. Kaum unterliegt es jedoch einem Zweifel, daß in der Reichstagskommisstön für das Flottengesetz eine Ver ständigung zwischen der Regierung und der Reichstags mehrheit über die angedeutete Schwierigkeit sehr wohl möglich ist, da es sich hierbei im Grunde genommen, um eine mehr formale als sachliche Angelegenheit handelt, und es darf darum wohl erwartet werden, daß bei einigen Entgegenkommen von beiden Seiten diese Verständigung erzielt werden wird. Unverkennbar wird aber auch eine zu hoffende schließ liche Zustimmung des Reichsparlaments in seiner Mehrheit zu der Flotteuverstärkung durch die obwaltenden Umstände erleichtert. Es ist gewiß nur ein Zufall, daß die Ver wickelung Deutschlands mit China, die zu der vorläufigen Festsetzung der deutschen Streitkräfe auf chinesischen Boden führte, zeitlich mit der Einbringung der Marinevorlage im Reichstage zusammenficl, aber zweifellos haben die Chancen derselben durch die Kiautschau-Affäre doch gewonnen. Deutschland hat fast alle feine abkömmlichen Kriegsschiffe, soweit sie nicht aus bestimmte» Gründen an den heimathlichen Gestaden zurückgehalten werden oder an gewissen Punkten des nichtasiatischen Auslandes nöthig sind, zur Wahrung seines Ansehens und seiner Interessen in den ostasiatischen Gewässern zusammenziehen müssen, und hieraus entringt sich die Erkenntniß für immer weitere Kreise des deutschen Volkes, daß Deutschland zur See doch weit schwächer ist, als die gesammten Verhältnisse erfordern. Daneben hat speziell unter der katholischen Bevölkerung des Reiches der Umstand wachsenden Eindruck gemacht, daß das energische Auftreten Deutschlands in China in erster Linie dem ! Schutz der dortige» deutschen Missionen gilt, und dieser sich allmählich bemerklich machenden Stimmung unter dem urtheilsfähigen Theile der katholischen Wählerschaft wird das Zentrum in seiner weiteren Stellungnahme zum Flottengesetz jedenfalls Rechnung tragen müssen, auch, wenu es demselbeu weniger sympathisch gegenüberstünde, als dies wirklich der Fall ist. Sicherlich werden auch die Segenswünsche, welche der Fürstbischof von Breslau und der Erzbischof von Posen in ihren bekannten Telegrammen an den Kaiser dem Prinzen Heinrich von Preußen für die Fahrt nach China mit auf den Weg geben, mit dahin wirken, das Zentrum und seine Wählerschaft noch mehr für das ostasiatische Unternehmen Deutschlands und hiermit indirekt für die Nothwendigkeit der Flottenvermehrung zu erwärmen. Schließlich muß noch ein besonders charakteristischer Stimmungszeichen zur Flottenfrage aus Süddeutschlauv vermerkt werden. Der süddeutsche Demokrat Galles, Reichstagsabgeordneter für den Wählerkreis Reutlingen, hatte im Reichstage behauptet, Süddeutschland stehe dem Flottengesetz durchaus ablehnend gegenüber. Jetzt aber kommt die Reutlinger Handels- und Gewerbekammer und spricht sich in einer Eingabe an den Reichstag einstimmig für die Marineverstärkung aus, welche Haltung vor Allem deshalb bemerkenswerth erscheint, weil zu den Mitgliedern der Reutlinger Handelskammer zahlreiche politische Ge- simimigsgenossen des Herrn Galler gehören, ja, eines ihrer Mitglieder, Herr Leopold Gutmaun, ist der Führer der süddeutschen Volkspartei in Reutlingen, und gerade er tritt am energischsten für die Flottenvermehrungen ein. Also selbst bis in die Kreise der süddeutschen Demokratie dringt die Erkenutniß von der Nothwendigkeit einer stärkeren Rüstung Deutschlands zur See, eine Wahrnehmung, die allerdings nur dazu beitragen kann, die Aussichten des Flotteugcsetzes im Reichstage noch günstiger zu gestalten. Tagesgeschichte. Der Kaiser stattete am Dienstag den westpreußischen Festuugsstädten Thorn und Graudenz den angekündigten Besuch ab. In ersterer Stadt wohnte er der feierlichen Einweihung der neuerbeuten evangelischen Garnisonkirche bei und nahm hierauf die Parade über die Truppen der Garnison ab. In Graudenz besichtigte der Monarch die Forts und nahm die Grabstätte des Feldmarschalls Courbiöre in Bastion N. in Augenschein; um 4 Uhr Nach mittags trat er vou Graudenz aus direkt die Rückreise nach Potsdam an. In beiden Städten hatte die Bevölker ung dem Kaiser einen begeisterten Empfang bereitet. In Zentrumsblättern waren in jüngster Zeit wieder um Andeutungen über einen angeblich nächstens zu ge wärtigen Rücktrittes des Reichskanzlers vom Amte Imlsblult sür die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Lorstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. 55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnserlionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. No. 132. Freitag, -eu 24. Dezember. 1897. Bekanntmachung. Montag, den 27. Dezember d. I., ÄbendsH Zr Ahr öffentliche StaStgemeinVerathssitznng. Die Tagesordnung hängt im Rathhause aus. Wilsdruff, am 22. Dezember 1897. »uvsir»», Bgmstr. Bekanntmachung, die Linsührung einer Polizeistunde sür Jugendliche betreffend. Allen männlichen Personen, welche -as 18. Lebensjahr und allen weiblichen Personen, welche das jb. Lebensjahr noch nicht voll endet haben, wird der Besuch öffentlicher Schank- und Vergnüg»«,rasstätten in hiesiger Stadt nach N llhr Nachts hiermit ve» boten. Dieses Verbot bezieht sich nicht aus polizeilich genehmigte Veranstaltungen geschlossener Gesellschaften, wenn diese Veranstaltungen in besonderen nicht öffentlichen und nicht Jedermann zugänglichen Räumen stattfinden, desgleichen nicht auf solche Jugendliche, welche in Begleitung erwachsener Angehöriger oder welche nicht lediglich zu Vergnügungszwecken, sonder» zur Besorgung von Arbeiten, Erledigung von geschäftlichen Aufträgen, oder dergleichen in Schankstätten oder an öffentlichen Vergügungsorteu nach 11 Uhr Nachts betroffen werden. Jugendliche Personen, die in einer Schankstube oder in einem öffentlichen Vergnügungsorte über die oben angegebene Polizeistunde hinaus verweilen, ungeachtet der Wirth, sein Vertreter oder ein Polizeibeamter sie znm Fortgehen aufgefordert hat, werde« mit Geldstrafe bis zu 15 Mark oder entsprechender Haftstrafe bestraft. Wirthe oder deren Vertreter, die das Verweilen jugendlicher j Personen über die gebotene Zeit hinaus dulden, verfallen in Geldstrafe bis zu 60 Mark oder entsprechende Haftstrafe 3 65 R.-St.-G -Bs.) Die Bestimmungen in Z 18 des Statutes für die Fortbildungsschule zu Wilsdruff und in Z 12 ff. des Tanzregulativs für den Bezirk der Königlichen Amtshaupt mannschaft Meißen werden durch diese Bekanntmachung, welche mit dem Tage ihrer Verkündung in Kraft tritt, nicht berührt. kvils-ruff, ani 25. November 1897. 2542 l Dev Sta-tgemein-evath. 1176. II. Vn^ian, Bürgermeister. Hum Lhvrfffeffe. Gal. 4, 4—5: Da aber die Zeit er füllet ward, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einem Weibe und unter das Gesetz gcthan, auf daß Er die, so unter dem Gesetze waren, erlösete, daß wir die Kindschaft empfingen. Ein reiches Fest für dich und mich — das Christfest! Gehören wir doch, so laß mich hoffen, zn den glücklichen Leuten, die durch den in stiller Nacht Geborenen „die Kindschaft empfangen" haben; zu den frohen Menschen, die durch den Friedefürsten mit ihrem Gotte versöhnt ein tiefberuhigtes Gewissen haben. Immer wieder, wenn wir daran denken, lacht »ns das Herz und stimmt mit Freuden ein ins Gloria der Himmelssöhne. Immer wieder steht unser Geist vor Ehrfurcht still, wenn wir den wunderlich hohen Rathschluß der ewigen Liebe übersinncn, selber Mensch zu werdest' nnd unter das Gesetz zu treten, um den Sündern Erlaß der Schuld und Gewissensrnhe zn schaffen. Was wäre aus dir geworden, wenn Jesns Christus nicht in die Welt gekommen wäre? Jetzt hast dn einen Retter, einen Tröster, einen Helfer, der ebenso weise als liebevoll, ebenso mächtig als verständnißvoll ist; eine starke gewaltige Hand regiert das Steuer deines Lebensschiffs und du weißt, daß sie es durch alle Klippen in den sicheren Hafen führen wird. Wäre Christus nicht zu Bethlehem geboren, wäre kein gottgesandter Steuermann zu deinem Schiffe gesandt — was dann? „Ach, zer schellen in den Wellen würd' der schwache Kahn — Und ertrinken, tief versinken würdest du im Ozean!" Drum, ihr Geretteten, ihr Freunde mit dem rechten Manne am Steuer, werdet wieder einmal fröhlich zu Weihnachten! Lernt von euern Kindern, die sich eurer Gaben freuen, die Freude über Gottes großes Christ- geschcnk, das Geschenk des heiligen Christ! Und ihr in Trauerkleidern, denen am heiligen Abend ein theneres Glied im Kreise fehlt, trocknet heute eure Thränen. Das Kind von Bethlehem ist auch der Sieger über den Tod geworden. Wollt ihr eure Heimgegangenen, die bei Jesu allein das Gloria singen lassen? Nein, mit allen Gläubigen in Christo, mit allen Erlösten droben und himeden, mit den Kleinen und Kleingewordenen jubeln wir dem HErru entgegen im Tone des ältesten Weihuachts- liedes: „Nun sei uns willkommen, HErre Christ, Der Du unser aller HErre bist, Willkommen uns auf Erden!"