Volltext Seite (XML)
Aumyal -Zeitung. Tageblatt für -je Stadt Aue und Erscheint täglich Nachmittags, außer an Sonn- n. Feiertagen. — Preis pro Monat srei ins Hau« HO Psg-, auswärts 25 Psg. — Mil der Sonntagsbeilage: „Der Zcitspiegel" 5 Pfg- mehr. — Bei der Post abgeholl pro Vierteljahr 1 Mk. — Durch den Briefträger 1.40 Mark. Nr. 152 Billigste Tageszeitung im Erzgebirge. Berantwsrllicher Redakteur: Ernst Funke, Aue jErzgcbirge.f Redaktion u. Expedition: Au«, Marktstraße. Sonnabend, den 9. September 1899. Umgebung.^ R.. S- Inserat« ». die einfpaltige Petitzeile 10 Pfg«, amtliche >nk , Inserate die Corpus Zeile 25 Pfg., Reklamen pro Zeile 20 Pfg. Bei 4 maliger Ausnahme . Ti, 2v»/o Rabatt. — Bei größeren Inseraten ML« ». mehruialigcr Aufnahme wird entsprechend MM höherer Rabatt gewährt. Alle Postanstalten und Landbrieslrägcr nehmen Bestellungen an. IS. Jahrgang. tigkeit. Weiter fragt Labori den General Zurlin den, ob er wisse, daß der deutsche Botschafter Fürst Münster dem Minister Delcasse amtlich mitgeteilt Auerthrrl'Zeitung erscheint jetzt täglich, k^o st e t PVS MSI»«** Itlll so Pfennige. rlttS wstt. * Strasburg, 6. Sept. Gegen 1 Uhr besichtigt» der Kaiser das Grabmal des Marschalls Moritz von Sachsen in der Thomaskirche. Geizen halb 2 Uhr st,eg der Kaiser in den Sonderzug und traf gegen 5 Uhr in Stuttgart ein. * Stuttgart, 6. -ept. re. Maj. König Albert ist Mittag 1 Uhr hier eingetrofsen. * Berlin, 6. September. Die Kaiserin unter-! nahm heute einen kleinen Spaziergang im Par« von Sanssouci, wobei sie sich aus den Arm ihres Kammerherrn Grafen Keller stützte. Das Aussehen der Kaiserin war gut, der Gang jedoch langsam. * Es wird das Gerücht mehrfach verbreitet, daß auch der preuß Landwirtschastsminister demnächst gehen werde. * Der Direktor des Reichstages, Geheimer Re- gierungsrat Knack, will demnächst in den Ruhestand treten. * Die Vorladung des Obersten v. Schwartzkoppen ist in einem möglichst ungünstigen Augenblick erfolgt. Der Kaiser ist in Straßburg, der Reichskanzler Fürst Hohenlohe aus seinen russischen Gütern Werki, der Staatssekretär v. Bülow in Stuttgart, und Oberst Schwarzkoppen selbst hält sich gegenwärtig in Weißen fels aus. Unter diesen Umständen ist eine schnelle Entscheidung der deutschen Regierung auf die VorladungSchwartzkoppens außerordentlich erschwert. Man sucht daher auch vorläufig Zeit zu gewinnen. Das Auswärtige Amt in Berlin stellt sich infolge dessen, wie das „Berliner Tagebl." erfährt, formell auf den Standpunkt, daß man vorerst das Eintreffen des französischen Ersuchungsschreibens aus demord- nungsmäßigen diplomatischen Wege abwarten will. * Oberst v. Schwartzkoppen geht also nicht nach Rennes. Unter diesem Lpitztitel veröffentlicht der „Berliner Lokat-Anz." ein Interview bei genanntem Offizier seitens eines Mitarbeiters erwähnten Blattes. Es lautet wie folgt: Jin Lause der Unterhaltung fragte er Herrn von Schwartzkoppen, ob er nach RenneS gehen werde. Die Antwort war ein kurzes und scharfes „Rein I" — „Die Frage, Herr Oberst, dürfte zu erweitern sein. Glauben Sie, daß S. Maje stät Ihnen gestatten wird, sei es in Rennes, sei es hier, Aussage zu machen? Auch das glaube ich nicht, Herr Oberst ?" - „Ja, haben wir denn nicht schon Stellung genommen und Aussagen ge macht? Zweimal sogar ist das bereits geschehen. Zunächst hat unser Botschafter in Paris erklärt, daß wir mit der Sache nichts, absolut nichts zu thun haben. Sodann hat unser Staatssekretär des Aus wärtigen im Reichstage klar und deutlich dasselbe versichert. Und welches war der Erfolg ? Man verharrte aus seiner Meinung! * Das liberale England ist dem Kriege nicht zu geneigt. In einer Versammlung seiner Wähler in Arbroath trat Morley in einer Rede für eine ver söhnliche Politik ein. Er erklärte, es sei wesent- lich für England, sich eine freundliche Beurteilung seitens der holländischen Bevölkecung von Südasrika -u sichern und nicht die weißen Rassen daselbst un- einig zu machen. Wenn Transvaal in eine Kron kolonie verwandelt würde, würde mau es mit Ge- walt halten müssen. * Dem Pariser „Figaro" zufolge telegraphierte Oberst Panizzardt an seinen gegenwärtig in Rennes weilenden Arzt, falls sein Vorgesetzter es erlaube, in enneS als Zeuge erscheinen. * Belgrad, 8. Sept. Cernuschi, der vor dem Renner Kriegsgerichte gegen Dreysus aussagte, wird hier als Hochstapler betrachtet. * Die letzten Meldungen aus Südafrika und London lauten so alarmirend, daß man fast alle Hoffnungen auf Erhaltung des Friedens schwinden sieht. *Der Führer der Afrikaner am Kap Hvsmeyr soll, wie gerüchtweise verlautet, an Präsident Krügcr tclegraphirt haben, für den Fall eines Krieges sei keine Unterstützung aus bei Kapkolonie zu erwarten. * Um 6V2 Uhr begann vorgestern im Prozeß Dreysus die Verhandlung des Kriegsgerichtes, welche zuerst geheim geführt wurde. Gewisse Stücke aus den Geheimakten wurden nochmals geprüft, und alsdann folgt? die Vernehmung des Zeugen Ceru nischi Während im Lyceum geheim veihandeft wurde, versammelte sich eine zahlreiche Menschen menge vor dem Gebäude. Eine ganze Anzahl Pariser und Engländer waren nach Rennes gekom men. Um Uhr wurde die Oefsentlichkeit wieder hergestellt. Infolge der Ueberfüllung des Saales herrschte schon zu Beginn der öffentlichen Sitzung lebhafte Unruhe. Labori verlangt vom Zeugen Trarieux daß er ihm Mitteilungen über Savignaud machen möge, den Burschen, der für Picquart in Tunis den Bries an Scheurer-Kestner zur Post ge bracht haben will. Trarieux giebt über ihn eine sehr schlechte Auskunft und bemerkt, Savignaud habe hier falsches Zeugnis abgelegt; er sei ein lügnerischer Zeuge. Labori verlangt alsoann vom Zeugen Trarieux Mitteilungen über die Affäre des „Petit bleu". Trarieux kommt diesem Verluogen nach, wobei er den Major Lauth scharf angreift, der gestern behauptete, Picquart habe ihn verleiten wollen, das Petit bleu umzufabrizieren Trarieux fragt den Major Lauth, wie es komme, daß er mit Picquart noch sechs Monate in Verbindung geblie ben sei, nachdem ihn Picquart zu einer Fälschung habe verleiten wollen. Zeuge konstatiert dann noch, daß die Radierung des Petit bleu nach dem Fort gang Picquarts erfolgt und eine der Machinatio nen gewesen sei, mit denen man Picquart verderben wollte. Picquart sei das Opfer leichtfertiger Ver dächtigungen gewesen. Nachdem Zeuge noch alle gefälschten Depeschen, Briefe und sonstigen Fäl- schungen aufgezühlt, rüst er: „Die Verbrechen in dieser Affäre werden immer zahlreicher! Major Lauth antwortet, es sei doch sehr einfach, warum er nicht gleich wegen der Fabrikation des Petit bleu reklamiert habe. Wenn jemand weißes Pulver einem Kranken zu trinken e ngebe, denke niemand acht Tage später daran, wenn der Kranke genese; wenn er aber sterbe, dann erinnere man sich des weißen Pulvers. Was seine Beziehungen anlange, die er noch mit Picquart unterhalten habe, so wolle er erzählen, daß als der Zar in Paris war, meh rere Herren ein Diner gegeben hätten; die Herren Hütten auch ihre Frauen mitgebracht. Picquart sei aber mit einer Dame erschienen, deren Platz nicht dort gewesen sei und die übrigens kürzlich in einem Ehescheidungsprozeß eine Rolle gespielt habe. (Lärm im Saale). Picquart springt aus und ruft: „Ich erhebe Einspruch gegen diese Bemerkungen!" (Murren und großer Lärm.) Präsident Jouaust bittet den Hauptmann der Gendarmerie, für Ruhe zu sorgen. General Zurlinden > iebt jetzt einige genaue Angaben über die Vorgänge, welche zur Verfolgung des Obersten Picqaurt geführt haben. Er versichert daher, daß die Radierung des Petit bleu in dieser Lache eine sehr kleine Rolle gespielt habe. Picquart sei von den Offizieren Gonse, Henry, Lauth und Gribeltn einstimmig angeklagt worden, weshalb man zu seiner Verfolgung geschritten sei. Zeuge Trarieux konstatiert, daß Zurlinden nicht nur die Verfolgung eingeleitet habe; er habe sie später als Gouverneur von Paris auch fortgesetzt. Nun sei die Untersuchung abgeschlossen, und zwar zugunsten Picquart. Labori stellt neue Fragen über das Petit bleu, welche Präsident Jouaust nicht zulasten will. Zwischen den beiden kommt es deshalb zu einem Austritt von unerhörter Hes- habe, daß dec Rohrpostbries thatsächlich von Oberst v. Schwartzkoppen sei. General Zurlinden antwor tet nicht. Labori verlangt Verlesung des Briefes, worin Zurlinden den Justizminister aussordert, Picquart auch wegen des RohrpostbrieseS zu ver folgen; in diesem Briefe verweist Zurlinden nach drücklich auf die Ausschabung der Aufschrift. Ge neral Zurlinden antwvriet, er habe allerdings die Ausschabung entdeckt; aber er habe sie nicht be- griffen, denn der Name Esterhazy sei ausgeschabt und über die ausgeschabte Stelle sei der Name Esterhazy wieder frisch geschrieben worden, genau so, wie er vor der Ausschabung dagestanden habe. Labori: „Weiß Zurlinden nicht, daß das zum Glück wie durch ein Wunder erhalten gebliebene Lichtbild des Rohrpostbriefes, das Lauth selbst an- gesertigt, keine Spur von Ausschabung zeigt?" Zurlinden: „Ja, Torvermier hat sestgestellt, daß die'Ausschabung nach Picquarts Abgang vorgenom men wurde." — Paleologue Er erklärt ruhig und langsam folgendes: „Es existiert im Ministe rium des Aeußeren eine Note über eine Unterredung, welche der Minister des Aeußeren mit dem deutschen Botschafter gehabt hat. Der Rutsche Botschafter hat in diesem Gespräch erklärt, daß Herr v. Schwartz koppen eine große Anzahl Briefe unv Rohrpoftkar- ten an Esterhazy gerichtet hat. Was das Petit bleu betrifft, das hier in Frage steht, so ist es wahrscheinlich, daß §err v. Schwartzkoppen es ge schrieben hat". (Große Bewegung). Zeuge Tra rieux unterzieht nunmehr die Freisprechung Ester hazys einer scharfen Kritik, woraus Präsident Jouaust aufsührt: „Es liegt ein rechtsgiltiges Urteil vor, ich gestatte nicht, daß man in diesem Tone davon spricht." Zeuge Trarieux entgegnet, über dem rechtsgiltigen Urteil stehe die Gutmachung eines begangenen Rechtsirrtums. Er befinde sich aus dem Boden erlaubter Kritik. — General Billot wendet sich gegen Trarieux, der davon gesprochen, daß er, Zeuge, Picquart aus dem Ministerium ent fernt habe. Das sei eine administrative Angelegen heit, die nicht hierher gehöre. Auf die Affäre Drey sus und Esterhazy näher eingehend, schließt Zeuge mit den Worten: „Ihre Kameraden, pflichttreu und loyal wie Sie (zu den Richtern gewendet), haben in der Freiheit ihres Gewissens gerichtet." Im Saale will man nach diesen Worten applau dieren, der Präsident gebietet Ruhe. Labori fragt: „Uebernimmt General Billot die Verantwortung für den Bries des Obersten Torey, in welchem sich dieser von Esterhazy schriftlich den Empfang des Dokumentes „Liberateur" bestätigen ließ? General Billot erwidert, der Kriegsminister übernehme die Verantwortung für die vielen Briese, die durch seine Hände gingen. In seinen weiteren Aeuße- rungen bemerkt Zeuge, wenn Esterhazy schuldig sei, beweise das doch nicht die Unschuld Dreysus. La bori bemerkt, man habe hierzu:» ersten Mate gesagt, daß Dreysus der Komplice Esterhazys sei. Dreysus (aufspringend) : „Ich protestiere dagegen!" Lavorr will reden. Präsident Jouaust: „Ich entziehe Ihnen das Wort l" General Billot bestreitet, ge sagt zu haben, Esterhazy sei der Komplice DreysuS'. Als Labori wiederum zu sprechen anfangen will, wird ihm nochmals das Wort entzogen. Labori (aufs Höchste erregt): „Ich kann hier nicht schwei- gen. Ich bestehe auf der Freiheit der Verteidigung!" Präsident: „Ich entziehe Ihnen das Wort!" — Der Gresfier beginnt nun die Virlesung der Aus sage du Paty de Clams. Letzterer bestreitet, an der Fälschung Henrys beteiligt gewesen zu sein, die „Speranza"-Briesc fabriziert, Esterhazy das Doku- ment „Liberateur" gegeben und den Artikel des „Eclair" versaßt zu haben. Er erzählt dann die Verhaftung Dreysus' und erklärt, an der Herstellung des geheimen Dossiers, das den Richtern 1894 vor gelegt wurde, nicht beteiligt gewef n und nur der Vermittler zwischen Sandherr, der ihm das Dossier übergeben, und dem Kriegsgericht gewesen zu sein, dem er das Dossier gebracht habe. Er bestreitet,