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Montag» 11. Mai 1914. Nr. 107. 9. Jahrgang. /luer Tageblatt -lnzeigsr Mr -as <krzg2dirge WKEUD mit -er wöchentliche» Unterhaltungsbeilage: Muer Sonntagsbla«. WWLWK Nu.-ad«st'«ll.^sowi. SprechchinS» s«r ru-aktton mit Ausnahme »er Sonntag« nachmittags 4—s Uhr. — L»l«gramm-swr,ss,: lag,bla« Nu««rza,blra*. h«n,st>r*ch«r SS. ?!""»'« Nu/aal!'»."oös'ntä »hm.^'Ä^üun^n .»tgUa. rar unverlangt «Ingtsan-t« Manuskript« kann vrwähr nicht gtttistet werbrn. WuWVK'»^^u.bM^! Diese Nummer umfaßt 8 Seiten. Das Wichtigste vom Tage. In Freiberg fand gestern die Hauptversammlung der sächsischen Mtttelstandsvereinigung statt.*) Generalmusikdirektor von Schuch in Dresden ist gestern nachmittag im Alter von 6 7 Jahren infolge eines Gehirnschlages gestorben. * Nach langer Krankheit ist die Gemahlin des Reichs kanzlers Bethmann Hollweg heute früh gestorben. * Die Hauptversammlung des Deutschen Wehrver eins in Dosen nahm gestern eine Entschließung an, in der u. a. die tatsächliche Durchfüh rung der allgemeinen Wehrpflicht gefor dert wird. * In Frankreich wurden gestern die Stichwahlen zur Kammer vorgenommen.*) - » Der mexikanisch« RebeQengeneval Tarranza traf in Torreon ein, das er zu seiner Haupt stadt machte. -> MLHere» sieh« an ander« Stelle. 'IMF*' Mutmaßliche Wlittwung am 12. Mut: Südwrst- w- ndr, wechselnde «üwölkung, Temperatur wenig Kändert, kein erh'bpcher Ni-ehnschlag. "MU Zur parlamentarischen Lage. Obwohl erst seit kurzer Zeit wieder zusammen, herrscht im Reichstage schon wieder Jerienstimmung, die mit jedem Tage wächst, je höher die Sonne steigt. Da bei kann man nicht einmal sagen, daß die Debatten da- hinschleichen, denn die jetzt zu bewältigende Tagesord nung weist recht interessante Punkte auf. Ja, eS handelt sich zumteil sogar um bedeutsame Dinge, stste den Militäretat und die Beratung der Auslands- Politik. Im großen und ganzen läßt sich nicht leug nen, daß die Regierung mit dem Reichstage trotz seiner jetzigen Zusammensetzung verhältnismäßig gut auskommt, wenn es auch an gelegentlichen Zusammerfftößen nicht fehlt. Allerdings hat man augenblicklich «inen Konflikt, der von erheblicher Bedeutung ist, jedoch nicht von einer solchen, daß es darüber zu einer Auflösung kommen könnte. ES handelt sich um die Besoldungsnovel le, bet der das schroffe Nein der Regierung gegenüber den wettergehenden Wünschen des Parlaments in der Mrsorge für die unteren Beamten lebhaften Unwillen erregt. Man will nicht recht einsehen, warum die Regie rung zwei Millionen Mehrkosten auszubringen sich scheut, und weist demgegenüber auf die Forderung der Regie rung von IV« Millionen für die Erhöhung des Stall- serviseS der Offiziere hin, der dann auch angesichts der Haltung der Regierung zur Bsamtenbesoldung mit über wältigender Mehrheit abgelehnt worden ist. Gewiß ist der Schatzsekretär genötigt, den Daumen auf die Tasche zu drücken, es fragt sich aber nur, ob es gerade im vor liegenden Falle notwendig und taktisch klug war, wenn für andere vielleicht nicht ganz so wichtige Dinge nach Ansicht der Regierung Geld vorhanden zu sein scheint. Es wäre dringend zu wünschen, daß es in letzter Stunde, nachdem das Plenum in zweiter Lesung die Konmrts- sionsbeschlüsse aufrecht erhalten hat, doch noch zu einer Verständigung kommt, wenngleich man sich sagen muß, daß die Aussichten hierfür recht geringe sind. ES wäre ja nicht das erste ^Mcü, daß ein derartiges Werk noch kurz vor dem Scheitern zustande käme? es sei nur an frühere Mtlitärvorlagen erinnert, wo man scharf aneinander geraten war, bis man schließlich doch noch während der dritten Lesung eine Formel fand, auf der man sich dann billigte. Es wäre keineswegs eine Schwäche der Regierung, wenn sie schließlich nachgeben würde, sie würde dann eben zeigen, daß sie ihre Bedenken auf die dringenden Wün sche der Mehrheit hin im Interesse der Beamtenschaft am letzten Ende zurückgestellt hat. In der nächsten Woche wird hierüber die Entscheidung fallen, wie auch dann die Ungewißheit gelüst sein wird, ob eine Vertagung eintrttt, oder die Session geschlossen wird. Irgend welche Vereinbarungen hierüber zwischen Regierung und Präsidium find noch nicht getroffen, in der Wilhelm- stratze zu Berlin scheint man sich hierüber auch noch nicht ganz klar zu sein und die definitiven Entschließungen wohl von dem wetteren Verlaus der Arbeiten abhängig machen wollen. Das eine ist jedoch gewiß, daß man sich bet einem Schluß der Session nicht von dem Gedanken letten lassen würde, daß in diesem Falle bet Wiederzu sammentritt des Reichstages eine Neuwahl des Präsidiums stattftnden muß, bei der dann das jetzige Präsidium einer gründlichen Umänderung unterzogen werden könne. Bei Entscheidung der Frage, ob Schluß oder Vertagung dürften nur praktische Gesichts punkte maßgebend sein. Der Herr Rriegsminister hat äas Wort. (Von unserem Berliner S-Mitarbeiter). Generalleutnant Erich o. Falkenhayn erhält in diesen Tagen seine parlamentarische Feusckaufe. Was er bisher in dem -kutschen Reichstage zu sagen hatte, mar, abgesehen van seiner Vertretung der militärischen Vor gang« in Zalbern, bei dem ihm noch» allgemein die übliche Schonzeit neuer Minister zügebilligt wurde, Kinderspiel gegenüber' den Ausgaben bei der jetzigen Verteidigung des Heevesetats. Mährend er aufmeeHam und verbindlich zu hörend auif dem ersten Platz am Nundestisch Stunde um Stunde arnd.Tag um Tag aushält, umgeben von fast lauter Neuen Beratern und Gehilfen, ergießt Istch die Flut von Fragen und Wünschen, Anregungen und Anklagen -in breitem Strom von der Rednerbiihne in den Reichstag und in das Land hinein. Militärverwaltung und auswärtige Politik, Partei-politik und Juristerei, Kriegsbereitschaft und Heeresoryanisation im Frieden und noch viele andere Themata werden angeschnitten, lleberall soll der Chef der Heeresverwaltung Aufschluß geben, Rede und 'Antwort stehen. Die A r t, -wie er seither diesen mannigfaltigen und schwierigen Anforderungen nachgKommen-.-ist, hat zweifel los einen vorzüglichen Eindruck bei allen Mrger- lichen Parteien hinterlassen. Im Gegensatz zu -feinem- Arnis- Vorgänger in der behäbigen Patriarchengestalt des Generals v. Heerfngen verfügt-Herr v. Falkenhayn über viel Temperament und auffallende rednerische Gewandtheit. Er verschmäht in seinen wenigen aber wohl durchdachten Ant worten die bekannten, abgegriffenen Wendungen früherer Kriegsminister und trägt seine eigenartigen Entgegnungen auch mit einer guten Dosis von Humor vor, die selbst dort versöhnt, -wo er versagt oder agreMv wird. Mit.voller Wahrung der Würde -feines Amtes paart er so viele sym pathische Züge reiner Menschlichkeit, daß das Gesanrtuvteil bis hart an die Grenze de« Sozialdemokratie lautet: Gin famoser Kerll Freilich, mit aller gewinnenden Freundlichkeit allein läßt sich im Reichstag nicht aueSammen. -Schon hat man Herrn v. Falkenhayn aus den bürgerlichen Parteien heraus zugerufen, M habe nicht nur zu ernten, was seine.Norgäng-er bei Durchsetzung der besten großen Hveresroformen gesät hätten, sondern er habe nun auch durch eigenes Handeln zu zeigen, daß er der rechte Man.i am rechten Fleck fei. Nicht schöne Worte, sondern gute Taten! Aber das rednerische Auftreten des Neuen Ktkiegsministers hat bereits die Hoffnung aufgspflwnAt, daß er auch in seinen Daten nicht allzusehr enttäuschen -werde. Ihm hat, das merkt man in seinem -gangen Mrhalten, Auslandswind um die Nase.ge weht. Drei Jahre lang war er Mlttäri-nstrukteur in China, ein weiteres Jahr hat er das Gouvernement von -Kiautschau Deutsche Aolonisten in Süäamerika Ein -Kapitel deutscher Arbeit von E. -Kampe. Nachdruck »«rbolen. Die begeisterte Ausnahme de» Pr i nz-e n Heinrich und» des deutschen Geschwaders aus ihrem Besuch der HauWt- Häfen der MamerHanischen Staaten hat aufs neue gezeigt, in welch treuer Anhänglichkeit unsere dortigen -Landsleute ihrer alten Heimat gcdsniken, und wie sich durch ihren mittelbaren Einfluß auch die offiziellen Beziehungen Mischen dem Deutschen Reiche und den -M-amerikanischen Staaten immer freundschaftlicher «gestaltet haben. Irgend welche politische Folgerungen aus dieser Tatsache ziehen zu wollen, wie es eine mißgünstige fremde« Presse versucht hat, wäre gewiß verkehrt. Andererseits sollten -wir uns aber auch nicht der Freude verschließen, daß es ums« rem Landsleuten durch ihre Tüchtigkeit und lLeistungsfähitzAett gelungen ist, in der neuen Welt AnerSsnnung und Ansehen zu finden, das sich naturgemäß -auch auf ihr Heimatland überträgt.. Gerade für Deutschland al» Welt- und Weilt- wtrtschafts-macht bedürfen wir solchen Ansehen» in der wei ten Welt in besonderem Maße, von den fremden Ele menten, die seit Anfang vorigen Jahrhunderts al» -Kultur träger den süd-amerikanischen -Staaten zugewandert sind, hat zweifellos da» deutsche eine besonder» hervor» ragend« Rolle gespielt. Allerdings bedurften di!« deutschen Einwanderer einer Vorbedingung zu ihrer ge deihlichen Entwicklung. E» »war die» di« Möglichkeit, untereinander in ständiger Gemeinschaft zu bleiben. Nun so, der Sprache, Reltgfon und Sitten der stten Heimat nicht Entbehrend, vermochten sich die deutschen Einwanderer auch in fremden Landen heimisch zu Mhl-en, und dort kräftig Wurzel zu schlagen. Mo dich- Freiheit aber nicht ge währt wurde, sind alle deutschen« AnsMlurwsoersuche wentitz fruchtbar gqwqsen. So mag e» sich vielleicht auch «Mären, da- wohl im Süden Brasilien», in Chile, -auch in Para guay, blühende deutsch« -Landstedelungen entstanden, wenige» dagegen im Süden Argentinisnei da» dach ge ¬ wiß gleich» fruchtbare Landstriche auWoeist, weil man hier mehr al» in den anderen angeführten Staaten bestrebt war, di« verschiedenen Rationalitäten zu mischen. Die durch die gewährte Freiheit ermöglichte Heranbildung deutscher Gemeinwesen haben dies« Staaten nicht zu be reuen gehabt. Denn gerade die deutschen Kolonien sind auf den meisten.gemeinnützigen Gebieten bahnbrechend vor angegangen und haben damit nicht nur das AnsHen der betreffenden Staaten selbst zu heben geholfen, sondern ,sie haben sich auch in jeder -Munde der Gefahr als -treue 'Staatsbürger für ihre neue -Heimat ««wissen. Als älteste der deutschen Kolonien in Südamerika gilt die deutsch» Kolonie in Valparaiso, dem Haupt. Handelshafen Chile«, an der süd-amertkomischen Westküste. Die Namen deutscher Kriegrabenteurer,in spanischen Diensten sind in Chile bereit» au» dem 16. Jahrhundert bekannt. Zu einer enge-en Vereinigung der Deutschen in Valparaiso kam «s freilich e-rst im Jahre- 1837, indem drei deutsche Landsleute, Kindermann, M-uchall und Pappe, die an einem schönen Sonntage in-einem Gasthause gus-ammentrasen, bei einigen Flaschen Porter mit Al« den Deutschen Verein gründeten, dem schon- in (Kürze sich -zahlreiche andere Deutsche anschloflen, so daß noch vor Ml-auf des Dründumgsjahre»»ein eigene» ^Verein-Haus gemietet wer den konnte. Außer für Unterhaltung durch Theaterauf- 'fllhrunaen und Konzerte sorgt« der Verein vor allem Mr die geistige Fortbildung seiner Mitglieder durch «in« reiche und gute Lektüre, die zum -weitaus größten Teile natür lich aus deutschen Zeitungen und Werben sich zusammen- setzte. Durch dies« Nachrichtenmittel der Heimat -war es ihnen -möglich, .die politischen Ereignisse de» Mutterlandes zu verfolgen, und al» in der Metten Hälfte de» vorigen Jahrhundert» in Deutschland dft -patrtottschen»Wogen hoch, gingen, haben st, ihre WellenLveise auch bi» zu ihnen ge zogen, und manche» SympaihieteLegvamm ist in den. irano- nalen Jubel tagen von ih-n-m aus -um Vaterland« hinüber- «geflogen. Fetzt übertrifft die deutsche Koldni« in Bal- paraiso -ave anderen FreendsnEolonien in dieser sHau-O. HandeleWdt Chttt» E SM und VedM Neben dem Deutschen Bsrein haben, sich -weitere mehr dem Sport und der Geselligkeit dienende Vereine gebildet,,so der Turn- verein und der Sängerbund. Die Meits Kom pagnie der freiwilligen Feuerwehr von'Valparaiso rekru tiert sich ausschließlich aus Deutschen und ist -vorbildlich geworden in Organisation, Tatkraft und Hilfsbereitschaft Am besten bewies die deutsche 'Kolonie -aber ihren Ge- meinmützigkeitssinn durch Gründung eines, vorzüglichen deutschen Hospitals, das auch äußerlich eines der Schmuck stücke der Stadt darstellt. Eine Deutsche Kirche und Schultz die überall di« -ersten sichtbaren Zeichen eines deutschem Gemeinwesens in fremden Länden sind, fehlen natürlich dort auch nicht. Die Deutschen Nachrichten, das eiste deutsche Organ im Ausland, bereits tn den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gegrü-nde-t,. erlangten weit Wer Valparaiso hinaus Bedeutung und Achtung. Einen ähnlichen Entwicklungsgang, nur zeitlich, «twa- später, zeigen, -wie ja die deutschen Kolonien in den größten 'Städten Südamerikas überhaupt, auch die deu'schen G- meiyden in Santiago und ist den- nördlichen Hafenplätzen Chile». In Santiago ist es vor allem-die Deutsch, wissenschaftliche Bereinigung, di« «inen hohen Ruf erlang hat. In allen Viesen Städten gehören unser« Landsleute vorwiegend dem Kausmannsstande an, weiter im Süden dagegen betteiben sie teilweise recht bedeutende industrielle Mternehmungen oder auch Landwirtschaft. Der gewerblich« Ausschwain-g der südlichen Provinz ichile«,, Valdivia, ist wie da» Aufblühen der Stadt Valdivia selbst deutscher Kraft und deutschem Fleiße zuzu schreiben. Al» im Fahre 1880 deutsche Auswanderer unter Führung Karl Anwandter» begannen, da» ihnen auf der Tajo-Jäsel gegenüber-von Valdivia angewiesene Urwald territorium urbar zu machen, träumte von ihnen wohl keiner, daß diese Insel später eine der blühendsten alle- Pflanzstätten in Südamerika werden sollt«. Fetzt ziehen sich auf de» waldbekränzten lielSÄchm Uferterrasie de* Insel zahlreiche schmuck» Villen entlang, die van langge^reck en Fabrikgebäuden mit mächtigen qualmenden Schornsteinen überragt werden, und «ein reger Schiffsverkehr belebt den