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Montag» 27. April 1914. Nr. 9S. 9. Jahrgang. „ P,. «^7^ /luer Tageblatt MH Mzeiger Mr öas erzgebirge «Et -er wöchentlkchen Unterhaltungsbeilage: Mer Sonntagsblau. WWWZ WWW L^NSS-K Diese Nummer umfaßt 8 Seiten. Das Wichtigste vom Tage. Ter Reichskanzler von Bethmann Hollweg ist, von Korfu kommend, am Sonnalbend abend in Berlin etngetrofsen. In Kvburg-Gotyo haben der Hofkammerprästdent von Bassewitz und der Justitiar der Hofkammer, Geheimer Hofkammervat Zehß, im Zusammenhang mit der MtntsterkrtfiS ihre Entlassungs gesuche «tngereicht. * Mn BeamtenauStausch zwischen dem Reich und Elsaß-Lothringen ist in die Wege gelei tet worden. » Der ehemalige ungarische Ministerpräsi dent von Fejervarh ist, 82 Jahre alt, nach langem Leiden in Wien gestorben.*) * Am Sonntag haben in Frankreich die Neuwah len zur Deputtertenkammer stattgefun den.*) » Angesichts der neuerlichen Verschlechterung der türkisch-griechischen Beziehungen ist die Stimmung in Athen,etwaS! erregt. Dem amerikanischen General Badger ist die Meldung zugegangen, daß bet Tampico zwischen den me- xtkanischen Bundestruppen und den Re bellen ein Kamps im Gang« ist.*) orayrrrs siehe an anderer Stelle. i 7- ? - — - .. Dreißig Jahre äeutscher Aolonialpolitik. In diesen Tagen sind 30 Jahre vergangen, daß Deutschland in die Reihe der Kolonialmächte eintrat. Da mals wurde Liiderttzlandal« unter deutschem Schutz stehend erklärt und alsbald zum erstenmal« auf bisher fremdem Kontinent die deutsche Flagge gehißt. Mag un ser Kolonialbesitz auch heute noch gegenüber dem ande rer Nationen verhältnismäßig klein sein, so haben sich doch die Schutzgebiete in Len letzten Jahren in einer Weise entwickelt, daß wir durchaus zufrieden fein können. Leider muß man aber sagen, daß wir heute vteb leicht schon weiter wären, wenn bereits tn früheren Jah ren die Geneigtheit für eine zweckmäßige Entwickelung unserer Kolonien größer gewesen wäre. Man hatte an fangs für die Schutzgebiete nicht viel übrig, man be trachtete sie als ein zum Teil recht kostspieliges Anhäng sel. Selbst in maßgebenden Kreisen hat es nicht an Stimmen gefehlt, die durchaus für einen Verkauf unseres Manne. Skizze von Ada von Schmidt. ' Nachdruck »«boten Der Abschied vom Lande, von Pferden und Hunden, von unseren Kaninchen, Meerschweinchen -usto. wurde uns Kindern sehr schwer. Murle, unser wundervoller, gelbge fleckter Kater, der jeden Morgen am Derandafenster klopfte, um unserm Frühstück beizuwohnen, jagte im Staube der Chaussee unserem Magen muh. Durch das Räderrasseln hörten wir sein jämmerliches Miauen. Es zerschnitt unser Ktnderherz. Wir schrien — wir befahlen Jochen zu halten, um Mutte im Triumph tn die Stadt zu nehmen. Es bedurfte der ganzen väterlichen Autorität, um die Weiterfahrt ohne den Kater durchzusetzen. Wir schluchzten, wir flchten. Mutt« wurde sichtlich schlapper, er jappste nur noch. Wenn ein Auto gekommen wäre, würde er vor unsern Augen überfahren worden sein. Es kam letns. Der mitfühlende Bahnhofsvorsteher der kleinen Station fing das erschöpfte Tier auf, und versprach, es nach dem von uns verlassenen Gutshos tzuullchzubrinyen. Denn Katzen hängen am Haus und nicht am Menschen, erklärte Vtter. Wir glaubten ihm nicht und fanden ihn heute hartherzig. Mr durften auch keinen Hund mit nehmen. Ja, er legte sich für alle Zetten fest mit dem Ausspruch: In der Stadt wird in meinem Hau- kein Hund mrgeschafft — Vas ist für Mensch und Lier eine Plage, Dä» begriffen wir nicht. Unsere brennende Sehn sucht war ein Teckel. Mr wünschten uns zu Weihnachten und Geburtstagen nicht« andere« al» solch einen drolligen, krummbeinigen Gesellen. Man schenkte uns Plüschbären, Sametelefanten, Wollipudäl — umsonst! Wir befühlten dtäse perlüugigen, höchst wawrgttreuen Gtzßchöpf^ unter. Kolonialbesitzes eintvaten. Nur ganz langsam drang der Kolonialgedanke durch, insbesondere entschloß man sich endlich für bessere Verkehrsgelegenhetten zu sorgen und damit dem Handel neue Wege zu eröffnen. Die Früchte dieser Politik zeigen sich bereits heute. Handel und Wandel nehmen ständig zu, mit dem Erfolge, daß die Ausgaben, die wir für die einzelnen Schutzgebiete auszu wenden hatten, jetzt zum grüßten Teil wieder herein kommen. Die Kolonien erhalten sich jetzt selbst und fal len dem Mutterland« nicht mehr zur Last. ES sind ja verschiedentlich Rückschläge nicht ausgeblieben, insbeson dere hat der große Hereroaufstand Südwestafrtka erhebliche Wunden geschlagen, aber mit frischem Mut ging es wieder aufwärts. In den Kolonien sind heute au ßer zahlreichen u. zum teil recht großen Etnzelunterneh- mungen nicht weniger als 400 Gesellschaften mit einem Kapital von über 500 Millionen Mark tätig. Die Zahl der Weißen Ansiedler ist aus fast 30000 gestiegen, überall ist eine beträchtliche Zunahme von Pflanzungen und Farmenbetrieben entstanden. Der auswärtige Han del sämtlicher Schutzgebiete ist auf ungefähr 450 Millio nen Mark gestiegen, wovon der Löwenanteil mit 200 Millionen aus Ktautschou entfällt, auf Ostafrika un gefähr 83 Millionen, Südwestafrika 72 Millionen und Kamerun 60 Millionen. Wichtig für die Entwickelung Südwestafrikas ist die Diamantenschürfung, im letzten Jahre dürften bereits für über 50 Millionen Mark dieser wertvollen Waren ausgeführt worden sein. Das Eisenbahnnetz in unseren Kolonien hat eine Länge von Mer 4 000 Kilometern und nimmt ständig zu, erst vor kurzem ist die 1250 Kilometer lange ostafrika- ntsche Mittelland-Bahn bis zum Tanganjikasee fertig ge stellt worden. Dem entsprechend dehnte sich auch die Verwaltung aus, aus dem dem Auswärtigen Amte an gegliederten Kolonialamt ist ein selbständiges Reichs amt mit einem Staatssekretär an der Spitze geworden, und auch die Selbstverwaltung tn den einzelnen Schutz gebieten wurde gefördert und ausgedehnt. Gewiß sind wir von einer wirklichen Höhe noch wett entfernt, aber cs ist immerhin ein guter Anfang gemacht worden. Unsere Kolonien beginnen bereits tn unserem gesamten Wirtschaftsleben einen nicht unwesentlichen Faktor zu spielen. Möge unsere Kolonialpolttik unter geschickter Führung, deren sie sich jetzt unter Staatssekretär Solf erfreuen kann, weiter vor sich gehen, -um Wohle der gesamten Nation. Die Irage üer Meikornnnsse. (Bon unser-m Berliner - Mitarbeiter). Auf einer Tagung der Gesellschaft für innere Koloni sation hat der bekannte Volkswirt Professor Gering einen Dortrag über das Fideikommtßwesen ge halten, de: zu einer Zeit, wo dem preußischen Herrenhause ein Gesetzentwurf Mer das Fideikommißrecht vorkiegt, ein erhöhtes Interesse beanspruchen darf. Professor Gering ist kein grundsätzlicher Gegner der Fideikommisse, -wie manche Liberale, die in der Unteilbarkeit und Unbeleihbarkett des Achten mir Interesse, womitste Müllt waren, und schoben das kaputte Zeug dann achtlos beiseite. Da zog ein Ehepaar in -unser Haus. Es hatte keine Kinder, aber einen wunderbaren schwarzen Dachshund mit braunen Flecken Wer den Augen. Eigentlich waren gerade Helle, wie mit schwedischem Leder Überzogene Teckel Mode, aber Mr uns war von nun an dieser der Inbegriff «ine» Jdealhundes. Leider kümmert« er sich nicht um uns, Beachtete unsere mit Zucker und Wurstpellen unterstützten Annäherungsversuche nicht. Er wurde von ^seiner Herr schaft verwöhnt, bekam alle», was er brauchte. Wie ein Aal entglitt er mit seinem geschmeidigen, glänzend ^schwarzen Leibe unseren greifenden Kinderhänden, und so verfressen er im Grunde war, er nahm doch nichts von uns. Er war «tn vornehmer, von seinem Geschick voll befriedigter Hund — und unsere Liebe zu ihm unglücklich. Die junge Frau besonders tat sehr schön mit ihm, wie mit einem Kindes und Männe ließ sich da» gern gefallen. Er schwän zelte, dehnte und reckte sich, gähnte furchtbar und jaulte. War sie mal ohne ihn fort gewesen, so führte er ein« über wältigende Begrühungsszene auf. Gr heulte, kläffte, raunzte mit schier uniridschen Tönen. Sprang oierzigmal hintereinander an ihr hoch und raste dann, krumm wie «in FiedelLogen, und wie unsinnig um sts herum. Frau chen tätschelte ihn und lächelte geschmeichelt. Rein wie wir Kinder sie glühend beneideten I Wir lockten ihn hinaus in unser Spielzimmer — umsonst. Gr rührte sich nicht von Frauchen« «der Herrchen« Fersen. Gr war so artig, daß man ihn kaum mehr Mr echt ansprechen konnte, ab« es war eben sein freier Teckelwtllr, so zu isetn. Bat« gebot Übrigen«: Daß mir da» schwarze Bäh, diese «lud wurst mit Beinen, nicht etwa in unser« Wohnung kommt I Blutwurst mit Beinen! Mr waren sp-achlo». Männe, dieser goldigste aller Teckel. Ein bißchen dicklich mar « Bodens unerträgliche Hindernisse des freien Güterverkehr«« «Micken. So hat der deutsche Reichstag vor Jahresfrist am 2. Aprtt 1913, einen Antrag-AS laß angenommen, der die Regierung zur Einbringung eines Reichsgesetzes gegen dis Fideikommisse aufforderte. Neuerrichtung und Erweiterung von Familien-FideÄommissen sollen verboten, die Auslösung bestehender befördert werden. Es ist ja nun kein Gedanke daran, dah der Bundes rat diesem noch dazu mit winziger Mehrheit angenom menen Anträge Folge geben könnt«. Das Einführungs gesetz zum B. G.-B. behätt ausdrücklich die einschlägig« Ee- setzgebung den Bundesstaaten vor. Der Zentrumsführer Spahn hat in jener Debatte des 2. Apriil 1913 auch keinen Zweifel an der festen Absicht seiner Fncktton ge lassen, jede Ausdehnung der Reichsckompetenz auf dieses Ge biet aLzuwehren. Der mittlerweile beim Herrenhause ein gebrachte und von seinem Ausschüsse bereits durchberatene preußisch« Gösetzenüwurs tritt nun allerdings außer ordentlich vorsichtig an dr« Uebelstände der bisherigen Rechtsordnung heran, die in jener Reichstagssitzung sogar von einem bürgerlichen Konservativ on (Dietrich) anerkannt wurden. Manche Bestimmungen erscheinen von einem gewissen Standpunkte aus sogar als Rücktritte: so die quantitative Beschränkung des sideikommitzfähiigen Be sitzers auch nach unten hin: 300 Hektar Mindsstflächs und 10 000 F Reinertrag sollen künftig die Voraussetzung der vorgeschriebenen königlichen Genehmigung für fideikommis sarische Neubildungen sein. Zurzeit aber fallen (rück wirkend« Kraft hat das neue Gesetz natürlich nicht) von 1277 nicht weniger denn 126, also genau V»«> auf di« Größenklasse unter 100! Den Neugründungen soll also em grotzwtrtschastlicher, man möchte sagen ein arstiokratischer Tharakter gewahrt werden. Nach oben hin ist vor allem vorgeschrieben, daß in solchen Kreisen, in denen bereits 10A der landwirtschaftlich genutzten Wich« gebunden find, eine weitere Ftdettommiß-Btldung -u untttchleiben hat. Das gilt also zunächst den an der Spitze der Liste marschierenden Kreisen Pletz, Ools, Plön, WMitsch, Tarno- witz und Stegen »on 41HÄ> bi» zu 53 aufwärts, wird aber weiterhin noch zahlreich« andere Kreise treffen, da die Gesamtsumme des gebundenen Bodens tn Preußen (fast 2i/» Millionen Hektar!) gegenwärtig volle 7A ausmacht. Ob dieses Verhältnis noch kein übermäßiges gewannt werden darf, wie es in den Motiven heißt, darüber mögen die Meinungen auseinandergchen. Bedenklicher als die 77L der Gesamtfläche erscheinen die 4,9A> der gebundenen landwirtschaftlich genutzten. Denn die Vorteile der Fidei- komm'Hform für die Aufforstung finden weniger geteilte Anerkennungen. Auch Professor Sering hat in dom er wähnten Vortrag« auf diese Seite den Hauptnachdruck ge legt. Von Reubindungen landwirtschaftlicher Boden nutzungen dagegen will er durchaus nichts wissen. Ihrs Hauptspitze richtete aber die Seringsche Rede gegen die Fideikommißgründungen der Finanzaristokratle. Sie verwarf es grundsätzlich, neue Latifundien auf den Reichtum allein zu gründen. Dieser Einseitigkeit trat nun allerdings der Eegenreferent, Freiherr v. Reibnitz (Landvat von Falkenberg) entgegen, der im Gegenteile letzthin geworden — sein unendlich langes Bäuchel hing ihm so tief, daß nicht Men eine Schmutzkruste daran war. Aber trotzdem! Man sagt, Tiere merken, wer sie mag und wer nicht, nur Männe scheinbar nicht, obwohl wir ihn sonst Mr un gemein klug hielten; aber der einzige Mensch, außer seinen Leuten, den er beachtete, war Vater, und gerade der wollte ihm doch nicht wohl. Wenn Vater kam, knurrte er nie. Neuerdings wedelte er mit seinem geraden, urechten Schwanz in gemessener Meise und strich ab und an mit seiner Nase um Paters Hosenbeins. Und mit Efftaunen bmertten wir, daß dieser — obwohl er außerordentlich auf Sauberkeit hielt — nicht darüber entrüstet war. Gan, allmählich, wir Kinder merkten es kaum, ging in unserem Haus« eine Veränderung vor. Männe war unten bei seiner Herrschaft nicht mehr absolute Hauptperson. E, geschah, daß man ihn — wenn er einen Begrüßungstanz aufMhrend, an Frauchen hochsprang — zur Ruhe verwies. Das war noch nie vorgekommen! Mit eingezogeirrm Schwan- ttollte er sich in sein Hüttchen, drehte sich be leidigt um sich selbst und verschlief fein« Kränkung aus bündig. Aber diese ungerecht« Behandlung man haft« ihn immer zu diesen Freudenbezeugunyen ermuntert — trat jetzt häufig ein. Der arm« Männe, « empfand das tief. Er fühlte sich vernachlässigt, unglücklich. DieMnnig saß er auf den Stufen der Haustür und ließ dt« Ohren hängen. Ja, wir Kinder beschworen « —' «r hatte Tränen in den Augen. Gr fiel ab, wurd« zusehend, schlanker. Wir regten um» namenlos auf, Mim« «Ard« sterben. Eine» schönen Tag«, wir strichen ihn rot im iKalender an, fanden wir Männe, al, wir au» der Schul» kamen, auf der Strohmatte vor unser« Mr. Er geruht« pt wedeln. Er lieh sich von un, anMssmr. Wr WM» »—