Volltext Seite (XML)
KMlaN 'N MlsiirW Tharandt, Massen, Siebenten und die Amgegendm. Amtsblatt für die Agl. Amtshauptlnannschast Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Älttanneberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Grund bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzosgivalde mit Landberg, Hühndorf, Kaufbach, Kesselsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Munzig, Neukirchen, Neu tanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf, Pohrsdorf, Rshrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf Schmiedewalde, Sora, Steinbach bei Kesselsdorf, Steinbach b. Mohorn, Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Poit bezogen 1 Mk. 55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnserttonspreis 10 Pfg. pro viergespaltene Eorpuszeile. und Verlag von Marlin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich sür die Redaktion Marti» Berqer daselbst. No. 152. Dienstag, -en 25. Dezember, 1. Weihnachtsfeiertag 1SVV. I 58. Jahrg. Weihnachten! > Nun wieder mit so frohem Ahnen Ist heut' erfüllt die ganze Welt — Wie Himmelsgruß zu unsern Bahnen Schwebl's her voui fernen Sternenzelt — Wie strahlt so hehr der Schein der Kerzen Am buntgeschmückten Tannenbaum, Und wundersam durch uin're Herzen, Zieht's hin in sel'gem Kindheitstraum. Der Lichterglanz führt uns hinüber Jn's Reich der längst enischwund'nen Zeil, Vor unserm Geiste geh'» vorüber Die Bilder der Vergangenheit — Was auch des Menschen Herz betroffen, Am heut'gen Tag wird's wieder jung — Der Jugend Sein füllt süßes Hoffen Des Alters Herz Erinnerung. Den Geist dec Liebe, holden Frieden Verkündet uns der Engel Schaar, Auf daß er denen werd' hienicdcn, Da Leid des Menschen Brust gebar. Aus Himmelshöh'u in uns're Mitte Senkt sich hinab dein milder Schein — Wie im Palast, so in der Hülte, Kehr' heil'ger Himmelsfriedc, chi! O, mög'st du immer bei uns weilen — Zu tausendfachem Dank entfacht Soll's drum durch alle Lande eilen Wie Weihgcsang der heil'geu Nacht — Ta tönt es laut im hohen Liede, Und alle Herzen werden wem Willkommen, heil'ger Weihnachtsfriede, Gegrüßi, o sel'ge Weihnachtszeit! Friede. Weihnachtserzählung von Hermann Fuchs. (Schluß.) 3. Wieder drei Wochen vor Weihnachten. Im Hause des Fabrikanten Borchert in Reichenbach herrschte eine trübe, gedrückte Stimmung. Die Ehegatten gingen schweigsam an einander umher. Keines mochte den Schmerz des andern stören; jedes fühlte und litt mit dem andern. Frau Emilie verzehrte sich in herbem Weh. — Sie wollte an Golt und sich selbst verzweifeln. — Gab es denn keinen Erbarmer mehr im Himmel, der ihre Pein linderte? — Nur ein Mutterherz kann empfinden, was es bedeutet, einen Liebling nach dem andern durch ein unabwendbares Verhängniß in der Blüthe der Jugend dahinsterben zn sehen. Bereits waren im Laufe des Jahres zwei Kinder im Alter von sieben und fünf Jahren den bösen Kinder krankheiten erlegen, und nun lag auch noch das einzige Mädchen, ein herziges, süßes Wesen von drei Jahren auf den Tod erkrankt, darnieder. Frau Emilie rang die Hände und schluchzte und weinte — ihre Augen waren vom Weinen angeschwollen.— Wenn alle Thränen, die geweint werden, Zusammen stössen zu einem Meere, — eS wäre groß genug, alles Weh und Leid der Welt darin zu ertränken. — Carl Borchert stand neben seiner auf einem Sopha kauernden Gattin und streichelte ihr liebreich den Kopf. Gerne hätte er sie getröstet. O Gott, er war ja selber so sehr trostesbedürftig, daß er kaum ein Wort hervorzubringen vermochte. Im Nebenzimmer hautirte ein Mädchen; — zwei Schwestern wachten abwechselnd Tag und Nacht bei der Kleinen. Vor etwa einer halben Stunde war der Sanitäts- i rath bei dem Kinde eiugetreten. — War eine Besserung zu erwarten? — Ging's zu Ende? — War keine Möglich keit vorhanden, das entfliehende Leben zu retten? — Gab es denn kein Mittel, wenigstens dies eine Kind zu erhalten o Gott, — o Gott Nun trat der Arzt ein — ernst und würdevoll, wie immer. Borchert ging ihm einige Schritte entgegen; Frau Emilie hatte sein Kommen kaum gehört — sie hatte es instinktiv gefühlt. Halb aufgerichtet starrte sie den Arzt an — theitnahmslos — blöde. Sanitätsrath Treu ging auf sie zu, und erfaßte ihre Hand — sie war schlaff und kalt. „Gnädige Frau, Sie müssen sich nun endlich beruhigen! Die Krisis ist vorüber, und wir dürfen bestimmt annehmen, baß jede Gefahr ausgeschloffen ist —e s liegt wirklich keine Veranlassung zu ernsten Besorgnissen vor — aber wenn das mit Ihnen so weiter geht — gewiß, ich fühle Ihnen nach, aber Sie dürfen sich nicht vom Schmerz untrrkriegen lassen — ich stehe für Nichtsein, wenn Sie womöglich auch noch krank werden!" Er hatte leicht trösten! — Als ihre beiden verstorbenen Kinder schon mit dem Tode rangen — da tröstete er auch noch. Und doch — wie leicht klammert sich das Herz an einer, wenn auch scheinbar noch so geringen Hoffnung. Schließlich ist ja alle Hoffnung nichts weiter, als ange nehme Selbsttäuschung. „Herr Rath! — ich bitte Sie — sagen Sie mir die Wahrheit — wird mein Kind leben — kann es leben?" „Gewiß, gnädige Frau! Sie dürfen es mir glauben — ich versichere-Sie nochmals, es ist jede Gefahr aus geschlossen." Sie küßte dem Arzte die Hand — dann barg sie den Kopf in die Polster des Sophas und schluchzte. Im Befinden der kleinen Erdmuthe war thatsächlich eiue erfreuliche Besserung eingetrelen. Als nach einigen Tagen Sanitätsrath Treu Borcherts Wohnung betrat, fand er Frau Emilie gefaßter — ruhiger, und nachdem er die kleine Patientin untersucht und ihren Zustand den Um ständen gemäß befriedigend gefunden, bat sie ihn um eine kurze private Unterredung. „Herr Rach! Ich hoffe, daß mir dies eine Kind wenigstens erhalten bleibt! Ach — Sie glauben nicht, wie froh und zufrieden — glücklich will ich schon nicht sagen — ich sein will — nach dieser entsetzlichen Angst — wenn Alles glücklich vorüber ist. Wir sind ja keine reichen Leute, aber doch etwas wohlhabend. Wissen Sie, j Herr Rath, ich habe das Bedürfniß, irgend Jemand so recht, recht glücklich zu machen. Ich sagte dies heute früh schon meinem Manne und bat ihn, seinen Arbeitern zu Weihnachten eine Freude zu bereiten. Carl sagte mir, seine Arbeiter erhielten bereits so lange wir die Fabrik . hätten zu Weihnachten entsprechende Geldgeschenke, diese zu erhöhen, würde sich aus besonderen Gründen nicht em pfehlen. Dagegen wolle er der städtischen Armen- und Krankenhausverwaltuug angemessene Summen zur freien Verfügung übersenven. Es ist dies nun ja sehr hübsch von meinem Manne aber, wissen Sie, Herr Rath, es be- friedigt mich doch nicht so recht. Nun dachte ich — wenn ich Sie vielleicht — um einen freundlichen Rath bitten > dürfte?" Sanitätsrath Treu saun einen Augenblick darüber > nach. > „Genehmigen Sie gnädige Frau den Ausdruck meiner aufrichtigsten Anerkennung und meines tiefgefühltesten i Dankes für ihre hochherzige Gesinnung; — — wohl wäre . ich in der Lage, Ihnen die Unterstützung einer hilfsde- > dürftigen Frau empfehlen zu können, indessen — ich glaube > kaum, ob sie etwas aunehmeu wird, da sie sogar die ihr meinerseits wiederholt angebotene materielle Hilfe höflich i aber entschieden abgclehnt hat!" „Was ist das für eine Frau?" - „Sie ernährt sich und ein etwa 6jähriges Töchterchen seit Jahren kümmerlich durch Schneiderarbeiten. Ihr Mann, ein Maler, hat sie, wenn ich nicht irre, vor mehreren Jahren nach einem kurzen Streite verlassen, und ist seit dem verschollen. Das arme Weib ist nun seit einem Jahre lungenkrank und siecht von Tag zu Tag mehr dahin. Die einzige Arzenei für die Krankheit dieser Frau ist Ruhe und gute Pflege. Erstere muß sie entbehren und letztere kann sie sich nicht gönnen, da sie infolge ihres leidenden Zustandes nur zeitweise erwerbsfähig ist. Jede Hilfe weist sie — ob mit Recht oder nicht, sei da hingestellt — zurück. Ich würde mich wirklich herzlich freuen, wenn Sie, gnädige Frau, auf die Bedauernswerthe einigen Einfluß auszuüben und ihre traurige Lage zu bessern vermöchten!" „Ich will es unter Gottes Beistand thun! Wollen Sie mir, bitte Herr Rath, die Adresse der Aermsten an geben?" Der Arzt bezeichnete die Wohnung — Ottilie Neu manns. — — — — - — — — — — 4. „Weihnachtsheiligabend!" Aus einer Art Lehnsessel saß mit kummerschwerer Miene, wachsfarben und abgezehrt, Ottilie Neumann. — Es war zwischen vier und fünf Uhr Nachmittags; — Dämmerung — sie liebte dieses Dunkel. Dämmerung war bisher ihr ganzes Leben gewesen, bis die Stacht vollends über dasselbe kommen würbe. — Ihr Athem war kurz — von Zeit zu Zeit vernahm sie deutlich ein leises Pfeifen in den Lungen, sie wußte es, sie war schwind süchtig. Anfangs hatte der Gedanke an die schrecklichste aller Krankheiten sie geängstet — jetzt war sie daran ge wöhnt. Hin und wieder entrang sich ein Seufzer ihrer schmerzerfüllten Brust. Matt ließ Sie den Kopf hinüber- falleu, die Augen waren halb geschloffen — sie träumte. — Ein Chaos von Gedanken wirbelte ihr durch den Sinn; das Bild eines edlen Menschen stand lebhaft vor ihrer Seele: Sanitätsrath Treu. — Am Vormittag hatte er sie besucht: er habe in der Nähe einem Patienten eine Visite abgestattet, und sei gleich mal mit heraufgekommen. „Nun, wie geht es Ihnen, Frau Neumann?" — Wie es ihr ginge? Wie sollte es ihr geben? Wie immer? „Sie müssen entschieden etwas thun, Frau Neumann, um Ihre Lage zu verbessern und sich einige Pflege an gedeihen lassen zu können. Wie wär's denn, wenn Sie ein Gesuch an die hiesige Armendirektion „Nein, nein — um Gottes Willen nicht!" hatte sie wie verzweifelt abgewehrt, — sie mochte von Niemand etwas annehmen lieber hungern und im Elend weiter dahinsiechen. „Sie sind eigensinnig, liebe Frau, wissen Sie das?! Ihr Benehmen ist schon nicht mehr als Verschämtheit, sondern um einen milden Ausdruck zn gebrauchen, als Dünkel anzusehen. Glauben Sie mir, es wird bei uns ungemein viel von der städtischen Armenverwaltung zur Linderung der Noth gethan, und es fließen oft genug Leuten Unterstützungen zu, die derer weniger bedürftig und würdig sein mögen, als Sie! Sie haben sich durch aus nichts vergeben, wenn Sie sich mit einer entsprechenden Bitte um Unterstützung an die hiesige Armenverwaltung wenden." Des Weiteren sagte der Sanitätsrath: „Wenn es Ihnen recht ist, bin ich gern bereit, Sie in dem Gesuch um ein bezügliches Attest zu unterstützen!" — Dann hatte er, unbemerkbar, in der Tasche sein Portemonnaie geöffnet, diesem ein Goldstück entnommen und es ihr in die Hand gedrückt, mit den Worten: „So, nehmen Sie einstirnstlen diese Kleinigkeit; Sie können es zum Feste brauchen!" Bestürzt blickte sie die Münze und dann den Spender an und legte diese auf den Tisch — Doktor Treu bittend, er möchte das Geschenk zurücknehmen; indessen war