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WocheMM - für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, TicbnüclM und die Umgcgcnbc». Umtsökatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Madtrath daselbst. Diese- Blatt erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags und kostet vierteljährlich 10 Ngr. — Jnseratenannahme bi- Montag resp. Donnerstag Mittag. 18. Dienstag, den 3. März 1874. Die beiden Wilsdruffer Märkte sollen fortan zu folgenden Zeiten: Donnerstag nnd Freitag vor Himmelfahrt, mithin in diesem Jahre am 7. nnd 8. Mai und Donnerstag und Freitag nach dem zweiten Advent, mithin in diesem Jahre am 10. und 11. December abgehalten werden. Wilsdruff, am 22. Februar 1874. Der Stadt rath. In Jnterimsverwaltung: Adv. Ernst Sommer. Tagesgeschichte. Nächst dem Militärgesetz nimmt in Reichstagskreisen der Gesetz entwurf, betreffend einige Abänderungen der Gewerbeordnung, das meiste Interesse in Anspruch und zwar hauptsächlich wegen der darin enthaltenen Bestimmung, daß Arbeitgeber, welche ihre Gesellen, Gehülfcn oder Fabrikarbeiter widerrechtlich entlassen oder von der Arbeit zurückweisen, und Gesellen, Gehülfen und Fabrikarbeiter, welche die Arbeit widerrechtlich verlassen oder verweigern, mit Geld strafe bis zu 150 Mark oder mit Haft bestraft werden sollen. ES leuchtet sofort ein, daß man mit dieser Vorschrift den in immer grö ßerer Ausdehnung hervortretenden Uebelständen Abhülfe verschaffen will, welche durch die vielfachen plötzlichen und massenhaften Arbeitsein stellungen sowohl in Fabriken, Bergwerken rc., als namentlich auch — natürlich in kleinerem Maßstabe — bei dem Handwerksbetriebe her vorgerufen wurden, und die nicht blos in den dadurch den Arbeit gebern zuqefügten Vermögcnsnachtheilen, sondern auch vorzüglich darin zu finden sind, daß das Rechts- und Pflichtgefühl der Arbeiter in bedenklicher Weise geschädigt wird und werden muß, wenn sie tagtäglich sehen, daß die Verletzung vertragsmäßig übernommener Verpflichtungen straflos bleibt. Dies Letztere war aher seither that- sächlich der Fall, weil dem Arbeitgeber gegen den Arbeiter wegen Vertragsverletzung nur der Weg einer Klage auf Entschädigung offen stand, den er schon deshalb nicht ergriff, weil der Arbeiter, selbst wenn er zum Ersatz des Schadens vcrurtheilt worden wäre, solchen wegen mangelnder Mitttel doch nicht hätte leisten können. Jetzt liegt also die Frage zur Entscheidung vor: Soll der Arbeiter — und na türlich ebenso der Arbeitgeber — in Strafe genommen werden, wenn er den eingegangenen Arbeitsvertrag „widerrechtlich" bricht? Von den Rednern, welche bei der ersten Berathung des Gesetzent wurfs daS Wort ergriffen, sprachen sich nur die Abgeordneten Stumm und Minigerodc (Conservative) unbedingt für die Regierungsvorlage auS, indem sie gleichzeitig der Hoffnung Ausdruck gaben, daß auch die einer Regelung.dringend bedürfenden Verhältnisse der ländlichen Arbeiter zum Gegenstand eines ähnlichen Gesetzes gemacht würden, wie dies dem Vernehmen nach beabsichtigt werde. Im Reichstage ist ein gemäßigteres Tempo eingetreten und eS werden wöchentlich nur 2—?> öffentliche Sitzungen abgehalten. Das war nothwendig, wenn die Neiwsbolen und die Zeitungen nicht ganz außer Alhem kommen und die Commissienen Zeit gewinnen sollten, »m die wichtigsten Gesetzvorlagen, z B. das MUuär- und Preßgesetz vertraulich und eingehend Z" bcralhen. Jedes Gesetz muß dreimal in öffentl Sitzung beralben oder „gelesen" werden; der ersten öffent lichen Lesung vder Beraibnng folgen meist, namentlich wenn das Ge setz wiästjg und schwierig ist, die Lsicath^ den Commissionen, in welche die großen Parteien >b" besten Vertreter wählen; die Reichsboten loerden dann Commisstonsralhe und berathen unter sich und mit den betreffenden Ministern und deren Commissarcn vertrau lich und eingehend. In diesen Commissionen wird das Schicksal der Gesetze in der Regel entschieden; denn das Plenum (die öffeutliche ganze Versammlung) tritt der Empfehlung des Berichterstatters der Commission für Annahme oder Ablehnung eines Gesetzes in der Re gel bei. Meist, doch nicht immer; denn in die öffentlichen Berath- nngen der Parteien mischen sich oft Leidenschaften und Zufälle ein, die im Voraus unberechenbar sind. Die Reichsboten, die nicht in der Commission sitzen, schreiben an den freien Tagen Briefe, machen Be suche, studiren und probiren Reden ein, brauchen viel Geld und gehen Abends in die Partei- und Fractionsberathuugen. Der neulich wiederholte Beschluß des Reichstages, betreffend die Gewährung von Diäten an die Reichstag-Mitglieder, hat in den Augen des Jllstizausschusses im Bundesrathe, dem der Beschluß zur Berathung vorgelegt worden, auch diesmal keine Gnade gefunden. Es wurden zwar bei der nochmaligen Erörterung Meinungen über eine beschränkte Gewährung von Diäten laut, die jedoch, kaum ge äußert, in Rücksicht auf ihre praktische Unzulänglichkeit wieder zurück- gcnommcn wurden. In den Kreisen des Bundesrathes erkennt man an, daß wenn im Princip die Gewährung von Diäten zugestanden Wird, dieser Gegenstand ohne jede Beschränkung gesetzlich durchge führt werden muß. Wie aber augenblicklich die Sache liegt, ist an eine Nealisirung des Reichstagsbeschlusses nicht zu denken. Preußen ist entschieden gegen die Gewährung von Diäten und so ist in dieser Frage jede Aussicht auf Verständigung zwischen dem Bundesrathe und dem Reichstage für die nächste Zukunft völlig abgeschnitten. Sächsische Abgeordnete befürworten lebhaft das Projcct eines Ausfluges des deutschen Reichstages nach Dresden. Von den dortigen städtischen Behörden soll eine Einladung gleich jener Bremens er folgen. Die Ausführung wird ev. sofort nach Schluß des Reichs tages erwartet. Ocrtliche und sächsische Angelegenheiten. Aus Leipzig, 25. Febr., berichtet das „L. T.": Ein gräßlicher Unglücksfall hat sich gestern Nachmittag in der Leipziger Wollspinnerei an der Berliner Straße zugetragen. Ein dort beschäftigter Fabrik arbeiter, Namens Julius Reinicke aus Göttwitz, wohnhaft in Alt- schöncfeld, kam im Maschinenraume einem Transmissionsriemen in so gefährliche Nähe, daß er plötzlich erfaßt und ohne Rettung mit rapider Gewalt nach der Decke geschleudert wurde, wobei er, säst zu einer formlosen Masse verstümmelt, seinen sofortigen Tod fand. Der Verunglückte, 24 Jahr alt, ist seit 11 Tagen verheirathet. Mehrere sächsische Reichstags-Abgeordnete, soweit sie nicht in Deputationen thätig sind, weilen jetzt, da einige Zeit lang keine Ple narsitzungen stattfinden, wieder in Dresden. Der Minister des In nern, v. Nostitz-Wallwitz, z. B. versieht die Geschäfte seines Ressorts; die Abgeordneten, die zugleich dem sächs. Landtage angehören und in Zwischcndepntationen thätig sind, widmen sich den Landtagsarbeiten