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Anzeiger für Donnerstag, den 4. Decembcr 1879. 4. Jahrg. .,4? I II Inserat« «erden bis spätesten- Mittags des »orhrrgehcndrn Tages des Erscheinens erbeten und die Corpusspaltenzeile.mit Iv Pf., unter „Eingesandt" mit 20 Pf. berechnet. Erscheint wöchentlich drei Mal und Mir Dienstag, Donnerstag und Sonnabend (Vormittag). AbonncmentspreiS beträgt vierteljährlich l Mark SO Pf. prsennmeranäo. Zwönitz und Umgegend Amtsblatt für den Stabtgemeinderath, den Kirchen- und Schulvorstand zu Zwönitz. Verantwortlicher Nedacteur: Bernhard Ott in Zwönitz. Tagesgcschichte. Deutschland. Berlin ist ein Centrum für den diplomatischen Verkehr geworden, stärker, als es Paris jemals war. Ein berühmter Gast löst den andern ab. Der Großfürst-Thronfolger ist abgereist, ein zweiter russischer Großfürst kam, er verließ Berlin und der König Christian von Dänemark traf ein; der Dänenkönig setzte seine Heim reise nach kurzem Verweilen in der deutschen Neichshauptstadt fort und Fürst Gortschakoff, der Titular-Kanzler von Rußland, ist einge- troffcn. Wir sagen Titular Kanzler, denn in Wirklichkeit sind die Regierungsgcschäfte Rußlands seit fast sechs Monaten thatsächlich nicht mehr in den Händen Gortschakoffs und sollen auch gar nicht mehr in seine Hände zurückgelangen. Zar Alexander hat die mensch lich schöne Eigenschaft mit seinem Onkel, dem deutschen Kaiser, ge mein, daß er sich nicht leicht dazu entschließen kann, einen seiner treuen langjährigen Rathgeber aus dem Amte scheiden zu lassen und so hat er jetzt, da der Rücktritt Gortschakoffs unaufschieblich ist, den Ausweg gewählt, daß der Fürst der Form nach Kanzler bleiben und sein Nachfolger den Titel Vicekanzler führen soll, bis mit dem Tode des greisen Gortschakoff, des ältesten unter allen europäischen Diplo maten, auch der Titel frei wird. Die vielbesprochene Zusammenkunft der beiden Kamler in Berlin findet nicht statt, da Fürst Bismarck nicht ohne besondere Absicht gerade am Tage vor der Ankunft Gort schakoffs in Berlin in einem eigenhändigen Schreiben erkärt hat, daß er sich noch nicht genesen fühle. — Der Gesetzentwurf für ein Forststraf- und Polizeirecht für Elsaß-Lothringen ist von den ver einigten Ausschüssen des Bundesrathes für das Justizwesen und für Elsaß-Lothringen berathen und mit geringen Modificationen ge nehmigt. Der Entwurf stimmt im Wesentlichen mit den neuen Forst straf- und Polizeigesetzgebnngen der deutschen Bundesstaaten, resp. dem preußischen Forstpolizeigesetzentwurf, welcher gegenwärtig dem Landtage vorliegt, überein. — Am 29. v. M. feierten der Prinz und die Prinzessin Friedrich Carl den Tag ihrer 25jährigen Hochzeit. Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin und die hier anwesenden Mitglieder des Königl. Hauses brachten Morgens dem Jubelpaar im Königl. Schlosse ihre Glückwünsche dar. Da beschlossen worden, das Fest nur in der Stille zu feiern, so wurden auch nur die Deputaten derjenigen Re gimenter angenommen, von welchen der Prinz und die Prinzessin Chefs sind. (Prinz Friedrich Carl, Sohn des Prinzen Carl, ist am 20. März 1828, seine Gemahlin, Prinzessin Maria Anna, Tochter des verstorbenen Herzogs Leopold Friedrich von Anhalt, am 14. September 1837 geboren.) Oesterreich-Ungarn. Bezüglich des in Wien abgeschlossenen deutsch-österreichischen Vertrages wird gemeldet, daß das diplomatische Aktenstück, welches nach der Rückkehr des Fürsten Bismarck nach Berlin von beiden Kaisern unterzeichnet worden ist, bestimmt, daß in dem Falle, wo eine der beiden Vertragsmächte einen Krieg zu be stehen Hütte, für die andere die Verpflichtung, jener Beistand zu leisten, nur in sofern vorhanden sein soll, als ihre Verbündete es nicht mehr mit einem einzelnen Feinde zu thun haben würde. Dieser Vertrag, von rein defensivem Character und beschränkter Tragweite, faßt also keine besonders genommene Macht ins Auge, sondern ist vorab gegen alle Bündnisse gerichtet, die sich feindlich gegen Deutsch land oder OesterreiäMngarn in Europa bilden könnten. Die beiden Vertrugsmächte sind außerdem übereingekommen, einen Handelsver trag, wenn auch nicht gerade einen Zollverein, zu schließen, um den Verkehr zwischen beiden Ländern möglichst zu erleichtern. Frankreich. Verschiedenen Deputirten der Linken, welche sich zum Conseilspräsidenten Waddington wegen Beseitigung der reactio- äären Beamten gegeben hatten, erklärte derselbe, die Negierung be trachte ihre Aufgabe keineswegs als beendet, vielmehr sei sie mit der Vorbereitung eines Gesetzes, betreffend die Reform des Beamten standes, beschäftigt. Der Couseilspräsident versprach, daß Abberuf ungen von Beamten des Finanzministeriums stattfinden würden. Spanien. So ist der junge Monarch des Spanischen Königs reiches, ist König Alphons wieder vermählt. Vor zwei Jahren war es, daß der junge Fürst die liebliche Mercedes zum Altar führte. Nach kaum einem Jahre ungetrübtesten Glückes stand König Alphons an dem Sarge seiner jungen, schönen Gattin. Jetzt nennt der König, den Wünschen des Volkes, dem Drängen seiner Minister, den Rück sichten des Staates und der Politik, sowie seinem eigenen Herzen Rechnung tragend, wieder ein liebend Weib sein eigen und aus den Thron, der ihm so lange verödet und einsam erschien, hat er eine anmuthige Prinzessin aus dem Hause Habsburg erhoben. Am 29. v. M. fand die Vermählung des Königs mit der Erzherzogin Christine in der glänzend erleuchteten Kirche von Atocha in Gegenwart des diplomatischen Corps und der Hof- und Staatswürdenträger statt. Der König betrat die Kirche in Begleitung seiner Mutter, der Königin Isabella, die Erzherzogin Christine wurde von ihrer Mutter, der Erz herzogin Elisabeth, geleitet. Die Einsegnung erfolgte durch den in Stellvertretung des Papstes fungirenden Cardinal, welcher auch die Traumesse celebrirte. Dänemark. Die Nachricht von dem Besuche des dänischen Königspaares in Berlin kam in Kopenhagen sehr überraschend. Die drei Jahrzehnte hindurch gewährte üble 'Stimmung gegen Deutsch land ist, nachdem ihr Anlaß, die schleswig-holsteinische Opposition, aus dem Wege geräumt ist, unter der Macht der natürlichen Ver hältnisse immer mehr einer freundlichen Stimmung gewichen. — Das dänische Königspaar ist am Sonntag Vormittag wieder in Kopen hagen eingetroffen. Rustland. Die Nihilisten haben seit einiger Zeit, seitdem ihnen die Morde einzelner Personen überaus erschwert sind, angefangen, ihrem fanatischen Haß gegen die Gesellschaft dadurch Luft zu machen, daß sie durch theilweise Zerstörung von Eisenbahnen Unglücksfälle herbeizuführen suchen. Solche frevelhafte Mordversuche sind bereits von mehreren Eisenbahnen gemeldet worden, weshalb der Minister der Communicationen ernstlich nüt der Absicht umgeht, die Nacht züge, welche vorzugsweise für solche Experimente gewählt werden, gänzlich eüizustellen. Türkei. Die Thatsache, daß es dem Minister Mahmud Nedim Pascha gelungen ist, eine Anleihe ohne die finanzielle Unterstützung Englanos abzuschließcn, wird im russischen Botschaftshotel in der Nähe des Goldenen Horns als ein erster Schritt auf dem Wege der Befreiung der Türkei von der finanziellen Vormundschaft Eng lands mit Freuden begrüßt; aber auch die Türken selbst fühlen sich gehoben und schöpfen wieder Muth, während Sir Austin Layard betrübten Auges auf die nutzlosen Anstrengungen hinvlickt, welche gemacht worden sind, um diese Anleiheversuche zu hintertreiben. Geht man doch so weit, zu behaupten, daß selbst die Flottendemonstration und das Drängen zu Reformen als solche Hintertreibungsmittel in Anwendung gekommen sein sollen. Als vorsichtige Leute meinen aber die Türken und mit ihnen die Russen, daß man nicht glauben dürfe, England werde sich zufrieden geben; man müsse vielmehr darauf gefaßt sein, daß England sich auf irgend einem anderen Wege in die inneren Angelegenheiten der Türkei einmischen werde. Uotralcs uns Sächsisches. Zwönitz, 3. December. Der Winter hat uns dies Jahr gar zeitig ernste Vorspiele gegeben und, wie es scheint, will die ganze lange Vorstellung, vor der wir ein natürliches Gruseln empfinden, danach ausfallen. Freilich, in die Jugend ist der harte Frost wie ein freudiger Blitz gefahren, und in allen Winkeln und Ecken, wo die Kisten mit den Schlittschuhen den Sommer über verborgen standen,