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MsdmfferTaMM I Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzei,c»pret«: Li- 8,-spaltkN- R-um,-iI- M Rxsg., Lie « g-spollene Zeile Lei amtlichen Bebonntmochuuseil « Reich-,- Pfennig, die 3 gespaltene Rrklamezeile im textlichen Teile 1 Reichemark. Nachweifungegebühr 2V Aeichspfeuuige. Vor geschriebene Erscheinungs- tage und Platzvorschrtsten werden nach MSglichkei, Fernsprecher: Ami Wilsdruff Nr. 6 berückfich«,«. An,et,«l. annabme bis norm.1VUH». " Mr Lie Aichttgkett der durch FcrnruIübe-mtlteltenAnzeigen übernehmen wir keineiSaianlic. A-d-rRadaIl-nsprnch erIiicht,m-an derB-lrag d«ech Klage eingezogen werden muß oderLer Auftraggeber in Konkurs gerSl. Anzeigen nehmen alle Vcrmilliun gsflellrn entgegen. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, »«, -UlilsLruffcr Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittag« !i Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in »ar «rschLftsstelle und den Ausgabeft-ll-n 2 AM. im Monat, bei Zustellung durch Li« Boten AM., bet Poftbeftellung r «m. ,n,«glich Abtrag« . ,, ,, ... „ . gebühr. Einzelnummern «MPK-All-PostanstaUen Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Postboten und »nser-Ans. AllgerrmdWeschiiflsbeüen ——> nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellNN,«n entgegen. Im Fall, HSHerer Eewal», Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht dein Anspruch aus Lieferung der Zeitung oder Kürzung der Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto deiliegt. Rr 287. — 87 Jahrgang Teiegr Adr: »Amtsblatt« Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2646 Montag, den LV. Dezember 1S28 Locarno in Lugano. Me drei, Stresemann, Briand, Chamberlain, haben vor kurzem große Reden gehalten, in denen sie darlegten, was sie unter der Locarnopolitik verstehen. Gleichzeitig aber — der französische und der englische Außenminister auf der einen, der deutsche auf der anderen Seite — ver sichert, daß der andere drüben diese Locarnopolitik total mißverstehe. In dem Schatten dieser Reden, die übrigens sämtlich recht scharfen Tones waren, sind die „großen drei" «ach Lugano gegangen. Schlechte Aussichten! Sie sind aber auch hingegangen im Schatten ihrer Ka- binettsbeschlüsss. Mit gebundener Marschroute also, deren Richtung für den englischen und den französischen Dele gierten eine Selbstverständlichkeit ist. Nicht aber für den deutschen, dessen Aufgabe mehr eine Art Feststellung ist. Nämlich darüber, was man nun eigentlich unter der Politik von Locarno zu verstehen hat, aber nicht theore tisch, sondern praktisch. Denn „der Worte sind genug ge wechselt" und viel Zweck hat es wirklich nicht, sich darüber »u unterhalten, was man damals eigentlich ..aemeint" bat. Hier wohnt die deutsche Delegation in Lugano. Reparationen, R ü e^ n l a n dr ä u m u n g und Rheinische Überwachungskommission — das sind die drei großen Fragen, über die man in Lu gano sich auseinandersehen wird, hoffentlich auch zu einer Entscheidung kommt. Daß es auch bei und nach einer Einigung über die neue Reparationspolitik zu einer „vor zeitigen" Rheinlandräumung kommt, wird in Deutschland niemand mehr erwarten, geschweige denn zu einer An erkennung des deutschen Standpunktes, daß der Artikel 431 des Versailler Vertrages erfüllt sei, Deutschland einen Rechtsanspruch auf sofortige Räumung habe, weil die ihm auferlegten Entwasfnungs-, militäri sche« und finanziellen Bestimmungen jenes Vertrages teils erfüllt, teils durch andere Festsetzungen abgelöst seien. Vielmehr droht die Gefahr, daß die Räumung noch weiter hinausgeschoben werden, daß die Besetzung auch noch über die festgelegten Termine hinaus als Pfand dienen soll, zum mindesten als Tauschobiekt für eine „überwachungs"politik, für die jene in Genf ersonnene „Feststellungskommission" das Muster abgibt. Und alle diese drei „R"-Fragen sind — dem deutschen Standpunkt entgegengesetzt — tatsächlich in einen engen Zusammen hang hineinmanövriert worden, weil ihre Lösung aufs unmittelbarste von dem „Geiste von Locarno" beeinflußt sei. Also haben auch die Reparationen, hat der Dawes- Plan, entgegen seinem ursprünglichen Charakter, wieder einen alles überschattenden politischen Hintergrund erhalten. Und darin liegt ja letzten Endes auch der Grund dafür, daß man noch nicht einmal zur Bestellung von Sachverständigen für die künftige Dawes-Konferenz gekommen ist. Die französische Presse hat wie auf Kommandowort die Schuld für all diese Ver zögerungen ausgerechnet auf — Deutschlands Konto ge setzt, das sich wieder einmal überaus „halsstarrig zeige". Das Echo in England ist nicht viel anders, zeigt vor allem, wie unbedingt man den französischen Standpunkt billigt. Fällt in Lugano der Schleier von Locarno? Oder hängt dieser Schleier überhaupt nur noch vor deutschen Augen? Deutschland hat damals einen Preis für die Verträge gezahlt, der sehr hoch war, nämlich die freiwillige Anerkennung des 1919 uns auf gezwungenen Versailler Vertrages. Nun wird in Lugano von dem deutschen Vertreter die Frage gestellt werden, was Deutschland hierfür als Gegenwert erhalten hat oder — endlich — erhalten soll Zu hoch wäre der Preis gewesen, wenn dieser Gegenwert lediglich die Zulassung "Deutsch lands zum Völkerbund und das angebliche „Unsichtbar werden" der Rheinlandbesetzung sein sollte, wie Briand «8 darstellt. Dann ist das, was Deutschland sich unter „Locarno" vorgestellt hat, zu einer — Einbildung ge worden. Man erwartet hierüber eine Entscheidung in Lugano. Wie sehr man auch in deutschen Regierungskrcisen sich dek krisenhaften Ernst'es derStunde bewußt ist. geht aus der Mitteilung hervor, daß die deutsche Dele- llation ausdrücklich keine Vollmacht für Entscheidungen in «er Revisionsfrage des Dawes-Abkommens erhalten hat. Die deutsche Regierung will sich von ihrem Standpunkt "icht abdrängen lassen. daß die Neuregelung der Zahlungs- Mads VW bei Sr. Strefemm In Lugano. Begeisterter Empfang Stresemanns. Reichsminister des Auswärtigen, Dr. Strese mann, ist an der Spitze der deutschen Delegation in Begleitung von Staatssekretär Dr. v. Schubert und dem Justitiar des Auswärtigen Amtes, Ministerialdirek tor Dr. Gaus, in Lugano eingetrofsen. Zum Empfang des Reichsministers hatte sich auf dem Bohnhof eine tau- sendköpfige Menge ei «gefunden, die Dr. Stresemann einen sehr freundlichen Empfang bereitete und bei seinem Erscheinen spontan Beifall klatschte. Der Reichsminister, der die Reise gut überstanden hat, begab sich sofort zu dem bereit stehenden Automobil, vor dem ihm ein Mädchen der deutschen Kolonie unter Überreichung eines Straußes weißer und roter Rosen den Willkommengruß entbot. Nach Abfahrt seines Wagens zerstreute sich die tausendköpfige Menge, in der ein leichtes Polizeiaufgebot den Verkehr regelte, nur langsam und in lebhaft interessierten Gesprächen über die bevorstehende Ratstagung, für deren technische und gesellschaftliche Vor bereitung die Stadt Lugano sich alles angelegen sein läßt. Briands Besuch Lugano, 9. Dezember. Die diplomatischen Besuche haben am Sonntag abend begonnen. Der französische Außenminister Briand stattete als erster Dr. Stresemann in dem Palace - Hotel einen Besuch ab, der 1?/» Stunde dauerte. Anschließend begab sich Briand zu Chamberlain, der gleichfalls im Palace-Hotel ab- gestiegen ist. Die Unterredung zwischen Briand und Chamberlain war jedoch nur von kurzer Dauer. Ferner suchte Her italienische Staatssekretär des Aeußern, Grandi, in Begleitung des italieni schen Untergeneralsekretärs des Völkerbundes, Paulucei, den Ge- „erasseüelär des Völkerbundes, Sir Eric Drummond, im Pala- ct-Hotel aus. Ueber den Besuch Briands bei Dr. Stresemann wird folgen des mitgeleilt: Die beiden Minister haben in freundschaftlichem Ton einige auf der Tagesordnung des Völkerbimdsrates stehende Fragen, sowie einige politische Fragen erörtert und sind zu der Auffassung gelangt, daß weitere anschließende Aussprachen im Laufe dieser Tagung des Bölkerbundsrates notwendig sind. Montag Aussprache Briand-Chamberlain Lugano, 9. Dezember. Ueber den Verlauf der heutigen Unterredung zwischen Dr. Stresemann und Briand wurde auf Grund gegenseitiger Vereinbarungen kerne Mitteilung gemacht. Cs besteht jedoch der Eindruck, daß bei dieser ersten Aussprache die aktuellen Fragen bereits erörtert wurden. Es ist wahrscheinlich- daß sich an diese erste Unterhaltung weitere Besprechungen an knüpjen werden, an denen vermutlich auch Chamberlain u. Gran di teilnchmrn werden. Die Sonntag vorgesehene Aussprache zwi schen Briand und Chamberlain ist infolge der Ausdehnung der Unterredung Dr. Stresemanns mit Briand auf Montag verscho ben worden. Briand wird als Präsident des Rates auf der Ratstagung cm Montag eine Ansprache halten, in der er besonders auf das Wiedererscheinen Stresemanns und Chamberlains im Rate be grüßen wird. In unterrichteten Kreisen wird angenonunen, daß Briand hierbei einige politische Bemerkungen über di« Zusam menarbeit der Mächte aus der Grundlage des Locarnopaktes ma chen wird. Es dürste sich hierbei aber nur um eine Geste Briands handeln, in der Absicht, die weiteren diplomatischen Verhandlun gen zu erleichtern. Der ungarische Ministerpräsisident Graf Bethlen wird am Montag in Lugano erwartet. Ein Teil der ungarischen Delegation ist bereits am Sonntag hier eingetrosfen. ilebergrlff der Rheinlandkommission. Vorstoß gegen Ludwigshafen. Tie Stadt Ludwigshafen hatte aus Anlaß der zehn jährigen Besetzung der Stadt durch die Franzosen einen Protestaufruf erlassen. Die Rheinlandkommission Hai nun nach längeren Verhandlungen mit Bürgermeister Klee- ioot nachstehenden Befehl, der erst auf ausdrückliches Verlangen des Bürgermeisters schriftlich erteilt wurde, dem Bürgermeisteramt übergeben: „Auf Befehl der Hohen Kommissto» und im Hinblick auf 8 1 des Artikels 19 der Ordonnanz 308 wird dctz Bürgermeister von Ludwigshafen die mit „Kundgebung" betitelten und von Vertretern verschiedener politischer Parteien unterzeichneten Plakate beseitigen lassen, die an verschiedenen Punkten der Stadt Ludwigshafen an geschlagen sind. Die verlangte Handlung mutz bis zum 8. Dezember, mittags 12 Uhr, beendet sein." Bürgermeister Kleesoot hat die Besatzungsbehörde sofort auf die rechtliche Unhaltbarkeit des Befehls hingewiesen. Allerdings mußte sich die Stadtver waltung mit Rücksicht auf die Bestimmungen der Ordon nanz 308 dqm förmlich gegebenen Befehl fügen. Sie Hal ihren Protest ausdrücklich aufrechterhalten. Gegen französische Industriespionage. Ein Protest der Reichsregierung. Die Reichsregierung hat in Paris und bei der Rheinland Kommission Verwahrung dagegen eingelegt, daß die Beamte« der französischen Geheimpolizei (SüretSs im besetzten Gebiet zil Zwecken der Industriespionage verwendet werden. planes eine unpolitische, rein wirtschaftlich-finanzielle An gelegenheit ist, mit der Rheinlandräumung und der ge planten Überwachung nichts zu tun hat, die vom politi schen Gesichtspunkt aus zu betrachten und zu behandeln sind. Also — die „Locarnopolitik". Und nur diese. Rach den drei Jahren ihrer angeblichen Auswirkung wird man sich endlich darüber klar werden müssen, was sie ist und was sie nicht ist. Feindseligkeiten zwischen Bolivien und Paraguay. Mobilmachung besohlen. Berlin, 9. Dezember. Wie Ms London gemeldet wird, sind zwischen Paraguay und Bolivien osfene Feinfeligkeiten aus- gebrvchen. Es ist bereits zu Schießereien längs der Grenze gekom men, die Vorposten in dem strittigen Gebiet El Chaco nördlich des Bahra-Negro, eines Nebenflusses des Paraguay, sind m Ge fecht verwickelt. Beide Parteien haben Verluste an Toten und Verwundeten zu verzeichnen.. In Bolivien ist Mobilmachung be fohlen worden und man erwartet stündlich die gleichen Maßnah men in Paraguay. Es ist zu befürchten, daß auch andere südame- rikanische Staaten in die Streitigkeiten verwickelt werden können, da das Gebiet El Chaco ein Grenzgebiet zwischen Argentinien, Brasilien und Paraguay ist. Es verlautet gerüchtweise, daß äuße re Beeinflussungen Boliviens für den Ausbruch der Feindseligkei ten verantwortlich sind. — „Chicago Tribune" maldet, daß die bolivischen Truppen Has Fort Wanguardia wieder eingenommen hätten, wo sich die Paraguayer sestgejetzt hatten. Aus La Caz wird wird dagegen gemeldet, daß die Paraguayer später mit Ver stärkungen zurückgekehrt seien. Die Ursache des Konfliktes ist in den alten MeinmVsverschiedenhcsten zwischen den beiden Staaten über die Grenzziehung zu erblicken. LaPaz (Bolivien), 9. Dezember. Auf die Nachricht von der Ucberschrestung der Grenze Boliviens durch paraguayische Truppen hat der Minister des Aeußeren dem Geschäftsträger Pa raguays, Elias Ayala, seine Pässe überreicht. Ayala wurde am Nachmittag unter Bewachung an die Grenze geleitet. Wie zu den Gefechten an der Grenze ergänzeend gemeldet wird, hat die 300 Mann starke Abteilung paraguayscher Truppen die 25 Man» zäh lende Besatzung des bolivianischen Forts getötet. Sie Unruhen im Reiche Mm Mahr. London, 10. Dezember. Die afghanische Gesandtschaft in London Hot eine Mitteilung erhalten, die eine offizielle Bestäti gung der schweren Kämpfe bei Dschellalabad darstellt. Danach sind bei diesen Kämpfen 300 Aufständische gelötet und 200 gefangen genommen worden. Die Shinwaris sollen nach der gleichen Mit teilung inzwischen um Einleitung von Frredrnsverhandlungrn ge beten haben, die gegenwärtig noch im Gange sind. Die Unruhen erstrecken sich nicht allein auf die Shinwaris, sondern auch auf an dere Stämme, die jedoch, wie man hofft, die Waffen strecken wer den, sobald es zu einer Beilegung der Unruhen mit den Shinwa ris kommt. Die britische Regierung verfolgt die Vorgänge mit größter Aufmerksamkeit schon im Hinblick auf die Möglichkeit des Uebertrittes von Aufständischen Ms indisches Gebiet. Konstantinopel, 9. Dezember. Wie aus Kabul ge meldet wird, haben die Regierungstruppen den Führer des auf ständischen Stammes Kudejali gefangen genominen. Er wurde dem Militärgericht übermittelt und sofort erschossen. Die Kämpfe zwi schen den Regierungstruppen und den Aufständischen sind noch nicht beendet. Dschellalabad soll halb abgebrannt und die Bevöl kerung nach Kabul geflüchtet sein. Die Kämpfe werden Wetter fort gesetzt und die Regierungstruppen hoffen, im Laufe der Woche in Afghanistan die Ruhe wieder Herstellen zu können. Einsturz der neuen Sieg- Drücke bei Troisdorf. Siegburg, 9. Dezember. Gestern abend stürzte plötzlich die im Neubau befindliche Sieg-Drücke, die zur neuen Autostraße Köln—Frankfurt a. M. gehört, aus bisher unbekannter Ursache zusammen. Es handelt sich um eine Betonbrücke aus zwei größeren Bogen. Der eine Bogen überbrückt die Sieg, der zweite ein Vvr- slutgkiände. Da Tag und Nacht an der Brücke gearbeitet wurde, find mehrere Arbeiter verunglückt. Nach den bisher vorliegende» Meldungen ist ein Arbeiter ums Leben gekommen, der noch ver mißt wird. Weitere fünf wurden schwer verletzt. Die erste Hilfe leistete die Fabrikfeuerwehr der Manstädt-Werke in Troisdorf, die die Rocht über an der Unfallstelle mit Pechfackeln Bergungsarbei ten vornahm.