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WochmM für Wilsdruff Tharandt, Uoffen, Siedenlehn und die Umgegenden. 2 Imlsbtutl für die Agl. Arntshauptrnannschast Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Forstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen i Mk.55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. No. 74. Sonnabend, den 26. Juni 1867. Bekanntmachung. Dienstag, den 29. Juni 18V7, Borm. Uhr findet im hiesigen Verhandlungssaale öffentliche Sitzung des Bezirksausschusses statt. Meißen, am 22. Juni 1897. Königliche AmLshaupLmantischaft. von Schroeter. Mittwoch, den 3V. Juni ds. Js., 10 Uhr Bormittags gelangt an hiesiger Gerichtsstelle 1 Brettwagen und 1 Pferd zur öffentlichen Versteigerung. Wilsdruff, am 21. Juni 1897. Sekr. Busch, Ger.-Vollz. Zur parlamentarisch-politischen Lage. Im Zeichen der plötzlich eingetretenen Regierungskrists haben Reichstag und preußisches Abgeordnetenhaus ihre Ver- Dienstag nach Ablauf der parlamentarischen Pßugflpause wieder ausgenommen. Es ließ sich erwarten, Laß die veränderte Sachlage beim Wiederbeginn der parlamentarischen Arbeiten zur Sprache kommen würde, und dies ist denn auch in beiden Parlamenten geschehen. Im Reichstage wie im preußischen Abgeordnetenhaus« suchte der Abgeordnete Eugen Richler die ministerielle Krists zur großen politischen TageSfcage zu stempeln, im Abgeordnetenhause den Minister des Innern v. d. Recke, im Reichstage den Staatssekretär Dr. v. Bötticher „onzapfend". Herrv. d. Recke that aber dem freisinnigen Führer den Gefallen garnicht, sich irgend wie über die Lage zu äußern, und tvas Herrn v. Bötticher anbelangt, so gab er Eugen Richter eine recht schalkhafte Erwiderung. Er versicherte, daß er sein Abschiedsgesuch einstweilen noch nicht eingereicht hätte, und be hauptete, daß eine Ministerkrisis überhaupt nicht bestünde. Selbst verständlich nahm das Haus die letztere Erklärung des Herrn Staatssekretärs mit gebührender Heiterkeit entgegen. Im Uebrigen hat daS preußische Abgeordnetenhaus bei seinem Wiederzusammen tritt nach Pfingsten die Vere'nsges-tz-Novellc in nochmaliger Gesammtabstimmung m ihrer jetzigen Gestalt wonach die No velle lediglich die Aufhebung des Verbmdungöoerbotes für Politische Vereine und den Ausschluß Minderjähriger von politischen Versommlungen ausspricht, mit den Stimmen der National liberalen und der beiden konservativen Fraktionen erneut ange nommen. Nunmehr muß sich das prußische Herrenbaus gegen über der Vorlage entscheiden; voraussichtlich wird von dem Preußischen Herrenhaus die letztere wesentlich in ihrer früheren Form wieder hergestellt werden, bann muß st- abermals an das Abgeordnetenhaus zurückgehen, und hierauf höchst wahrscheinlich wiederum an das Herrenhaus zu wandern, ein grausames Spiel, welches die Aussicht auf eine Verlängerung der preußischen Land- tagssession bis tief in die Zeit der Hundstage hinein eröffnet. Was den Reichstag anbelangt, so hat derselbe in den ersten Sitzungen des nachpfingstlichen Abschnittes seiner Session die Handwerker Vorlage in dritter Lesung berathen, und dürfte sie zur Stunde angenommen haben. Ob die Hoffnungen, welche die Freunde der Organisation des Handwerks auf dies gesetz geberische Werk setzen, sich verwirklichen werden, ist allerdings zweifelhaft, so sehr man auch die Erfüllung dieser Wünsche im Interesse der nothwendigen Stärkung des Handwerkerstandes wünschen möchte. Aber das ganze Handwerkergesetz krankt so sehr an inneren Widersprüchen und Schwächen, daß von ihnen kaum eine kräftigende Wirkung für das Handwerk erwartet werden könnte, außerdem würde vermuthlich schon seine praktische Durch führung nicht ohne Schwierigkeiten vor sich gehm. Das sonstige Arbeitsmaterial des Reichsparlaments für den nachpfingstlichen Sessionsabschnitt kann ganz gut in ein paar Sitzungen erledigt werden, und da weder von der Vorlegung der in einigen Blättern angekündigtcn Marine-Vorlage noch »on der Einbringung de« Entwurfes der neuen Milltärstrofprozeßordnung mehr die Rede ist, so steht dem Schluffe der Reichstagsesston in diesen Tagen nichts mehr entgegen. Es müßte denn sein, daß die ausschlag gebende Centrumspartci ein- künstliche Verlängerung der Session bewirkt, in Hinblick auf die schwebende Regierungskrists. Bis zu deren völliger Lösung können aber leicht noch Wochen ver geben, eS ist darum bei der sommerlichen Temperatur sehr zweifel haft, ob der Reichstag so lange auch noch zusammenzuhalten sein wird. Zur Crisis selbst liegt augenblicklich nichts Neues von Belang vor; nur besteht die Ungewißheit über die künftige Ge staltung der Dinge im Ministerium Hohenlohe fort. Als ganz sicher gilt nur, daß der Finanzminister Dr. v. Miquel an Stelle des Staatssekretärs Dr. v. Bötticher Vicepräsident des preußischen Staatsministeriums wird. Die sonstige Neubesetzung der vor aussichtlich zur Erledigung kommenden Reichs- uud preußischen Ministerialämter erscheint dagegen noch völlig in schwankendem Lichte. Daneben tauchen wieder allerhand neue Versicherungen auf: z. B. heißt es jetzt, der Minister des Innern v. d. Recke sei noch gar nicht „amtsmüde" — soll man dies glauben? Außerdem macht jetzt das Gerücht die Runde durch die Tages presse, der deutsche Botschafter in Rom, Herr v. Bülow, sei einstweilen mit der Vertretung des beurlaubten Staatssekretärs des Auswärtigen v. Marschall beauftragt, was natürlich eben falls Anlaß zu verschiedenen Combinationen giebt. Jedenfalls ist die gejammte Lage derart unsicher, daß ein solcher Zustand unmöglich noch lange andauern kann, es sind daher wohl nächstens die entscheidenden allerhöchsten Entschließungen in den schwebenden Sach- und Personolfragen endlich zu erwarten. Tagesgeschichte. Der Kaiser traf am Dienstag Abend an Bord seiner Yacht „Hohenzollern" vor Helgoland ein und ging als dann an Land. Die Bevölkerung uud das Kurpublikum bereiteten dem Monarchen einen begeisterten Empfang; das Souper nahm der hohe Herr beim Kommandanten Kapltan z. S. Stubenrauch ein. Die Kaiserin ist am Dienstag zum Besuch bei ihren erlauchten Verwandten auf Schloß Grünholz bei Eckernförde eingetroffen. Der Reichstag trat am Dienstag in die dritte Lesung der Handwerker-Vorlage ein, in deren Ver laufe am genannten Tage nur einige wenige Paragraphen zur Erledigung gelangten. Anch im Reichstage ging diese erste Sitzung nach Pfingsten natürlich nicht ohne eine Berührung der inneren Krisis vorüber. Abg. Eugen Richter spielte in der Generaldebatte über die Handwerker- Vorlage deutlich genug hierauf an, kaltblütig bemerkte indessen Staatssecretär' Dr. v. Bötticher, daß er bis jetzt kein Abschiedsgesuch eingereicht habe und daß überhaupt keine Ministerkrisis bestehe, eine allerdings kühne Behauptung. Im Uebrigen erklärten sich in der Debatte der Antisemit Vielhaben und bemerkenswerther Weise auch der Centrums mann Metzner gegen die Handwerker-Vorlage, obwohl letzterer ein eifriger Anhänger der Zwangsinnungeu ist. Konservativerseits wurde durch den Abgeordneten Jakobs- kötler Erklärung abgegeben, die Conservativen hielten es für ihre patriotische Pflicht, der Vorlage zuzustimmen. In der Spezialdebatte wurden die §8 81a und 81b (Aufgaben und Befugnisse der Innungen) unverändert nach den Kommissionsbeschlüssen genehmigt. Der Reichs kanzler erschien im Laufe der Sitzung im Hause, enthielt sich aber eines Eingreifens in die Verhandlungen. Die weitere Entwickelung der unstreitig bestehenden Regierungskrists ist noch immer in den Schleier der Un gewißheit' gehüllt, was begreiflicherweise nur zur Ver mehrung der hierüber umlaufenden Gerüchte beiträgt. Weder darüber, welche Mitglieder des Ministeriums Hohenlohe zurücktreten werden, noch hinsichtlich der Neu besetzung der etwa zur Erledigung kommenden Ressorts in der Reichsregierung und in der preußischen Regierung, läßt sich irgend etwas Bestimmteres sagen, auf die bloßen Gerüchte aber ist natürlich nicht viel zu geben. Lediglich verzeichnet sei die Zeitungsmeldung, daß der von Rom nach Deutschland abgereiste deutsche Botschafter beim italienischen Hofe, Herr v. Bülow die Vertretung des Staatsseeretärs des Auswärtigen v. Marschall, übernehmen solle. Stoch immer auf sich warten läßt die Ernennung der Nachfolger für den verstorbenen Staatssecretär im Reichspostamte, Dr. v. Stephan, und für den jüngst zurückgetretenen Präsidenten des Reichsversicherungsamtes. Das unter Vorsitz des Königs von Sachsen eingesetzte Schiedsgericht zur Beilegung des lippe- schen Thronfolgestreites hielt am 21. und 22. d. M. in Dresden die Schlußsitzungen ab. Der Schiedsspruch ist bislang noch nicht bekannt geworden, wie er aber auch ausfalleu mag — er wird die Lösung der in der lippe scheu Thronfolgefrage entstandenen Schwierigkeiten aus jeden Fall bringen, da sich die drei Parteien, welche hier bei miteinander streiten, dem schiedsgerichtlichen Urtheil im Voraus unterworfen haben. Die Kaiserreden. Die zweifellos schönen, markigen Reden, welche der Kaiser in Bielefeld und in Köln gehalten hat, sind natürlich von den Zuhörern mit großer Be geisterung ausgenommen worden. Den Enthusiasmus, welchen die Worte des Kaisers bei dem Festmahl im Kölner „Gürzenich" hervorriefen, schildert die „Kölnische Zeitung folgendermaßen: „In klarer, markiger Sprech weise erfüllte er den Saal bis in die fernsten Winkel. Alle Hörer, die schon oft bei früheren Reden von ihm zu gegen waren, stimmten darin überein, daß er doch selten mit solchem Nachdruck gesprochen, wie heute. Man applau- dirte ihm, vielleicht gegen strenge Etikette, wie einem Par lamentarier. Athemlos hing die Versammlung an seinen Worten, dann brach es wieder und wieder los mit Bei fallsrufen. Dieser Beifall gewann eine eigenartige Färbung, da die von den Worten des Kaisers offenkundig hinge rissenen Theilnehmer in unbestimmtem Widerstreit zwischen lautloser Ehrerbietung und jubelnder Zustimmung schwankend jäh abbrachen. Aber beim nächsten Satze drang sich der selbe spontane Beifall wiederum an die Oberfläche und als der Kaiser die Stimme gewaltig anschwellen ließ und ein mächtiges Kraftbewußtsein zum rednerischen Ausdruck brachte, da war kein Halten mehr. Sein Alaaf Köln! weckte einen Orkan der Begeisterung." Daß es trotzdem mißlich ist, aus den Kaiserreden weitgehende Schlüsse be treffs der Tagespolitik zu ziehen, wie das leider nur zu viel üblich ist, dafür ein drastisches Beispiel. Man kann eben aus den Reden gar Verschiedenes herauslesen. Zur Kölner Rede bemerkt das „Berl. Tagebl.": „Diese kaiser lichen Worte, welche nur einen Sinn des Festhaltens an einer bewährten Handelsvertragspolitik haben können, werden unter unseren Agrariern und den wenig belehr- bareu Schutzzöllnern manche bittere Enttäuschung Hervor rufen." Andererseits sagt das Organ des Bundes der Landwirthe, die „Deutsche Tageszeitung", hochbefriedigt zu der Bielefelder Rede: „Der Kaffer hat mit den kurzen Worten ein Programm gezeichnet, dem die breiten Schichten der deutschen Bürger und Bauern nicht nur zustimmen, sondern zujubeln werden, wenn es von der Regierung kraftvoll zur Durchführung grbracht werden wird." Nun hat doch der Kaiser gewiß nicht in zwei Tagen zwei ganz verschiedene Programme entfalten wollen; eines zu Gunsten der westfälischen Agrarier, das andere zu Gunsten der Kölner Handelsherren. Man sollte, wie gesagt, in der politischen Auslegung kaiserlicher Reden vorsichtiger sein. Aus Gera wird geschrieben: Die Geraer Handels kammer fordert in ihrem eben erschienenen Geschäftsbericht die deutsche Reichsregierung zu Gegeumaßregetn gegen die von den Vereinigten Staaten von Nordamerika geplanten Zollerhöhungen mit folgenden bemerkenswerthen Worten auf: „Sehr zu wünschen wäre es, daß die deutsche Regie rung sich angesichts der wiederholten Zollveränderungen der Vereinigten Staaten zu energischen Repressivmaßregeln entschlösse. Da ein eigentlicher Handelsvertrag mit Amerika