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A-orter Wochenblatt. M i t t h e i l » u g e n über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Zehnter Jahrgang. Preis für den Jahrgang bei Bestellung von der Post: l Thaler, bei Bestellung des Blattes durch Botengelegenheit: SO Neugroschen. Erscheint Men Mittwoch. 12. März 845. Neber unser Civilrecht. (Beschluß.) Wir geben noch mehr Beispiele: zum Beweis, wie unpassend unsere Rechts- oder Prozeßsormen (denn der Prozeß ist ein Theil des Rechts) für das Leben und die Idee des Rechtsschutzes im ungelehrten Sinn sich erweisen. Johann kauft von Adam ein Haus um tausend Thaler und laßt sich darüber gerichtlich quittiren. Spater brennt das Gcrichtshaus ab und die Quit tung gehl zu Grunde. Fünf und zwanzig Jahre nach dem Kauf tritt mit einemmale der Erbe Adams auf und verklagt unsern Jean, weil er ihm oder vielmehr seinem Erblasser tausend Thaler Kaufgelder schuldig worden wäre, wie der Kaufbrief beweise, den er darüber in den Händen habe und vorzeigt. Jo hann lacht dieser Klage; denn, denkt er, ich habe ja längst bezahlt und bin gerichtlich quittirt! Inzwischen geht er doch zum Advokaten. Der fragt ihn nach der Quittung und Johann lauft zum neuen Gerichtshal ter, weil der alte unterdessen verstorben ist. Dort hört er, daß keine Quittung vorhanden ist, wohl aber wissen die alten im Gericht beschäftigten Personen noch, daß Johann das Geld an Gerichtsstclle bezahlt hat und darüber quittirt worden ist. Johann läuft also wieder zu seinem Sachwalter und erzahlt's ihm. Der zuckt mit den Achseln, thur aber unverzüglich, was zu thun ist: d. h. er macht eine Widerklage, worin er an. und ausfuhrt, daß Johann bezahlt ha be, die Quittung aber verbrannt sei. Nun wird ein Termin eingesetzt und abgehalten, worin der Gegner zwar erscheint; aber einwirft: auf die Frage, ob die 1OOO Thlr., die du mir schuldig bist, bezahlt sind oder nicht, lasse ich mich nichr und brauche mich nicht eher mir dir einzulassen, bis ich meine geforderten 1000 Thlr. sammt 1000 Thlr. Zinsen habe. Jean fragt seinen Advokaten wieder, ob denn das angehc; der Rechtsmann zuckt wieder, waS bekanntlich so viel heißt, als: 's ist, leider Gottes, so, und nun ist der arme Jean — fertig. Die Klage wegen der 1000 Thlr. Kaufgeldcr und 1000 Thlr. Zinsen geht fort, während Johanns Klage wegen Bezahlung derselben liegen bleibt und nach h. 1. ml 't'it. VI. der erläu terten Prozeßordnung liegen bleiben kann und darf, und Johann wird dadurch zum Bettelmann. Denn, da er die 1000 Thlr. Kagfgelder und 1000 Thlr. Zinsen nicht bezahlen kann, wird er ausgepfändct und sein Haus und Habe verkauft. Um nicht Alles zu verlieren, meldet sich Johanns Frau mit ihrem Ein- gobrachren, daraus wird Concurs und Jean, der red liche, schuldlose Bauer wird nun auch noch Banke rotteur und verliert seine bürgerliche Ehre. WaS hilft es ihm, daß der (Kurator litis ot bonorum die Sache spater ausfuhrt und Johanns Eoncurs die 1000 Thlr. Kaufgelder und 1000 Thlr. Zinsen wie derbekommt und nunmehr Adams Erbe seiner ScilS bankerott wird, weil er die Prozeßkosten nicht mehr aufbringen kann? Das Alles hilft Niemand, als den Herren Advokaten, welche die Kosten erhalten; aber freilich wohlverdiente Kosten; denn was können die Advokaten dafür, daß unser Rcchtsgang nicht ander- ist als so, daß derjenige, der ein Dokument für sich hat, eist bezahlt werden muß, ehe er sich auf Zeugen oder Eidesantrag einzulassen braucht. Dem Doku ment wird einmal nach unsern Prozeßformen mit Er folg nur ein anderes gültiges Dokument entgegengo« stellt. Sonst muß man erst decken, ehe man wieder klagen und sein Recht weiter verfolgen kann. DaS ist unser berühmter Con- und Reconvcnlionsprozeß und entsteht freilich daraus in einzelnen Fällen die größte Chikane, wie alle Welt weiß, aber Niemand ändert. Noch ein Beispiel Es ist oberster Grundsatz se«