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Wilsdruffer Tageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, D« .Wilsdruffer Tageblatt' erscheint an allen Werttagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der DrschSstsstelle und den Ausgabestellen 2 NM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 RM., bei Poftbeftrllung 2 AM. zuzüglich Abtrag« , . . ,, ... . gebühr. Einzelnummern tbRpsg.ANePostanftalten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Postboten und UN,ereAus. trag er und Geschäftsstellen ' "" nehmen zu jeder Feit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beilicgt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzeile 20 Rpfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. 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Von fachkundiger und den innenpolitischen Entschei dungen nahestehender Seite wird uns geschrieben: Am zweiten Oktober feiert Reichspräsident von Hindenburg seinen 80. Geburtstag. Von ver schiedenen Seiten waren große Festlichkeiten geplant, um dem Jubilar die Anhänglichkeit des deutschen Volkes zu zeigen. Unter Hinweis auf den Ernst der Zeit bat je doch der Reichspräsident, davon Abstand zu nehmen. Er gestattete jedoch, daß nicht für ihn, aber für alle die eine Spende geschaffen wird, die als Mitkämpfer im großen Kriege dem Vaterlande das Leben oder die Gesundheit geopfert hatten. Wo der Staat hier wegen Mangels an Mittel versagen muß, soll die Hindenburg- Spende eingreifen. Auf diese Weise ergibt sich die beste Gelegenheit, die Verehrung für die Person Hinden burgs zum Ausdruck zu bringen und mitzuhelsen, für die jenigen zu sorgen, denen Deutschland so viel zu danken hat. Ein schöner Gedanke, der denn auch die Unter stützung aller Parteien, aller Organisationen und Ver bände gefunden hat. Aber noch ein anderer Gedanke ist in den Vorder grund gerückt worden, der einer Amnestie. Zu Zeiten der Monarchie kam es öfter vor, daß bei Regierungswechseln oder an sonst wichtigen Tagen eine mehr oder minder umfangreiche Amnestie erlassen wurde. Diese Sitte ist auch teilweise von dem jetzigen Staat übernommen worden. So wurden schon unter dem verstorbenen Reichs präsidenten Ebert verschiedene Amnestien erlassen, aller dings nicht um einen Erinnerungstag zu begehen, sondern um gewissermaßen einen Strich unter die erste Sturm- und Drangperiode des neuen Staatswesens zu setzen. .Vor einiger Zeit tauchte die Nachricht auf, daß der Reichslustizminister schon Anregungen in Richtung einer Amnestie gegeben habe. Das stellte sich jedoch als ver früht heraus. Es war noch keine Liste für etwa zu Be gnadigende aufgestellt. Damit war jedoch nicht gesagt, daß diese ganze Frage nicht erörtert wurde. Es war nur noch nicht der geeignete Augenblick gekommen, um eine endgültige Entscheidung zu treffen. Die ganze Ange legenheit ist nicht so einfach wie sie aussieht. Wenn auch die Amnestie im Namen des Reichspräsi denten erfolgt, so ist doch der Reichsjustiz minister verantwortlich, der es deshalb wohl vor ziehen dürfte, sich erst mit den verschiedenen Stellen über den notwendigen Umsang eines solchen Straferlasses ins Einvernehmen zu setzen. Natürlich macht sich in den Kreisen derjenigen, die von einer Amnestie erfaßt werden können, oder ihrer An gehörigen eine Erwartung geltend. Die Hoffnung wird rege, daß die Grenzen ziemlich weit gezogen und die Be stimmungen möglichst ausgedehnt gehandhabt werden. Hier dürfte es, wie gewöhnlich, auch Enttäuschungen geben. Selbstverständlich kann keine Generalamnestie ge währt werden, bei der man alle irgendwie Bestraften in Freiheit fetzt, oder bei allen, gegen die noch ein Verfahren schwebt, dieses einstellt. Uber solche Fragen hat man sich im Reichstag schon sehr ausführlich unterhalten bei An trägen, die Strafniederschlag für alle politischen Ver gehen forderten. Es dürfte in Erinnerung sein, wie oft es dabei zu Störungen der Reichstagsverhandlungen kam, wenn in dieser Frage die Antragsteller ihre Forderungen stürmisch vertraten. Gegen eine Amnestierung gewisser politischer Ver gehen dürften unter Umständen kaum große Einwendungen erfolgen. Aber auch hier gibt es eine Reihe von Grenz- fällen, ip denen die Entscheidpng schwer ist, ob wirklich nur eine politische Tat oder ein gemeines Verbrechen vorliegt. Gegen eine derartige allgemeine Amnestie wurden bei den Reichstagsverhandlungen die schwersten Bedenken geltend gemacht, besonders gegen eine solche durch Beschluß des Reichstages, weil dadurch die Justiz hoheit der Länder erschüttert werde. Es ist auch nicht denkbar, daß in dieser Auffassung in absehbarer Zeit eine Änderung eintritt. Der Straferlaß wird deshalb immer ein Gnadenakt bleiben, der nur dort eintritt, wo es angängig erscheint. Nach diesen Grundsätzen dürfte bei einer etwaigen Amnestie beim Hindenburg-Jubiläum ver fahren werden. Endlose Debatten über die VeschnngsstÄke. Verständigung hinausgeschoben. Der englisch-französische Austausch von Meinungen über die Verminderung der Besatzung im Rheinlands zieht sich von Tag zu Tag hin, ohne daß ein Fortschritt zu dem notwendig zu erreichendem Ziele zu erkennen ist. England, das bisher keine Gegenliebe in Frankreich für seine Vorschläge gesunden hat, will es nun mit „münd lichen Verhandlungen" versuchen. Die Aussprache soll in London erfolgen und dabei den Franzosen erklärt werden, wie angeblich gutunterrichtete Politiker wissen wollen, daß eine Verminderung der Gesamtstärke der RheinlandSe- latzung nur im zahlenmäßigen Verhältnis der bisher dort Sacco unck vanretti hingerichlet Neuyork, 23. August. Sacco und VanMi sind heute kurz nach Mitternacht hingerichtet worden. Zu gleicher Zeit wur de auch der Portugiese Madeiros hingerichtet. Die Hinrichtung Sacess und Vanzettis. Neuyork, 23. August. Die Hinrichtung Madeiros, der als erster den elektrischen Stuhl bestieg, fand neun Minuten nach Mit ternacht statt. 10 Minuten daraus folgte Sacco und nach weiteren 7 Minuten Banzetti. Gefaßt schlitten sie zum Richtersiuhl. Saccos letzte Worte waren Abschiedsgrüße an seine Muter, seine Frau und seine Kinder. Banzetti starb seine Unschuld beteuernd. Noch in letzter Minute hatten die Angehörigen der Verurteilten und zahlreiche prominente Persönlichkeiten die Intervention Fullers zu erreichen versucht, doch vergeblich. Fuller erklärte, seine Pflichten seien vom Gesetz genau vorgezeichnet und er könne daher nicht eingreifen. — Durch die Hinrichtung ist der juristische Streit über den Fall Sacco und Banzetti, dessen Anlaß sieben Jahre zurück liegt und der säst alle amerikanischer. Iusiizbebhörden und dann die ganze Welt beschäftigt hat, beendet. Große EncWW io Amerika. - Zahlreiche Demooslratioaea. Neuyork, 23. August. Die Nachricht von der Hinrich tung Saccos und Vanzettis hat in Amerika große Erregung aus gelöst. In Neuyork sand eine von Kommunisten besuchte Massen demonstration statt. Es wurden Reden gegen den KapitalisES gehalten. Berittene Polizei drang auf 7000 Personen mit Knüp peln ein. Panzerautos mit Polizei erschienen. Schließlich zerstreu te sich die Menge. Weitere Demonstrationen fanden an anderen Stellen statt. Bei der jüdischen Zeitung „Vorwärts" gelang es je doch, die Ruhe bald wieder herzustellen. Auch in Boston mußte die Polizei gegen die Menge vorgehen. 120 Personen wurden ver haftet. Massenkundgebungen fanden statt vor dem Gefängnis in Chcrlestown. Diese konnten von der Polizei zersprengt werden. Auch aus Chikcgo werden kleinere Demonstrationen gemeldet. In Psttsbura töteten die Demonstranten einen Schutzmann, worauf die Polizei mit größerer Schärfe vorging. Präsident Coolidge ist ständig von Detektiven umgeben. In Jersey - Lily ist ein Droh brief einaegangen, in dem- gedroht wird, daß im Falle der Hin- richung sämtliche öffentlichen Gebäude zerstört werden sollen. An dem Streik beteiligen sich etwa 25 008 Kommunisten, welchem man aber keine besondere Bedeutung beimißt. Gew-erkschaftssekre- Lär Green hat an Fuller ein Protestschreiben gerichtet. Vergebliche VemWageu für ötteomdMzetli 600 000 Amerikaner protestieren. Während des Sonntags und des Montags wurden, wie aus Newyork berichtet wird, von den verschiedensten Seiten Schritte unternommen, um Sacco und Van zett i zu retten und einen Aufschub der Hinrichtung zu erreichen. Präsident Coolidge, der frühere Präsident William Taft, der jetzt höchster Richter des Obersten Bundesgerichts ist, verschiedene andere Oberrichter, Se nator Borah u. a. wurden ersucht, Einspruch zu erbeben. Auch an neuen Protestkundgebungen und Strett- drohungen fehlte es nicht und in Cordoba in Argen- tinien gab es in der Niederlassung der Ford-Werle eine unterhaltenen fremden Truppen vor sich gehen dürfe. Dieser Standpunkt werde von englischer Seite nicht nur damit begründet werden, daß nur eine streng anteils mäßige Herabsetzung „allein dem wahrhaft internatio nalen Charakter der Rheinlandbcsetzung entspreche", son dern es soll auch ausgeführt werden, daß jede Vermin derung der Besatzungsmacht, an der Frankreichs Be satzungsheer nicht in vollem Anteil beteiligt sei, ihre Wir kung auf die deutsche öffentliche Meinung verfehlen werde. Das klingt ja ganz gut, aber viel wichtiger für die Deutschen und für das Rheinland ist schließlich, daß über haupt etwas erfolgt und die endliche und längst gebotene Verminderung vor sich geht, wenn die der Gerechtigkeit entsprechende gänzlicheBefreiung noch immer hin ausgeschoben werden soll. England hatte in Paris be- kanntlich eine Herabsetzung der gesamten interalliierten Besatzungsmacht von 69 000 auf 56 000 Mann gefordert. Frankreich hatte daraufhin geantwortet, daß ihm eine Ge samtreduktion von 10 000 Mann ausreichend erscheine. Die Gesamtherabsetzung von 10 000 Mann sollte" aus 5000 Franzosen und je 2500 Engländern und Belgiern bestehen. Wenn sich jetzt die beiden Weltmächte in nicht abreißenden Diskussionen über die gegenseitige Beteiligung ergehen, ohne irgendein Resultat zu erzielen, so mutz in Deutschland der Gedanke Raum gewinnen, drüben mache man wohl einige Gesten, denke aber nicht ernstlich an eine Tat. Bomvenexploston, die gleichfalls mit Sacco und Banzetti in Zusammenhang gebracht wurde. Unter den zahlreichen Kundgebungen wär die bemerkenswerteste ein von 600 000 Personen aller Berufsklassen der Union unterzeichneter Protest. Für Steuererleichterungen des Sandwertz Kundgebung des Deutschen Schuhmach ertagci Im Rahmen des Zwciteik Allgemeinen Deutschen Schuh machertages, der in Leipzig vom Reichsvcrband des deutsche! Schuhmacherhandwerks (Sitz Hannover) und vom Bund de Schuhmachermeister Leipzigs veranstaltet wurde, ist ein ösfent Uche Kundgebung im Zoologischen Garten abgchalten worden au der Vertreter der Reichsregierung, der sächsischen Rcgieruni und Vertreter von Behörden teilnahme». Als erster Redne! ergriff der sächsische Finanzminister das Wort. Die Lage dei Schuhmacherhandwerks sei ihm, so führte er u. a. aus, woh bekannt. Es bedürfe der wohlwollenden Fürsorge aller Re gierungsstellen, um wieder vorwärtszukommen. Die sächsi sehe Regierung habe den Mittelstandsschutzgedanken immer gs pflegt und sic sei gewillt, den einzelnen Berufen wieder vor wärts zu helfen. Aber dazu sei erforderlich, daß auch dü Steuergesetzgebung Rücksicht auf die mit ihrer Existen, kämpfenden Berufsstände nehme. Allerdings dürfe nicht ver gessen werden, daß die deutschen Steuerleistungen in recht wo sentlichem Umfang durch die Auslandsbelastungen bestimm werden. Nach dem Minister sprach der Reichskömmissar fm Handwerk und Kleingewerbe, Ministerialdirektor Dr. Reichard der auch namens der Reichsregicrung und des Reichswirt schaftsministeriums die besten Wünsche für die Tagung über brachte. Er versicherte u. a., daß die Neichsstellen sehr stari darüber Wachen, daß die öffentliche Hand nicht durch Emrich tung und Führung von Betrieben die Privatwirtschaft schä digc, so daß diese imstande sei, ihre Aufgaben zu erfüllen. In übrigen sei insbesondere das Schuhmachergewerbe auf die G e> nossenschaf 1 sidee zu verweisen. Der sozialdemokratische „Prrrple" zur -eutsch-belgifcheu Enquete. Brüssel, 22. August. Die belgische sozialdemokratische Zeitung „Peuple" beschäftigt sich eingehend mit der von Van- der-velde vorgcschlagenen deutsch - belgischen Enquete. Das Blatt gibt der Meinung Ausdruck, daß in der Frage der Franktireure Belgien die Wahrheit sür sich habe. Die vorgeschlagene Enquete würde den Nutzen Haden, daß sie dem deutschen Volke und vielen Deutschen, die guten Glaubens seien, zeigen werde, daß das bel gische Volk verleumdet worden sei. Das würde dazu dienen, um die Beziehungen des belgifch-en mit dem deutschen Volle zu ver bessern, mit dem Belgien in Frieden leben müsse. Der Abschluß der Militärkoutrolle in Ungarn den Mitgliedern des Völker- bundsrates notifiziert. Genf, 22. August. Der Generalsekretär des Völkerbundes bat heute ein Schreiben des französischen Außenministers Briand als Präsident der Botschastettonferenz zur Uebermiülung an sämtliche Mitglieder des Völkerbundsrotes erhalten, in dem der Beschluß der Botschafterkonferenz über einen Abschluß der Tä tigkeit der interalliierten Militärkontrollkommission in Ungarn mit- gcteilt wird. Frankreich Quell aller Mnbsrniffe. Über die französischen Quertreibereien gibt eine Ab handlung des Londoner „Daily Telegraph" treffliche Auskunft. Das Blatt schreibt, der britische Botschafter in Paris habe ursprünglich beim Quai d'Orsay angeregt, daß das französische Rheinheer um 11 000 Mann vermin dert werde, während die Engländer und Belgier ihre Truppen um 3000 Mann herabsetzen würden. Das sei insgesamt eine Verminderung um 14 000 Manrkl In einer Mitteilung der französischen Negierung werde klarge macht, daß die französischen Militärbehörden unter keinen Umständen eine Verminderung der französischen Truppen billigen würden, die die Gesamtzahl der französischen Truppen unter 50 000 Mann bringen würde. Hier wird klar gesagt, daß es Frankreich vor allen Dingen daranf ankommt, so stark wie möglich und so lange wie möglich im Nheinlande zu bleiben, ohne Rücksicht auf Deutschlands vollzogene Entwaffnung und die daran ge knüpften Versprechungen. Gewaltpolitik geht in Paris eben immer noch vor Friedens politik. Oie Rheinlandwünsche in Magdeburg Die Räumung des Nheinlandes kein Handelsgeschäft. Der Rheinische Tag in Magdeburg gestaltete sich zu einer gewaltigen Kundgebuna der vielen Tausende von