Volltext Seite (XML)
MOmfferTageblaii Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrenlamts Tharandt und des Finanzamts Noffen behördlicherseits bestimmte Blatt. für LürgerluM/ Beamte/ Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzelle 20Apfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen ^)ReAs- pfennig, die 3-ejpaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Rachweiinngsgebühr 20 Reichspsenmge. Dor- geschriekene Erscheinnngs- —, _ -- tage und Plotzvorschriften «erden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. anvabme bis vvrm.lOUHr. — — — Für die Richtigkeit der durch Fernrus übermitteltenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. IederRadattansprvch erlischt, wenn derBetrag durch Klage eingezogeu werden mutz oderderAuftraggeberin Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Dermittluv gsstellrnentgegen. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft/ Da» ,Wili»r»fier Tageblatt» «scheint an »llr» Werktagen nachmittag» s Uhr. Bezug-Preis: Del "Abholung in »et DeschLstsftelle unb den Ausgadcstellen 2RM. im Monat, bei Zustellung durch die Bote» 2,MAM., bet PostbcfteUung »«M. zuzüglich Abtrag. ,. gebühr. Li»,einummern ie«p,,.All«P»st,nft-l,en Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend P-ftbot-nund»»,«»«»». träger und LeichLstsstelle» ! ' - nehmen zu srder Ze» Be. stell«,,e» «»gegen. Im Fallt HS Here, Gewalt, Krieg oder sonstiger «etrlebsftörungen besteht »ein Anspruch aus Lieferung d« Zeitung oder Kürzung de« Bezugspreises. — ALchsendung eingesandter Schristpüche ersolgt nur, wenn Port- deiliegt. Nr. 19 — 90. Jahrgang Wilsdruff-Dresden Teleqr.-Adr.: „Amtsblatt Postscheck: Dresden 2640 Freitag, den 23. Januar 1931 Oie Abfuhr. Wenn der polnische Außenminister literaturkundig ist und den Shakespeare gelesen hat, dann kann er jetzt im Kreise seiner Freunde den guten dicken Sir John Fallstaff zitieren: „So lag ich aus, so führt' ich meine Klinge," während die Zuhörer innerlich mit leichtem Hohn recht genau wissen, wie eilig er es hatte, gerade so wie Fallstaff davonzulaufen. Denn seine Antworten auf die beiden Reden des deutschen Außenministers waren ein Davon laufen vor dem, was auf den armen Sir John Zaleski niederprasselte. Als „zweiter Sieger" schlich er vomPlatzdiesesZweikampses.bei dem freilich die Waffen fast allzu ungleich waren, Dr. Curtius dem Gegner rasch und geschickt jede Parade durchschlug und überdies noch eine ganze Menge g u 1 s i tz e n d e r H i e b e aubringen konnte, weil sich Zaleski Blöße um Blöße gab. So ist's doch recht unangenehm, wenn man erst mit ent rüstungsgeschwollener Stimme von einem preußischen Gerichtsurteil erzählt, das sich gegen die Errichtung einer Polnischen Minderheitsschule in Oberschlesicn aussprach, und - ein Hieb, der em „Blutiger" war - Dr. Curtius achselzuckend mit, daß lenes Gerichtsurteil von der yoheren Instanz aufgehoben wurde. Was Herr Zaleski ganz genau weiß. Aber er klagt, daß Deutsch- nv den Polen erne genügende Anzahl von Mlnderheftsschulen vorenthalte; ein zweiter „Blutiger" Ützt prompt: Bon den 5t durch die preußische Regierung Eingerichteten meist mit Lehrern polnischer Staatsan gehörigkeit besetzten Schulen stehen 23 leer, weil die pol nischen Eltern es vorzichen, ihre Kinder in die deutschen Schulen zu schicken. Und schließlich kam „d i e A b f n h r". In seiner ersten Antwortrede auf die Anklagen des deutschen Außen ministers hatte Zaleski zur Entlastung des berüchtigten ostobcrschlesischen Woiwoden Graczhnski und seiner engen Beziehungen zu dem dortigen womöglich noch berüchtig teren Ailfstcindischenverband in plumper Weise auf die Eyrenpräsidcntschaft Hindenburgs beim „Stahlhelm" angespielt. Das war nicht bloß taktlos, sondern noch viel Was Schlimmeres: es. war dumm. Nun kam von Dr. Curtius her ein schneidend geführter Doppelhieb: Es sei nicht üblich, die Staatsoberhäupter in die Debatte zu ziehen, und der Stahlhelm veranstalte keine Angriffe und Verfolgungen gegen Mitglieder der polnischen Minderheit in Deutschland. Es sei geradezu verwerflich, jenen Woiwoden und einen Hindenburg auch nur in dem selben Atemzug zu nennen ... Bös zugerichtet zog Herr Zaleski von dannen und Briand dürfte schwere Arbeit haben, ihn einigermaßen zu flicken. Aber Dr. Curtius ist in seiner Rede noch weit hin ausgegangen über den bloßen Zweikampf mit dem Ver treter Polens, über all diese Einzelheiten. Er wies mit Worten, wie man sie in Genf in dieser Deutlichkeit aus deutschem Munde noch nicht gehört hat — und vielleicht auch noch nicht zu hören brauchte, weil erst jetzt, in den letzten sechs Monaten, das Matz zum über laufen gebracht wurde —, auf den Hintergrund zu all den Einzelheiten hin, die jetzt als Massenklagen er scheinen. Es ist die systematische Entdeutschung der einst zu Deutschland gehörenden Grenzgebiete Polens, wobei die Träger dieser gegen alles Deutsche, gegen Mensch und Besitz gerichteten Politik gerade und vor allem die Be hörden sind. Sie Heizen nicht blotz den Kessel, sehen nicht bloß mit verschränkten Armen oder beifallklatschend zu, wenn polnische Banden über deutsche Menschen und deutschen Besitz herfallen, sondern sie sind aktiv und diri gierend daran beteiligt. Die Behörden aber — das ist der Staat. Und darum verlangt Deutschlands Vertreter vom Völkerbund ein Vorgehen des Polnischen Staates gegen die Schuldigen in seinen Grenzen, außerdem eine Garantie für dieses Vorgehen. Garantien aber auch für die Zukunft: Herr Graczhnski Mutz abberufen werden und die Zusammenhänge zwischen den polnischen Behörden und ihrer antideutschen „Exe kutive", dem Aufständischenverband, sind zu untersuchen. Und noch mehr, hinausgehend über das, was der Deutsche Volksbund in Polen nicht verlangen konnte: Eine Rats- mischeidung, die das Zugeständnis Zaleskis, das in Genf abgeschlossene deutsch - polnische Mindcrhcitenabkommen sei verletzt, noch unterstreicht und damit feierlich darlegt, daß der Völkerbund wirklich ein Hort der Minder heiten sei. Und noch etwas anderes erklärte Dr. Curtius vor dem Genfer Forum Europas: Jawohl, es gibt eine „Ostfrag e" für das deutsche Volk. Eine politische. Und ganz Europa weiß, was diese Ostfrage zum Inhalt hat. Es ist die irrsinnige Grenzziehung im Osten. Niemand lm deutschen Volk denke daran, sie mit Waffengewalt revidieren zu wollen, lind wenn diese Frage den andern unbequem sei — nun, auch Herr Briand hat ja unlängst einmal gesagt, daß der Völkerbund auch an unbequemen prägen nicht vorübergchcn dürfe. Briand wird nicht er freut gewesen sein, an dieses Wort erinnert zu werden; taucht doch dahinter das Drohwort seines damaligen Ministerpräsidenten Tardieu auf, daß es — den Krieg ü?cnn Deutschland offiziell selbst auf Grund der ^olkcrbuudaktc eine Revision seiner Grenzen verlange. tu" s^ne rednerische Pflicht in Genf qe- durcb^ essich zeigen, ob auch der Völkerbund sich durch ^.atcn zu seiner Pflicht bekennt. Sturz der smzWen Regierung Mit zehn Stimmen in der Minderheit. Die französische Regierung wurde bei der Abstim nung über die Interpellation des Abgeordneten Buyat, der für eine von ihm eingcbrachte Entschließung die Priorität verlangt hatte, mit 293 gegen 283 Stimmen in die Minderheit gesetzt und gestürzt. Die Mitglieder der Regierung haben noch am selben Abend dem Staatsprä- identcn ihr Nücktrittsgcsuch unterbreitet. * Paris, 22. Januar. Der Sturz der Regierung Steeg er folgte im Anschluß an die Interpellation Buyats, der bekanntlich im Zusammenhang mit der Getreidepolitik einen scharfen Angriff gegen die Regierung unternommen hatte. Der ehemalige Han delsminister im Kabinett Tardieu, Flandin. unterstützte die In terpellation und machte der Regierung den Vorwurf, die Speku lation zu begünstigen. Diese Spekulation sei auf die voreilige Erklärung des Landwirtschaftsministers Boret in der Kammer zurückzusühren, in der er angekündigt habe, daß die Eetreidepreise demnächst aus 175 Franken erhöht werden würden. Buyat brachte eine Entschließung ein, in der es heißt: „Die Kammer lehnt die spekulativen Manöver ab. die für die Landwirtschaft und den Verbraucher gleich schädlich sind und die als Auswirkungen einer voreiligen Veröffentlichung des Landwirtschaftsministers angesehen werden können." Landwirtschaftsminister Boret verteidigte sich gegen die An griffe Flandin und Buyrats, worauf die Regierung der Kammer eine Einschließung verlegte, in der zum Ausdruck gebracht wird, daß die Kammer der Regierung das Vertrauen aus pricht und ohne Zusatz zur Tagesordnung übergeht. Buyat verlangte hier auf für die Abstimmung seiner Entschließung die Priorität, wo gegen die Regierung die Vertrauensfrage stellte. Bei der Abstim mung über diese Vertrauensfrage blieb sie mit 10 Stimmen in der Minderheit. Das Rücktritt»gesuch Ves Kabinetts angenommen Paris, 23. Januar. Die Mitglieder der Regierung haben sich sofort nach der Abstimmung in der Kammer geschlossen zum Elysee begeben, wo sie vom Staatspräsidenten empfangen wur den. Stataspräsident Doumergue nahm das Rücktrittsgesuch an und bat Steeg und seine Mitarbeiter, die laufenden Geschäfte bis zur Bildung eines neuen Kabinetts zu erledigen. Die Bespre chungen im Ely'ee werden am Freitagvormittag ausgenommen. In gut unterrichteten Kreisen rechnet man für die Zukunft mit einem Kabinett Laval. Der Sturz des Kabinetts kam trotz der vorauszu'ehenden scharfen Aussprache sehr unerwartet und ist zum großen Teil auf einen taktischen Fehler Steegs sowie auf ein ge schicktes Manöver des ehemaligen Handelsministers Flandin zu- rückzuführen. Während Buyat sich darauf beschränkte, lediglich einen von der Regierung begangenen Fehler in der Landwirt schaftspolitik zu verurteilen, für die Boret verantwortlich ist, verschob Flandin die gesamte Aussprache auf ein rein po- litiches Gebiet. Ministerpräsident Steeg beging hierbei die taktische Unklugheit, auf die Ausführungen Flandins einzugehen und sich insbesondere bei der viel umstrittenen Frage des Laien- ge'etzes auszuhaiten, das schon so manchen Kamps hervorgerufen hat. Hätte Steeg sich nicht so weit aus politisches Gebiet vorge wagt, so würde er bei der Stellung der Vertrauensfrage sicher lich eine Mehrheit erreicht haben, wie dies außerdem allgemein erwartet wurde. * Ser Eilldriilk in Eens. Genf, 23. Januar. Der Sturz des Kabinetts Steeg ist am Sitz der deutschen Delegation im Hotel „Metrvpol" in den spä ten Nachtstunden durch eine telephonische Mitteilung der deut schen Botschaft in Paris bekannt geworden und wird in den Kreisen der deutschen Delegation lebhaft erörtert. Uebereinstim- mend besteht die Auffassung, daß der Gang der jetzt eingelcitetcn großen Verhandlungen über die vberschlesische Frage hierdurch in keiner Weise beeinslutzt werden kam. Sollte Briand durch den Sturz des französischen Kabinetts gezwungen sein, noch vor Ab schluß der Tagung des Völkerbundsrates abzureisen, so wird der französische Sitz im Völkerbundsrat durch einen anderen franzö sischen Delegierten, vermutlich Massigst, besetzt werden. NM deine Entscheidung über Mnstnngsdnnsmnz Gehemverhandlungen in Genf. Oberschlesienaussprache vertagt. Die angesetzte Fortsetzung der allgemeinen Aussprache im Völkerbundrat über die Oberschlrjienfrage ist ohne Angabe der Gründe zunächst ver tagtworden. Es kann angenommen werden, daß diese Vertagung mit Rücksicht auf die jetzt etnsetzenden vertraulichen Verhandlungen hinter den Ku lissen erfolgt ist, da die Außenminister der alliierten Mächte zu den deutschen Beschwerden gegen Polen erst Stellung nehmen wollen, wenn sich die Umrisse einer Einigung in den vertraulichen Verhandlungen abzeichnen. Die Verhandlungen über die deutsche Beschwerde gegen Polen sind damit in das entscheidende Stadium eingetretcn. Es wird sich nunmehr für den deutschen Ver treter darum handeln, die den deutschen Interessen ent sprechende Regelung der Frage herbeizuführen. Von ent scheidender Bedeutung ist hierbei, daß der Woiwode Graczynski gezwungen wird, seinen Vorsitz im Auf ständischenverband niederzulegen. Geheimnisse um Vie Abrüstung. Der Präsident des Völkerbundrates, Henderson, hatte unerwartet den Völkerbundrat zu emer ge heimen Sitzung zusammenberufen, die in den Privat räumen des gegenwärtig amtierenden Generalsekretärs des Völkerbundes lagt und zn der mir die 14 Ratsmit glieder ohne Hinzuziehung der übrigen Abordnungsmit glieder zugeiassen sind. In dieser Srtzung ist beschlossen worden, aus der gegenwärtigen Tagung den endgültigen Zeitpunkt für die Einberufung der Abrüstungskonferenz fcstzusetzen. Materielle Beschlüsse sind nicht gefaßt worden. Oeutsch-Ostafrika vor dem Völkerbundrat. Der Völkerbundrat behandelte in der Vormtttagssitzung den Bericht des ständigen Mandatsausschusses, in dem zu der vielerörterten Frage der Zusammenlegung des eng lischen Mandatsgebietes Tanganjika früheres Teutsch- Ostasrika) mit den englischen Kronkolonien Kenia und Uganda festgestellt wird, daß der ständige Mandalsausschuß des Völkerbundes sich mit der Frage befassen müsse, sobald die englische Negierung ihre Entschließung dem Ausschuß übcr- mittett Hai Die englische Regierung Hai sich am 6. September 1929 vor dem Völkerbundrai verpflichtet, ihre Entscheidung über die Zusammenfassung der früheren deursch-ostasrikanischen Kolonien mii den benachbarten englischen Kolonien zunächst dem Mandatsausschutz zu übermitteln. Dabei war die Frage offen geblieben, ob dem MandHsaus- schuß eine entscheidende Einwirkung auf die Entschließung der englischen Regierung möglich sein wurde In der Sitzung hai der Retchsaußenmintster Dr. Cur tius erneut den Vorbehalt der deutschen Regie rung zn den Plänen der englischen Regierung angemeldet. Dr. Curtius wies hierbei daraus hin, daß eine endgültige Stel lungnahme des Berichls des Mandatsausschusses zu dieser Frage noch ntchi vorliege. Er hoffe, daß die englische Regierung nunmehr ihren Standpunkt dazu bekanntgeben werde, und daß sodann der Mandalsausschnß in der Lage sein würde, zu den Planen der englischen Regierung endgültige Stellung zu nehmen, worauf sodann der Bericht des Mandats ausschusses vor den Völkerbundrai gelangen müsse. Der Völkerbundrai nahm den Vorbehalt des deutschen Außen ministers zur Kenntnis. Der temperamentvolle Neger. Im Völkerbundrat gelangte ferner auch der Bericht der internationalen UnlersuchungSkommission über die Skla verei in Liberia zur Behandlung. Der Verlrcler der Negierung von Liberia der Neger Sotlile, suchte in einer langen ungewöhnlich iemperamentvollen Rede, die vielfach zu stürmischen Heilerteits- ausbrüchcn sühne, die Hnllung seiner Negierung zu ver teidigen. Er erklärte, i » allen Ländern pflegten die Beamten zu stehlen. Man könne daraus nicht folgern, daß auch die Negierung von Liberia ein Dieb sei. Die Liberia zur Last geieglen Missernten seien vielsach von nichtliberianischen Beamten ausgcsühri worden Liberia sei durchaus bereit, eine weitere Untersuchung des Völker bundes durch amlliche Sachverständige zuzulasscn nnier der Voraussetzung, daß die Unabhänglgkcii nnd Souveränität des Freistaates Liberia hierdurch »ich, berühr! würde * O-erschlesien muß erledigt werden! Henderson warnt Polen. Der Völkerbundrai hielt nach,nittags eine geschlossene Sitzung ab, in der das Mandat der S a a r r e g l e e r n n g aus ein weiteres Jahr vcrlängcri wurde. Dr. Curtius er klärte, die Entscheidungen über die großen vor dein Völker- bundrat schwebenden Fragen sichen noch aus. Hendes'c," erwiderie, er sei bereu, die Verhandlungen des Vvilerbund- rales weiter auszu dehnen. Bei der deutschen Be schwerde gegen Polen handle cs sich um eine unmittelbare Verantwornichkeit des Böllcrbundratcs. Sollte der Berichterstatter sür die Minderheitenfragen nicht zn einer befriedigenden Regelung gelangen können, io werde er sich als Präsident dcS Liitterbnndratcs gezwungen sehen, cinzugreifcn, unl die Verantwortlichkeit des Völkerbundrates fcstzustcllen