Volltext Seite (XML)
Wochenblatt M Wilsdruff Tharandt, Nassen, Menlehn and die Umgegenden 1897 No. 139 Donnerstag, den 25. November Wilsdruff, den 20. November 1897. Bursian, Bgmstr. Die Tagesordnung hängt im Rathhanse aus. Wilsdruff, am 22. November 1897. mehr Himmelslicht und Lust für die Krone, um Früchte zu tragen. Wohl dürfen wir weinen, aber nicht wie die Hoff nungslosen. Es muß ein Sehnen, ein Drängen, das eben zuletzt Heimweh wird, unser ganzes armes Sein durchziehen und uns adeln zu Himmelsbürgern. Idealismus nennt's der Philosoph, wir Christen nennen's: Glauben — und dürfen sprechen, wenn uns bange wird: „Ich glaube, Herr, hilf meinem Unglauben"! Und dieser Idealismus, dieser Glaube, der heimweh krank und doch immer selig machen kann, der wird nicht anerzogen, nicht erlernt, der wird ererbt, eingeatmet im Vaterhause auf Erdeu für das Vaterhaus im Himmel. Und der, mein deutsches Volk, mein armes, heißge liebtes Vaterland, der fehlt dir mehr und mehr, den nehmen deine Geschlechter je länger, je weniger mit hin über zum Kampf ins Leben, hinauf mit aufs Roß, gilts die Attaque in entschlossener That für das Wohl von Volk und Fürst zu reiten. Und darum liegt ein schwerer Wolkenschatten über unserer Flur, darum blitzt die Himmelssoune immer seltener hindurch, darum werden die Wolken immer dichter, darnm wird daß Wetter immer gewisser. Darum giebt es des Verzagens so viel, und der Schaffens- und Arbeitsfröhlichen so wenig, und keinen Frieden. — Hast du in dem Riesenbuche der Menschengeschlechter, der Geschichte, schon gelesen von den Völkern, die, einst hehr und herrlich und groß und allgebietend, Leichname wurden und zu Gruude gingen, eingesargt von düstern Engeln der Vergeltung — deren Grab Rasen deckt, aber keine Blume, kein schattenspendender Baum, die Mch- Königliches Amtsgericht vn. KsnglokF. hm, Tln'äiM.uüurnMiZ^".^ sie da drinnen das Herz nicht zerfressen und verbrennen. — Ja, wir dürfen wohl weinen. Dürfen auch an: Totenfest eine Thräne im Auge zerpressen im Gedanken all der Lieben, deren Leibern wir das letzte Bettchen dort drüben in dem stillen Wartesaal des Himmels bereiten dürften, im Gedanken ihrer Liebe, ihrer reichen Liebe für uns — im Gedanken ihres Träumens, Ringens, Sterbens. Aber da muß in der Thräne, wie im Regenbogen nach Wetternacht und Schrecken sich auch schon Himmelslicht brechen in einer Farbenschöne und Reinheit, die die Erde nicht mehr hat. Der letzte Todesseufzer der Sterbenden, das Finale des Lebens, der muß auch schon den ersten Ton, den ersten Akkord zur Himmels-Ouvertüre des Sieges in sich schließen. Er muß, je tiefer und reiner das Weh, umso höher, wie ein Jauchzen der Ueberwinden schon unsere Brust durch ziehen bei den Heim-Heimgekommenen, ein Heimweh selbst nach dem Ziel, dem Ziel — so wie die Mutter, die in Schmerzen und Qual sich gestaltender Natur beim Erblicken des geborenen Kindes vor Freude jauchzt. Wohl bedarf der Baum der Erde für seine Wurzeln, aber doch noch Bekanntmachung. Donnerstag, den 25. November d. ). Abends 6 Uhr Konkursverfahren. Das Konkursverfahren über das Vermögen des Fuhrwerksbesttzers und Schankwirths Franz Göpfert in Grumbach wird, nachdem der in dem Vergleichs- terinine voin 28. October 1897 angenommene Zwangsvergleich durch rechtskräftigen Beschluß vom 28. October 1897 bestätigt ist, hierdurch aufgehoben. Herzens, trat mit Blitzesschnelle vor seine Seele: — die Faust bog sich, er wollte sein schnaubendes Pferd parieren — aus dem Sattel. Doch nur ein Moment — droben die Batterie, die Batterie! Die Sporen fuhren dem Roß in die Flanke — ein wilder Satz, nnd er flog über den i Bruder hinweg. Hinan, hinan, zum Ziel! — — — Deutsches Volk! Mein deutsches Christenvolk, nicht immer gilt es im Leben auf schnaubendem Roß über dröhnendes Blachfeld zu reiten: mühsam im Sande oft -E'st und Pein, Kummer und Sorge tragend, schwerer wie der Tornister des müdesten Infanteristen, gilt es zu marschieren. Die müdeu Kameraden sinken rechts und links, erschöpft und todesmatt oder noch frisch und doch vom Tode ereilt. Ems gilt uns allen: Das Ziel, das Ziel! Das Ziel dort oben, und darum: hinan! Vorwärts auch über Gräber! Ja, wiukte das Ziel nicht dort oben im Abendsonnen- gold! Aber nun nicht wie todspeiende Feindesbatterie, sondern, wenn auch dem Erdeuauge unsichtbar, wie das Thor des geliebten Vaterhauses, um das wir ein Leben lang gerungen, von dem wir geträumt und gesungen, von dem Mütterlein dem Kinde erzählt, von dem der Jüngling geträumt, nach dem der Mann sehnend geblickt, wenn er im Sonnenbrand einmal zusammenbrach; zu dem heimweh krank und nun doch selig wie ein Kind der Greis seine Hände streckt, von dem seine welken Lippen immer tröstlich stammeln: „In meines Vaters Hanse sind viele Wohnungen . . . ." Wohl ziemt es dem Christen nicht, daß ihm die Augen übergehen, wenn rechts und links die Kameraden sinken, aber doch ist's recht menschlich, wenn das Herz im Weh sich einmal znsammenkrampft, die Seele aufzuckt, wie ein armes mitten im Fluge getroffenes Vöglein. — So recht 'veuschlich, daß ein Heiland aus greuzenloser Gottesliebe s>ir unser Geschleckt selbst weinen konnte und die Erdeu- lhräne adelte. DaMl - der treue Herrgott wird uns Vorwärts, über Gräber zum Ziel! Ein lieber Freund erzählte mir, wie er im letzten Felvs.^ . fängst HM rr nur. Alch schon die „letzte geritten"!): Eine Batterie galt es im Abendsonnengold droben am Waldesrande zu nehmen. Das Signal ertönte. — Fest im Sattel, jede Sehne straff angespannt, die Lanze fest in der Faust, brauste die Schwadron hinan. Auf dem rechten Flügel ritt sein Schwager, gerade vor ihn, sein Zwillingsbruder; beides Menschen, die ihm an's Herz gewachsen waren. Da blitzte es oben am Walde: seines Schwagers Rapp' bäumte hoch auf, er sah noch, wie — linke Schulter und Arm zerfleischt — der geliebte Mann voin Pferde sank. — Vorwärts! Weiter, weiter hinan! Rechts und links stürzten und über schlugen sich Reiter und Noß, zerschossen, zerfetzt. Und jetzt — o mein Gott! — stürzte auch sein Vordermann, sein Bruder, die Brust klaffte weit. — Ihn packte ein Weh, eine namenlose Todespein — die Gestalt seiner Mutter, die an dem Gefallenen hing init jeder Faser eines Mutter- Imlsblatt für bis Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Forstrentamt zu Tharandt. Himmels- cur die Erde fehlte: Idealismus — Glauben. -- O Vaterland! Vaterland, deutsches heißgeliebtes Volk, schon steht auch an deiner Stirne das erste Wort jener grausen Inschrift geschrieben: dlsns, msne, rekel! — Doch wir sind Christen und darum voll Muth und fröhlich, weil unser Hoffen, unser Endziel und unsere Heimath dort oben ist, wo wir wiederfinden alles — alle, alle, die Lieben, die guten Kameraden, die rechts und links hier sanken. Und wenn uns, die wir oft dem Tode ins geheim- nißvolle Auge geschaut, an den Sterbelagern Heißgeliebter den Todeskampf mit durchkosteten, als würde eine süße, mit dem Herzen tief entwurzelte Blume herausgerissen, Wurzel um Wurzel, demnach ein Bangen ankommt vor dem dunklen Thor, durch das wir alle müssen: — Deut scher, lieber Christenfreund, da laß uns das Erdenauge getrost schließen und die Hand ausstrecken im Gebet, und da wird fest und treu eine warme Heilandshand uns fassen und führen. Und Wenns da zu unsern Füßen, wenn wir den dunklen Gang wandern, auch sein möchte, als ob Schlangen und Molche züngelten und zischten, die treue Hand wird uns nicht loslassen, und wenn wir ver zagend in die Knie sinken, da — ja, glaubs nur! — Da wird uns der treue Arm heben und hindurch tragen und — nach Haus. Drum nur immer frisch und Vorwärts! Ueber Gräber zum Ziel! Bekanntmachung. Es wird hiermit zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß die Königliche Amtshauptmannschaft zu Meißen eine zehnstündige Verkaufszeit im Handelsgewerbe von 10 Uhr Vormittags bis 8 Uhr Abends an den vier letzten Sonntagen vor Weihnachten, also dem 28. dieses und dem 5., 12. und 19. nächsten Monats, genehmigt hat. Wilsdruff, den 19. November 1897. Dev Vüvgevmeistev. Bursian. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. 55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs uud Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Lorpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. Tagesgeschichte. Ein Theilnehmer an dem Diner, welches am 15. d. M. beim Grafen Posadowsky stattfand, schreibt der „N. A. Z": „Man liebt es in manchen Kreisen, den Kaiser als einen militärischen Autokraten hinzustellen, der nur seinen eigenen Gedanken und Eingebungen folgt und es in dem Gefühl seiner starken Individualität verschmäht, frentden Rath und widersprechende Ansichten zu hören. Wer den Kaiser an jenem denkwürdigen 15. November, der ein Markstein in der deutschen Wirthschafts-Geschichte bleiben dürfte, beobacktet hat, wird sich überzeugt haben, wie himmelweit die Thatsacken von dieser durch eine ge wisse Presse verbreiteten Ansicht verschieden sind. Von einer doppelten Reihe von Zuhörern umgeben, unter denen die Mitglieder des Wirthschafts-Ausschusses überwogen, unterhielt sich der Kaiser mit allen den Herren über die verschiedensten wirthschastlichen Fragen mit einer Einfach heit und Natürlichkeit, wie ein wohlinformirter liebens würdiger Privatmann im freundschaftlichen Kreise. Es wirkte geradezu überraschend, welches Maß von Fachkennt, nisten stch der Monarch durch sein reges Interesse für alle Vorgänge des öffentlichen Lebens und auch durch sein Studium auswärtiger Verhältnisse erworben hc' Der Kaiser ist eine durch und durch moderne" " ' noch kein Monarc^D^ihm hat in lick