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Montag, s. Juni 1913. ö. Jahrgang. /wer Tageblatt für das Erzgebirges MÄKrÄsäLW mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage r Muer Sonntagsblatt. Wn^uN na»Ad,WÄ,*W! Eprrchstrm», »«, rtt-aktl»« mit /ta«>ahm» »n Sonntag« nachmittag» 4—» Uhr. — Lrkgramm-flSrrss,, ragedta« fiursrsgettrgr. Ivmspnch«» 53. »«» ^8-iÄÄÄ! PI, unv«rlang< »ta-*slm5t» Manoskript» kann »««ah» nicht e*l«ist«1 w«r»«a. Mam>f8pt»»chi»«üllck Nr. l30. Diese Nummer nmfaht 8 Seiten. IM'' Mutmaßliche Witterung am 10. Aunir Westwind«, wolkig, kühl, zeitweise Riegen. -WL Nach einer Meldung aus Rom wird Kardinal Kopp anläßlich des Regierungsjubiläums dem deutschen Kaiser ein päpstliches Hand« schreiben überbringen. Das Wichtigste vom Tage. Der Bürgermeister von Aue, Herr Dr. Kretz sch» mar, ist heut« Bormittag im 8 7. Lebensjahre gestorben.*) Im Beisein de» Kaiser» sand am Tonntagmittag im Grünewald bet Berlin die feierliche Weihe des deutschen Stadions statt.*) Am heutigen Montag beginnt im englischen Unter hause die zweite Lesung ve» Homerule rs tll. Balsour will namens der Opposition die Zurückweisung der.Borlag« beantragen. Di« rumänisch« Regierung zeigt« den Groß mächten di« Annahme de» Petersburger Proto kolls über die Abtretung Siltstrta» an. Die Zusammenkunft der vier Ministerprä sidenten der Balkanstaaten ist wiederum verschoben worden. 1 st«-« an andern «Ull«. Der Wehrbeitrag nach äen Nommissionsbeschlüssen. Die Regierungsvorlage hatte den einfachsten Weg gezeigt Mr die Feststellung und Erhebung de» Wehrbeitra ges, indeny sie bestimmte, daß vom Vermögen über 10 000 Mark eine Abgabe von einem halben Prozent erhoben wer den solle und daß der Beitrag von einem Einkommen von 50 000 Mark aufwärts ohne Rücksicht aus Vorhanden sein und Höhe des Vermögen» mindesten» zwei Prozent des Einkommens betragen soll«. Von sämtlichen Parteien de» Reichstags wurde diese Gestaltung de» Wchvbeitrage» be anstandet und ein« Staffelung statt der Einheitssätze verlangt. Diesem Wunsche hat sich die Budgetkommission angeschlossen und nunmehr dahin entschieden, dah Einkom men unter 8000 Mark und Vermögen unter 10 OVO Mark gang steuerfrei bleiben, wenn nicht gleichzeitig ein Einkom men von 8000 Mark ^vorhanden ist: ja selbst Vermögen von 80—50 000 Mark, wenn nicht gleichzeitig «in Einkommen von 8000 Mark vorhanden ist. Von dem sestg«stellten Ein» Bürgermeister vr. Nretzschmar «f» Bon einem schweren Mißgeschick ist unsere Stadt Aue betroffen worden: ihr Oberhaupt, Herr Bürgermeister Dr. Maximilian Kretzschmar, ist heute vormittag gegen MO Uhr sanft verschieden. Wir alle, die wir den Berblichenen kl einen Mann von eiserner Tatkraft und unerschütterlichem Arbettsdrange kennen, betrauern seine« Heimgang aus« tiefste und teilen da« schwere Leid, da- so plötzlich und un erwartet über dis Familie de» Verstorbenen gekommen ist. Wohl war Herr Bürgermeister Dr. Kretzschmar in den letz ten Jahren des öfteren erkrankt, stets aber erlangte er seine Gesundheit wieder, sodaß niemand damit hat rechnen kön nen, daß die Stadt ihn so schnell verlieren werd«. Erst am letzten Tage des Mai war er von einem Urlaub zurückgekehrt, der ihm ersichtlich Erholung gebracht hatte, und wer am vergangenen Donnerstag in der letzten Stadtverordneten- sitzung ihn «eschen hat und ihn hat sprechen hören, dem hätte auch nicht im entferntesten nur «in leiser Gedanke daran- kommen können, daß «r wsnig mehr al» drei Tage später au» diesem Leben hat scheiden sollen. Mit rauher Hard hat plötzlich und unevwartet da« Schicksal eingegriffen und einem Leben ein Ende gesetzt, dem unser« Stadt Aue viel Dütes zu danken Hat. Al, Herr Bürgermeister Dr. Kretzschmar vor nunmehr 2» Jahren sein hiesige« Amt antrat, da war Au» noch «in kleiner Ort, der erst seiner Entwickelung zugeflihrt werden sollte. Etwa SVOO Einwohner zählte di« Stadt damals und kurz vorher war beschlossen worden, die Revidiert« Städte ordnung hier etnzuführen. Diese Aufgabe siel Herrn Dr. Kretzschmar zu, der Vi« dahin als Stadtrat in Leipzig tätig gewesen war. Er hatte also «in weit-begrenzte, Arbeitsfeld, al» er nach Aue kam, aber nicht von allen Wogen geglättet lag es vor ihm. Diele Schwierigkeiten waren zu überwin den, di« er mit eiserner Energie au* dem Weg« räumt«, immer das Best« der Stadt im Auge, ihr Wohlergehen, ihr Wachstum, ihre Förderung. Wenn ein lückenloses Bild von dem Schaffen des Verstorbenen gegeben werden sollte, so würde das so umfangreich ausfallen müssen, dah daraus ein ortsgeschlchtliches Werk entstehen würde. Denn das Wirken des Herrn Dr. Kretzschmar als Bürgermeister von Aue hängt so eng zusammen mit der Geschichte der Stadt im letz ten Vierteljahchundert, daß beides voneinander kaum zu trennen ist. Mit weitsehendem, umsichtigen Blick hat Herr Dr. IKretzschmar von Anfang an die Leitung der Geschicke der Stadt Am in sei irr Hand genommen. Fest ergriff er di« Zügel, und dasmutzts so sein, andernfalls die Stadt kaum die Blüte erreicht hätte, auf die st« heute stolz ist mitsamt ihrer Bürger, und Einwohnerschaft. Schon di« Einführung der bereits erwähnten Revidierten Städteord nung war keine leichte Aufgabe; es galt aber, immer wei ter zu streben und dem Blick höher zu erheben. Der Ver storben« fand den rechten Weg -um Ziel«, indem er erkannt«, welchen Wert di« Industrie Mr unser« Stadt haben könne, die gerade damals, als er sein Amt hie« anivat, in sie nichts dagegen, daß Lott, dl« Aelteste, sich noch «ine n«ua Pflicht ausbürdet«. Di« zarte Mutte« dacht« daran, daß ihr unermüdlichste» Kind Vielleicht neben dem Krankenstuhl ein wenig zur Ruhe käme, und der geistlich« Papa widersprach in solchem Fall grundsätzlich keinem Wunsch. To stand denn Dott bereit» am nächsten Lage vor Schwester Agathe und stotterte ihr Anliegen heran» r Ich möchte gern zu Ihrem alten, müden Kranken, Schwe-, ster Agath«. — von wem sprechen Sie, Dvtt? — Run, von dem Zerrupften, den ich gesund lachen sollte. — Ach, und er soll auch Wohl Ähre schöne, weiße Rose da Haven? — Dora Pernitz nickt«. — Dann kommen Ti« nur. Oder n«in, setzen Ti« sich Knen "Augenblick auf j«n«n Sessel — tch möchte ihn doch erst auf Ihr Erschei nen vorb««ittn. Jetzt stand Dora P«rnitz vor d«m stillen, bleich«, Mann und kämpft« mit einer ungeheuren verlegenheft. Da» war ja noch gar kein alter Mann. Da» bißchen angegraut« Haar an den Schläfen täuscht« ft« nicht. R«in — nein.... Si« fühlt« «in« sonderbar« Hitz« in d«n Wangen. Den könnt« st« wirklich nicht gesund lachen. Di« w«tß« Ros« zitterte htlslo» in ihr« Hand. Der Kranke richtet« sich au» seinem Stuhl empor und fragt« leiser Soll ich dies« weih« Ros« haben? Da «ftbt« sie dies« ihm entgegen. E» solüe wirklich nicht da» erst«- urtd letztemal sein, daß st« ht«r neben ihm saß. E» folgten unMlio« Wiederholungen. An jedem Lag« streckte er bereit» di« Hand nach seiner Ros« au», wie durst« st, da Wohl ohne sie kommen? Anfang» war st« still und gedrückt. Dam» aber, ganz allmählich, gewann st« ihre frühere Hefter kett zurück. St« «Ett« ihm von allem, wa» ihr Lv, ben auSsttllt«, und dabei kam «», daß sie auch wtedev lachte. Sine» Lage» richtet« er «in« sonderbar« Frage an ster warum bring«» Sie mir stet» ein« tvetßeRos«? Die Sprache äer Nofen. Eine Sommergeschicht« von KSt» LubowM. »lachdru« Auf dem rechten Arm einen schwergepackten Korb, am Daumen und Zeigefinger der freien Linken je einen kindlichen KrauSkops, so lief Dora Pernitz soeben an Schwester Agathe vorüber, di« ihr mit einem zärtlichen Lächeln hinter den Sittern de» Sanatorium» nachfahr Pastor Dott, wohin laufen Si« denn schon wieder in aller Früh«? Da» jung« Mädchen blickt« zurück und sagte atemlo»r Holzfäller Marten» hat den Arm ge brochen, und sein« Fra« liegt doch seit langem an den Folgen der Lungenentzündung. Soo — und da gibt «» wieder einmal kein« ander« Hilf«, al» ausgerechnet, di« Ihre? St« schleppen schon ohnehin zu viel Lasten bei Ihrer Jugend. Dora Pernitz wandte sich langsam zurück zu der Schwester, welch« di« beste Freundin ihrer Mutter Warr Warum sind Sie in den letzten Lagen eigentlich be ständig unzufrieden mit mir, Schwester Agath«? — All» Sgotsmu», Dottchen. — Könnten Sw nicht «in wenig deutlicher sein? Die Schwester winkt« mit den Augen nach den aufhorchenden Kleinen hinüber. Ihr« Geschwi ster zerren Ihnen ja beinah« di« Fingerletn au» len Gelenken, knurrte si« bedeutungsvoll. Da lächelt« di« kleine Samariterin verständnt»inntg r Laust Vorau», Kin- derlei», ich komm« sogleich nach. Dann n«igt« sw da» lieblich« Gesicht den Gitterstäben näher zu und batr Und nun sprechen SW sich au», Schwester Agath«. Da gibt'» nicht viel zu reden. Ich Hütt« SW gar zu gern mal wteder für «inen neuen Kranken «in Stürm- chen täglich gehabt. Aber sehen St«, ich predig« Ihnen, daß SW sich endlich den Gesund« zuwenden sollen und kommen wird ein Bettag abgezogen, der einer Verzinsung . von 8 Prozent do» abgabepflichtigen Vermögen» entspricht. Einkommen über 6000 Mark werden mit 0, über 60000 Mark mit 8, über 100000 mit 10, und über 200000 mit 12 vervielfältigt, womit da» Einkommen in Vermögen umge- rechnet wird, um einen möglichst einheitlichen Maßstab Mr die Veranlagung »» gewinnen. Diese Umrechnung wurde von nationalliberale« Seite angefochten und statt Wer eine prozentual« Mindeststeuer nach Maßgabe de-Ein kommens gewünscht, die auch der Regierung am angenehm sten wäre; aber da sich auf die Kapitalisierung eine große Mehrheit der Kommission vereinigt«, so fügte sich die Re gierung E» ist auch sehr zu bezweifeln, daß sich da» Ver- anlagungsverfahr«n an der Hand dieses Kunstprodukt» ver einfachen würde, namenlich bei einer Durchstaffelung des Vermögen» von 0,15 bis 1H Prozent. Der Staatssekretär des Retchsschatzamt» hat für die ganz großen Vermögen über einen Staffelsatz von 1^6 nicht hinausgchen wollen, um die großen Kapitalien nicht au» dem Lande zu treiben, es ist daher anzunchmen, daß auch de, Bundesrat noch sine Korrektur an diesem Beschluß der Kommission vornehmen wird, vwlletcht auch noch an manchen anderen Beschlüssen. Dem Gunde»rat ging ««Nigsten» bisher da- Bestreben, s- ties in di« etnzelstaalichen Vermögens- und Einkommens»«- Lältniss« etnzudrtngen, zu weit, weswegen denn auch die Regierung-vorlag« von Einheitssätzen au-ging. Es gibt auch heut« noch Bundesrat«,erttet«, die in der von der Kommission beschlossenen Durchstasfelung die ersten Ansätze Mr «in« künftige R«tch»vermögen»- oder Retchs- einkommenst«u«r erblicken, die sie im Interesse ihrer Finanzhohett nicht Maschen. Di« Veranlagung de- Vermögen- allein wird aus Grund der Kommissiontbeschlüsse keine besonderen Schwierigkeiten bieten, wohl aber die Zusammen- und Gegenrechnung mit dem Einkommen. Mer ein Einkommen von 8000 Mark be sitzt, würde die Steuer von einem mit 6 Vervielfältigten ge- dachten Vermögen von 60 000 Mark zu zahlen haben, und da der Steuerersatz 0^6 Prozent beträgt, so würde er 45 Mark al, Wehrbeitrag entrichten müssen. Hat der Steuer pflichtige aber zugleich Vermögen, so wird von dem Einkom men zunächst «in Beitrag abgezogen, der einer Verzinsung von 5 Prozent des abgabepflichtigen Vermögen» entspricht. Hätte er zu den 5000 Mark noch 100 000 Mark Vermögen, so würden 5 Prozent dieses Vermögens gleich 9000 Mark von dem Einkommen abgezogen, er brauchte also nur da» vermögen zu versteuern, und zwar mit 500 Mark (^, Pro- zent). Hätte er 10000 Mark Einkommen und 100000 Mark Vermögen, so würden ihm vom Einkommen ebenfalls 8000 Mark abgezogen, di« übrigen 5000 Mark Einkommen wür den mit 6 vervielfältigt, rckfo 80000 Mark ergeben, sodaß er insgesamt 180 000 Mark versteuern mühte, also mit LSO Mark. Man wird beim besten Willen nicht behaupten kön nen, daß diese Berechnung-Methode «in Muster von Ein fachheit ist. Anter diesen Umständen wäre e» doch Mn- schenswrtt, wenn di« Kommission bei der -weiten Lesung oder schließlich der Reichstag selbst zu einer handlicheren Method« käm«. tvtll Sie dabet an «inen Krankenstuhl fesseln. — Was fehlt ihr denn, Schwester Agathe? - Dies« Sie ist ein Gr, Kindchen! Ein zerrupfter und überarbeiteter Mann, dessen groß« Unternehmungen und Erfolge auch aus seinen Nerven alle» Brauchbare gesogen haben. — Ist e» hoffnungslos mit ihm? — Fragen Sie nicht mehr Pastor Dott, al» ich antworten kann. Nehmen wir aber an, daß «» so wäre, wenn ihm zum Beispiel eine neue Hoffnung fehlschlag« — Und welche Pflichten haben Sie mir zugedacht, Schwester Agath«? - E» Mr« so hübsch, wenn St« ihm täglich etwa» vorlachten, Kind! Ich glaube, er hat diel Trübe» durchgemacht. Dieser Ge danke mit dem Lachen ist aber nicht in mir geboren. Er hat ihn selbst gehabt. Al» wir nämlich vor ein paar La. äen an diese. Stell, zusammen plauderten, hat er Ihre Stimm« gehört, und seitdem behauptet er, daß er sich un beschreiblich nach solchem Lachen sehn«. - Sch kann aber unmöglich auf Bestellung frkchlich sein. — wer verlangt denn da» ernsthaft von Ihnen? Ich wahrlich nicht! Ich erzähl« Ihnen die» nur gelegentlich. Und jetzt gehen Si» zu Ihren Marten», Dottchen, schnell - schnell. Schwester Agath«, sprach der juiw« Mund zögernd, und in den großen braunen Auge» lag dabei schon wteder ein GlLnyen von Mitleid und Nächstenliebe. Aber Schwe ster Agath« wünscht« kein« Fortsetzung de» Gesprächs» Adieu, Dvtt, wir Haven un» beide bereit» über alle Gebühr versäumt. , Dora Pernitz lief also den «einen Geschwtstern nach, di« einen Kohlweißling zu Haschen versuchten. Al» st« fi« wteder glücklich an der -and hielt, dachte st« ernst haft über da» Gehört« nach. Ein kranker, alt«, zer rütteter Mann sehnt« sich nach einem bißchen Jugend und Frohsinn, und ste hatte sich nicht sosvrt berett er klärt, ihm davon zu spende« - In der Pfarre hatten <