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Marandt, Müssen, SieöenLeßn und die Mmgegenden. Amtsblatt für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Milsdruff, sowie für das Rg!. Horstrentamt zu Tharandt. LokalblaLL für Wilsdruff, Alttanneberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Grund bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzosgwalde mit Landberg. Hühndorf, Kaufbach, Kesfelsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Munzig, Neukirchen, Neu» tanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf, Pohrsdorf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdors Schmiedewalde, Sora, Steinbach bei Kesselsdorf, Steinbach b. Mohorn, Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. — —— — Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. 55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — JnsertionspreiS 10 Pfg. pro viergespaltene Lorpuszeile. Druck und Verla q von Marlin Berqer in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berqer daselbst. No. 145. Sonnabeno, den 8. Dezember 1WV. 58. Jahrg. Zum Schutze der Bauarbeiter wird hierdurch vorbehältlich besonderer Vor- schriften im einzelnen Falle Folgendes angcorduet: 1. Die Bestimmungen unter Ziffer 2—6 finden Anwendung: a. bei Hochbauten, wenn einschließlich der Poliere und Lehrlinge mehr als 10 Personen zur Zeit der Rohbau-Ausführung gleichzeitig auf dem Bau beschäftigt sind; während der Rohbau-Ausführung vorübergehend beschäftigte Arbeiter, wie Zimmerleute und dergleichen, werden nicht in diese Zahl eingerechnet; b. bei Tiefbarrten, welche von Unternehmern ausgeführt werden, wenn an einer bestimmten Stelle des Baues mehr als 10 Personen länger als eine Woche gleichzeitig beschäftigt sind. Während der Zeit vom 15. Oktober bis 15. März sind bei Hoch- und Tiefbaulen auch für weniger als 10 dauernd beschäftigte Personen Unterkunftsräume nach Maßgabe der Bestimmungen unter Ziffer 2 zu beschaffen, wenn nicht innerhalb 750 m Entfernung vom Beschäftigungsorte geeignete Räume in Gebäuden zu erlangen sind. Ausnahmen von dieser Vorschrift können in geeigneten Fällen von der Bau-Polizeibehörde gestaltet werden. 2. Zur Unterkunft für die an Bauten beschäftigten Arbeiter bei ungünstiger Witterung und in den Ruhepausen müssen Räume geschaffen werden, welche im Mittel mindestens 2,20 m im Lichten hoch, mit Wänden umschlossen und mit einem Dache versehen sind, und deren Grundfläche derart bemessen sein muß, daß auf jeden am Bau dauernd beschäftigten Arbeiter (vergl. Ziffer 1) eine Flüche von wenigstens 0,75 qm entfällt. Der betreffende Raum muß genügend erhellt sein, einen festen, trockenen Fußboden haben und auf besonderes Erfordern der Polizeibehörde vom 15. Oktober bis 15. März heizbar sein. Für die dauernd auf dem Bau beschäftigten Arbeiter (Ziffer 1) sind in den Unterkunftsräumeu Sitzplätze zur Verfügung zu stellen. Baumateri alien irgend welcher Art dürfen in diesen Räumen, die stets in reinlichem Zustande zu erhalten sind, nicht gelagert werden. Bei Tiejbautcn müssen die Unterknuftsräume so belegen sein, daß der Beschäftigungsart eines jeden Arbeiters von der Unterkuuftsstälte der Regel nach höchstens 750 m entfernt ist. Für schwimmende Unlerkunftsrüume findet die Vorschrift über die - nolhweudige lichte Höhe keine Anwendung. 3. Bereitet in dicht bebauten Ortstheilen die Herstellung besonderer Unterkunfts räume unvcrhältnißmäßige Schwierigkeiten, so kann auch in anderer Weise für die nöthige Unterkunft gesorgt werden. Auf Schankwirthschaften dürfen die Arbeiter jedoch nur dann verwiesen werden, wenn ihnen der Aufenthalt daselbst auch ohne Entnahme von Speisen oder Getränken gestattet wird. 4. Bei Hochbauten müssen für die in Ziffer 1 bezeichneten Personen Aborte in solcher Zahl vorhanden sein, daß ein Abort für höchstens 25 Personen dient. Die Aborte müssen derartig eingerichtet sein, daß von außen nicht hincingesehen werden kann. Erforderlichen Falls sind vor den Thüren Blenden anzubringen. Für Tiefbauten kann die Polizeibehörde die Herstellung solcher Aborte fordern. 5. Für die nach Ziffer 3 herzustellenden Aborte dürfen keine durchlässigen Gruben angelegt, sondern die Aborte müssen entweder an eine öffentliche Entwässer ungsanlage vorschriftsmäßig angeschlossen werden, oder es müssen wasserdichte Tonnen, welche nach Bedarf rechtzeitig fortzufchaffen und durch leere, mittels Kalkanstrichs desiuficirte Tonnen zu ersetzen sind, aufgestellt werden. Diese Tonnen sind durch Sitz- und Stoßbretter zu verdecken. Bei Tiefbauten in freier, von Wohngebäuden entfernter Lage kann die Herstellung einer Erd- arube gestattet werden. 6. Die Aborte müssen genügend erhellt sein und sind stets in reinlichem Zu stande zu halten. 7. Vom 15. November bis 15. März dürfen Stuckateur-, Putzer- und Töpferarbeiten in Neubauten nur dann ausgeführt werden, wenn die Räume, in denen gearbeitet wird, durch Thüren und Fenster verschlossen sind. Die nur vorläufige Anbringung derartiger Verschlüsse ist für genügend zu erachten. 8. In Räumen, in denen offene Koksfeuer ohne Ableitung der entstehenden Gase brennen, darf nicht gearbeitet werden. Solche Räume sind gegen an dere, in denen gearbeitet wird, dicht abzuschließen. Sie dürfen nurvorüber- aehend von den die.Kokskörbe beaufsichtigenden Personen betreten werden. 9. Arbeiterinnen dürfen nur auf solchen Gerüsten Beschäftigung finden, deren Stockwerke durchaus dicht mit Brettern belegt und untereinander nicht durch Leitern, sondern durch eine schiefe Ebene verbunden sind. Meißen, am 16. Oktober 1900. Königliche Amtshauptmannfchaft. Nr. 2220 D. von Schroeter. H. politische Rundschau. Vom Ka iserhvfe. Unser Kaiser, der Mittwoch Nach mittag den Herzog von Altenburg zur Tafel bei sich sah, hörte am Donnerstag Vormittag im Neuen Palais bei Potsdam die Vorträge des Generalinspekteurs der Fußartillerie v. Planitz, des Präses der Artillerie-Prüfungskommission, bayrischen Generalleutnants Frhrn. Fuchs von Bimbach, des Kriegsministers v. Goßler und des Generaladjutanten von Hahnke. Mittags empfing Se. Majestät das Ober haupt der mohamedauisch-indischen Koja-Sekte, Aga Khan aus Bombay. Um 1 Uhr reiste der Monarch nach KönigS-Wusterhausen in der Mark zur Jagd. Deutscher Reichstag. Berlin, 5. Dezember. Ein „schwärzliches Gewimmel" herrscht im Reichstag, der Toleranzantrag des Centrums steht auf der Tagesordnung und führt die unbekanntesten Gesichter in den Saal. Wohl keiner von den Csplänen und Bauerwirthen des Herrn Lieber fehlt heute, wo es gilt, den Jesuiten das Hinter pförtchen zu erschließen. Auf dem historischen Eckplatz hat Graf Bülow pünktlich Platz genommen, neben ihm als Minister für unvorhergesehene Fälle Gras Posadowsky und als juristischer Beirath Herr Nieberding. Sie sind nicht sonderlich aufgeregt, ruhig blicken sie hinab auf das Cent rumsbataillon, dessen natürliche und unnatürliche Tousure, wohl ausgerüstet und vorwurfsvoll zum Himmel starren. Ja, Graf Bülow erwartet nicht einmal den Angriff, er kommt ihm zuvor, indem er noch vor dem Antragsteller den Kampf eröffnet. Und was er sagt, das fällt trotz der höflichen Form dem Ceutrum schwer auf die Nerven. Er lehnt es im Namen der verbündeten Regierungen ab, einem Antrag zuzustimmen, der die Competenzen der Einzcl- staaten in einer der wichtigsten Materien einenge; er würde das Vertrauen, das ihm von den Bundesstaaten entgegen gebracht wird, von Grund aus zerstören, wenn er eine andere Haltung einnähme. Dieser unerwartete Vorstoß vorgetragen, ins er endlich in das rechte Fahrwasser ge langte. Immerhin gestand er ganz offen, daß die Tendenz seinesAnlrages sich vornehmlich gegen Braunschweig,Mecklen burg und Sachsen richte, und man dürfte nicht irren, wenn mau in der bekannten Wechselburger Affaire die Ur sache des Vorstoßes und die Leipziger Kreishauptmann schaft, die den ablehnenden Bescheid fällte, gewissermaßen als die Blutter eines neuen Kulturkampfes ansieht. Herr Lieber sprach lange, aber nicht sonderlich wirkungsvoll. Er war niemals ein Feuerkopf, seit seiner letzten Krankheit ist er geradezu matt geworden. Das zeigte sich schon neulich in der Debatte über China. Immerhin fand er bei den Conservativen insofern Gegenliebe, als ihr Vertreter, Graf Stolberg, in einigen würdigen Worten erklärte, seine Partei werde sich einer Commissionsberathung nicht widersetzen. Für die Sozialdemokraten sprach der frühere päpstliche Zuave Herr v. Vollmar, der mit seiner riesigen Figur und seinem scharf geschnittenen Gesicht eine der interessantesten Er- scheinungev des ganzen Reichstages ist. Er machte sich das Vergnügen, in laugen Ausführungen nachznweisen, daß die katholische Kirche ihrem ganzen Wesen nach keine dogmatische Toleranz duldet, und diese Ausführungen schließlich als Citate aus den Werken des Cardinals Hergen- rölher festzustellen. Auch sonst war der bayerische Sozialist dem Centrum nicht gerade angenehm; es klang ihm weder der Nachweis, daß die Klerikalen als Minorität stets forderten, was sie als Majorität Anderen verweigern, nicht sehr erfreulich in die Ohren und ebensowenig die Anspiel ungen auf den Bildungsgang der jungen Capläue. Aber Herr von Vollmar ist dennoch dem Lentrumsantrag geneigt, weil seine Partei grundsätzlich jeden staatlichen Zwang ab- lchne, er geht sogar weiter, er will nicht nur für die an erkannten Religionsbekenntnisse, sondern für jeden Glauben volle Freiheit. Auch Herr Bassermann hat eine lange Rede präparirt. Er predigt dem Centrum die Lehre guista NON movere, diese, die endlich zur Ruhe gelaugten, nicht von Neuem in Bewegung zu bringen. Der Centrumsan trag aber enthalte diese Gefahr, er bringe Unfrieden statt des Friedens. Es gebe so viele wirthschaftliche und soziale Probleme, die der Lösung harrten, daß man nicht auch religiöse Fragen aufwerfen dürfe. Natürlich ergriff für den Freisinn Herr Eugen Richter das Wort, aber weder bei ihm, noch bei Herrn Bassermann war noch etwas von dem Feuer der Culturkampfzeit zu bemerken; nur dem Abgeordneten für Hagen gelang es, dnrch die Bemerkung, er habe von dem Reichskanzler, als er aufstand, eine Be gründung der gegen den alten Krüger beabsichtigten Haltung erwartet, eine lebhafte Stimmung zu erzielen. Ihm folgte nach weiteren politischen Intermezzos Herr Rickert, der jedoch, ganz wider Gewohnheit, den Faden seiner Rede bald durchschnitt und dem freikonservativen Consistorial- rath Stockmann das Wort schon nach einer Viertelstunde überließ. Und auch er, dessen Partei unter Bethusy Huc die Führung ini Kampfe hatte, blieb zahm und brav; auch er nahm Anstand, auf das Materielle des Antrages ein zugehen, um sich rein auf die verfassungsrechtliche Seite zu beschränken. Mit einer gewaltigen Culturpauke nach bayrischer Melodie setzte erst der Passauer Domarchivar Pichler ein, der unzüchtige Gräulichkeiten deS jetzigen Zu- standes aufzutischen suchte. Starr vor Entsetzen vernahmen es die Capläne und Bauernwirthe des Ccntrums. Vor Allem hat sich Herr Richter gekränkt über die bekannte Affaire von der Wechselburg, die er getreu nach dem Muster der klerikalen Presse als eine erschreckende Beleidigung der katholischen Kirche hinstellte. Aber hiermit rief er den sächsischen Vertreter Grafen Hohenthal auf den Plan, der in fachlicher, ruhiger Weise das ganze Material entrollte. Als dann auch der mecklenburgische Vertreter seine engere Heimath zu vertheidigcn suchte, unterbrach ihn ebenso wie den Gesandten von Braunschweig dauernd das wiehernde brachte Herrn Lieber stark aus dem Concept, der erste Theil seiner Rede wurde denn auch recht stockend und unsicher