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Freitag, 21. November 1S13. 8. Zahrg-mg. /luer Tageblatt ! Myeiger für -as erzgebirge » mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Auer Sonntagsblatt. MKHLHKM »Ina »I» Nufaa?: »«» SaflraÄ »urch ck»n>spr»ch»e »rfolat »t,r »a» Manuskript nicht »«utiich (»»da» (st. d»pfa. »«(»»» »^Ist,st«U, ad- -»Hal! maaatlich »»pfa. u. »5ch»at» llch l» Pf,. S»>t<» p»st d»st«llt und f»ldst ad,»holt »I,rt«l>«d»lich t^a Mk., monatlich »» pfa. vu»q t»a Skt»«»«,,» f»,i la» hau» »l,«t»l» VlhkllchMk., monatlich 74 Vf* e»sch»lnkt«,llch In »»nMl«a,»stiui» »»n,mlt f>u»aahm»»»a«ona»un» Sprechstu«»» »er «e-attlon mit Ausnahm, »er Sonntag, nachmittags 4—S Uhr. — Lelegramm-ff-ress» r Lag,blatt Au«rzg,birg«. tzvmsi>r»ch« SS. a»hm«o Äst«uun^«a »nt,«,?" Pir unvmslongt üngesanSt, Manuskript, kann Snvühr nicht gelüstet «er»«,. Nr. 270. Diese Nummer umfaßt 8 Seiten. Das Wichtigste vom Tage. Graf Derchtold gab Leim Zusammentritt der Dele gationen in Wien Aufklärungen über die öster reichische Balkanpolitik. * Der französische Flieger Vedrin « sist in Nancy auf. gestiegen und beabsichtigt, Deutschland zu überfliegen und in Polen -u laiiden. » Als erstesSchi'ff fuhr der klein« Dampfer Louise ini: einer geladenen Gesellschaft durch den ganzen Pa namakanal. » Der russische Ministerpräsident Kokow ist von Merlin wieder nach Petersburg abge- reist.*) * Die S ta d t V i k t o r i a in Mexiko wurde von den Rebellen unter Gonzales eingenommen und die Besatzung Lis auf den letzten Mann niedrige- macht. »1 Nähere» stehe au anderer Stell,. Soliäaritat äer Großmächte. Dor in Berlin anwesende russische Ministerpräsident Kokowzow hat Veranlassung genommen, einem deut schen Berichterstatter /Erklärungen über di« russische Politik zu geben. Daß er mit der Behandlung russischer Angelegen, heilen durch die deutsche «Presse nicht sonderlich zufrieden ist, hat nicht den Reiz der Neuheit. Rach seiner Meinung wird bei uns gar zu viel Irrtümliches über das russische Wesen ge druckt und geglaubt. Es mag richtig sein, daß manche Nach richten und besonders Stimmungsbilder auf dem verhältnis mäßig «weiten Wege M uns aus dem /Zarenreiche heraus an Zuverlässigkeit verlieren — wie es umgekehrt auch der Fall sein dürft«, und auch von dem russischen /Minister zugegeben wird. Das Mittel nun freilich, dem iUeLelstande abzuh«l. fen, welches er vorschlägt, möchte da» alleruntauglichste sein, sachgerechte Darstellungen der russischen Zustände in Deutsch land zu verbreiten. Kokowzow schlägt nämlich nicht mehr und nicht weniger vor, als daß die Petersburger Korrespon denten sich ihr Nachrichtenmaterial an den «zuständigen rus sischen Stellen verifizieren lassen --- zu deutsch also, sich blindlings der russischen PreMnsur unterwerfen sollen. An Stelle der Ungenauigkeiten, dhe gegenwärtig hier und da, teils durch die UnvolÜommenheit aller menschlichen Erkennt nis, teils durch die Verderbnis der Quellen und flüchtige Kritik der Berichterstatter, unterlaufen mögen, sollen künf tig den deutschen Lösern die bewußten Fälschungen der rus sischen amtlichen,Nachrichtenbureaus kritiklos aufgetischt werden. Wie dort gearbeitet wird, «erkennt man ja zur Genüge aus den schönfärberischen Finanzexp0s6s, die Herr Ko*owzow alljährlich genau im Stile des verflossenen Gra fen Witte im An- und Auslande verbreiten läßt. Daß er die jüngst gebildete Deutsch-Russische Gesellschaft zum Studium Rußlands seiner .besonderen Gönnerschaft wür digt, ist ein weitere» Indizium dafür» daß diese» Studium sich wesentlich an die «von dem Herrn Minister so warm emp fohlene Methode der Quellecksorschung halten wird. Von positiverer /Bedeutung «sind Kokowzews Äeußerun- aen -u den sckwebenden in ernationalen Fragen. Es all *re's ch auf. daß das veröffentlichte Gesp ach die ostasia - t ' s cke Politik Rußlands deren Sorgen gewiß auch esne verhältnismäßig zurückhaltende Stellungnahme zu den nah- o enta ischen Vorgängen mit bestimmen, mit keinem Worte aest.eif hat —doch mag das an dem einseitigen Interesse des Auefrag«rs gelegen haben. Menn man nun aufmerksam zwiicken den Zeilen liest, kann man in Kokowzews Ausfüh. rnnaen nicht übe hören, dgß zwischen Oe st erreich urd S ußland gegenwärtig wieder mehr nicht stimmt als vor kurzem. Schon die Wendung, diese Beziehungen seien bei Kokowzews Abteise au» Rußland (vor sechs Wochen) vielfach besser göwösen al» in den vorhergehen, den Jahren, soll offenbar darauf hindeuten, 'daß ifie sich seit dem wieder verschlechtert haben. Und diese Auslegung wird dadurch unterstützt, daß der^Minister in einem Atem die wohltuenden Wirkungen einer /Solidarität der Großmächte auf die Regelung strittiger Punkte hervor» hebt, und zuglesch da» Gegenbild, die Neigung einzelner Mächte, auf eigene Hamd Balkan-Politik zu treiben, daneben zu stellen nicht unterläßt. Denn aus dem Zusam- m«nhange geht doch hervor, daß diese Worte auf Oesterreichs und Italien» anS « rbien gerichtetes' Ultimarum (das noch keine sechs Wochen hey ist!) gemünzt siUd, nicht et wa auf F r a n k r e i H, das derartige Vermahnungen nö tiger hätte /in den Augen scheuklappenfreier, .von dem Vor urteil nicht befangener Leut«, daß in der Mett nichts «xi- stiere, was nicht in den Akten steht. 'Kokowzew unterstützt /nun freilich seinen Tadel der österröichisch-italienischen Ei genmächtigkeit Mit den bestimmten Versicherungen, daß von einer Revision der,Londoner Beschlüsse, wie sie Serbien und Griechenland wünschen, niemals ernstlich die Rede ^göwösen sei, insbesondere auch /Serbien Lei sei ner beabsichtigten Festsetzung in Albanien auf "keine russi- sche Unterstützung habe rechnen dürfen. Ob es nun freilich bei dieser Politik immer,geblieben wäre, hätte Oesterreich sich schwachmütig oder /gleichgültig gezeigt, ist /eine andere Frag«. Auch soll man das einschränkende Wort: nicht ernst lich .. . nicht,übersehen. Und wenn Kokowzew von einem am 17. November eingegangenen englisch enVermik- telungsvorfchl a g« »spricht, so kehrt gleich wieder der Verdacht zurück, daß Loch die Revisionsabsichten noch nicht überall abgetan sind, auch Nicht bei dem russischen Minister, der nn dem englischen Vorschläge /gleich eine Brücke zwischen den verschiedenen .Wünschen erblickt. Unbedingt verwerflich sind in seinen Augen wohl bloß <österveichffch-bukgatische Re» vistonsbegehren, wie man sie in der Woche nach dem Bukarester Friedensschlüsse an dem Widerspruchs Peter» burgs scheitern sah. Oessenil. Staätveroränetensthun g zu Rue. O Eine öffentliche Stadtverordnetensitzung war für gestern nachmittag 6 Uhr einbe'ufen /worden. ,Es> waren dazu 23 Mitglieder des Kollegiums erschienen; am Rats tische folgten den Verhandlungen 7 Ratsmitglieder unter Führung des Herrn Bürgermeisters Hofmann. Die Leitung der Sitzung lag in den Händen des ersten Stadtverordneten- «Vorstehers Herrn Justiziars Raabe. Vor Eintritt in die Tagesordnung gab der Vorsitzende Mitteilung von einer Einladung des Kirchenvorstandes zu Klösterletn - Zelle zur Weihe der E l ocken, di« am ersten Advent (30. No vember) nachmittags 8 Uhr auf dem Platze an der neuen Kirche stattfinden soll. Weiter wurde außerhalb der Tages ordnung die , Beschmutzung der Häuser und Straßenpaffanten durch Auto», insbesondere durch die AutoLusse, «zur Sprache gebracht. Von Herrn Gerlach war vor einiger Zeit der Rat ersucht worden, zu erwägen, welche Maßnahmen getroffen werden könnten, um diese Beschmutzung in Zukunft zu verhindern. »Inzwischen hat der Rat nun diese gewünschten Erörterun gen angestellt durch eine Rundfrage Lei verschiedenen säch- fischen Stadtverwaltungen. Dio Anfrage erstreckte sich,aus zwei Punkte: 1. Was geschieht gegen die Beschmutzung durch Autobusse und 2. Was erfolgt gegen Lie durch Auto verursachte Staubplage, Don den Antworten sind zu erwähnen: Dresden sorgt für «ine wirksame /Beseitigung,des Straßenschlammes; Leipzig sprengt di« Straßen mit Chlor- magnüsium; in -Zwickau müssen dis Autobusse Schutzleder haben, vor,allem wird aber Sorge /getragen für Sine genau« Prüfung der Fahrgeschwindigkeit; Plauen sorgt für gestei gerte Straßenreinigung; Zittau hat versuchsweise verschie» den« Straßen geteert; Freiberg sprengt mit Sulfitlauge, desgleichen Meiß«n, das ferner vuch noch die Straßenreini- gllng steigert, und Chemnitz hält di« ^Schutzleder nicht für praktisch. — Ferner wird mitgeteilt, daß «ine Chemnitzer Firma ihre Schutzvorrichtung zur.Erprobung empfiehlt. Der Polizeiausschuß hält nach diesen Auskünfte die ganze Frage noch nicht für genügend geklärt und schlägt vor, di« Ckov zu ersuchen, an einem ihrer Autobusse probeweise die von der Chemnitzer Firma angebotene Schutzvorrichtung anzubrin- zen, desgleichen soll der Konsumverein ersucht werden, diese Der Sühnelermin. Skizze von MaW« Bürk. (Nachdruck «rdaiin) Es wollte durchaus nicht mehr gehen zwischen dem Stai» gerhofbauern und seiner Frau. Beide hatten den guten Willen verloren, seitdem das iKtnd gestorben war. Kein Wunder, daß da das Gesinde anfing, gleichgültig zu werden, zum Nach teil für Feld und Vieh. Das sahen sich die Nachbarn «ine Weile mit an, dann aber, ein«» Abends im Wirtshaus, be gannen sie den Bauer damit zu necken, daß sein Hof, früher das reinste Schmuckkästchen, diesen Namen nicht mehr ver diene. Dies wollte aber der Staig«rbauer doch nicht auf sich sitzen lassen, und es kam zu einem wüsten Streit. Als sie nun genug geschrien hatten, dachten sie endlich an den Heim weg. Die anderen gingen sämtlich talabwärts, dem Staiger blieb also auf seinem einsamen Weg genügend Zeit, über das Gehörte nachzudenken. Je mehr «r jedoch darüber nach dachte, desto klarer wurde es ihm in seiner Verblendung, daß niemand anders als seins Frau die Schuld an der allge meinen Verlotterung trüge«, Somit kam er in der denk- bar schlechtesten Laune nach Hause und versucht« sofort, den Zank aus dem Wirtshaus fortzusetzen. Aber was er auch sagen mochte, die Frau ließ sich nicht in. ihrer Ruhe stören. Sie war ganz still und tat keine Gegenrede. Indes aber der Staigerbauer am nächsten Morgen einer vermeintlichen un beschränkten Tyrannenära entgegenträumte, stand da» Weib leise auf und schnürt« die notwendigsten Habseligkeiten in ein Bündel. Da frckg er: Was sind denn da» wieder für Dummheiten? Da» wirst du schon sehen . . . antwortete fi«. Mach was du willst, brummte er, am liebsten ist mir'» schon, wenn du auf alle Zeiten zum Loch hinaus bist. Schon hing er sich die Flinte um, «in Pfiff, und der Hund schoß unter devr Ofen vor. llikd dann sah die Bäuerin ihren Mann zum Wald Hinanstetgen, ohne sich auch nur einmal umzusehen. Die Bäuerin sah kaum eine Stunde später auf der Bahn, um bei ihrer verheirateten Schwester in der Re- stdenz ein Unterkommen zu suchen. Als an jenem Abend ber Bauer nach Hause kam, tat er weder erschrocken noch überrascht, daß er sein Wei- nicht mehr vorfand; vielmehr holte er sich noch einen Krug Most aus dem Keller. Ueberhaupt schien ihm das ledige Leben, wie er sich ausdrückte, gar nicht so Übel zu gefallen. Und gar nichts mehr von einer Vermittelung wollte er wissen, als ihm ein Advokat iM Auftrag seiner Frau schrieb, sie erwarte sei nerseits eine Ehescheidungsklage wegen böswilliger Verlas- sung. Wütend riß der Staiger das Fenster nach dem Hof hinaus auf und schrie nach einem Kdecht. Anspannen solle er. und zwar sofort. Der Rechtsanwalt in de' Stadt machte ein diskretes Gesicht, aber al» er zum Schluß fragte, ob fein Klient bald wieder heiraten wollte, wurde dieser ernstlich ungehalten. Mein«! Lebtage nie wieder, Herr Doktor, ver- sicherte er und legte mit komischem Entsetzen die Hand auf dt«( Stelle, wo er sein Herz vermutete. Harmloser ging's nachher in der Krone zu, wo man immer Bekannte traf und seinen Aerger hinuntertrinkeN konnte. Nach Mitter nacht endlich lenkte der Einspänner auf dem Staigerhof ein. Der Hausherr mochte aber noch so schrill pfeifen, der Knecht lieh sich nicht blicken, um auszuspannen. Weiß der Himmess wo der Lump wieder steckt! brummt der Bauer und schickt «sich an, da» Pferd selbst zu besorgen. Gr ist schon lange nicht mehr in dem Stall gewesen und erstaunt, daß dis Tiere keine frische Streu haben. Die «Kühe sind schmutzig und lech zen Nach Wasser, und die Schweine, zu denen er mit der Wagenlaterne hineinleuchtet, sehen mehr als verwahrlost au. Ein Donnerwetter endlud sich am nächsten Margen HMr di« dienstbaren Geister de» Sdaigerhvfssi M mWyz mehr al» gröblich mit Knecht u. Mckgben.Die Folge wat, daß der Knecht, tödlich beleidigt, sofort kündigt« — jetzt, wo die Ernte beoorstandi— unld die Mägde heulten zum Steiner weichen. Je komplizierter die Verhältnisse auf dem Staigerhof wurden, desto glatter ging der Scheidungsprozeß vor sich. Der erste Sühnelermin war bereits verflossen, ohne daß eines der beiden dazu erschienen wäre/; wurde auch der zweite und dritte nicht besucht, so konnte die Scheidung kür sicher gelten. Und dieser zweite Termin 'war auf den 3. No vember festgesetzt, einen Tag nach^Mlerseelem Bedächtig drehte der Bauer die diesbezügliche Verständigung des Ge richts in der Hand herum, aber als er daran dachte, daß er wohl schon zu Weihnachten ein freier Mann sein würde, da — fluchte er, nahm die Flinte und ging in den Wald. Mißmutig stieg er bergan, ohne zu bemerken, daß ihm in einiger Entfernung der Pfarrer -entgegenkam. Er schrak förmlich zusammen, als er sich angeredet hörte. Gut, daß ich Euch treffe, meinte der Geistliche und wischte sich den Schweiß von der Stirn/, ich wollte Euch sowieso bitten, mal ein Stündchen bei mir vorzusprechen. Wenig entzückt von dieser Begegnung, hatte der Bauer an seinen Hut gegriffen und so etwas gesagt, wie daß man ja jetzt auch miteinander sprechen könne. Ich habe gehört, sagte der Pfarrer, Ahr wollt Euch scheiden lassen, Staigerbauer. Da» sind meine Sachen, Herr Pfarrer . . . brummte der Bauer. Es ist doch «in Jammer, seufzte jener, daß es mit Euch Leiden so weit hat kommen müssen, wo wir seit den achtundzwanzig Jahren, die ich hier bin, nicht einen einzigen solchen Fall gehabt ha ben! Vor vier Jahren, wie ich Euch zusammengegeben habe, hätte ich, weiß Gott, nicht gedacht, daß Ihr mit der neuen Mode des Auseinanderlaufens anfangen würdet. Ein wt- derhaariger Dickkapf seid Ihr von Kindheit auf genesen, Staigerbauer. Was hat das arme Weib Mit dem Kind durchmachen müssen, mit dem kleinen Hans, den Ihr doch auch so gern gehabt habt. Ja, das Kind, stottert« der Bauer, wenn das Äind noch lebte. Da glänzte es einen Moment in den gescheiten Augen des alten Herrn und er ward sich sofort klar, daß er hier auf dem richtigen Ws--!« zu dem bar. ton Bauernherzen war. Er verabschiedete sich mit einem kurzen Wort. Der Staiger aber hatte ganz vergessen, daß er di« Flinte auf dem Rücken trug, so beschäftigten ihn die letzten Worte de« alten Maners. Ja, das Kind — da» Kind! seufzte er vor sich hin und ließ sich auf einem Baum- stamm nieder. Wenn ihm das Schicksal wenigstens da« gelassen hätte! Ob er den Plunder «verkaufte und fo-tzog. wett weg von hier? Er fing an, herzliches Mitleid mit sich selbst zu empfinden, und wer in diesem Augenblick ganz ge nau hingeschaut hätte, hätte wohl sehen können, daß es