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- lT-r Freitag, st. November 1SV6 Nr. LV. Erster Jahrgang 5iuer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge l juit der wöcl?entlici)eil Unterhaltuilg^beilage: Illustriertes ^oiriitagsblatt. Diese rr»«n»tnev »tnrfntzt s» Seiten Näheres siehe unten. Die Rechte und das persönliche Regiment > len«», !>l<w«o, - !0tur irchplay- itshaupt- berg und >ie X i r- Aue tweebrrg äftszeit i r nachni. P räsi den l R ne s eveil und seiuc Gemahlin haben gestern die geplante Reise nach Panama angel re len. Die in Havre verschallet en vier Berglen le sind befreit worden. ihre innere Verlogenheit dartut. Das sührt naturgemäß zu Neibungen. Wer sich erinnert, welcher Lappalie wegen seinerzeit der grohe Krieg zwischen Deutschland und Frankreich heraufbeschworen wurde, der wird uns zugeben, daß jetzt noch weit eher Gelegenheit zu Verwickelungen gegeben ist, als damals. Und wenn man sich weiter vor Augen hält, daß es gerade Herr Pichon ist, der jetzt mit dem ehrgeizigen Streber Clemenceau zusammen die auswärtige Politik Frankreichs macht, der wird die Situation, in der wir uns befinden, recht brenzlich finden. Denn die grotzen Friedenskundgebungen, die diese Herren von willfährigen Trabanten in die Welt hinaus drahten lassen, können uns über die wahren Absichten dieser radikalen Staatslenker, die im Grunde nur radikale Chauvinisten sind, nicht im Unklaren lassen. Wir wollen den Teufel nicht an die Wand malen, aber es wird gut tun, wenn sich unsere Diplomaten vergegenwärtigen, wie unangenehm augenblicklich die Dinge für uns liegen. Will Frankreich Marokko einsacken, so wird uns das freilich durch aus nicht angenehm sein können, da wir wieder einmal um ein volkswirtschaftliches Absatzgebiet geprellt sind. Aber wir werden gut daran tun, das Mundwerk zu halten, und über das Vertrags brüchige Spiel hinwegzusehen, das unsere Freunde im Westen jetzt begonnen haben. War Paris dem alten Heinrich eine Messe wert, so ist uns Marokko keinen Krieg wert. Und wenn Frankre?ch das Ucbereinkommen von Algeciras, das ihm übrigens ohnehin ziemlich sreie Hand gewährt, nicht achten will, und sich mit der Souveränität des Stratzenräubers über die Verein barungen hinweggesetzt, so drücken wir am besten zwei Augen zu, und lasse» die Leute gewähren. Denn sie haben eine zu gute Rückendeckung, als datz man ihnen auf die räuberischen Finger klopsen könnte. Vorsicht ist in diesem Falle der Tapferkeit bester Teil! Jetzt haben sich die Verhältnisse im Reiche seiner scheri- sischen Majestät derart verschlimmert, datz die Franzosen beabsichtigen, ein ganzes Geschwader zu schicken. Und willfährige Depeschenbureaus vergröbern die Uebeltaten marokkanischer Strauchdiebe natürlich noch entsprechend. Alle Weitzen in Nord- asrika sind in Gefahr, massakriert zu werden, und das gloriose Frankreich erhält das Mandat, die teueren Leben, die be drohte Christenheit zu schützen. Spanien hat sich bereits in seiner Demut Frankreich gegenüber bereit erklärt, Streitkräfte zur Ver fügung zu stellen. England unterstützt gegen die üblichen ehr lichen Maklerspesen den französischen Freund, und so wird es wohl gar nicht lange dauern, bis französische Truppen in Fez ein marschieren und dem verlausten und verratenen Abdul Aziz cstien freundschastlichcn Besuch abstatten und dabei die Souverä nität mitgehen lassen. Die verbriefte und versiegel te Souveränität des Sultans, Uber die man in Alge ciras so lange und so eingehend diskutiert hat! Es wäre zum Lachen, wenn die Geschichte für uns nicht eine recht ange nehme Seite hätte, die uns bereits sehr crsolgreich vor Augen geführt wird. Französische Agenten wollen nämlich entdeckt haben, datz die marokkanischen Piraten mit — deutschen Schnellfeuergcwehrc» bewaffnet sind. Welche Schlutzfolgerungen daraus gezogen werden, das kann man sich ungefähr denken. Man scheint uns hier eine Rolle imputieren zu wollen, wie sie beispielsweise Eng land oder vielmehr Engländer in Südafrika uns gegenüber gespielt haben. Man stellt die Behauptung aus, datz deutsche Lieferanten die Marokkaner mit Gewehren und Munition ver sehen gegen Frankreich natürlich, und von dieser Behauptung bis zu der weiteren: datz Deutschland die marokkanischen Aufrührer gegen Frankreich unterstützt, ist nur ein Schritt, den man in der Zwischenzeit vielleicht schon zurückgelegt hat. Man hat ja von Anfang in ziemlich unverblümter Weise zu erkennen gegeben, datz man der Ansicht ist, Deutschland Hetze und intriguierc in Marokko gegen Frankreich, obwohl sich ein Beweis dafür nicht bei bringen ließ. Richtig ist freilich, datz der Sultan von Marokko seit dem Kaiserbesuch in Tanger immer der Ansicht war, Deutsch land werde ihn im Kampse gegen die französischen Einsackungs gelüste beistehen. Richtig ist ferner, datz Deutschland in Ma rokko sich einer ziemlichen Popularität zu erfreuen hat, aber wir haben garnichts getan, diese Popularität hcrvorzurufen. Sie ist uns im Gegenteil ziemlich unangenehm, besonders jetzt. Und wir wären auch garnicht in der Lage, den Marokkanern zur Hilfe zu kommen, wenn Frankreich und England heute die Triko lore über Fez auspslanzen wollten. Wir würde uns nie Marok ko? wegen in ein Abenteuer stürzen, das uns sehr unangenehm werden könnte. Leider liegt das nicht ganz bei uns, das zu vermeiden. Sven» man jenseits der Vogesen sortfährt. derartig blödsinnige Be schuldigungen gegen Deutschland zu erheben, wird man diesen Beschuldigungen ein Ende machen müssen, indem man kategorisch — »Iteroor- r Reichs- schasst«» in. s—z r nachm Das neue russische E inko mm en sl e ne r gese p lägt alle Eintommen bis zu lausend Rubeln sumersrei. Die ans L cl bsl- c i n j ch äv un g beruhende Einkommensteuer steigt von einem bis zn fünf Prozent. Berautwortlicher Redakteur: Fritz A r n h o l d. Für die Inserate verantivorttich: Arthur Kupfer, beide iu Aue. Druck und verlas Gebrüder Reut h u e r lJnb.: Paul Beulhuer) in Aue im Reiche wie in Preutzen mit voller Kraft wieder zu führen vermag. Das Blatt fährt dann fort, die Krifcngerüchte seien sympto matisch bemerkenswert: denn sie seien zweifellos der Ausfluß einer weitgehenden Beunruhigung darüber, datz sich ein persönliches Regiment und absolutistische Bel le i t ä t e n in der äußeren und inneren Politik bemerkbar ma chen. Das Blatt erinnert dann an Jena und schreibt: Das heutige Preutzen wie das Deutsche Reich könne» sich nur als V e r s a s s u » g s st a a t c n im vollen Sinne des Wortes ge deihlich weiter entwickeln. Dazu kommt, datz bei dem Reichtum und der Vielgestaltigkeit des öffentlichen Lebens in unserer Zeit der Versuch eines deutschen Kaisers, sein eigener Kanz ler zu sein, notwendig zu einem gefährlichen Dilettantis mus in der Politik führen mütztc. Wenn die Besorgnis absolu tistischer Vellcitäte» wirklich begründet wäre, so datz die Beun ruhigung gerade der politisch zuverlässigsten Kreise der Nation ihre natürliche Erklärung findet, so ist eine solche Stimmung ge rade in denjenigen Kreisen, von deren Vertrauen eine Regierung, wenn sie Erfolg haben soll, getragen werden mutz, an sich schon sehr vom liebel und es erscheint als ein Gebot der Staatsklugheit, sorgsam darüber zu wachen, datz alles vermieden wird, was die Befürchtung eines persönlichen Regiments in mehr absolutisti schem Sinne nähren könnte. Das wird vor allem auch die Auf gabe der parlamentarischen Körperschaften im Reiche wie in Preutzen sein müssen. Ihnen wird es obliegen, mit Nachdruck da raus zu halten, datz die selbständige politische Verantwortlichkeit des Reichskanzlers und der Minister voll zur Geltung gelangt und den verantwortlichen Räten der Krone die Stellung und der Einslntz gewahrt bleiben, deren sie bedürfen, um ihrer politischen Verantwortlichkeit gegenüber dem Monarchen wie gegenüber der Volksvertretung gerecht zu werden. In einem zweiten, von anderer Seite stammenden, im Ee° dankengangc aber mit dem ersten übereinstimmenden Artikel be müht sich die Post, die Affäre P » dbtelski von der Sache des Reichskanzlers zu trennen, der sich nach wie vor des vollsten kaiserlichen Vertrauens erfreut. Fürst Bülow habe im vorigen Jahre Herrn v. Podbielski, als er gehen wollte, zum Bleiben be- Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Souutage nachmittags ran -z—L Uhr. — irelegranun-Adressc: Tageblatt Aue. — Fernsprecher :v2. Für unverlangt eingesandlc Mavnskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. wogen. Datz der Kanzler sich dieselbe Mühe auch im Sommer die ses Jahres gegeben habe, als er dem Kaiser das Entlassungsgesuch des Herrn v. Podbielski unterbreitete, behauptet die Post aller dings nicht. Aus der Affäre Fischer-Tippelskirch werde Pod bielski gerechtfertigt hervorgehen. Dann aber kommt das große Aber. Das Blatt sährt nämlich fort: Zu erwarten ist, datz der Landwirtschaftsminister trotz des r-tcn Ausganges der Affäre Fischer im Reichstage in heftiger .ise angegriffen werden dürste wegen seiner Beziehungen zur Firma Tippelskirch und nicht zuletzt wegen seiner Haltung gegenüber der notorischen Fl ei sch not. Eine solche Si tuation kann aber weder dem angegriffenen Minister noch den übrigen Mitgliedern des Staatsministeriums angenehm sein. Es lätzt sich daher erwarten, datz Herr von Podbielski über kurz oder lang sich doch entschließen wird, seinen Abschied erneut zu fordern. Jedenfalls würde heute Herr v. Podbielski einen weit besseren Abgang haben wie im Sommet aus Anlaß des Entrü stungsrumniels in Sachen Tippelskirch. Wenn neuerdings be hauptet wurde, cs bestehe ein Duell Fürst Bülow contra v. Pod bielski und einer von beiden müsse gehen, so ist das lediglich müßiges Geschwätz. Der Reichskanzler und die ihm unterstellten Beamten des Auswärtigen Amtes haben gewitz am meisten die Angriffe auf Herrn v. Podbielski bedauert und sich nicht im Ent ferntesten an der Preßhetze geegen den Minister beteiligt. Wenn nun gar behauptet wurde, daß der Reichskanzler nicht mehr im ungeschmälerten Besitze des Vertrauens des Monarchen sich be fände, so ist hier lediglich der Wunsch der Vater des Gedankens. Mit anderen Worten: Das freikonservative Blatt rät Herrn v. Podbielski dringend, mit Rücksicht aus seine Ministerkollcgen den Abschied zu nehmen, ehe es im Reichstage zu den unausbleib lichen Angriffen gegen ihn wegen seiner Beteiligung bei Tippels kirch und wegen seiner Haltung in der Fletschnotfrage kommen wird. Es rät ihm, sich einen möglichst guten Abgang zu sichern und nicht etwa dem Herrn Reichskanzler, sondern dem Sturme zu weichen, der im Reichstage gegen ihn losbrechen wird. Fragt sich nur, ob Herr v. Podbielski diesem wirklich guten Rate folgen wird und was seine extrem-agrarischen Freunde dazu sagen wer den. veil WDVIGDG relileiiie^ über »tlllMilteli! ischaft trage 50 Uhr und inabendr l». Politische Tagesschau. Aue. 9. November l!N)ll Dynastie Moltke. > Unter diesem Titel bringt das Berliner Tageblatt in seiner gestrigen Abendausgabe folgende Sensationen: Fürst Bülow geht, das gilt jetzt in unterrichteten Kreisen als feststehend. Es wird uns jetzt auch von anderer Seite bestätigt, daß über den Zeitpunktdes Kanzlerwechsels zwar noch nichts bestimmt sei: doch würden höchstens zwei Monate ins Land gehen, bis sich die Veränderung vollzieht. Doch ist es sehr wohl möglich, daß Fürst Bülow in der Erkenntnis seiner unhaltbar gewordenen Stellung das Prävenire spielt und schon jetzt die Entscheidung herbei führt. Denn schon wegen des am nächsten Dienstag zusammen tretenden Reichstages wäre es peinlich, wenn die Krisis noch über das neue Jahr hinaus verschleppt würde. Auch dürste Fürst DiePsorte Haldas rn ss i sch-e ngl i s ch e Ane rb i e ten der „guten Dienste" im türkisch-persischen Grenz- ko n s l i k l e mnndii ch mit Dank abgelehn >. Die vielfachen, der Natur der Sache nach ungleichwertigen Erörterungen über die K a n z l e r k r i s e, die keine Krise ist, haben jedensalls das eine Gute, daß dabei an dem Regie- rungssystem, wie es sich bei uns seit 18 Jahren herausge- bildet hat, eine recht umfassende Kritik geübt wird und daß selbst konservative Blätter mit einer Deutlichkeit und einem Freimut, die man noch vor kurzer Zeit bei ihnen nicht ge sucht hätte, sich gegen das Ueberwuchcrn einer persönlichen Politik und das Hervortreten absolutistischer Nei gungen wenden. Ansätze zu solcher Erkenntnis sind ja schon gelegentlich im Lause des letzten Jahres bei einzelnen Parlamen tariern der Rechten zu erkennen gewesen, namentlich, als das preußische Abgeordnetenhaus die beantragte Gehaltserhöhung für den Ches des Zivilkabinctts Herrn v. Lucanus ablehnte. Nach den jetzt aber zutage tretenden Symptomen muß man annehmen, daß sich innerhalb der verschiedenen Parteien eine ziemlich weit gehende ilebcreinstimmung herausgebildet hat und wohl auch bei den Debatten im Reichstage gelegentlich zur Geltung kommen wird. Die konservative Krcuzzeitung hat sich neuerdings, wenn auch mit loyaler Zurückhaltung, doch deutlich über Gefahren des persönlichen Regiments ausgesprochen. Jetzt tut es in einem, wie sie sagt, aus parlamentarischen Kreisen stammenden Artikel auch die sreikonscrvativc Post. Sie stellt fest, daß die Krisenge rüchte, wenigstens soweit sic den Reichskanzler betreffen, des tat sächlichen Untergrundes entbehren und sagt dann: Wohl sprechen manche Anzeichen dafür, daß während der Abwesenheit des Fürsten Bülow von Berlin stark gegen ihn gearbeitet worden ist, unter dem Vorgeben, daß seine Ge sundheit dauernd erschüttert sei, und er demzufolge den Anstren gungen des Amtes, insbesondere der parlamentarischen Kam pagne, nicht mehr gewachsen sein werde. Die Wünsche, von de nen jene Minierarbeit diktiert war, müssen auch jetzt noch leben dig sein, aber ihrer Betätigung in dem vorerwähnten Sinne ist Hoden entzogen, nun der Reichskanzler den augenfälligen >eks liefert, daß er die verantwortliche Leitung der Regierung Bezugspreis. Durch unsere Bolen frei ins liaus monatlich 5N psg. Bei -er Geschäftsstelle abgeholt monatlich »o Pfa. un- wöchentlich io psg. — Bei -er Post bestellt und selbst abgeholt vieitelsährlich i.5v Mk. — Durch -en Briefträger frei ins tsans vierteljährlich i qr Mk. - Linzelue Nummer >o psg — Deutscher Poftzeitnngs- katalog — Lischest» täglich in -en Mittagsstmiden, mit Ausnahme von Sonn- nnd Feiertagen. Marokko, der Zankapfel. Als die Konsercnz von Algeciras auseinanderging, und der Zweck, die Blamage Deutschlands, redlich erfüllt war, da hatte man allgemein das Bewußtsein, daß mit dieser unange nehmen Diplomatenarbeit die marokkanische Frage aus keinen Fall erledigt und für alle Ewigkeiten gelöst sei. Früher, als man damals annahm, kommt diese Frage wieder aus das Tapet, und natürlich sind es die lieben Nachbarn im Westen, die sic anschnei den, um die Gärten der Hcsperidcn mit den goldenen Acpseln in die weite Tasche zu stecken. Man hat das vorausgesehen, und deshalb kommt die ganze Geschichte auch durchaus nicht über raschend. Es ging ja auch gleich los zwischen Frankreich und Marokko. Risfpiraten und anderes Gesindel begingen Angriffe aus französische Staatsangehörige, der Maghzen sagte nicht zu allem Ja und Amen, was von Paris aus verlangt wurde, Aus stände blutigster Art folgten einander — man wäre an der Seine ja recht unvernünftig gewesen, wenn man nicht die Gelegenheit beim Schöps gepackt hätte und zur bewassneten Intervention ge schritten märe. Das Wichtigste vom Tage. Podbielski geht. Er hat erneut sein Abschieds- pcsnch eingereicht. Auch der Reichskanzler Fürst Vniow soll, wie mit Bestimmtheit versichert wird, noch vor dem Zusammentritt des Reichsiages sein Amt nieder lege n* Annabme von Anzeigen bis spätestens gsti Uhr vormittags. Für Anfnahme von größeren Anzeigen an bestimmten Stellen kann nur dann gebürgt werden, wenn sie am Tage vorher bei uns entgehen, ^nsertionspreis: Die stebengespattene Aorpuszeilc oder deren Raum >o Pfg., Reklamen 25 psg Bei größeren Aufträgen entsprechender Rabatt.