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/luer Tageblatt 24. Jahrgang km,.,«n» «vf.-nl,«, «u.»OrN« tt pfinnl,«, ,,U, »« pf«n»I,«, »»»«»ä'ti,, N«N» «,«« 1 N,tch»mark, amtlich« A»tt« M vfiaa««*. L^»gramm»-. Lag«dk»a )-,u.»rrg,di»s« Enthalt««- -ie amtlichra Brkaantmachnngen -es Kates -ex Sta-t ua- -es Amtsgerichts ^oe. postph.«.e»ntt: Am« e««psig m. teee Nr. 100 Dienstag, üen 30. Npril 1929 MLW Anzeiger für -as Erzgebirge Dr. Schacht in Berlin Optimismus iu Paris — Die Aoung-Konferenz hielt am Sonnabend die festgesetzte Besprechung über den vorliegenden vorläu- figen Gesamtbericht über die Verhandlungen nicht ab, da der englische Vertreter Stamp von seiner Lon doner „Geschäftsreise" noch, nicht zurückgelehrt war. Sie wurde auf Montag verlegt. Inzwischen ist Dr. Schacht nach Berlin gereist, um an den Sitzungen des ReichsbankdirektoriumS und des Generalrats der Reichs bank teilzunehmen, die sür Dienstag und Mittwoch ge plant sind. Allgemein wird angenommen, daß Tr. Schacht über die jüngsten vertraulichen Besprechungen auch die Reichsregierung unterrichten wird. Hutter den Pariser Kulissen fanden in den letzten Tagen offenbar neue Einigungsversuche statt. Von einer Verständigung scheint man zwar noch weit entfernt zu sein, jedoch ist .die Zunahme des Optimis mus ganz unverkennbar. Tie scharfen Angriffe auf T-r. Schacht und die übrigen Delegierten verstummten am Freitag und Sonnabend nahezu vollständig. Man schreibt sogar, daß die konziliante Haltung „ver schiedener Sachverständiger" doch noch auf ein Ergebnis hoffen lasse. Zules Sauerwetn hält es sogar für oö.lig zwecklos, sich mit scharfen Angriffen gegen Dr. Schacht zu wenden. Beachtenswerterweise sehen auch dtt Londoner „Times" die Tinge nicht so pessimistisch, Pessimismus in Neupork wie sie in Berlin ganz überwiegend gesehen werden.' Umso ausfallender ist die pessimistische Einstellung der Amerikaner. Der Abgeordnete Mae Fadden. der Vorsitzende de» Bank, und WährungSausschusseS des Repräsentantenhauses meinte nämlich in einer Rede zu Philadelphia, daß der Zusammenbruch der Repa rationskonferenz zu erwarten war und unterrichtete amerikanische Finanzkreise damit rechneten. Er er innerte daran, daß in Deutschland ein neues Geschlecht heranwächst, das auf den Tag hofft, an dem nicht nur die Reparattonsschuld beträchtlich herabgesetzt, son dern überhaupt vollständig gestrichen wird. TuS deut sche Volk wäre der Meinung, datz die Alliierten bereits reichliche Kriegsentschädigungen durch bis territoriale Ausbreitung erlangt hätten, zu der ihnen der Versail ler Vertrag verhalf. Das Fiasko der Pariser Konfe renz schüfe eine überaus ernste Lage, durch die alle zivilisierten Staaten in Mitleidenschaft gezogen würden. Zu diesen beachtenswerten Ausführungen muß bo- merkt werden, daß die maßgeblichen Finanzkreise in Washington in der Tat von der Pariser Sachverständig genkonferenz nicht mehr viel erhoffen und die iveitere Entwicklung überaus ernst beurteilen^ Ihnen kam auch dte Erhöhung des deutschen Diskontsatzes nicht überraschend. Kamps dem Parlamentarismus von heute Tagung -es Keichspartrlausschusses -er demokratischen Partei Der Reich sp art eiauSschuß der Demokra tischen Partei hielt gestern in Leipzig eine Tagung ab, zu der aus allen Teilen Deutschlands zahlreiche Vertreter er schienen waren. Von Graf Bernstorfs ist aus Genf ein Telegramm ein gegangen, in dem er unter Hinweis auf den harten Kampf, in dem er stehe, sein Bedauern ausspricht, an der Tagung nicht teilnehmen zu können, und der Tagung guten Erfolg wünscht. Den Vortrag über die politische Lage erstattete der Parteivorsitzende Koch-Weser. Er führte mit Bezug aus die sächsischen Wahlen aus, eine Partei, die eine Regierung der Bürger ohne Mitwirkung der Arbeiter ab lehne, dürfe auch sagen, daß eine Regierung der Arbeiter ohne Mitwirkung der Bürger dieselbe Versündigung an der Volks gemeinschaft darstelle. Daß durch die Wahlen die demokratische staatserhaltende Mitte wieder zur SammlungSstütte aller freiheitlich, fort schrittlich und sozial Gesinnten werden möge, sei der Wunsch der Partei zum Wahlkampf in Sachsen. Der Redner ging dann zur Reichspolitik Wer und führte aus. daß es der Republik zu danken sei, wenn das deutsche Volk in den letzten Jahren vor Hunger, Bolschewismus und dem Vernichtungswillen seiner Gegner bewahrt geblieben sei. Dabej brauche das Bestehend« nicht schrankenlos bejaht zu werden, im Gegenteil, die Republik dürfe nicht konservativ werden. Sie werde bestehen bleiben, auch wenn sie sich entwickele und voranschreit«. Koch-Weser wandte sich dann gegen den Parte ii-mus. der dem parlamentarischen Gedanken in Deutschland schweren Abbruch getan habe. Das politische Parlament dürfe rttcht zu einer Interessenvertretung werden. ES sei auch nicht Auf- gäbe der Partei, die Minister nach der Zahl anstatt der Per- sönlichkeit zu bestimmen. Das Parlament neige mehr und mehr dazu, verantwortungslose Beschlüsse zu fassen tu der Hoffnung, datz di- Regierung sich um di- Ausführung dieser Beschlüsse herumdrückra küuue. Der Reichstag fei aber zur Arbeit mch «richt zur Propaganda da. Mit einer Verfassungsänderung, wie fie die Deutsche Volks- pariei in der Form der Einführung einer qualifizierten Mehr heit für ein Mißtrauensvotum gegen die Regierung verlange, sei allerdings nichts gewonnen. Wenn aber die Verfassung auf die Dauer falsch gehandhabt werden sollte, so werde man auch die Frage einer Verfassungsänderung nicht ohne weiteres v-ern^inen dürfen, um Form der Verfassung ihrem Sinne anzupassen. Die Aufgabe der Demokratischen Partei sei e», führend zu sein in der Wiederherstellung des echten Parlamentaris mus, vor allem auch nach der Richtung, daß der Reichs- Präsident die Initiativ« bei der Regierungsbildung zu ,r. greifen hab- «ad nicht di- RegtermqlSpart-te«. Richtlinien für di« Schaffung eines Einheit? st aates, die sich fast völlig mit den Beschlüssen der Ausschüsse der Län derkonferenz decken. Nötigenfalls müßte, wenn eine Zweidrit telmehrheit im Reichstag für die Gestaltung des Einheits staates nicht zuftandekomme, diese Frage zum Gegenstand einer Wahlparole oder eines Volksentscheides gemacht wer den. Auch der Finanzausgleich sei in seiner jetzigen schema tischen Schllüsselform untragbar, da die industriellen Länder und Städte dadurch ^benachteiligt würden. Wenn wir aber den Einheitsstaat haben, werde auch dir BerwaltungSreform kom men, die es auch ermögliche, die erdrückende Steuerlast zu mildern. Die Sozialpolitik, durch die die Arbeitnehmer zu kollektivem Sparen gezwungen werden, sei tragbarer als das amerikanische System. Allerdings sei die Arbeitslosenoersiche rung in ihrer jetzigen Form wicht zu halten, da sie große Mißstände mit sich gebracht halbe, namentlich durch Entvölke rung des flachen Landes. — Zur Außenpolitik Übergehend, sagte der Redner, daß der Gedanke der Völkerverständigung in den letzten Jahren keine Fortschritte gemacht habe. Anstatt die Macht des Völkerbun des allen Staaten gegenüber zu kräftigen, habe man mit einer Flut Papiers begonnen, einzelne Schiedsverträge zu schließen, ähnlich den Bündnisverträgen vor dem Kriege. Aus diesem Gebiete gelte es, die Idee des Völkerbundes Wied« in den Vordergrund zu stellen. Was in Paris geschehe, zeige, daß wir von einer Verständigung noch weit entfernt find. Die Haltung unserer Delegation in Paris sei durchaus zu billigen, aber auch wenn die Verhandlungen scheitern sollten, so seien — dank der Locarnopolitik — Sanktionen wie in den ersten Jah ren nach dem Kriege nicht mehr zu befürchten. Zum Schluß betonte Koch-Weser die Notwendigkeit der Schaffung eines festen Wirtschaftsprogramms; allein «st dem Schlagwort der freien Wirtschaft komm« man «richt mehr durch. Das WirtschaftSprogranrm der Partei, da» zur Zeit auSgear- bsitet Werve, gebe feiner Vollendungentgegen und werde den Beweis liefern, daß die Partei feste Wirtschaftsziele habe. Die Zukunft der Partei liege in einer unbeirrbaren Sachlichkeit, die jeden an sein Ziel kommen läßt und dem Ganzen dient. Nach sehr ausgedehnter Aussprache wurden die Richtlinien zum Einheitsstaat einstimmig -genehmigt, ebenso eine Ent schließung, nach der der Pavdeiausschuß rückhaltlos billigt, daß die deutschen Sachverständigen in Paris eine Lösung der Reparationsfrage, die die Leistungsfähigkeit Deutschlands übersteigt, abgelehnt hoben. Der Partvtausschuß erwarte von der Regierung, daß fie zwar nach wie vor bemüht sein werde, auf «ine befriedigende Lösung hinzuwirken, ober nicht den Standpunkt verlaßen werde, Abmachungen von der Hand zu Welsen, die Deutschlands Wirtschaft auf die Dauer erschüttern und die schließlich nicht tnnegehalten werden können. Der diesjährig« Parteitag soll im September in Heidel- berg stattsinden, der gen«»« Zeitprprk wird vom Porteivor- »och Ss lebe cler Keservemrmn! Abrüstung und Rcservefrag«. — Di« Reserven in tSnzAv« Ländeirr. — D«r deutsche Standpunkt. Alle alten Reservisten werden tn diesen Tagen aufhorchen, denn die Reservistenfrags steht gegenwärtig im Mittehrunkte aller Erörterungen des Vorbereiten den Abrüstungsausschusses des Genfer Völkerbünde». Man kann geradezu sagen, daß dte Frage der au»gs« bildeten Reserven ebenso zu einem Angelpunkte der Abrüstungskonferenz wurde, wie die Panzerkreuzer frage, das Tauchbootproblem und die Pariser Kautschuk- vom .Hotentiel de guerre", sagen wir einmal der Möglichkeit eines Krieges. Wie liegen nun dte Verhältnisse mit den Reser ven, nachdem jetzt schon einmal das alte Soldatenlied nicht mehr stimmt: „Und wenn Reserve Ruh' hat, dann hat Reserve Ruh'!" England hat ein Freh- willigenheer von 153 000 Mann und außerdem ein freiwilliges Milizheer von 140 000 Mann. Eine all gemeine Wehrpflicht besteht nicht, da Großbritannien das Mutterland der stehenden Frciwtlligcnheere ist. Im Mobilmachungsfalle verfügt daher England sür die ersten Wochen günstigenfalls über eine Armee von 300 000 Mann. Wesentlich anders liegen dte Verhältnisse in Frankreich. Die Franzosen haben bekanntlich rund 100 000 Berufssoldaten, aktive Offiziere und Unteroffi ziere, und außerdem auf Grund der allgemeinen Wehr pflicht zwei Jahrgänge von je 240 000 Mann unter Waffen. Dabei sind die farbigen Truppenteile in Nordafrika und den anderen französischen Kolonien nicht in Anrechnung gebracht. Alljährlich werden 240 000 Mann vollständig ausgebildeter Soldaten entlassen. Zieht Frankreich im Falle einer Mobilmachung nur sechs oder sieben Jahrgänge Reservisten ein, so ver fügt es schon in wenigen Tagen über Armeen in der Gesamtstärke von etwa zwei Millionen Soldaten. Nun steht aber Frankreich nicht allein da. ES hat feste Militärbündnisse mit Belgien, der Tschecho slowakei, Polen, Südflawien und Rumänien. Wenn wir nur jene Staaten in Betracht ziehen, die unmittel bar in unserer Nachbarschaft liegen, so besitzt Frank reich 3 500 000 ausgebildete Reserven, Belgien 350 000, die Tschechoslowakei 1160000 und Po len 1 700 000 Mann. Diese Zahlen muß man sich vergegenwärtigen, wenn man die Vorgänge aus der Vorbereitende,: ^Abrüstungskonferenz tn Genf verstehen und richtig würdigen will. Die Franzosen kämpfen mit eiserner Folgerichtigkeit dafür, daß diese Reserven völlig außer Betracht bleiben, wenn von den Rüstungs beschränkungen gesprochen wird. Sie sanden dabei so gleich dis Unterstützung der Polen, Belgier, Rumänen, Jugoslawen, Tschechoslowaken und Griechen. In dem bekannten englisch-französischen Marineabkommen trat aurü England der französischen Ansicht bei, um da für französische Zugeständnisse in den Seeabrüstungs problemen zu erzielen. In jüngster Zeit ist auch die Türkei der französischen Auffassung beigetreten. Jetzt haben sich dis Vereinigten Staaten Nord amerikas den Franzosen angeschlossen. Tie ent gegengesetzte Auffassung ist bisher mit größter 'Ent schiedenheit von der deutschen ReichLregierung vertre ten worden. Graf Bernstorff erklärte nun am Sonnabend in der Vorbereitenden Abrüstungskonferenz in Genf, daß sich die deutsche Rsichsregiernng einer vollständi gen Aufgabe der Einbeziehung der neuauSgebtldeten Reserven nicht anzuschließen vermag, weil ein der artiges Unterfangen dahin führen müßte, daß doch nur eine Scheinlösung zustande käme. Tin Maat, der eine bestimmte Anzahl von Truppen unter den Fahnen hat, jedoch keine oder nur wenige ausgebildete Reserven, würde nämlich im Falle einer Vereinbarung . mit denselben Ziffern tn der zu schließenden veretn- baruna tn die Erscheinung treten, wie ein anderer Staat, der die gleiche Anzahl von Mannschaften unter den Fahnen hat, jedoch außerdem vielleicht noch zwan« zigmal soviel ausgebildete Reserven! Tiefe Reserven ermöglichen es aber gerade, einen groß angelegten Angriff zur Ausführung zu bringen, sv daß sie tat sächlich ein „potentiel de guerre" darstellen, was kei nem militärischen Sachverständigen entgehen kann. Tie deutschen Delegierten sind klug beraten, wenn sie in Genf ihre grundsätzliche Auffassung aufrecht halten und sie mit Entschiedenheit immer wieder her- auSarbeiten. Das gebietet nicht nur das Problem der Abrüstung und dte Befriedung der Welt, sondern ebenso sehr die uns gegebenen Versprechungen deS Friedens vertrages von Versailles und die in ihm geschaffene Lage de» Deutschen Reiche». Eine andere Frage ist di«, ob dte deutschen Unterhändler nach dem Auf- marsch der ander«« Staaten im Vorbereitende« Mr»