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Die „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich 1 Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Druck un- Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Aloritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi, vormittag w Uhr. Inserate werden wtt w Pf. für die Spaltzetle berechnet Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Verlag von Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Für dis Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 113. Mittwoch, den 21. September 1904. 3. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Vttsndorf.Vkrilla, 20. September 1SVH. — Gestern Abend fand im Gasthof „zum schwarzen Roß" die erste Zusammenkunft zwecks Gründung eines dramat. - literar. Vereins statt. Wenn auch die Beteiligung noch nicht ganz so zahlreich war, wie eigentlich er wartet wurde, so ist dennoch der Erfolg der Zusammenkunft als äußerst günstig zu be zeichnen. Nach einer kurzen Darlegung über Wesen und Zweck eines dram-literar. Vereines überhaupt und nachfolgender Debatte wurde der Verein gegründet. In die zirkulierende Mitgliederliste trugen sich nicht mehr und nicht weniger als 12 Personen ein, für einen derartigen Verein als ein hoffnungsvoller Anfang. Die Wahl eines Vereinsvorsitzenden wurde absichtlich noch verschoben bis zu der in dec nächsten Woche stattfindenden zweiten Zusammenkunft. Die Ausführung ist bis dahin Herrn Lehrer Hanke, Ottendorf, übertragen worden. Es ist wohl zu erwarten, daß sich nun unter Jung und Alt, also nicht allein unter jungen Leuten, wenn es extra gesagt sein Muß, noch recht viele finden, die sich als Mitglieder dem neugegründeten dramat. Verein anschließen. Ein jeder sei herzlich willkommen Schon aus dem Grunde, daß anderwärts, sogar in bedeutend kleineren Orten, derartige Ver einigungen, Vereine, Zirkel oder wie sie sich all- nennen mit großem Erfolg existieren, muß doch ein jeder Interesse haben an einem Verein, dessen Arbeitsfeld mehr oder weniger auf geistigem Gebiete liegt. Sind vielleicht bei uns die geistigen Grundlagen nicht ebenso wie anderwärts, oder sollten wir uns aus über triebener Bescheidenheit unterschätzen? Ganz mit Recht sagt der Lateiner „suuw vuiczus" „Jedem das Seine". Ueberdies aber gibt es wohl kaum einen größerem Genuß, als sich von Zeit zu Zeit einmal zu versetzen in den ge waltigen Gedankenflug eines Goethe, Schiller u. s. w-, die uns gleichsam durch Ihre wunder bare Sprache mit fortreißen und auf Stunden der Welt mit ihren unzähligen Kleinlichkeiten entrücken. Gerade, daß die Literatur so außer ordentlich geist- und gemütbildend wirkt, macht sie ja mit zu den kostbarsten Schätzen, die die Menschen besitzen. — Am 1. Oktober 1904 werden die nachgenannten drei neuerrichleten Haltepunkte dem öffentlichen Personen und Gepäckverkehre übergeben; 1. Gleisberg-Marbach an der Linie Borsdorf—Coswig (zwischen Roßwein und Nossen); 2. Probstdeuben an der Linie Leipzig—Hof (zwischen Gaschwitz und Böhlen fRötha)); 3. Schüptitz an d-r Linie Werdau—(W. ida) Mehltheuer (zwischen Loitsch- Hohenleuben und Reichenfels). Gleichfalls ab 1. Oktober erhalten die nachgenannten Verkehrs stellen andere Bezeichnungen, und zwar: Floß- platz (an der Linie Annaberg—Flöha): Floßplatz- Warmbad, Hartha b. Waldheim (an der Linie Waldheim—Rochlitz): „Hartha (Stadt)", Ottendorf bei Medingen (an der Linie Klotzsche—Schwepnitz): „O t t e n d 0r f - Okril l a" und Wiesenburg (an der Linie Schwarzen berg-Zwickau); „Wtesenburg in Sachsen". — Auf eine gegebene Anregung hin hat das Königliche Ministerium des Innern in einer Verordnung darauf hingcwiesen, daß sich die Verwaltungsbehörden erster Instanz hin sichtlich der Auszahlung von Brandschäden- vcrgütungen gewisse Erleichterungen verschaffen können. Allerdings würden in allen Fällen die Besitzlegitimationen der Beteiligten herbei zuziehen sein, aber der Nachweis könne, ohne Uebersendung der Akten, in einfachster Form erfolgen. Was die Bescheinigung über den Beginn der Wiederherstellung betreffe, so genüge eine einfache Anzeige der Gemeinde behörde in allen Fällen, in denen die Ver gütung für ein einzelnes Vermägensobjekt weniger als 100 Mark betrage. Bei höheren Vergütungen würde allerdings in Zweifclfallen die Beiziehung eines technischen Gutachtens nicht entbehrt werden können, da cs erfahrungs gemäß nicht selten vorkomme, daß die von dem Besitzer über den Umfang der Schaden beseitigung gemachten Angaben sich später als unzutreffend erwiesen haben. — Die Saalinhaber Dresdens, als auch der Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und -Neustadt werden am Mittwoch, den 21. September d. I., nachmittags 3 Uhr im Saale des „Eldorado", Steinstraße 15, eine Versammlung abhalten, die sich mit der Auf hebung des dauernden Mititärverbotes be schäftigen wird, an dessen Stelle ein nur ein tägiges Verbot treten soll, und zwar an den Tagen, wo politische Versammlungen in deren Lokalen abgehalten werden. In einer vor kurzem an das Königlich sächsische Kriegs ministerium gerichteten Eingabe hat bereits der Saalinhaberstand Dresdens und Umgebung diesem Verlangen Ausdruck verliehen. Dresden. Mancherlei Zeichen deuten, so schreibt die „Dresdner Ztg"., darauf hin, daß man hier einem neuen wirtschaftlichen Zusammen bruch entgegengeht. Während der kaum not dürftig überwundene Zusammenbruch des Jahres 1901 von der Industrie ausgegangen sei und seins Wirkungen vornehmlich auf deren Angehörige, also weist kapitalkräftige und daher widerstandsfähige Kreise, geäußert habe, drohe gegenwärtig die wirtschaftliche Katastrophe vom Hausbesitz, also dem Mittelstände, auszugehen, und den letzteren in Mitleidenschaft zu ziehen. Die gewissenlose Hergabe von Baugeldern durch Geldinstitute und Private in erster Linie habe eine Massenerzeugung von Hausern veranlaßt, welche die Nachfrage bedeutend übersteigt- Schon seit zwei Monaten beginnen die Zwang vollstreckungen sich in erschreckender Weise zu vermehren. — Das große Blumenfest auf der Brühl'schen Terrasse hat einen finanziellen Ueberschuß nickt ergeben, da die Kosten für die Aus schmückung der Brühlschen Terrasse zu hoch waren und da das Dresdner Publikum die künstlerisch glänzend gelungene Veranstaltung zu wenig unterstützt hatte. Der Festausschuß hofft jedoch mit dem ersten Dresdner Blumenfest Bahn gebrochen zu haben für alljährliche ähnliche Veranstaltuugen, die auf der Brühlschen Terrasse stattfinden sollen. Pennrich. Hier, wo am Westende des Ortes der romantische Schoner Grund sich zu einem weiten Tale öffnet und breite Wiesen mulden an seine Stelle treten, befindet sich die Heimat eines sonst in dieser Gegend selten vor kommenden Vogels: des Kiebitz. Auch für diesen der Landwirtschaft nützlichen Vogel, der unzählige Schädlinge des Ackers vertilgt, ist der trockene Sommer günstig gewesen, da schon jetzt die Jungen der zweiten Paarung die Scharen der Vögel sehr vermehren. Dem nach dürfte nächstes Jahr eine gute Ernte an Kiebitzeiern zu erwarten sein. Weinböhla. Mit GaSfragen beschäftigte sich der Gemeinderat in seiner letzten Sitzung. Die Gemeinde Coswig hat, wie bekannt, die Erbauung einer Gasanstalt allein in Angriff genommen und das von hier aus angeregte Zusammengehen mit Weinböhla abgelehnt, will aber der hiesigen Gemeinde aus der im Dezember eröffnenden Gasanstalt Gas abgeben. Das Angebot wurde jedoch abgelehnt, ebenso ein Angebot der Firma Otto und Schlaffer in Meißen wegen Errichtung einer Gasanstalt in Weinböhla. Vorläufig will man von einer Erledigung der Beleuchtungssrage absehen. Schmilka. Im Elbthal zeigte das Thermometer am Sonnabend früh 5 Uhr nur 2 Grad ein dichter Nebel, infosgedessen auch unterhalb unseres Dorfes, nahe der Hirschmühle, ein beladener Obstkohn festfuhr. Der Elbstrom war hier während der Nacht um einige Zentimeter gestiegen, da die Kamnitz und weiter oben befindliche Bäche der Elbe vor übergehend reichlich Wasser zuführten. Bertsdorf. Der hiesige Stationsverwalter Weber, dem das Eisenbahnunglück vom 7. August zur Last gelegt wird, dürfte sich deswegen demnächst vor dem Landgericht in Bautzen zu verantworten haben. Für Weber befindet sich ein vom Gefängnisgeistlichen Pastor Hardeland aufgesetztes Gnadengesuch in Umlauf, welches auch bereits zahlreiche Unterschriften gefunden haben soll. Mühlberg a. d. E. Spitzbuben und Einbrecher haben in den jenseits der Elbe ge legenen Ortschaften in letzter Zeit ihr Unwesen getrieben. Sonnabend abend in der 11. Stunde wurde unter dem Sofa eines Zimmers des Gutsbesitzers A. Schreiber in Ammelgoßwitz ein Spitzbube entdeckt, der jedenfalls bei der „Arbeit" überrascht, dahin flüchtete und im Schrecken der Ueberrumpelung ein Bein nicht schnell genug unter dem Sofa verbergen konnte. Auf das Hilfegeschrei verließ der Eindringling sein unsicheres Versteck und verschwand, ohne in der Dunkelheit erkannt zu werden, durch das Fenster ins Freie. Ostrau. Den Bock zum Gärtner bestellt hat die hiesige Gemeinde. Im Gemeindehause wo der langjährige Nachtwächter Bäßler wohnte wurde am Donnerstag bei einer Haussuchung eine große Menge gestohlener Gegenstände vor gefunden. Angesichts einer nochmaligen Aus- suchung hat sich der diebische Wächter am Freitag erhängt- Grimma. Auf eine Eingabe der Fleischer innung, in der der Stadlrat um Maßregeln gegen das „Aktienschlachten" und das Ver- pfunden von Schweinen, wodurch die Fleischer schwer geschädigt werden, gebeten wird, war der Stadtrat der Meinung gelangt, daß ein Verbot des Aktienschlachten nicht angängig sei und daß höchstens durch Verschärfung der Vorschriften über die Anlage der Wurstküchen eine Be schränkung des Aktienschlachtens herbeigeführt werden könnte. Er beschloß deshalb, eine Bekanntmachung zu erlassen, wonach die Veranstaltung von sogenanntem Mtienschlachten Ausspielen oder Verpfunden von Schweinen behufs Vornahme einer Untersuchung des Wurstkessels mindestens 24 Stunden vorher bei Vermeidung von Strafe bei der Polizei anzumelden sei Auf Antrag des Verfastungs- ausschuffes versagte das Stadtverordneten kollegium seine Zustimmung zu dieser Be kanntmachung. Chemnitz. Eine besondere Auszeichnung ist dem hier wohnhaften Unteroffizier der Reserve Georg Kormeier zu teil geworden. Er erhielt vom Kaiser von Japan die 5. Klaffe des Ordens der aufgehenden Sonne verliehen. Kormeier hat am ostasiatischen Feldzuge teil genommen, und zwar war er der Kavallerie- Stabswache des Generalfeldmarschalls Grafen Waldersee zugeteilt. Er nahm an der Besuchs reise Waldersees nach Tokio an den japanischen Kaiserhof teil und beteiligte sich vorher unter Kommando eines japanischen Hauptmanns an einem Nachtgefechte gegen die Boxer. Beiersdorf bei Werdau. In der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag gegen 1 Uhr fand in dem Hause des Besitzers Gustav Piehler eine furchtbare Gasexplosion statt, deren Ursache noch nicht aufgeklärt ist. Durch den Luftdruck wurde die vordere Giebelseite des Hauses völlig weggeriffen. Unter dem Trümmern zog man einen unverheirateten Bewohner des Hauses tot hervor; ein anderer Hausinsaffe, der erst vor einigen Tagen geheiratet hat, wurde schwer verletzt. Aus der Woche. Das eine deutsche Prinzessin bei einem sozialdemokratischen Führer Zuflucht sucht und findet, ist das hervorstechendste Merkmal in der Affäre Luise von Koburg. Der Abgeordnete Dr. Südekum in Wilmersdorf bei Berlin hatte der Prinzessin nach ihrer Flucht aus Bad Elster die erste Freistätte geboten; von ihm aus ist die Flüchtige nach Paris entkomme wo sie sich völlig sicher weiß. Sie stellt noch Ansprüche an ihren Gatten und an ihren Vater, aber beide sind dafür bekannt, daß sie ihren Geldbeutel zu halten. Die Prinzessin wird also, wenn sie ihre Freiheit genießen will entweder darauf bedacht sein müssen, sich selber etwas zu erwerben, oder sie wird auf die Mildtätigkeit Fremder angewiesen sein; ein öffentliches Interesse an ihr liegt fernerhin nicht vor, es müßte denn abwechselungshalber irgend ein neuer Skandal entstehen, der sich an ihre Person knüpft- — Wie in dem vorerwähnten Falle die öffentliche Aufmerksamkeit abebbt, so ist dies auch bei den beiden Kriegen der Fall, die gegenwärtig „toben". Aus Deutsch-Südwest afrika kommen und kommen keine Nachrichten: der Sieg am Waterberge soll nun gar kein Sieg, sondern ein großer Mißerfolg gewesen sein. Man kann's von hier aus nicht be urteilen; soviel aber scheint festzustehen, für die bisher verausgabten 70 Millionen Mark ist das Erreichte ein bißchen dünne! Allerdings haben auch die Ruffen keine Ursache mit ihrem Kriege gegen Japan zufrieden zu sein Gegen wärtig scheint ja in der Mandschurei „unter allen Wipfeln ist Rnh'", aber vielleicht scheint das auch nur so: denn die Japaner haben bisher vor ihrem Vorgehen nie viel Aufhebens gemacht; aber wer weiß, was sich vorbereitet. Die Ruffengenerale renommieren viel, aber sie verstehen nicht zu siegen. Nach seinen ersten Schlappen hat Kuropatkin lächelnd zu verstehen gegeben, das hätte er vorausgesehen, das mußte so kommen; aber erst den September abwarten, — man werde sich wundern! Nun, der September neigt sich bereits wieder seinem Ende zu, aber kein Mensch dürfte sich über den Ausgang der Schlacht bei Liaujang gewundert haben. Höchstens der militäriische Mitarbeiter eines großen Berliner Blattes, der mit absoluter Gewißheit den völligen Zusammenbruch der Japaner prophezeit hatte. Eins rühmliche Ausnahme von den russischen Generalen macht Skössel, der Verdeidiger von Port Arthur. Seine Aussichten sind hoffnungslos; er steht einem verlorenen Posten. Während die ihn belagernden Japaner ihren Abgang an Mann schaften, Munition, Lebensmitteln uud Fourage leicht ersetzen können, droht drinnen in der Festung langsam Hungers- und Munitionsnot. Die Absperrung des Hafens durch die Japaner ist jetzt eine völlige und wenn vielleicht auch ab und zu eine chinesische Dschunke nächtlicherweile die Blockade durchbricht, so kann daß auch das schließliche Schicksal dec heldenmütigen Verteidiger nicht abwenden. Der fürchterliche Krieg zeigt dem Zaren, daß er nicht allmächtig ist, daß sich seinem selbst herrlichen Willen ein anderer, stärkerer ent gegensetzt. Und das ist für die ruhige Weiter entwicklung Europas ein großes Glück. Ein siegreiches Rußland hätte den Kulturfortschritt unsres Erdteils um ein Jahrhundert aufgehalten; ein niedergebrochenes Rußland hört auf, im europäischen Konzert die erste Geige zu spielen. — Nebst dem Frh. v. Mirbach ist auch Fürst Herbert Bismark erkrankt und zwar so ernstlich, daß sowohl der Kaiser wie auch König Eduard sich täglich telegraphisch Bericht über sein Befinden erstatten lassen. Fürst Herbert teilt das allgemeine Schicksal der Söhne berühmter Väter. Das Volk glaubt sich berechtigt, von ihnen ebensoviel verlangen zu dürfen, als von ihren Vätern; Fürst Herbert Haies nur insofern bester, als man sich schon früher überzeugen konnte, als jene Ansprüche ungerecht sind. Der Karolinenstreit und der Konflikt mit der „halbwilden" Schweiz bilden die Erinnerungen an seine aktive diplomatische Laufbahn. Sein Vater hatte seinerzeit Mühe genug, die Dinge wieder einzurenken. — Beharrlichkeit führt zum Ziele: Wie vor kurzem die Gattin des Zaren ihrem Lande, so hat die Königin Elena ihrem Lande einen Thronerben geschenkt, wo rüber natürlich die Frei.de geradezu arenrenlas