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AWchcMM * für Wtlsdr»ff, Tharandt, Rossen, Ticbcnlelm »ud die Umgcgcudc». Umlsvlall für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 6. Freitag den 19. Januar 1872. Tagesgeschichte. In ihrem Jahresbericht von 1870 spricht sich die Dresdner Handels- und Gewerbekammer betreffs der Eisenbahnen aber mals für Einführung einer strengeren Haftpflicht für richtige Ab lieferung der anvertrauten Güter nach Quantität, Qualität und Lieferzeit aus. Sie erinnert daran, daß sie schon 1860 in Ver bindung mit Chemnitzer Industriellen der Autonomie der Eisenbahnen entgegenzuarbciten gesucht habe. Das, was sie damals gesagt, sei heute noch richtig, und die vvrausgesagten Befürchtungen seien nur zu vollständig eingetroffen, die Besorgnisse wegen der Differenzialtarife seien in ihren Wirkungen noch überboten worden. Die Ursache dieser Ilebelstände findet der Kammerbericht in dem Fehlen der freien Concurrcn; und darin, daß der Sraat selbst Eisenbahnunternehmer ist. Deshalb wünscht die Kammer, daß die Erbauung neuer Eisen bahnen nicht an erschwerende Bedingungen geknüpft, sondern so viel als möglich gefördert werde, und daß der Flußschifffahrt wie der Anlage von Canälen möglichst aufgeholfen werde. Ferner spricht der Jahresbericht der Fortführung des CorrecüonswerkeS der Elb- sahrtfiraße innerhalb Sachsens die verdiente Anerkennung aus und knüpft daran die Hoffnung, daß die Gründung des Elb-Spree- Canales allseitig die verdiente Beachtung finden werde. Die „B. B.-Ztg." kann hinzusetzen, daß die sächsische Negierung die Erlaubniß zu den Vorarbeiten cnheilt hat. Aus Dresden vom 15. Januar berichtet das „Dr. Irl.": Als gestern früh gegen 8 Uhr die Quartierwirthin eines erst seil wenigen Monaten auf der Christianstraße hier wohnenden jnngen Polen dem selben, wie alltäglich, den Kaffee überbracht und sich alsdann wieder in ihr Zimmer zürückbegeben hatte, kam ihr plötzlich der junge Mann nachgeeilt, erfaßte sie am Hälfe, drückte sie zu Boden und feuerte unter dem Ausrufe: „Was haben Sie in meinen Kaffee gethan?" mittelst eines Revolvers einen Schuß aus sie ab. Glücklicherweise vermochte die Frau die von ihrem Verfolger gebrauchte Schußwaffe noch so abzuwehren, daß sie mit dem Leben davon kam und nur an der linken Hand von dem Schüsse gestreift wurde. Nach verübter That cnlfloh der junge Mann, wurde aber noch gestern Abend- in Niederau, wohin er sich zu Fuße begeben halte, ergriffen und anher transportirt. Derselbe soll geistig gestört sein. Mittweida, 15. Januar. Am Sonnabend hat sich in der Liebenhaincr Mühle der Unfall ereignet, daß der fünfjährige Pflege sohn des Besitzers auf bis jetzt unermittclte Weise in der sogenannten Froste ein geladenes Terzerol zu erlangen gewußt hat, und sich, wahrscheinlich damit spielend, so unglücklich schoß, daß der Tod augenblicklich erfolgte; der Schuß ist durch den Mund und am obern Theil des KopfeS herausgegangen. — Gestern gingen die Pferde des Gasthofsbesitzers Kühnrich'in Erlau in dem Augenblick durch, als sie an den Omnibus gespannt wurden, und rissen dabei den Kutscher um, gingen mit sammt dem Wagen über denselben hinweg, so daß derselbe nicht unbedeutende Verletzungen davon trug. Im „Neichsanzeiger" macht das General-Postamt wiederholt darauf aufmerksam, daß die Ende 1871 außer Geltung gekommenen norddeutschen Freimarken, Franco-Couverts und gestempelten Streif bänder nur bis einschließlich 15. Februar bei den deutschen Reichs postanstalten gegen neue Postwertzeichen umgetauscht werden. Vom 16. Februar d. I. ab werden die früheren norddeutschen Freimarken rc. zum Umtausch nicht mehr angenommen und verlieren ihren Werth. Crimmitschau, 12. Januar. Tas „Zw. W." berichtet: Heute Nachts gegen 3 Uhr brannte das auf dem Markte hier gelegene Weyhmann'sche Haus bis auf die Umfassungsmauern nieder. Wie man vermuthet, entstand das Feuer in einem Holzstalle des erwähnten Gebäudes und pflanzte sich von hier mit einer rapiden Schnelligkeit fort, so daß die sämmtlichen Insassen des Hauses fast nur das nackte Leben retten konnten. D e Gesellen des im dritten Stockwerk wohnenden Schuhmachers Vogel kamen während des Brandes in eine schlimme Situation, indem plötzlich die von ihnen innegehabte Schlafkammer in vollen Flammen stand und ihnen von jeder Seite der Ausgang dadurch abgeschnitten wurde. In ihrer Verzweiflung kletterten sie auf das auch bereits von den Flammen ergriffene Dach und riefen um Hilfe. Dieselbe ist ihnen dann auch von der schnell herbeigeeilten hiesigen Feuerwehr geworden; übrigens ist es nur der angestrengten und aufopfernden Thätigkcit derselben zu danken, daß das Feuer nicht weiter um sich griff. Kirchberg, 12. Januar. Gestern Abend nach 7 Uhr ist der Tuchmachermeister und Spinnereibesitzer Franz Otto Riedel daselbst, vcrheirathet und Vater von 7 Kindern, wahrscheinlich infolge Un vorsichtigkeit in das Schwungrad der Dampfmaschine seiner in Saupersdorf gelegenen Spinnerei gcrathcn, wodurch sein sofortiger Tod hcrbeigeführt wurde. Der „F. A." berichtet: Infolge des leider noch immer anhal tenden Wassermangels ist es jedem einzelnen Bergabeiter nicht ge stattet, täglich mehr als eine Schicht zu verfahren. Ans diesem Grunde mußte natürlich bei manchem Familienvater, der nicht durch andere Arbeit den Verlust zu ersetzen vermag, eine Schmälerung des Verdienstes eintrcten. In derselben Lage besand sich auch der Berg mann R. in Friedeburg. Durch obige Maßnahmen war er ob seiner Existenz, trotz allen tröstlichen Zuspruchs Seitens der Gatlin, in so außerordentlicher Besorgniß, daß er sich nicht anders, als durch den Tod zu retten wußte. Mittels Stranges führte er am Donnerstag, den 11. Jan., dieses Vorhaben aus und hinterläßt nun eine Mutter mit vier Kindern im tiefsten Elend. Dem Preuß. Cultusminister Mühler — eS ist kein Zweifel mehr — ist der Rath abzugchcn, crthcilt worden. Kreuzzeitung und Kladderadatsch fassen ihn bereits unter'm Arm, um ihn sanft zu ge leiten, die Erstere als halbe Leidtragende, der Letztere mit der aus gesprochenen Hoffnung, daß der ernste Minister zum Humor seiner Jugend („Grab' aus dem WirlhshauS komm' ich heraus") zurück kehre und der schöne Anfang sich zum schönen Ende füge. Berlin, 17. Januar Nachmittags. Die halbamtliche „Provin zial-Korrespondenz" schreibt: Der Cultusminister von Mühler hat sich veranlaßt gesehen, die Entlassung aus seiner bisherigen Stellung vom Könige zu erbitten. Klanglos, fast unbemerkt läuft durch die Zeitungen die Nachricht, daß Heinrich v. Gagern „aus sein Nachsuchen und unter An erkennung seiner treuen und vorzüglichen Dienste" in den Ruhestand versetzt worden ist. Er war in dem letzten Jahrzehnt Darmstädtischer Gesandter in Wien. Das ist das Ende der öffentlichen Laufbahn des ersten Präsidenten deS ersten deutschen Parlaments, deS einst gefeiertsten und einflußreichsten Mannes in Deutschland. Er hat das erste Programm der deutschen Frage aufgestellt, auch er wollte Preußens König an die Spitze Deutschlands stellen, aber er scheiterte mit seinem friedlichen Programm in Berlin und Wien. Bismarck löste die deutsche Frage mit Blut und Eisen, indem er den Knoten in zwei Feldzügen mit dem Schwerte durchhieb. Bismarck führt mit vollen Segeln auf dem hohen Meere der Politik, Gagern hat sein gescheitertes Boot auf den einsamen Strand gezogen. In manchem deutschen HauS hängt Beider Bild neben einander. Ein sehr „schwarzer Punkt" erhebt sich am Horizonte Bayerns. Wird es ein Gewitter geben? Die Bischöfe des Landes haben das Staatsministerin!» auf Verfassungsverletzung verklagt und der Landtagsausschuß hat die Beschwerde mit 6 gegen 3 Stimmen für begründet gefunden. Ja, wenn nicht ein Gott im Himmel, ein Kaiser Wilhelm in Deutschland und ein König Ludwig in Bayern regierte, so könnte es schlimm gehe». Auch haben der Reichsrath (Herrenhaus) und der Staatsrath neben der Abgeordnetenkammer ein Wörtlcin drein zu reden. Laut der von der bayrischen Negierung znr Einführung des deutschen Kriegsdienstgesetzes erlassenen Vollzugsbestimmungen ist nun mehr auch dieser Staat den Verfügungen über die militärische Frei zügigkeit bcigetreten. ES werden danach also durch ganz Deutsch land die in das wehrpflichtige Alter tretenden jungen Männer bei den Truppen desjenigen deutschen Staates ihrer Wehrpflicht genügen