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MsdmfferFageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Wilsdruff-DreSden Nr. 269 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt* Pvstlcheck: Dresden 2640 Donnerstag, den 17. November 1932 werden nach Möglichteil Fernsprecher: Amt Wilsdnnkk cn* n läge und Platznorlchristen annadmcbiLnorm.ioUhr. — -er». «UI, «»»sorun ^lr. I) berScksichligi. Anzeigen. ,^»eini an allen Werktagen nachmittags s Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— AM. Einzelnummern 10 «p„. «F Postaus :rm-n':u i-°d^i.^.' Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Nng»^».ig.°.- Z- d^^r - E-""dun° Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauvtmannschatt Meiken des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Im Hintergrund Versailles. Ein bißchen länger als erwartet hat die Fertig stellung des französischen „klsu oougtruotü*. also des Ab- rüstungs- und Sicherhettsplanes, gedauert; in zwischen ist aber seit den ersten Andeutungen über seine« Inhalt und sein Ziel daran kaum eine Änderung ein- getreten. Blieben doch die „taktischen*, besser gesagt, di« politischen Angelpunkte dieselben; auf der einen Seit« der Hoover-Plan, dessen ziemlich weitgehende Vorschlag« heute in stärkster Verbindung mit dem Kriegsschulden problem stehen, auf der anderen Seite die recht be merkenswert! Tatsache, daß England mit einem eigenen Gegenplan immer noch nicht fertig geworden ist und der Außenminister „Zwar-aber*-Reden hält. Anders ge worden ist schließlich auch nicht Deutschlands Haltung in der ganzen Abrüstungs- und Gleichberechtigungsfrage, allerdings auch nicht der scharfe Widerspruch der anderen gegen die Schaffung einer größeren militärischen Sicher- heil für Deutschland. Nach wie vor liegt also in Herriots überbetriebsamen Händen die ganze Initiative in dei Abrüstungsfrage, wobei leider noch hinzuzufügen ist, daß die anderen über die bestenfalls theoretische Anerkennung unserer Gleichberechtigung praktisch nicht hinausgekommen sind; von der „Viermächtekonferenz* redet heute kein Mensch mehr, und der amerikanische Sondergesandte Norman Davis ist zwar in London und Paris zu langen Verhandlungen gewesen, hat aber den Weg nach Berlin nicht gefunden. . Daher ist Herriots neuer Plan vom deutschen Stand punkt aus vorerst zu prüfen, ob er theoretisch, zum minde sten willensgemäß die Gleichberechtigung für Deutschland herbeizuführen vermag. Theoretisch sicherlich nicht, denn Herriot hält es für zweckmäßig, noch einmal den absolut ablehnenden Standpunkt zu vertreten, auf den er seit dem Juli gegenüber den deutschen Rechtsansprüchen gestanden hat; auch jetzt wieder deutet er darauf hin, daß Deutsch lands Forderungen eine Aufrüstung herbeiführen wollten. Und wieder bezeichnet er sie als „ein Problem, das vor der Abrüstungskonferenz zur Verhandlung stehe*. Das mag sein; aber Deutschland wird seinerseits auf dem ebenso lange gegen alle Welt verteidigten Standpunkt verharren, vor einer ausdrücklichen Anerkennung unseres Rechts aus Gleichberechtigung nicht wieder an der Abrüstungskonfe- renz teilzunehmen. FranzösischerseitS wird ja nun erklärt, man werde sich diesem deutschen Anspruch nähern durch allmähliche Aus- gleichung des Rüstungsstandes der einzelnen Staaten. Ge rade aber in dieser „praktischen* Hinsicht öffnen sich damit sofort zahllose Fragen militärischer Art und bleiben offen, bis jene „Egalisierung* erreicht worden ist, — und das kann sehr, sehr lange dauern, da der französische Plan eine wirklich weitgehende Abrüstung gar nicht in Vorschlag bringt, nicht einmal die der ausgesprochenen Angriffs waffen. Was wird aus der Marine, was aus den I Kolonialstreitkräften? Das zu fragen ist um so not wendiger, als aus der Verbindung des militärischen Rüstungs- mit dem Sicherungsproblem sich auch eine Un zahl von weiteren Fragen erhebt. Die im französischen Plan vorgesehene „Völkerbund- armee* erinnert ein bißchen an die weiland Hochberühmte „Reichsarmee* des früheren Deutschland, mit der nicht bloß ein Friedrich der Große, sondern hundert Jahre später sogar das kleine Dänemark leicht fertig wurden. Ob diese sicherlich nicht „eilende*, sondern ebenso „elende* Völkerbundarmee rechtzeitig vor einem Überfall mit modernem Kriegsmaterial schützen oder uns verteidigen kann, wenn z. B. der Völkerbund eine Exekution gegen Sowjetrußland beschließt und wir dabei mitmachen, zum mindesten Unterstützung gewähren, auf alle Fälle aber auf die Seite des Völkerbundes gegen Rußland treten müßten! darauf ist hier besonders hingewiesen worden, und Zwar deswegen, weil es sich dabei um den vor Deutsch lands Eintritt in den Völkerbund ausgearbeiteten Artikel 16 der Volkerbundakte handelt. Damals war französischer Ministerpräsident kein anderer als— HerrHerriotl Angenommen aber hat Deutschland diesen „General- Pakt* bisher nicht, gerade aus den oben angedeuteten Bedenken heraus. Jetzt soll dieselbe Geschichte hintenherum über die allgemeine Schiedsgerichtsverpflichtung herein bugsiert werden, wobei „vorkommenden Falles* der Völkerbundrat nicht wie bisher vorgesehen mit Stimmen gleichheit, sondern nur mit Stimmenmehrheit seine Ent scheidung fällt, jedes Mitglied des Paktes aber Hilfe für die Exekution zu leisten hat. Und der frühere Vor schlag Tardieus auf „Internationalisierung der Luftfahrt* wird von Herriot jetzt auch wieder verlangt, obwohl er genau weiß, daß Deutschland sich darauf weder einlassen kann noch einlassen wird. Zum Schluß wird aber noch eine genaue Kontrolle internationaler Art darüber gefordert, daß bei der etappen weisen Durchführung, der „Übergangszeit* des Herriot- Planes, nicht etwa irgendwo eine Erhöhung der Streit- kräfte oder Heeresausgaben erfolge. Hier kommt wieder zum Vorschein, daß die etwaige „Anerkennung* unseres Anspruches auf Gleichberechtigung und Sicherheit lediglich und bestenfalls mit dem Zeitpunkt zusammenfallen würde, ay dem der Plan bis zum letzten I-Tüpfelchen durchgcführi MW HsGWUg in Berlin. Oer Kanzler fährt nicht nach Güddeutfchland. Das Ergebnis der Besprechungen mit den Parteiführern. — Absage des Zen- trums und der Bayerischen Volkspartei. Amtlich wird mitgeteilt: „Der Reichskanzler hat sich veranlaßt gesehen, die von ihm geplanten Besuche in Stuttgart, Karlsruhe und Darmstadt abzusagen, da er nach dem Ergebnis der Parteiführer- besprechungen am Mittwoch es für richtiger hält, eine Klärung der politischen Lage abzuwarten." Zu dieser amtlichen Meldung verlautet von unter richteter Seite weiter, daß die Besprechungen des Kanzlers mit den Parteiführern des Zentrums, der Bayerischen Volkspartci und der Deutschen Volkspartei ergeben haben, daß Zentrum und Bayerische Volkspartei unter den ob waltenden Umständen keine Möglichkeit für ihre Beteiligung an der Bildung einer nationalen Konzentra- tion sehen, während der Parteiführer der Deutschen Volks partei, Dingcldey, dem Reichskanzler seine Mitarbeit zugcsagt hat. Bei den Besprechungen mit den Herren Kaas, Joos, Schäffer und Dingcldey hat der Reichs kanzler im übrigen — erneut — betont, daßPersonen- fragen kein Hindernis bedeuten würden. An die Nationalsozialiften ist bekanntlich seinerzeit ebenso wie an die anderen Parteien eine Ein ladung zu einer Besprechung mit dem Reichskanzler er gangen, doch liegt bisher noch keine Antwort vor. Sitzung des Reichskabinetts. Der Reichskanzler hat die Mitglieder des Reichs- kabinetts für Donnerstag vormittag zu einer Sitzung zusammenberufen, in der die nach den Besprechungen mit den Parteiführern entstandene Lage besprochen wird. Es ist anzunehmen, daß in dieser Sitzung Beschlüsse gefaßt werden, die für die weitere innenpolitische Ent wicklung von Bedeutung sind. Ob der Reichskanzler bereits am Donnerstagnachmittag dem Reichsprä sidenten über die Verhandlungen mit den Partei- sührern Bericht erstatten wird, steht noch nicht fest. * Sie Verhandlungen de- Reichskanzlers. Die Parteiführer bei Papen. Reichskanzler von Papen ist am Dienstag wieder in Berlin eingetroffen, nachdem er auf der Rückreise von Dresden politische Freunde in der Nähe von Halle aus gesucht hat. Für den Mittwoch waren wieder verschiedene politische Empfänge vorgesehen, so die der Zentrums- Vertreter Kaas und Joos, des Volksparteilers Dingelveh und des bayerischen Volksparteilers Schäffer. Am Don nerstag sollen dann die Vertreter der Sozialdemokratie und der Nationalsozialisten folgen. In der Nationalsozialistischen Korrespondenz be schäftigt sich Gregor Strasser mit der politischen Lage. Er schreibt hierzu u. a.r „Das Gebot der Stunde sei, die nationalsozialistische Bewegung in den Staat einzubauen und ihr die Führung des Volkes zu übergeben, damir sie sich bewähre oder beim Versagen zugrunde gehe. Welch' eine unerhörte Symbolik und Kraft läge darin, wenn der Reichspräsident die Brücke schlüge zum nationalsozialisti schen Deutschland der Zukunft. Das Gebot der Stunde heiße: Mit außerordentlich starken aufbauwilligen Kräften des Nationalsozialismus in die Staatsführung ein zugreifen.* In politischen Kreisen wird übrigens damit gerechnet, daß nach Beendigung der Besprechung mit dem Reichs kanzler Reichspräsident von Hindenburg selbst in die Ver handlungen eingreifen werde. Es ist nicht ausgeschlossen, daß der Reichspräsident selbst, nachdem ihm der Kanzler Vortrag über seine Besprechungen gehalten hat, auch seinerseits die Parteiführer empfangen wird. Aus München kommt die Nachricht, daß dort die Ver handlungen zwischen Nationalsozialisten und Vertretern der Bayerischen Volkspartei zur Bildung einer Re gierungskoalition in Bayern weit fortgeschritten sein sollen. Es wird darauf hingewiesen, daß nach Bildung einer solchen Regierungskoalition beide Parteien im Bayerischen Landtag über eine Zweidrittelmehrheit ver fügen. Auf diese Weise ließe sich auch der alte Wunsch der Bäuerischen Volkspartei zur Schaffung eines bäuerischen i st. Aber selbst dann müßte er von vornherein um vieles radikaler angelegt sein! Selbst dann aber ist dem eigent- lichen, nämlich dem rechtlich-politischen, dem — sittlichen Sinn unseres Anspruchs auf Gleichberechtigung mit den anderen nicht Genüge geschehen bleibt vielmehr der un moralische, uns verdammende Ungeist von Versailles im Hintergrund erhalten. Staatspräsidenten auf ganz verfassungsmäßige Weise ver wirklichen, falls die Nationalsozialisten hierbei mitmachen würden. -i- Oer Glan-punkt -es Jenirums. Die Besprechungen des Kanzlers mit Dr. Kaas und FooS. Über den Parteiführerempfang beim Reichskanzler wird noch folgendes bekannt: Zuerst wurden als Führer des Zentrums die Abgeordneten Prälat Dr. Kaas und Joos vom Kanzler empfangen. Die Unterredung, dir ungefähr 40 Minuten währte, fand in Gegenwart des Staatssekretärs Planck statt. Die Besprechungen selbst waren vertraulicher Natur, doch geht man wohl in der Annahme nicht fehl, daß die beiden Zcntrumsführcr nochmals in aller Deutlichkeit und Schärfe zum Ausdruck gebracht haben, daß das Zentrum die Art der jetzigen Führung ab lehnen müsse. Da gegen wurde von feiten des Zentrums nochmals der Ge danke der Not und Arbeitsgemeinschaft stark unterstrichen und ferner in den Vordergrund gestellt, daß das Zentrum an der Herstellung einer solchen Notgemein schaft zur Zusammenfassung aller arbeitswilligen Kräfte positiv sich betätigt. Nur auf diesem Wege hält man in führenden Zen trumskreisen eine organische Weiterentwicklung unseres politischen Lebens sür möglich und die für den Ausstieg der deutschen Wirtschast notwendige innere Beruhigung für gegeben. -i- Oie Haliung -er NGOAP. Der Reichspressechef der NSDAP., Dr. Otto Dietrich, veröffentlicht in der in München erscheinender« Nationalsozialistischen Korrespondenz einen Artikel mit der Überschrift: „Präsidialregierung und Verantwortlich keit*. Darin heißt es nach einem Hinweis auf die Pläne des Kanzlers u. a., wenn der Reichspräsident sich nicht von dem verhängnisvollen Rezept Papens distanziere, dann werde ihn die Dynamik des Geschehens in eine historische Verantwortung hineinziehen, die jeder gute Deutsche dem Generalfeldmarschall ersparen möchte. Es sei nicht Sache der Nationalsozialisten, einer solch tief be dauerlichen Entwicklung heute Einhalt zu tun. Schon die nächsten Tage würden die politische Kampfkraft der nationalsozialistischen Bewegung erneut unter Beweis stellen. Man werde sehen, was die anderen den national sozialistischen Angriffen noch entgegenzusetzen haben. Vielleicht hätten sie inzwischen gelernt, daß zu faulen Kompromissen auf Kosten der Nationalsozialisten heute noch weniger die Zeit sei als am 13. August. Das deutsche Polk aber werde erkennen, daß ihm nicht das falschver standene Idol einer Präsidialregierung helfen könne, son dern daß allein die nationalsozialistische Bewegung das Schicksal Deutschlands in den Händen hatte. * Keine Teilnahme Papens an der Brückeneinweihung in Mannheim. Da Reichskanzler von Papen seine offiziellen Besuche in Stuttgart, Karlsruhe und Darmstadt abgesagt hat, um die innenpolitische Entwicklung abzuwarten, ist auch die Zusage des Kanzlers an den Feierlichkeiten anläßlich der Einweihung der neuen Rheinbrücke bei Mann heim teilzunehmen, rückgängig gemacht worden. * Nationalsozialisten wie-er im Bayerischen Lan-iag. Konflikt mit dem L a n d t a g s p r L si d en t e n b e i g e l e g t. In Bayern werden jetzt die Nationalsozialisten zu den Landtagssitzungen wieder zu gelassen, nachdem am 17. Juni ihr Ausschluß für zwanzig Vollsitzungen ausgesprochen worden war. In einer Ältestenratssitzung des Bayerischen Landtages betonte Präsident Dr. Stang, daß die politische und wirtschaftliche Lage dringend eine Zusammenfassung aller Kräfte zu fruchtbringender Arbeit verlange. Sein Vorgehen am 17. Juni sei korrekt und durch die Geschäftsordnung zwangsläufig bestimmt gewesen, es sei aber jetzt angezeigt, einen Strich unterdie Sache zu machen, wenn die Nationalsozialisten die noch schwe bende Klage beim Staatsgerichtshof zurückziehen. Der Geschäftsordnungsausschutz solle die Frage des Uniform tragens im Sitzungssaal grundsätzlich klären. In der Aussprache erklärten sich die Nationalsozialisten bereit, ihre Klage beim Staatsgerichtshos zurückzuziehen, wenn sie ihre Mandate wieder ausüben könnten. Sie verlangten die grundsätzliche Klärung der Frage, ob künftig Partei- uniformen im Sitzungssaal zugelasscn seien.