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Ireitag» äen 29. November 1929 fluer Tageblatt LW-- /lnzeiger M -as Erzgebirge Lasi»la« Enthalten- -le amtllchen Bekanntmachungen -es Nates Ser Staüt UN- -es Amtsgerichts Nue. postlch»ck.«»nt»r Nm« «PS«» a«.ieee Nr. 277 Freitag» äen 29. November 1929 24. Jahrgang Reichsbahn unä Houngplan Dürftige Perhanbfimgsepgebntsse Völkerbund und China Stach der Beendigung der Pariser Verhandlungen de» ReichSbahn-UnterauSschusseS haben die deutschen UnrerhSndler in der vorigen Woche den Entwurf de» neuen Reichsbahngesetzes, wie er in wvchenlangen ML- Yen in Pari» fertiggestellt worden ist, nach Berlin gebracht, und e» erhebt sich nunmchr die Frage, ob da» erzielte Ergebnis den notwendigerweise von Deutsch? land zu stellenden Forderungen entspricht, oder ob sich da» deutsche Bolt auch in dieser Beziehung auf eine Enttäuschung gefaßt Machen mutz. Bekanntlich hatte da» ReichSverkehrSmtntsterium im Einverständnis mit der Reichsregierung den deutschen Unterhändlern den Auftrag erteilt, gemäß dem Programm des verstorbe nen ReichSautzenministerS Stresemann in Paris für eine Verstärkung der deutschen Hoheitsrechte zu wirken. Ta bei waren die geltend gemachten Forderungen von allem Anfang an außerordentlich bescheiden, da nach den bekannten Zugeständnissen des Schacht-Briefes mit irgendwelchen weitergehenden Konzessionen der Gegen seite um so weniger zu rechnen war, als hereits das Haager Auftreten des Eisenbahn-Kommissars Leverve die deutschen Hoffnungen sehr herabgestimmt hatte. Infolgedessen hatte man sich auf deutscher Seite damit begnügt, neben den durch den Aoung-Plan an sich notwendig werdenden Aenderungen nur eine schmale Erweiterung der Aufsichts- und Auskunftsrechte der ReichSregierung zu verlangen. So sollte u. a. der Grundsatz seine gesetzliche Verankerung finden, daß die Verwaltung der deutschen Eisenbahnen „entsprechend den Anforderungen des Verkehrs und der deutschen Volkswirtschaft" zu erfolgen habe. Damit dieser Grund satz aber nicht etwa nur auf deM Papier stehen bliebe, war dann weiter noch verlangt worden, daß der Relchs- verkehrsmtnisier das Recht haben sollte, selbst oder durch Beauftragte das gesamte Eisenbahnnetz in allen feinen Anlagen und Dienststellen zu beaufsichtigen, sowie an den Verhandlungen des BerwaltungSrateS und seiner Ausschüsse teilzunehmen. Im RcchMen der Gesell- schastSsatzung war schließlich noch verlangt worden, daß der Generaldirektor nicht ohne Fühlung mit der Reichs regierung ernannt werden dürfe, und datz er — falls die ReichSregierung eine Verletzung der Gesellschafts satzung (nicht etwa de» Gesetze») durch den Generali» dtrektor für gegeben halte, dieser vom Verwaltungs rat auf Antrag der Regierung mit einfacher Stimmen mehrheit entlassen werden könne. Soweit im wesentlichen gingen die deutschen For derungen, von denen Man keineswegs den Eindruck ge winnt, datz sie in Verkennung der tatsächlichen Macht verhältnisse irgendwie übertrieben wären. Und doch ist um diese bescheidenen Grundsätze nicht nur wochen lang gerungen worden, sondern wiederholt hatte man sich in Paris so sestgefahren, datz mit einem Abbruch der Verhandlungen gerechnet werden mutzte. Und schließlich ist das Ergebnis, das unsere Unterhändler nach Hause gebracht haben, mager genug geworden. Um nur das Eine zu nennen: dem Reichsverkehrsminister ist eine Teilnahme an den Verhandlungen des Ver waltungsrates nicht zugestanden worden. Nur ein stän diger Beauftragter, der also gegebenenfalls nicht ge gen geeignete Fachleute ausgetauscht werden kann, darf an diesen Verhandlungen teilnchmen, wobei ihm zu allem Ueberflutz noch eine weitgehende Schweigepflicht auferlegt worden ist. Tvtz die Reparationsgläubiger sich nur zu einem so dürftigen Zugeständnis haben be reit finden lassen läßt deutlich erkennen, wie sehr man auf der Gegenseite bestrebt ist, eine wirkliche Reichs kontrolle zu verhindern. Diese» Bestreben dürfte auch sonst zu nur mangelhaften Zugeständnissen an die deut» schon Forderungen geführt haben. Dabei habe« sich Pie Verhältnisse bet der Deut schen Reichsbahn inzwischen in bedenklicher Weise zu gespitzt. Man wird leider trotzdem nicht damit rech nen können, daß ernstlich Wandel geschaffen wird, da fast alle Voraussetzungen dafür fehlen. Nun Netze sich zwar innenpolitisch eine Erleichterung der nicht mehr zu v erantwortenden Anspannung der RetchSbahnfinan- zen dadurch erreichen, datz der Anfall! der heutigen Be- fürderungSsteuer von rund SSL Millionen RM der Reichsbahn entweder ganz oder doch zum grüßten Teil verbleibt, um dieser di« Allgemeinheit bedrohenden Verkümmerung der Reichsbahnanlagen endlich Einhalt tun zu können, aber die ReichSregierung wird unmög lich darauf verzichten können, wenigsten» über die zweck» mäßige Anwendung dieser Mittel eine ausreichende Kontrolle zu haben. Soweit dem da« Pariser Ergebnis entgegenstehen sollte, dürste e« unabweisbare Pflicht der ReichSregierung sein, auf der bevorstehenden zwei» ten Haager Konferenz für die entsprechende Korrektur SM sMPM Erstaunlicher Frontwechsel im «Inner» Ehtnas — Die deutsche Dermlttlungsaktion vom 14. November — Nanking appelliert an den Genfer Völkerbund — Die Anrufung der Kelloggpaktmächt« An den letzten 14 Tagen vollzog sich an der inneren Front Chinas ein erstaunlicher Wechsel. Die Kvuminchün- Arinee Feng Nu-ßlcmgs zog sich nach West-Hvnan zurück und überließ di« befestigte Stadt Loyang ohne Schwertstreich den vordringenden nationalen Armeen Tschiang Kai-sheks. Nach un widersprochenen Meldungen erfolgte die Besetzung Loyangs nach Mündlichen Verhandlungen zwischen den Vertretern Feng Uu- ßiangs und Tschiang Kai-sheks. Der chinesische Generalissimus zahlte an den aufständischen General Feng Vu-ßiang eine nam- hafte Summe, so daß dieser den rückständigen Sold an seine Offi ziere und Mannschaften ausbezahlen konnte. Fast gleichzeitig stellte der Führer der Südchineslschen Re bellen Chang Fat-Kwa! seine Operationen gegen Kanton ein und veranlaßte auch die ihm befreundeten Kwangsi-Führer, den Vormarsch gegen die Kanton-Truppen, die der nationalen Regierung Nankings ergeben sind, eingustellen. Dm Schlüssel der Lage hält indessen der Müstertuchun von Shansi, Den Shi- shan, in Händen, der in seiner Hauptstadt Taivanfu sich zu rückhielt und durch seine Handlungen' und Unterlassungen den übrigen chinesischen Generälen eine beachtenswerte Vorlesung über höhere chinesische Diplomatie hielt. Nicht umsonst! Die nationale Regierung Chinas entfaltet nämlich jetzt eine diplomatische Offensive gegen Sowsetrußland, wie sie bisher noch nicht erlebt wurde. Alle Welt weiß, baß die Sowjet russen ihren Vorstoß über die russisch-chinesische Grenze in die Mandschurei hinein damit begründen, baß Weißgardisten und chinesische Nationalisten immer wieder die Grenzen beunruhigten und Vorstöße auf russisches Hoheitsgebiet unternähmen. Die sowsetrussische Funkstation in Harbarowsk verbreitete dieser Tage sogar die Nachricht, bah die Chinesen versuchen würden, Wladiwostök und Chita zu nehmen, zwei russische Städte, von denen die eine 50 und die andere 250 Meilen von der mandschu rischen Grenze entfernt ist. Der ganzen Bearbeitung der öffentlichen Weltmeinung durch die Sowjetrusien ist die nationale Regierung Nankings durch eine Note entgegengetreten, die durch Vermittlung der deutschen Botschaft in Moskau am 14. November ds. 6s. der Sowjet regierung überreicht wurde. Die chinesische Regierung bietet in dieser Note den Beweis dafür an, und -war durch neutrale Augenzeugen, datz dir Nutzen ohne Irgendwelche chinesische oder anderweitige Herausforderung auf chinesisches Gebiet vorstietzen: am 14., 16. und 17. August bei Tungning, am 18. August und 4. und 8. September be! Lhülainor, am 29. September in Sui- yuan, am 1. und 2. Oktober in ManchUli und am 12. Oktober in Tungkiang. Gleichzeitig schlägt sie der Sowjetregierung die Schaffung einer gemischten Kommission vor, die diese Vorfälle untersuchen soll. Schließlich wird angeregt, daß beide Parteien ihre Truppen auf eine Entfernung von 30 englischen Meilen von der Grenze zurückziehen und den gesamten Streitfall zwecks Schlichtung «üner neutra lenun b-unparteiisch en Stelle unterbreiten. Die Antwort Söwjetrutzlands auf diese Note steht noch aus. Dagegen sind die russischen Streitkräfte unter Führung Ge neral „Blüchers" an der chinesischen Ostbahn weiter aus Lharbi» vorgedrungen. Dies veranlaßte die nationale Regierung China» zu einem Appell an den Genfer Völkerbund. Be reits am Dienstagabend lies in Genf eine Depesche aus Nanking eln, die diesen Appell ankündigte. Darüber herrschte la Völker- bundskreisen große Bestürzung und eine nicht minder große Verlegenheit. Diese ist umso größer, als die angekünbigte Note noch nicht einlkes, so daß man in Gens nicht weiß, ob China als Vvlkerbundsmacht wirklich den Artikel 17 des Völkerbunds paktes anrust oder ganz allgemein sich an den Völkerbund wendet. Rust China den Völkerbund unter Hinweis aus den 17. Artikel des VölkevbundspMes an, dann muß der Völkerbunds rat in kürzester Frist zusammentreten, um Sowjetrußlanb „unter den von ihm für gerecht erachteten Bedingungen" auszusordvrn, sich den Bestimmungen des Völkerbundspaktes für die Regelung von Streitigkeiten (Artikel 12 bis 16) zu unterwerfen. Kommt dann Sowjet rußlaich der Aufforderung de, Völkerbund rat» nicht nach und führt trotzdem in der Mandschurei weiter Krieg, dann droht Sowjetrußland der 16. Artikel des Völkerbundaveriratz» mit seinen entsetzlichen Folgerungen, der stnqnzleüea und wirt schaftlichen Blockade und schliefsiich gajr ein« internationalen mili tärischen Aktion. Sn Genfer VMerbunbskreisen hofft man indessen, daß dies« äußersten Konsequenzen verhindert werben, da China nicht nur an den Genfer Volkerbüüb appellierte, sondern durch seine diplo matischen Vertretungen in der ganzen Welt bei allen Mächten, die den Kelloggpakt unterzeichneten, versprechen ließ, und diese Mächte aufforderte, ein weiteres Vordringen der ruWchen Streit kräfte zu oerhindem, um Sowsetrußland für die vorb « dacht« Verletzung des Kellogg Paktes zu bestraf«». Don diesem diplomatischen Schritt werben die Vereinigten Staaten Nordamerikas unmittelbar berührt. Staatssekretär Stimson bat im Juni ds. Is. bereits eine Dermittlungsaktion eingeleitet, di« aber nicht zur Durchführung gelangte, »veil Japan und England bremsten. Japan ist auch heute noch der gleichen Auffassung wie damals, doch scheint jetzt England für eine Dermittlungsaktion günstig gestimmt zu fein. Japan lehnt eine Dermittlungsaktkon unter amerikanischer Führung grundsätzlich ab, weil es dadurch eine gewaltige Erhöhung des amerikanischen Prestiges km Ferne» Osten auf seine Kosten befürchtet. Deshalb ist es schon eher für die Fortsetzung der deutschen DermittlungsaWon zu haben. Di« immer man auch die Lage betrachten mag, die schweren Gefahren sind unverkennbar, bi« der russisch - chinesische Konflikt in seiner gegenwärtigen Entwicklung in sich birgt. Preußlsih-thürkngksche Besprechungen Der Amtliche Preußische Pressedienst meldet: Zwischen der preußischen und der thüringischen Staalsregiemng fanden im preußischen Staatsministerium unter dem Vorsitz des Minister präsidenten Braun und in Anwesenheit der- beteiligten preußischen und thüringischen Minister Verhandlungen über die Frage statt, wie durch Bildung von Verwaltungsgemeinschasten «ine Verein fachung der Staatsverwaltung unter besonderer Berücksichtigung von Lrsparnismöglichkeitm herbeigeführt werden könne. Es wurde festgestellt, daß es «ine Reihe von Sachgebieten gibt, aus denen di« Bildung solcher Verwaltungsgemeinschasten möglich ist und daß es wünschenswert sei, in gemeinsamer Arbeit geeignete Pläne aufzustellen. Die Verhandlungen sollen in w«iteren Be ratungen durch Beauftragt« mit dem Ziel fortgeführt werden, den Regierungen gemeinsame nähere Vorschläge zur Beschluß satzung »u unterbreiten. Vle Nachtverjchiebung in -er Sowjetunion Wie sie „B. Z." meldet, wirb die Unterwerfung der Gruppe Buchurin-Rykvw schon in nächster Zeit bi« lange erwarteten Veränderungen in den höchsten Regierungsstellen bringen. Das nach außen hin höchste Regierungsamt der Sowjetunion, der Vorsitz im Rate der Volkskommissare, wird von Rykow nieder gelegt werden und soll wieder fest mit der leitenden Gruppe in der Kommunistischen Partei, dem Stalin-Kreis«, verbunden werden. Ob Stalin selbst das oberste Regierungsamt .übernehmen und da mit seinen alles beherrschenden Machtwillen auch nach außen hin bekunden wird, kann nach dem Blatt aus persönlichen Gründen bezweifelt werden, und es gelt« für wahrscheinlicher, daß Mvlo- toss, der erste Gehilfe Statins Im Parteisekretariat, den Vorsitz im Rat brr Volkskommissar« übernimmt. In gut unterrichteten Kreisen nenne man für diesen Posten auch den dich« politisch wenig hervorgetretenen Andrejew, den Vorsitzenden des Nationa- litätenratrs, um Molvtoff im Präsidium der kommunistischen In ternationale belassen zu können. Rykow werde auf «inen außen- politischen Poften gestellt werben. vn der Berliner Reis« de» stellvertretenden Außenkvmmissars Karacho» und seinen Beratungen mft dem Botschafter Krestinski Mt da» Matt di« Mgltchfttt der Verufung Kremnoklt m di« Wd kv Neudksichscr-1 h« PasM». Protesterklärung des Reichsausschusses für da, Volksbegehren gegen den 22. Dezember als Abstimmungstermirr. Das Präsidium des ReichsauSschusse« für- da? deutsche Volksbegehren läßt eine Erklärung in der ge gen die Absicht der ReichSregierung, den Volksentscheid über das Freiheitsgesetz auf den 22. Dezember zu le- gen, schärfster Einspruch erhoben wird. Es ist bisher Brauch gewesen, die Advent»- und Weihnachtszeit von Wahl- und politischen Kämpfen freizuhalten. Durch die Festsetzung des Volksentscheid» auf den goldenen Sonntag werde auch die deutsche Geschäftswelt empfindlich geschädigt. Eine Freigabe des zweiten Adventssonntags für den Verkauf würde diese Schädigung nicht beseitigen und nur für di« ge samte Angestelltenschaft die unnötige Einbuße eine« wohlverdienten Ruhetage» bedeuten. Außenpolitische Gründe seien umso weniger angängig, al» die Ver schleppung der Verhandlungen durch unser« außenpoli tischen Gegner die Beratung de» Aoungplan» tm Reichs tag Ende Januar unmöglich mache. Dl« Festlegung de» Volksentscheide» auf den goldenen oder den stlbev» nen Adventssonntag werde auch dem Sinn der Per fassung widersprechen, die für eine Abstimmung einen Sonn- oder Ruhetag dorschreibe. Zn der Erklärung wird verlangt, daß der Volksentscheid auf einen Sonntag nach bem 15. Januar festgesetzt wird) — Auf einmal ist'» also gar nicht so eilig, während der RetchSau»schuß erst den Volksentscheid nicht früh genug haben konnte. Jetzt wird nach einem Grund gesucht, um von vornherein den Mißerfolg de« Volk«» entscheide» zu entschuldigen. Der neue ArmNe-Muflk-InfpWM Wie wir erfahren, ist zum Nachfolger de« kürzlich verstorbenen Armee-Musik-Inspizienten Prof. Halben berger der Obermusikmeister Herrmann Schmidt vom O. Bataillon de« Jnfanterio-Regtment« IS in L«»«da«! ilMchea.