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und Anzeiger Wr das Erzgebirge mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. G-br?d."r"B^hn«r Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittag; von 4—L Uhr. — Telegramm-Adresse: Tageblatt Aue. — Fernsprecher tt. - Paul Beuthner) Für unverlangt eingesandte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. Verantwortlicher Redakteur: Fritz Arn ho Id. Ftlr die Inserate verantwortlich: Malter Urans beide in Aue. Bezugspreis: Durch unser» Boten frei ins Haus monatlich so pfg. Bei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich »0 pfg. und wöchentlich 10 pfg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich l.so Mk. — Durch den Briesträger frei in; »ans vierteljährlich ,.yr Mk. — Linzelne Nummer ,0 Pfg. — Deutscher postzeitnngs- katalog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. Annahme von Anzeigen bis spätestens ?'/, Uhr vormittags. 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(S. «. « a. tvelt) * Die B u d gc t k 0 m m i s s i 0 n des Reichstags ge nehmigte gestern den Ergänzungsetat zurPostscheck- Vorlage. Wechsel im Präsidium -er Rnsiedlungskommiffion. »xe. Das Ausscheiden des Herrn Blomeyer aus seinem Amt als Präsident der Ansiedlungskommissron inP 0 sen steht bevor; auch scheint Herr Blomeyer sich nach länge rem Zögern schlielich bereit gefunden zu haben, als Regie rung«- Präsident nach Stralsund zu gehen, wo der bishe-'ge Präsident Scheller in den Ruhestand getreten ist. Als Herr Blomeyer, der bis dahin Landrat des Kreises Meserllz gewesen war, vor nunmehr etwa süns Jahren zum Präsidenten der Anfiedlungskommission als Nachfolger des Herrn v 0 nWit- tenburg berufen wurde, der seinerseits das Amt etwa zwölf Jahre hindurch bekleidet hatte — da erregte diese ÜVahl in den interessierten Kreisen doch eine ziemliche Ueberraschung. Nach der Meinung einsichtiger und mit den Verhältnissen genau be kannter Männer fehlte es Herrn Blomeyer, der ein tüchtiger, un gemein fleißiger und gewissenhafter Landrat gewesen, doch an einigen jener Eigenschaften, die die ungemein schwierige und eigenartige Stellung des Ansiedlungs-Präsidenten erfordert. Keine starke Persönlichkeit, sondern ein guter Beamter. Ob er wirk lich seine Berufung, wie man sich damals in Posen erzählte, den Bemühungen eines seitdem verstorbenen krciseinzcscssenen Groß grundbesitzers verdankte, dem vielfache Beziehungen bei Hofe und an maßgebenster Stelle wohl nicht mit Unrecht nachgcsagt wurden, mag dahingestellt bleiben. So wurde Herr Blomeyer in dieses so ziemlich wichtigste, schwerste, aber auch reizvollste Verwaltungs amt des preußischen Staates berufen. Geheimnisvolle Kapitel i -er Weltgeschichte.*) I n. Ein Halbbruder des Kaisers Napoleon III. 'M Am 21. Oktober 18ll gab der Wundarzt und Geburtshelfer Claude-Martin Gardien, wohnhaft zu Paris, Rue Montmartre Nr. 137, auf dem Standesamte des elften Stadtbezirkes in Gegen wart von zwei Zeugen, eines Schuhmachers und eines Schneiders, die Erklärung ab, in seiner Wohnung habe Louise-Emile-Coralie I Fle-ry, Ehegattin des Auguste,Jean-Hyacinthe Demorny, Land- M des iers aus St. Domingo, einom Knaben das Leben geschenkt, dem die Vornahmen Charlcs-Auguste-Louis-Joseph bcigelegt wor den seien. Am 10. März 1803 bestattete man aus Staatskosten in Paris den Präsidenten des Gesetzgebenden Körpers, Herzog von Morny, unter Beteiligung der kaiserlichen Familie, der U höchsten Würdenträger des Hofes und des Reiches, mit allem »M Pomp und mit aller Feierlichkeit, di« einem Manne seines Ran- ges gebührten. Zwischen diesen beiden Taten liegt eines der merk- I wllrdigstens Lebensschirksale, das bis auf den heutigen Tag von > " der historischen Forschung noch nicht ganz erhellt ist. Die politische U Lausbahn Auguste Dcmornys— erst später schrieb er sich de Morny — liegt klar vor uns ausgebreitet. Der Anteil, den er an der Aufrichtung des zweiten Kaiserreiches, am Staatsstreiche und an seinen Folgen hatte, gehört der Geschichte an. Auch über seine private Existenz kann man von dem Augenblicke ab, da er zur Macht gelangte, in vielen Auszeichnungen seiner Zeitgenossen U. genügendes Material finden, um sich ein Bild von seinem Cha rakter, von seinen Talenten und von seinen Schwächen zu ge- W stalten. Wir wissen, daß er seltene staatsmännische Fähigkeiten *) itkr. 1 sieh« Auer Tageblatt vöm 20. Februar 1S08. ff F Fs M I und diplomatische Gewandtheit besaß, wir wissen, daß er ein ge schickter, von keinen Skrupeln geplagter Finanzier war, und wir wissen, daß er daneben den schönen Künsten oblag, als ein Sammler von Geschmack und ein schriftstellernder Dilettant, der nicht nur dem Theater selbst, sondern auch den Damen vom Theater, sofern sie jung und scbön waren, eine allezeit rege Teil nahme entgegenbrachte. Wenige haben mit so vollen Zügen wie er aus dein Becher der Freuden einer Zeit getrunken, da Napo leon III. als der Herr von Europa, der Schiedsrichter der Welt erschien und der Luxus und der Leichtsinn, der Glanz und die Frivolität seiner Hauptstadt die Fremden aller Länder anzogen. Aber über die Kindheit, die erste Jugend von Auguste de Morny wußten wir bisher nur weniges, und dieses wenige war nicht immer untereinander in Einklang zu bringen. Ein vor kurzem er'chicnencs Werk gibt uns nun hierzu neue und wert volle, freilich noch immer nicht lückenlose Ausschlüsse.*) Im Mittel, unkte dieses Werkes steht die Marquise de S 0 uzä, eine der interessantesten Frauengestalten aus jener bewegt'» Epoche Frankreichs, die den Sturz des Königtums, die große Revolution, das Kaiserreich und die Wiederherstellung der Herr schaft der Bourbonen umfaßt. Eine Weltdame, die der Versailler Hof geformt hatte, anmutig und graziös in Umgang und Lebens führung, frei in den Sitten und dabei eine begabte Schrift stellerin, deren sentimental-tugendsamen Romane das Entzücken der Salons waren. Madame d« Souza war die Großmutter Auguste de Mornys. In ihrem Hause, unter ihrem Schutze und ihrer Anleitung wuchs er auf, und man darf sagen, daß manche Züge seines Wesens ihr Erbteil oder doch das Ergebnis ihrer Erziehung gewesen sind. Ihr illegitimer Enkel war Auguste de Morny, die Frucht einer verbotenen Liebe, die ängstlichstes Geheimnis umgeben hatte. Ihm selbst hielt man seinen Ur *) Baron de Maricourt. Madame de Souza et sa famille. Pari». Tmile-Paul. Es wurde auch in diesem Falle nach der Art verfahren, die in der Besetzung hoher Staatsämter bei uns allmählich tradi tionell geworden ist. Nur zu häufig werden bei uns die unrich tigen Männer auf unrichtige Plätze gesetzt; oft genug hat man Grund zur Verwunderung, wenn man sieht, daß Herr P., der Typuss des strebsamen und biegsamen Verwaltungs-Routiniers, mit einem entsck-eidenden Amt als Verwaltungsrichter, oder daß Herr Z., der dem Geistesleben der Nation weltenfern ist, aus gerechnet mit der Durchführung kultureller Ausgaben betraut wird. Von einer Auslese, wie sie die Armee, die Marine, wie sie alle freie» Berufe kennen und üben, ist in unserer Staatsver waltung leider viel weniger die Rede. Man verläßt sich darauf, und kann sich bei dem stark autoritativen Charakter unseres Staatslebcn einigermaßen sicher darauf verlassen, daß mit dem Amt der Verstand kommt. Ein hoher Beamter, zumal wenn er ohne Temperament und dementsprechend vorsichtig ist, wird bei uns eigentlich nie direkt scheitern; die Weihe des Amts schirmt ihn. In Oesterreich — von anderen Ländern zu schweigen — ist das schon ganz anders; der kritische Sinn ist dort weit mehr und stärker entwickelt als bei uns, wo jeder Beamte nun einmal auch dem freien Staatsbürger als der bestellte Vorgesetzte gilt. Herr Blomeyer waltete seines Amtes ordentlich und fleißig, doch ohne jede persönliche Note. Aber, ensin, die Sache ging. Da für jedes Dorf eine Million Mark an Geld vorhanden war, so konnte es nicht ausbleiben, daß die entsprechende Zahl neuer Dörfer errichtet wurde. Daraus braucht man nicht besonders stolz zu sein; mit diesen Mitteln hätte ein privater Unternehmer das Zwanzigsache geleistet. Was insbesondere die Polen unter unendlichen Erschwerungen und Hemmnissen vor sich gebracht, das kann man in dem bekannten Buch des Professor Bernhardt nachlesen. Aber freilich — die polnischen Führer werden im Wege der sozialen Auslese gewonnen; dort regieren wirklich die Tüch tigsten und Geschicktesten. Als Nachfolger des Herrn Blomeyer wird in erster Linie der Geheimrat im Ministerium des Innern von Schwerin, ältester Sohn und Majoratserbe des Grasen Zieten-Schwe- rin, genannt. Herr von Schwerin war in den neunziger Jahren Regierungsassessor bei der Aiisicdlungskommission, wurde dann Landrat in Thorn und später ins Ministerium des Innern berufen, wo er das ungemein wichtige und machtverleihende Per sonal-Dezernat bearbeitet. Ein kluger und gewandter Mann und nach seiner ganzen gesellschaftlichen und amtlichen Entwicklung schwerlich ein Mißgriff. Neue Bahnen wird er anderseits zu wandeln kaum geneigt sein. Er hat das auch nicht nötig, nach dem man verabsäumt hat, bei der Verabschiedung des letzten Ostmarkengesctzes sich die nötigen Garantien für eine dringend erforderliche durchgreifende Reform des Ansiedlungsorganismus zu sichern. Neben Herrn von Schwerin werden noch die Geheimräte Wahn schasse aus der Reichskanzlei und Ganse aus dem Laiidwiitschastsministcrium als Kandidaten siir den Ansicdlungs- präsidentenposten genannt. Herr Wahnstljasfe war ebenso wie Herr Ganse bei der Ansiedlungskommission früher tätig; der letz tere hatte vor seiner Verusung ins Ministerium bereits als Ober regierungsrat in Posen eine recht maßgebende Stellung und gilt als ein kluger und tüchtiger Beamter. Deutscher Reichstag. 143. Sitzung. 8. Berlin, 8. April. Die dritte Lesung des Vereinsgesetzes beginnt mit einer Generaldiskussion. Abg. Fürst Hatzfeld Reichsp.): Meine Freunde sind bei diesem Gesetz allen berechtigten Wünschen entgegengekommen. Aber ohne den Ausschluß der Jugendlichen wäre ihnen das Gesetz unannehmbar gewesen. Der SpracheniParagraph war eine unbedingte Notwendigkeit. Wir wollen so wie in diesem Falle auch weiter im Block gedeihlich zusammen arbeiten und wollen in diesem Geiste auch da,s große Werk, das uns noch bevorsteht, die Finanzreform, erledigen. (Beifall.) Inzwischen ist Fürst Bülow im Saal erschienen. Abg. Nad- ziwill (Pole) protestiert nochmals gegen die den Polen nachge sagten Losreißungsbestrebungen. Hoffentlich würden für dst, Polen noch einmal bessere Zeiten kommen. Abg. Dietrichs KonWU Ein Aussatz von einem Historiker, der dem Abg. Spahn sehr chstye- steht, sagt: Die Polengefahr besteht, und wer sie leugnet, der kennt die Verhältnisse nicht! (Hört! Hört!) Abg. Junck (Natl.): Wir sind froh, daß sich endlich eine Mehrheit gefunden hat, der das Zentrum nicht angehört. Das Gesetz ist freiheitlicher als alle bisherigen Vereinsgeseße in Württemberg und Bayern und erst recht besser als das in Sachsen. Das Naturrecht ist immer aus gespielt worden gegen nationale Gedanken! Wir Haltei» fest an der Erklärung das Staatssekretärs, daß das Gesetz durch aus loyal ausgeführt werden soll. Wir haben Vertrauen zu dem Staatssekretär, um so mehr weil wir ihn kennen gelernt Haden als einen Mann, der frei von Vureaukratismus, einem ver nünftigen Liberalismus zugcneigt ist! Abg. Heine (Soz.) be kämpft lebhaft die Freisinnigen. Das Schlimmste dieses Gesetzes sind die Unklarheiten, die schließlich der Willkür freien Raum lassen. Das ist der ganze Jammer: größtes Selbstbewußt- fein bei den Konservativen, und bei den Freisinnigen nur die Angst, nicht dabei zu sein. Das Zentrum wartet seine Zeit ab, um zu seiner alten Liebe, Bülow, zurückzukehren! Ich sage bloß: armer Freisinn! Abg. Schrader (freil. Vgg.):. Mit der Sozialdemokratie würden wir nichts erreicht haben. Das war das Motiv für unser Verhalten bei diesem Gesetz. Abz. Haas (Natl.) weist Angriffe zurück, die neulich auf den hessischen Be vollmächtigten v. Neidhardt gerichtet worden waren. Hierauf gelangt ein Blockantrag aus Debatteschluß zur An nahme; worauf noch zahlreiche persönliche Bemerkungen folgen. Es beginnt die Spezialberatung, und hierauf ein Schlußantrag, über den auf Verlangen der Sozialdemokraten, dem auch die vom Zentrum nur noch Becker, Erzberger unds Eiesberts bet- traten, namenlich abgestimmt werden muß. Die Ab änderung ergibt mit A>1 gegen 162 Stimmen bei 5 Enthaltungen, Annahme des Debatteschlusscs. . Sodann wird über einen Ab änderungsantrag Albrecht zum 8 7 namentlich abgestimmt. Er wird mit 100 gegen 170 Stimmen abgelchnt. Für den Antrag stimmten auch Dohrn, Neumann-Hofer- Potthoss, Naumann. Ein Abänderungsantrag des Zentrums wird mit 197 gegen 169 Stimmen abgelehnt. 8 7 wird sodann in einer einfachen Abstim mung in unveränderter Fassung angenommen. sprung solange wie möglich verborgen. Er mag schon zum Manne herangereist gewesen sein, bevor er sich ihm enthüllte und ihn die Welt und seine Umgebung plötzlich in einem ganz anderen, in einem häßlicheren Lichte erblicken ließ. Hat doch auch Napo leon III. erst spät, erst nachdem Tode seiner Mutter.der Königin Hortense, erfahren, daß ihm ein Stiefbruder lebe, und lange Zeit gebraucht, um diesen Flecken aus dem Bilde der Vergötterten zu verwinden. Adelaide Filleul — das war der Mädchenname der Großmutter Auguste de Mornys — hatte sich in erster Ehe mit dem Grasen Charles-Francois FlahautdelaBillarderi« verheiratet, der 1793 das Haupt aus die Guillotine legen mußte. In der Verbannung in England machte die Not sie zur Schrift stellerin, und erst nach ihrer Rückkehr nach Paris schloß sie eine zweite Ehe mit einem portugiesischen Diplomaten, dem Marquis Josö-Maria de Souza. Ihrer ersten Ehe war ein Sohn entsprossen, Auguste de Flahaut, der im Heere Napoleons I. schnell von Stufe zu Stufe stieg, ein tapferer Offizier, ein kühner Reiter und von Acußerem eine schöne, ritterlich« Erscheinung; nicht nur aus den Schlachtfeldern, auch in den Boudoirs eilte er von Sieg zu Sieg. Wann die Neigung der Köni iin Hortende de Beauharnais, der Stieftochter Napoleons I. und Gemahlin seines Bruders, des Königs Ludwig von Holland, zu Auguste de Flahaut entstand, läßt sich nicht mit Bestimmtheit angeben; sicher ist je doch, daß diese Neigung an Madame de Souza eine verständnis volle Beschützerin fand — sie war das Kind einer Zeit, da man von den Fesseln und Pflichten der Ehe nicht eben viel Wesen machte, und sie hatte dies selbst mehr als einmal praktisch be wiesen: mancherlei Anzeichen sprechen dafür, daß der wirkliche Vater Auguste de Flahauts kein anderer als Talleyrand war, der demnach der Großvater de Mornys gewesen wäre. Oft spielte Talleyrand im Hause der Madame de Souza mit dem nied lichen Knaben, und man erzählt, er habe ihm eine große Zukunft vorausgesagt. Im Winter des Jahre, 1811 nahm Madam« st»