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Auer Tageblatt Anzeiger für öas Erzgebirge amtlichen Bekanntmachungen bes Rate- üer Stabt unb be- Amtsgericht- Aue. p»stsih«ck-K»w«Dx e-erie Et». esss — Mittwoch» tten 2, September 93I 26. Jahrgang Aegemald vor den freien EewEatte«: MIWz- M WWWe UMM Der Reichsarbeitsminister verteidigt seine Saltung — Anrliihrnngen «der die Krise in der Sozialpolitik — Die gegenwärtige Lage und die Rot des kommenden Winters Eewerllchaltrkongrei in Frankfurt _ Frankfurt a. M., S1. August. Der Kongreß der freien Gewerkschaften Deutschlands (14. Bundestag des ADGB) wurde L« Är*"? 0 Uhr hier durch den Bundesvorsitzenden 30g Delegiert«, die insgesamt 4,7 Millionen ^"eder vertreten, nehmen daran teil. Al« Ehren- M nin^ wesend Reichsarheitsmtnlster Dr. Stegerwald. m Aintze vom Reichswirtschastsministe- ü. 7' M°M^Einister Dr. Hirtstefer, «in Vertreter des preuhi. schm Handelsministeriums, der hessisch« Staatsminister Adelung ein Vertreter des bayerischen Ministeriums silr Landwirtschaft P^^ent Schäffer vom Reichsversicherungsamt Donau Berlin vom Internationalen Arbeitsamt, ferner d e Vertreter der Gewerkschaften von Holland, Frankreich Bel- gien, Polen, Schweden, der Schweiz, der Tschechoslowakei und Ungarn sowie Vertreter der befreundeten Verbände und nah«, stehenden Organisationen. Der Bundesvorsitzende führte u. a. au», daß heute wieder Bestrebungen im Gang« seien, die die Arbeiterschaft wieder in den Zustand jener Bedürfnislosigkeit zurlickzustoßen versuchten, in der sie vor NO Jahren gelebt habe. Es sei Aufgabe dieses Kongresses, einen Abwehrwatt gegen jene Bestrebungen zu errichten. Die Ge werkschaften würden nicht den Kampf suchen, aber wenn es sein müßte, so würden sie eine neue Kampfansage annehmen und den Kampf für das Wohl und Wehe der deutschen Arbeiterklasse führen. Nach Vegrüßungsworten des Vertreters des Ortsaus schusses des Bundes Miesbach und des Bürgermeisters Gräf ergriff Reichsarbeitsminister Dr. Stegerwald das Mort zu folgenden Ausführungen über die gegenwärtigen wirtschaftepolitischen und sozialpolitischen Problem«: Gegenwärtig stehe neben Staat und Wirtschaft auch die deutsche Sozialpolitik vor der größten Krise seit ihrem Bestehen. In sozialwissenschaft- lichen Kreisen habe man um die Jahrhundertwende darüber dis kutiert, ob die deutsch« Sozialversicherustg vohl über «inen größeren Krieg htnllbergerrttet werden könnte. Das sei gelungen. Auch über die Inflation hätte sie hinübergebracht werden können. Aber die bei Krieg und Inflation hervorgetretenen Schwierigkeiten wären nicht vergleichbar mit denen, die insbesondere die gesetzliche Sozialversicherung in der nächsten Zeit zu überwinden habe. Man dürfe sich nicht der Illusion hingeben, al» ob die Weltkrtfis und mit ihr das deutsche Arbeitslosenproblem in kurzer Zett bewältigt werden könnten. Die Arbettslosensrage wirke von der Tinnahmeseite her sehr stark auf Bestand und Leistungsfähigkeit der übrigen Sozialversicherung zurück. Deutsch, land sei gegenwärtig das größte Ausfuhrland Europas und neben Amerika das größte Ausfuhrland der Welt. Gin solch«« Land könne weder durch Wirtschaftsautarki« noch in einem unruhigen und unbefriedeten Europa sein Arbeitslosenproblem bewältigen. Nachdem der Minister die Entwicklung der Arbeiterklasse darge. stellt hatte, hob er hervor, daß Die erste Aufgabe der nächsten Wochen und Monate darin bestehe, wie bet knapper Gold- und Devisenbasis die Wirt schaft aufrechterhalten und ihr wenn auch nur ein langsamer An. trieb gegeben werden könne. Er sei der festen Ueberzeugung, daß das, was in den letzten Jahren von der deutschen Wirtschaft auj den verschiedensten Gebieten gefordert worden sei, von ihr «ar nicht geleistet werden konnte. Di« Stegerstaaten hätten versucht, die deutschen politischen Tributzahlungen zu kommerzialisieren, was sich nunmehr als unmöglich und undurchführbar herausgestellt habe. Durch den Krieg und seine Begleiterscheinungen seien den Deutschen zwischen 100 und 150 Milliarden vernichtet oder ent zogen worden. Die deutsche Wirtschaft sollte mehrere Milliarden überhöhter Zinsen h«rauswirtschaften, sehr hohe Steuern auf. bringen, «inen stark aufgeblähten Berwaltungsapparat st, der öffentlichen und in d«r Privatwirtschaft unterhalten, das alles zu- lammen hätte ketne Wirtschaft leisten können. Nachdem der Red ner Zahlen für di« erhöhten Kosten de, ^i^ltungsrates g-. geben hatte, fuhr er fort, er kenn« «ine Anzahl industrieller Groß, betrieb deren Dehalt-konto für die Angestettten sehr v el höher fei, al» da- Lohnkonto derer, die in der ^robnkttonätgselen. In Notzeiten, wie sie di« Gegenwart und die nächst« Zukunft dar. stelle, seien Gehälter von SÜV 000 RM und mehr ein große» BollSärgerntS und zeugen von einer unverantwmtltchen^^llung. A Sozialversicherung sei noch immer da, Sichtung-wesen stark umstritten. Sin Verzicht <mf bi-Mtli^^lfchtüng scheine ausgeschlossen. Man benötige die staatlich« Schlichtung nicht nur zur LL vermeidbarer «rbett-kämpft, Indern auch Stützung der kollektiven Arbest-verfassun«. ILeber Gestalt de, Schltchtung-wesen, könne nur gesagt werden, daß «ine gesetzliche «»nderung Aö'U nicht beabsichtigt sei, »vd wenn ste im «ahmen «ine, wesam Programmes ins Auge gefaßt werden sollt«, werde die» keinesfalls geschehen, ohne daß die Frage vorher mit den Gewerkschaften gründlich durchgesprochen werde. Gegenwärtig stehe «» sehr ungünstig um die gesetzliche Sozialversicherung. Man müsse damit rechnen, daß sie im Jahre 1S8L ohne di« Ar- beitslosenversicherun« rund 1 bi» Milliarde RM weniger Ein- nahmen haben werde als im Jahre 1V2S. Ob mit den seitherigen Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung und mit der jetzt geltenden Krisensteuer trotz größter Sparsamkeit die Arbeitslosen über den nächsten Winter hinübergebracht werden können, sei noch Zweifel- haft. Wenn aber schon jetzt 20 Prozent des Grundlohnes an Bei- trägen zur Sozialversicherung und zur Krisensteuer erhoben wür- den, wenn die Steuerquellen des Reiches, der Länder und Gemein- den im Hinblick auf Deutschlands Desamtlage alle bis auf den letzten Grund ausgeschöpft seien, wenn man um eine Deflation»» oder Redeflationspolittk mit allen ihren wirtschaft»- und preis- politischen Folgen nicht herumkomm«, dann mehrten sich di« Sor gen de» Arbetteminister». Zur Arbeitszeitfrage bemerkte der Minister, daß er eine Aenderung aus der ganzen Linie nicht In Aussicht stellen könnt«, da diese Frage tief in den deutschen Wirtschafts- und Kreditaufbau eingreife. Der letzt« große Fragenkreis, den der Minister erörterte, enthielt das Arbeitslosen problem. Ls sei schwer, über den zukünftigen Umfang der Ar« beitslosigkett in Deutschland Ziffern zu nennen. Man müsse da- mit rechnen, daß in den nächsten sieben Monaten Reich, Länder und Gemeinden an 2 Milliarden RM für die Arbeitslosen werden aufbringen müssen. Man werde u. a. prüfen müssen, inwieweit Arbeitszeitverkürzungen ohne starke Gefährdung der Ausfuhr durchgesührt werden können, inwieweit periodische Auswechse- lungen einzelner Belegschaftsmitglieder mit Arbeitslosen möglich seien, ob in den größeren Städten Volksküchen einzurichten seien, und «ine Naturalverpflegung zur Einführung gelangen könne. Di« Praxis, daß der letzt« Verbraucher häufig doppelt so viel für Lebensmittel bezahle, als der Erzeuger erhalte, könne im nächsten Winter gegenüber den Arbeitslosen nicht durchgehalten werden. In Verbindung mit den Konsumvereinen und dem Ein- zelhandel würden die Städte Vorkehrungen treffen müssen, wonach für die Arbeitslosen die Gegenstände täglichen Bedarfes zu wesentlich verbilligten Preisen erhältlich seien. Nachdem der Minister noch die Ziele der Gewerkschaftsarbeit auf dem Gebiete > der Sozialpolitik umrissen hat, schloß er mit dem Wunsche, daß der Verlauf der Tagung sich günstig für da» Gesamtwohl von Volk und Vaterland auswirken möge. Bundesvorsitzender Lei pari dankte dem Reichsarbeitsminister für seine Begrüßungsansprache, bedauerte aber, daß der Minister keine Gelegenheit .genommen habe, zur Frage der 40-Stunden- woche Stellung zu nehmen. — Namens des Internationalen Ee« werkschaftsbundes sowie der diesem angeschlossenen ausländischen Gewerkschaften überbrachte Schevenels-Belgien in einer Ansprache die Grüß« und Wünsche der ausländischen Bruderorganisationen. Als Leiter de» Kongresses wurden Letpart, Brandes und Schu- mann gewählt. Klagen und Forderungen In anderthalbstündigem Bericht «klärt« d«r Bund ««vor» sitzende, daß sich der Stundenlohn gegenwärtig auf derselben Höh, bewege wie im Jahre 1V28. Di« Wochenverdi«nste d«r Beschäfttg. ten seien aber infolge der verkürzten Arbeitszeit fühlbar -«funken Der schwerst« Vorwurf, den di« Gewerkschaften der Regierung zu machen hätten, f«t, daß st« den Unternehmern «i Hilfe gekommen sei, indem st« di« Parole der allgemeinen Lohnsenkung ausgweben habe, di« sich einseitig gegen die Arbeiterschaft richte. Di« Ent wickelung de, Arbeitsmarkte, habe ,u Angriffen auf da» Prinzip der Arbeitslosenversicherung geführt. Nachdem es bi» September 1S30 gelungen sei, diese Angriff« im wesentlichen abzuwehren, habe die Notverordnung vom 8. Juni «inen gewaltigen Abbau der Leistungen gebracht. Zur Beseitigung der Ungerechtigkeiten dieser Notver ordnung werd« der Bundesvorstand dein Kongreß zu Hilf» rufen. Es weä>e verlangt, daß die Krisenfürforg« und die gemeindlich« Unterstützung der Wohlfahvtserwerbslosen zu einer allgemeinen Reichsarbeitslosenfürsorg« zusammengefaßt werd«. G» werd« be klagt, daß di« Reichsregi«rung bisher noch keine ernstlichen Schritt« zu einer Verkürzung der Arbeitszeit getan hätte. Der Kongreß möge zum Ausdruck bringen, daß «r in der Verkürzung der Ar beitszeit da» sofort wirksam« Mittel erblick«, di« jetzig« Zahl der ArbeitslosenversiHerten zu verringern und weiter« neu« Ent lastungen zu verhüten. Leipart befaßt« sich weiter mit Fragen der Unfallversicherung, d«s Bauarbeiterschutze«, de» Wohnungs wesens, der Jugendarbeit, der Arbeit«rbildung usw. und schloß sein Referat mjt einem Ueberblick über di« international« Lag«. — Bevor in di« Mittagspause eingetreten wurde, kamen di« Anträge zur Abstimmung, die zumeist von oppositionellen Gruppen gestellt worden sind. Rund 17 Anträge verfielen der Ablehnung. L«dtg. ltch der Antrag des Berliner Metallarbeitevverbande», ,p«r G«. werkschaftskongreß erwartet vom Bundesvorstand, daß «r gegen j«den Lohnabbau kämpft", fand genügend« Unterstützung. Zu Beginn der Nachmtttagsschung begann die Aussprache üb«r den Bericht des Bundesvorstandes. In der sehr lebhaft«« Dis kussion wurden größtenteils di« Ansichten und Forderungen de» Bundesvorstandes unterstrichen. Thomas-Berlin (Baugewerks bund) wandte sich gegen den Abbau der Sozialpolitik und gegen den Reichsarbeitsminister. Der Reichsarbeitsminister, erklärt« er, baue die Löhne ab, während Minister Schiel« die Preis« auf baue. Ferner pol«mist«rt« Thoma» dagegen, daß da» Retchsarbett». Ministerium die Löhne nicht für verbindlich erkläre, wenn ste sei ner Meinung nach zu hoch seien. Auf der anderen Seite wage man nicht, an di« hohen Pensionen und an di« Großverdiener heranzu gehen. Auch -usemann-Bochum (Bevgarbeitevverband) wandt« sich lebhaft g«gen die Politik des Reichsarbeitsmintsterimn». Die Arbeiter hätten, führt« «r u. a. au«, heute die Schäden d«r Kapi talfehlinvestierungen de« Bergbaues zu tragen. Der Redner for derte von den Gewerkschaften, di« Gefahr für die Sozialversiche rung mit allen Mitteln abzuwenden. Di« weiter« Ansprache wurde auf Dienstag vormittag vertagt. Diskontsenlung bevorstehend Zentralausschuß der Reichöbank einberufen Berlin, 81. August. Ter ZentralauSschuß der RcichSbank ist für morgen, Dienstag, den 1. September, nachmittags 4 Uhr einberusen. Wie WTB-Handel»!- dienst dazu erfährt, erwartet man in Bankkretsen eine Ermäßigung des Diskont» auf 8 Prozent und de» Lombardsatze» auf 10 Prozent. Sozialdemokraten beim Reichskanzler Berlin, 81. August. Wie da» Nachrichtenbüro de» BDZ. erfährt, wird Reichskanzler Dr. Brüning am Dienstag nachmittag die Führer der sozialdemokra tischen ReichStagSsraktion empfangen. «» wird sich, bei der Besprechung sowohl um die Maßnahmen, die Von der Regierung für den Winter geplant sind, al» auch um.dje in Aussicht gestellten Abänderungen der Not- Verordnung vom Juni handeln, über die in den letzten Wochen zwischen den Vertretern der sozialdemokrati schen Fraktion und den verschiedenen Reichsressort verhandelt worden ist. Gerüchte «m de« Saager Spruch aussichtlichen Inhalt der Entscheidung de» Haager Gerichtes in Sachen de» deutsch-österreichischen Proto koll» für die Zollunion verbreitet. Diese Mitteilungen weichen im allgemeinen wenig voneinander ab und stimmen vor allem in der Angabe überein, daß der Spruch kein eindeutiger sein werde. Angeblich soll nämlich di« Zulässigkeit de» deutsch-österreichischen Pro tokoll» im Verhältnis zum Vertrag von St. Germain anerkannt werde«, während in Bezug auf da» Genfer Protokoll von 1922 aber ein etwa» abweichender Stand punkt eingenommen werd«. Allen diesen Angaben dürfte im Augenblick nicht di« Bedeutung einer authen tischen Wiedergabe d«» bevorstehende« -PrucheS zukom men. Mit der Zusammenkunft der Staatsmänner in Genf erwächst im Hinblick auf die verschiedenartigen politischen Interessen, die von den verschiedenen Mach- ten dort vertreten werden, erfahungsgemäß da» Be dürfnis nach Erzeugung einer gewissen Stimmung«, atmosphäre, au» deren Gestaltung mit solchen Vorher sagen wie den obigen Einfluß zu nehmen versucht wird. Haag, 81. August. Von verschiedenen Haupt- städten der am Haager Spruch beteiligten oder inter- ,stierten Mächte werden heute Gerücht» über den vor- Neuer Antrag auf ReichStagSetnberufung Berlin, 31. August. Der Abgeordnete Torgler hat heule vormittag im Auftrage der kommunistischen Reich», tagsfrattion an den Präsidenten Löbe einen Vries gerichtet, in dem di« sofortige Linberusung de, Reich,tag« «fordert wird. Nach dem Vorschlag der Kommunisten soll sich der Reichstag mit den kommunistischen Anträgen «zf Wch